Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 218 Bewertungen
Bewertung vom 24.03.2020
Der Gin des Lebens / Kulinarische Kriminalromane Bd.1
Henn, Carsten Sebastian

Der Gin des Lebens / Kulinarische Kriminalromane Bd.1


sehr gut

Benoit Lerchenfeld, von allen außer seiner Mutter nur Bene genannt, steht an einem Wendepunkt in seinem Leben, als seine Freundin Annika ihn verläßt, er seinen Oldtimer in einen Fluss stürzt und seine Werkstatt eigentlich nur Schulden abwirft. Da kann man sich eigentlich nur betrinken – doch einzige Flasche, die er von seinem früh verstorbenen Vater erhalten hat, stellt sich als unvergleichlicher Gin heraus. Hals über Kopf fliegt Bene nach England, als er eine Visitenkarte von einem Bad&Breakfast in den Unterlagen seines Vaters findet. In der Pension von Cathy Callaghan als weitere Rätsel stößt, zu denen auch der Mord an einem Obdachlosen in ihrem Garten gehört, machen sich die beiden ungleichen Partner auf die Suche nach Lösungen….

„Der Gin des Lebens“, dessen Geheimnis Bene und Cathy finden wollen, ist eine ungewöhnliche Geschichte des Autors Carsten Sebastian Henn , in dem mehrere Genres vereint sind:
Aufgrund des Mordes und den Ermittlungen des unsympathischen Kommissars Dolliver ist das Buch als Kulinarischer Kriminalroman deklariert, doch eigentlich ist die Krimihandlung doch sehr untergeordnet und eingefleischte Krimi-Leser könnten enttäuscht werden.
Einen großen Raum nehmen die zwischengeschobenen (im übrigen auf grauem Papier gedruckten Seiten und schon dadurch auffälligen) Seiten ein, in denen sich alles Wissenswerte zum Thema GIN findet. Hier kann der geneigte Leser viel lernen!
Wichtiger noch ist der (Liebes-)Roman um die etwas schrägen Charaktere Cathy und Bene, die auf der Suche nach dem großen Geheimnis ihrer Väter sind und dabei mehr Gemeinsamkeiten entdecken, als ihnen zunächst lieb ist.
Im Laufe der Handlung finden sich noch etliche weitere Figuren, die alle mehr oder weniger sympahtisch und vor allem schräg zu nennen sind: Cathys Bruder Matt, ihr Exfreund und Ersatz-Jesus Andrew, der pedantische MacAllister, die kernige Eudora, die junge Vicci und natürlich der Corgi King George. Alle sind exzentrisch, aber mit sehr viel Sorgfalt und vor allem Liebe ausgearbeitet und schnell hat man ein genaues Bild vor sich.
Das Setting im idyllischen Plymouth und dem geheimnisvollen Dartmoor sowie zahlreiche Anspielungen auf „typisch Britisches“ lassen auch den England-Freund voll auf seine Kosten kommen. Da könnte ich mir eine Verfilnung sehr gut vorstellen!
Die Spannung zieht sich durch das gesamte Buch und der Autor lässt den Leser mit immer neuen Informationen und Wendungen mitraten bei Benes und Cathys Suche. Schließlich kommt es zu einem imposanten Finale, in dem alle Fragen geklärt werden und auch den Leser mit einem guten Gefühl zurücklassen.
Der Schreibstil insgesamt gefiel mir sehr gut, er war flüssig und nicht zu lange an Einzelheiten klebend, so dass ich zügig vorankam.
Das Buch hat mich wunderbar unterhalten und ich kann es nicht nur Gin-Fans wärmstens weiterempfehlen!

Bewertung vom 23.03.2020
Opferfluss / Nicholas Meller Bd.3
Stassen, Lorenz

Opferfluss / Nicholas Meller Bd.3


sehr gut

Nicholas Meller, Anwalt in Köln, wird von dem Kommissar Thomas Rongen beauftragt, seine Verteildigung zu übernehmen, obwohl die beiden bei früheren Fällen erbitterte Widersacher gewesen sind: Rongen ist vom Dienst suspendiert und wird des Mordes angeklagt, da er im Einsatz möglicherweise eigene Ziele verfolgt haben könnte - und eine entscheidende Tatwaffe verschwunden ist. Wegen einiger Ungereimtheiten, die Polizei und Staatsanwalt nicht zu sehen scheinen, beginnt Meller selbst zu ermitteln und sticht in ein Wespennest, sodass er sich selbst in Lebensgefahr begibt....

"Opferfluss" ist bereits der dritte Teil einer Trilogie um den Anwalt Nicholas Meller, doch es gab für mich keinerlei Verständnisprobleme, obwohl ich die beiden vorhergehenden Fälle nicht kannte.

Lorenz Stassen gelingt es von Anfang an, die Geschichte auf höchstem Niveau zu erzählen und die Spannungskurve nimmt noch weiter zu, so dass ich das Buch überhaupt nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die Handlung ist sehr komplex mit vielen unerwarteten Wendungen, die einen immer wieder aufs Neue überraschen, und doch verbinden sich alle Handlungsstränge zu einem logischen und befriedigendem Ende, das keine offenen Fäden behält.

Die Figuren sind authentisch beschrieben und scheinen meist mehrdimensional, was ich überaus angenehm empfand.

Dass der Autor in Köln wohnt, ist in dem Thriller durch genaue Ortskenntnisse ersichtlich; es muss aber deutlich sagen, dass es sich NICHT um einen Regionalkrimi handelt.

Mir hat dieser beziehungsreiche Thriller sehr gut gefallen und ich empfehle ihn sehr gerne weiter! Schade, dass die Serie um den Anwalt Nicholas Meller hiermit beendet ist, denn ich habe ihn und seine Partnerinnen sehr geschätzt. Hoffentlich gibt es dann bald wieder Neues von Lorenz Stassen zu lesen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2020
Der freie Hund / Ein Fall für Commissario Morello Bd.1
Schorlau, Wolfgang;Caiolo, Claudio

Der freie Hund / Ein Fall für Commissario Morello Bd.1


sehr gut

Der sizialinische Commissario Antonio Morello (genannt »Der freie Hund«) wird auf unbestimmte Zeit nach Venedig versetzt, da er nach einigen Erfolgen gegen die Mafia auf deren Todesliste steht. Er hasst die Lagunenstadt von Anfang an und steht darin seinen Kollegen und anderen Bewohnern nichts nach, die große Vorbehalte gegen Süditaliener haben. Doch zum Glück gibt es ja auch noch eine Assistentin, die dann doch zu dem Sizilianer passt und eine hübsche Nachbarin namens Silvia, die Morello die Schönheit der Stadt näherbringt.
Sein erster Fall besteht darin, den Mord an dem jungen Anführer einer Bürgerinitiative aufzuklären, die gegen die Kreuzfahrtschiffe protestiert, die die Lagune verpesten und deren Reisende die Stadt überschwemmen, ohne wirtschaftlich zu nützen - eine Haltung, die Morello gut nachvollziehen kann.

Wolfgang Schorlau hat sich mit diesem Krimi von seinem bisherigen Ermittler Dengler abgewandt und erschafft - zusammen mit dem sizialinischen Schauspieler Claudio Caiolo - den unbequemen Antonio Morello als Ermittler in einer neuen Serie.

Im Mittelpunkt steht die imposante Lagunenstadt Venedig; und den Autoren gelingt es hervorragend, ein vielschichtiges Bild von der dieser besonderen Stadt zu zeichnen, die zunächst durch ihre Schönheit blendet, deren Verfall und Probleme einen entsetzen und die ein einziges Kunstwerk ist, das man erst nach und nach begreifen lernt. Viele meiner eigenen Empfindungen habe ich so auf den Punkt gebracht gesehen.
Natürlich bleibt es nicht aus, dass man als Leser gar nicht darum herum kommt, einen Vergleich zu den Brunetti-Krimis von Donna Leon zu ziehen; doch in diesen ist der Blickwinkel doch - neben Korruption und Verbrechen - noch mehr aus dem Blickwinkel von Brunettis Liebe zu seiner Stadt gekennzeichnet und ich habe den Eindruck, dass Ortskenntnis und Detailgenauigkeit bei Leon mehr im Vordergrund stehen.

Alle Figuren sind in diesem Krimi detailreich beschrieben und überraschen durchaus auch mit ihrem Verhalten. Die unterschiedlichen Standpunkte waren gut nachzuvollziehen und erschufen ein buntes Bild.

Schorlau wäre nicht Schorlau, wenn nicht auch in diesem Krimi mehr als ein "einfacher Mord" besprochen würde: Korruption und Vetternwirtschaft, wirtschaftliche und Umweltprobleme (nicht nur) Venedigs und vor allem das Treiben der Mafia, die offensichtlich nicht nur allein in Sizilien wirkt, werden dem Leser intensiv nähergebracht. So gelingt es den Autoren, immer auch sachliche Informationen in die unterhaltsame Handlung mit einzubauen. Gekrönt wird das Ganze dann aber durch die herrliche Beschreibung der korrekten Zubereitung der "Caponata". ;)

Der Schreibstil ist locker und flüssig, die Sprache eher einfach. Negativ empfand ich allerdings den etwas zu inflationär gebrauchten Ausdruck "cazzo", der Morello einfach ständig in den Mund gelegt wird. Und auch einen Schmunzler hatte ich das ein oder andere Mal auf den Lippen, sowie das Buch überraschende Wendungen enthielt - ich denke da nur an den doch sehr unkonventionellen Assistenten Morellos.

Für einen echten Kriminalroman ist der Spannungsbogen eher niedrig gehalten, denn, wie schon beschrieben, ist die Verbrechensaufklärung doch eher das Mittel zum Zweck, die gravierenden Missstände im allgemeinen und die Venedigs im speziellen aufzuzeigen. Doch trotzdem wollte ich das Buch nicht aus der Hand legen und hatte viel Lese-Vergnügen.

Mir hat der Auftakt dieser neuen Venedig-Krimi-Reihe um den Commissario Antonio Morello gut gefallen und ich freue mich auf die weiteren Folgen!

PS:
Zu den Vorwürfen, dass das Autorenduo Schorlau/Caiolo bei der Autorin Petra Reski geklaut haben soll, kann ich mich nicht äußern.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2020
Feuerland
Engman, Pascal

Feuerland


gut

In der Colonia Rhein, einer Wohnsiedlung von ehemaligen Nazi-Deutschen in Süd-Chile, herrscht der Patriarch Carlos, der die Arbeit seiner Vaters fortführt, in der vor allem die Clinica Bavaria mit illegalen Organtransplantationen eine wichtige Rolle spielt.
In Stockholm benötigt der Ex-Soldat Nicolas Geld, um seine authistische Schwester zu schützen und steht deshalb im Zusammenhang mit einem Überfall eines exklusiven Uhrengeschäftes und dem Verschwinden von reichen Geschäftsmännern.
Die 42jährige Kriminalkommissarin Vanessa Frank, die nach einer Alkoholfahrt vom Dienst suspendiert ist, langweilt sich sehr und stürzt sich mit Feuereifer in die Aufklärung der Stockholmer Verbrechen, wo sie bald internationale Verbindungen aufdeckt und selbst in Gefahr gerät.

"Feuerland" ist der Auftakt einer neuen Thriller-Serie um Vanessa Frank, eine Kriminalkommissarin mit einem (wieder einmal) schwierigen Privatleben, das Einfluss auf ihre Arbeit hat. Die Personen sind durchaus mehrdimensional angelegt und gut beschrieben, allerdings konnte ich mich mit keiner wirklich identifizieren.

Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Sprache eher einfach und direkt.

Meine größte Kritik an diesem Thriller bezieht sich auf die Spannung:
Während Pascal Engmann in der ersten Buchhälfte die Personen genau einführt und ihre Intentionen und Handlungen beschreibt, baute sich leider überhaupt keine Spannung auf und ich habe mich über lange Strecken gelangweilt, bevor es in der zweiten Hälfte richtig spannend wurde und ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Die einzelnen Abschnitte über die drei zentralen Personen, die anfangs einfach völlig zusammenhanglos dastanden und bei mir viele Fragen auslösten, fügten sich nach und nach immer weiter zusammen.

Die dem Thriller zugrundeliegenden Themen der "Colonia Rhein" und ihrem Wirken, gerade die Menschenrechtsverletzungen in der Pinochet-Ära und die Praktiken des Menschen- und Organhandels, sind wichtige und hochbrisante Fragen, über die ich gerne noch ausführlicher gelesen hätte. Sie kamen für mich hier eindeutig zu kurz.

Die Handlung weist einige unlogische Sequenzen auf, auf die ich wegen des Spoilerns hier nicht genauer eingehen möchte; auf jeden Fall haben unsere Helden immer das nötige Glück oder übermenschliche Fähigkeiten. Ob man sich daran festbeißt oder diese eher überliest, ist wohl eine Frage der Einstellung des Lesers. Durch sie konnte schließlich der Sieg der "Guten" gegen "das Böse" gefeiert werden.

Warum das Buch den Titel "Feuerland" trägt, erschließt sich mir allerdings auch nach der Lektüre nicht. Weder die Handlung ist feuerlastig, noch liegt das Setting in Feuerland, wenn auch mit Südchile wenigstens in geografischer Nähe. Immerhin wird die Entstehung des Namens kurz erklärt.

Insgesamt tue ich mich wegen der vorgenannten Kritikpunkte schwer mit einer Bewertung, insbesondere aufgrund der zweiten Hälfte fühlte ich mich allerdings gut unterhalten.

Bewertung vom 18.02.2020
Ein königliches Geheimnis / Im Auftrag Ihrer Majestät Bd.5 (eBook, ePUB)
Bowen, Rhys

Ein königliches Geheimnis / Im Auftrag Ihrer Majestät Bd.5 (eBook, ePUB)


sehr gut

Aufgrund der Schwangerschaft ihrer Schwägerin reist Lady Victorias Georgiana Charlotte Eugenie mit der Familie ihres Bruders nach Nizza, da die angeschlagene Schwägerin durch die bessere Luft Frankreichs wieder auf die Beine kommen soll. Lady Georgie sollte bald eigentlich zurück nach Schottland geschickt werden, doch die Queen ist auf ihrer Seite und betraut sie mit einem neuen Auftrag: eine der Königlichen Schnupftabakdosen wurde entwendet und der Dieb ist ein Edelmann, der gerade in Nizza logiert. Doch schon auf dem Weg dorthin überschlagen sich die Ereignisse, als Lady Georgie im Zug auf Coco Chanel trifft, die sie als Mannequinn anstellen möchte. Bei der darauffolgenden Modenschau verschwindet ein unbezahlbar wertvolles Collier von Georgies Hals - und bald darauf gibt es den ersten Mord. Wird es Lady Georgie schaffen, aus dem Drama wieder heil herauszukommen? Und wer sind die Frau und das Kind, die sie mit Darcy gesehen hat?

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und bildreich. Diesmal passiert ungemein viel und man muss als Leser aufpassen, nicht den Überblick zu verlieren. Dabei ist die Handlung in diesem fünften Band um die englische Lady gewohnt lustig, völlig verrückt und überzeichnet.

Die Spannung ist von Anfang auf höchstem Niveau und mit jedem weiteren Ereignis wird es noch eine Spur spannender; der Leser fragt sich wirklich, wie Georgie je heil aus dem ganzen Schlamassel herauskommen soll.

Die Figuren sind größtenteils bekannt aus den Vorgängebänden und überaus liebenswert. So langsam kommt Georgie auch bei den Männern aus sich heraus und flirtet, was das Zeug hält. Doch die Männer haben so ihre eigenen Interessen....

Diesmal gibt es leider weniger von Darcy zu lesen, den ich sehr gerne mag. Zum Glück aber auch weniger von Belinda, die diesmal sogar etwas in ihre Schranken verwiesen wird. Von Georgies Familie dagegen erfahren wir aber ganz viele neue Dinge, und vor allem ihre Mutter zeigt eine neue Seite an sich, die ich sehr angenehm empfinde. Je aufgedrehter Georgie wird, desto mehr stärkt ihr diesmal ihr Umfeld den Rücken. Persönlich freut es mich natürlich auch, dass ihrer unsäglichen Schwägerin auch endlich mal mehr Einhalt geboten wird.

Wie schon in den Vorgängerbänden sind die Charaktere völlig überdreht und überzeichnet, aber man hat sich schon so daran gewöhnt, dass es immer wieder schön ist, neue Dinge mit ihnen zu erleben. Auf der anderen Seite passt es in das Bild, das wir heute von der geschilderten Zeit haben: Der Adel war damals noch etwas anderes, als was er heute angesehen wird.

Insgesamt hat mir das Buch wieder sehr gut gefallen. Es sind wirkliche cozy crimes, die Rhys Bowen schreib, wobei es mir diesmal schon fast zu hektisch zuging, da außergewöhnlich viel passiert ist. Ich habe aber eine neue Lieblingsszene in den Büchern entdeckt und Georgie wächst immer weiter über sich hinaus. Ich bin sehr gespannt, was sie noch alles erleben wird und ob sie auch irgendwann einmal eingefangen wird.

Bewertung vom 18.02.2020
Die Frauen von Richmond Castle
Rees, Tracy

Die Frauen von Richmond Castle


gut

"Richmond Castle" ist der wohl etwas protzige Name eines Townhouses in Richmond in den 20er Jahren, das von der wohlhabenden Familie Camberwell bewohnt wird:
Midge ist die zweite Ehefrau des Familienoberhauptes und leidet zunehmend darunter, dass sie sich im Schatten der ersten Frau Audrey zu befinden scheint, obwohl sie ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Stieftöchtern hat - und offenbar gibt es ein Geheimnis um sie.
Die jüngste Tochter, Ishbel Christina Camberwell, genannt Blue, hat nur ein großes Ziel im Leben: Sie möchte gerne Schreiben. Sie ist den Männern und den gesellschaftlichen Vergnügungen nicht gänzlich abgeneigt, doch kommt eine Heirat entsprechend der gesellschaftlichen Konventionen für sie nicht in Frage.
Delphine hingegen hatte bereits eine schwere Kindheit in Armut und hat vorschnell den Dockarbeiter Foley geheiratet, der sie jedoch quält, misshandelt und demütigt, und so beschließt sie, wegzulaufen und ein neues Leben zu beginnen. Durch einen Zufall kommt sie nach Richmond und wird von Blue und der ganzen Familie Camberwell aufgenommen und unterstützt.

An erster Stelle möchte ich das Titelbild erwähnen, das eine Frau von hinten vor einem Tor zeigt - ein Bild, das momentan in dieser Art so austauschbar wie nichtssagend ist und keine wirkliche Verbindung zum Roman aufweist.

(NIcht nur) mit den Beschreibungen der drei so unterschiedlichen Frauen von Richmond Castle erstellt Tracey Rees ein Sittengemälde über die Stellung der Frau vor hundert Jahren. Jede einzelne ist ein Produkt ihrer Umwelt und versucht, sich mehr oder weniger in ihrer Rolle einzufügen und ihr Leben nach ihren Bedürfnissen zu finden. Dabei werden die Grenzen der Freiheit sehr deutlich aufgezeigt. Doch trotz der schwierigen Themen, die hier zur Sprache gebracht wurden, konnte ich mich zu fast jedem Augenblick wohl fühlen in der Geschichte.

Die Autorin hat einen wunderbar flüssigen und anschaulichen Schreibstil, der großes Lesevergnügen garantiert. Die Schilderung der Orte, der Kleidung usw. lassen ein buntes Bild vor den Augen der Leser*Innen entstehen.

Doch so interessant es auch ist, über die frühen Frauenbilder zu lesen und Vergleiche anzustellen, so unspektakulär sind die charakterlichen Ausschmückungen und das Fortlaufen der Handlung. Auf seltsam distanzierte Weise erschafft Rees ihre Protagonisten, zu denen ich keine innige Beziehung aufbauen konnte und die mir einigermaßen fremd blieben.

Ebenso konnte ich keinen großen Spannungsbogen erkennen; die Suche von Foley nach seiner entlaufenen Frau Delphine und auch die Frage nach Midges Geheimnis bzw die Antwort darauf blieben leider vorhersehbar.

Zusammengefasst hat Tracey Reed das Thema der "Emanzipation der Frauen" auf völlig unspektakuläre Weise gut und treffend behandelt und ich möchte für diesen ruhigen Gesellschaftsroman durchaus eine Leseempfehlung aussprechen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2020
Scheintod / Widerstandstrilogie Bd.2
Boije af Gennäs, Louise

Scheintod / Widerstandstrilogie Bd.2


gut

Die 25jährige Sara erhält überraschend einen Job bei einer renommierten Unternehmensberatungsfirma in Stockholm und beginnt eine LIebesbeziehung zu ihrem Kollegen Johann. Zur Ruhe kommt sie dennoch nicht, denn in ihrer nächsten Umgebung häufen sich merkwürdige Vorfälle und brutale Verluste - und auch ihre Mutter, die zusammen mit Saras Schwester weiterhin in Örebrö lebt, erleidet einen Zusammenbruch und kommt nicht wieder auf die Beine. Und findet Sara nach dem Tod ihres Vaters einfach nicht in ein normales Leben ...

Mit "Scheintod" legt die schwedische Schriftstellerin und Drehbuchautorin Louise Boije af Gennäs nun den zweiten Teil ihrer Widerstandstrilogie vor, in der es um eine gesellschaftskritische Verschwörungstheorie geht. Meiner Meinung nach ist es unerlässlich, diese Trilogie als Einheit zu sehen und zu lesen, um den Inhalt umfänglich zu verstehen und das künstlerische Schaffen der Autorin überhaupt genießen zu können!
Ohne das Vorwissen aus dem ersten Band "Blutblume" fehlen beim Lesen wichtige Details, die für das Verständnis unerlässlich sind - und in diesem Band bleiben einige Fragen ungeklärt, die mich dringend auf den dritten Band "Feuerrache" warten lassen!

Die Geschichte ist erzählt aus der Ich-Perspektive von Sara, zu der man so eine intensive Beziehung aufbaut und aus der sich ihre Gedanken und Gefühle vor dem Leser offenlegen. So springt auch die nachvollziehbare Verwirrung und der Selbstzweifel der Protagonistin auf den Leser über - und ich muss zugeben, dass mich diese Verwirrung oftmals überrollt hat und ich nach dem roten Faden suchte (was durchaus so gewollt sein dürfte). Den vielen ominösen Vorkommnissen, die auf Sara einprasseln, konnte ich noch keine wirkliche Idee oder Lösung hinter dem Ganzen entgegenstellen und ich hätte mir doch manches Mal gewünscht, dass die eigentliche Verschwörungstheorie, die im Klappentext artikuliert ist, deutlicher zu Tage treten würde.
Auch die Zeitungsartikel, die Saras Vater zusammengetragen hat und die in ihrer tatsächlichen Realität beängstigend sind, stehen für mich nicht wirklich im Bezug zu den Ereignissen, sondern sind einigermaßen willkürlich in die Handlung eingestreut, was den Lesefluss behindert. Louise Boije af Gennäs verlangt eine ganze Menge von ihren Lesern, denen sie unter dem Mantel der "Verschwörungstheorie" viele kleine Häppchen vorwirft!

Demgegenüber ist der flüssige und authentische Schreibstil überaus angenehm zu lesen und die Autorin schafft es mühelos, gut ausgearbeitete Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers zu erschaffen und die Figuren eingängig zu beschreiben. Insbesondere die "Vogeldame" war ein toller Nebencharakter in diesem Buch, der sich spannend entfaltete. Sara selbst durchlebt allerdings keine große Entwicklung und ihr Handeln ist auch nicht immer nachvollziehbar. So stellte sich mir insbesondere die Frage, wie eine Frau, die beim Militär ausgebildet wurde, oftmals so naiv und hilflos agieren kann?!

Ganz nebenbei ist noch zu erwähnen, dass die Trilogie mit ihrem grellfarbenen Schnitt (nach orangerot ist der von "Scheintod" nun gelb) ein echter Hingucker ist!

Insgesamt kann ich eine Leseempfehlung aussprechen - allerdings nur nach Lektüre des ersten Bandes "Blutblume".

Bewertung vom 13.02.2020
Omega
Trauboth, Jörg H.

Omega


ausgezeichnet

Der Terrorist Ali Naz, der sich an Marc Anderson und seinen "Brüdern" für die Vereitelung eines Terroraktes grausam rächen will, beginnt seinen brutalen Feldzug und Marc versinkt, schwergetroffen, in tiefe Depression, so dass er professioneller Hilfe bedarf. Doch dann mobilisiert er seine letzten Kräfte, um den Kampf aufzunehmen. Und obwohl er diesen Weg alleine gehen will, kann er auf die Unterstützung guter Freunde zählen....

"Omega" ist der Abschluss der Trilogie um den ehemaligen Elitesoldaten Marc Anderson, der sich auch problemlos ohne Vorkenntnis der beiden Vorgängebände lesen lässt; nicht nur, weil diese zu Beginn kurz zusammengefasst werden.

Jörg H. Trauboth ist selbst Experte in Krisenfällen und genießt international einen herausragenden Ruf. Im vorliegenden Thriller widmet er sich nun ausführlich dem Thema "Trauma-Bewältigung" in fiktiver Form und zeigt auf, dass in jedem Ende auch ein Anfang liegt, indem er den Leser zusammen mit dem Protagonisten gleich zu Beginn durch den Mord an der Ehefrau schockiert und in Verzweiflung stürzt - und ihm dann durch professionelle Unterstützung, Menschlichkeit und auch Motivation und Aktion neuen Mut einhaucht. Dabei wird überaus deutlich, wie sehr dieses Thema dem Autor am Herzen liegt.

In einigen kleineren Nebensträngen der Handlung und im großen Showdown kommt es durch die Person des Terroristen Ali Naz und seine Bestrebungen, Israel zu vernichten und einen islamischen Gottesstaat zu erschaffen unter Einbeziehung der Hisbollah und der Hamas, zur Beschäftigung des Thriller zu einem guten Teil auch mit der aktuellen und zukünftigen Nahost-Politik und lässt ebenso Gedanken zur Deutschen und US-Politik einfließen. Selten habe ich dieses komplizierte Thema so klar strukturiert und nachvollziehbar geschildert präsentiert bekommen!

Mit dem Mord am Anfang durch einen (noch) Unbekannten steigt der Thriller gleich auf einer hohen Spannungsebene ein und steigert sich stetig weiter. Und nach dem großen Kräftemessen zwischen Marc und Ali Naz ist auch noch lange nicht Schluss, weitere Höhepunkte kommen auf den Leser zu, der - ebenso wie Marc - nicht weiß, wem zu trauen ist und wem nicht. Dabei bleibt das Verhältnis zwischen Thrill, Action und Psychologie stets in einem ausgewogenen Verhältnis.

Die Charaktere sind authentisch, spannend und nachvollziehbar angelegt; und neben dem sympathischen, wenn auch schwer verwundetem Helden Marc Anderson fühlte ich mich auch weiteren Protagonisten verbunden. Nur die führenden Politiker aus den USA, Deutschland und dem Iran sind wohl eher Wunschvorstellungen.

Der Schreibstil ist absolut flüssig und die Sprache immer stimmig, ein wahrer Page-Turner! Sehr wichtig für mich ist auch, dass die Handlungen und Ereignisse logisch sind, was bei aller Komplexität gewährleistet ist.

In vielen Abschnitten und Handlungen ist die große Fachkundigkeit des Autors klar zu erkennen, jedoch gelingt es Trauboth, Erklärungen harmonisch in die Geschichte einzubetten und auf umständliche und langatmige Beschreibungen zu verzichten und ohne allzu viel Umschweife auf den Punkt zu kommen.

Als besonderes Highlight muss ich auch den Epilog hervorheben, in dem der Autor jedes einzelne Intermezzo zu einem Abschluss führte, so dass der Leser rundum zufrieden und mit einem guten Gefühl das Buch schließen kann.

Jörg H. Trauboth hat mich begeistert sowie zum Nachdenken angeregt und ich kann nur eine absolute Lese-Empfehlung für diesen intelligenten Thriller aussprechen! Ich wünsche mir viel mehr solche Lektüre, wo eine gute Idee, sehr viel Wissen und Fachkenntnis zusammenkommen mit der Gabe, richtig gut zu schreiben!