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Juti
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Insgesamt 769 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2023
Mann vom Meer
Weidermann, Volker

Mann vom Meer


sehr gut

Berglektüre statt Strandlektüre

Was die SZ Strandlektüre nannte, habe ich in den Bergen gelesen. Und selbst wenn ich nicht auf dem Zauberberg war, so konnte ich doch dem Leben von Thomas Mann etwas abgewinnen.

Außer seiner Joseph-Reihe habe ich noch kein Buch des Nobelpreisinhabers gelesen. Doch mit diesem Werk kommt auch der Wunsch, dies mal zu tun, wenn der Nachttisch leer ist.
Nicht einmal die spannende Biografie seiner aus Brasilien stammende Mutter war mir bekannt. Für die Buddenbrocks wird es also höchste Zeit. Und damit ist wohl auch die Reise nach Lübeck gebucht.

Gegen Ende gefielen mir die Kapitel mit Lieblingstochter Elisabeth nicht mehr so gut. Während anfangs gut erklärt wird, warum Thomas in der Liebe zwischen Männer und Frauen schwankt, werden seine anderen Kinder gar nicht gefragt, was sie davon halten, wenn der Vater eine Tochter offensichtlich bevorzugt. Also 4 Sterne.


Zitat: „Als Thomas Mann einen kurzen Prosatext an die örtliche Zeitung geschickt hatte mit der Bitte um Veröffentlichung, schrieb der Redakteur zurück: „Wenn Sie öfters solche Einfälle haben, sollten sie wirklich etwas dagegen tun.“ Der junge Dichter tat nichts dagegen, sondern veröffentlichte „Vision“ […] eben in seiner eigenen Zeitung.“ (81)

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Bewertung vom 18.09.2023
Diesseits des Van-Allen-Gürtels
Herrndorf, Wolfgang

Diesseits des Van-Allen-Gürtels


sehr gut

Abgefahrene Kurzgeschichten

Nach seinem Tod gilt Wolfgang Herrndorf zu den besten Autoren seiner Zeit. Sein Roman „Tschick“ ist Schullektüre geworden. Ich bin auf dieses Buch mit seinen sechs Kurzgeschichten aufmerksam geworden, weil die fünfte Erzählung „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ der Beitrag von Herrndorf war, den er beim Ingeborg-Bachmann-Preis vorgelesen hat, für den er den Publikumspreis gewonnen hat.

Und tatsächlich ist diese Geschichte die beste. Ein von der Raumfahrt überzeugter Junge wird vom Ich-Erzähler dazu gebracht, zu glauben, dass die Mondlandung von Hollywood inszeniert wurde. In der letzten Geschichte geht es dann um den Kannibalen von Rotenburg, der im Internet sein Opfer fand, das er gegessen hat.

Der Inhalt der ersten Geschichte steht in der Produktbeschreibung, im Oderbruch wurde dem Erzähler das Auto geklaut und er landet bei einem seltsamen Mädel. Die zweite und vierte Geschichte habe ich gelesen, aber mehr oder weniger vergessen.


Seltsame Menschen stehen immer im Mittelpunkt. Doch weil ich von zwei Geschichten den Inhalt nicht mehr erinnere, kann ich nur 4 Sterne vergeben.

Bewertung vom 17.09.2023
Die Versuchung von Syrakus
Sartorius, Joachim

Die Versuchung von Syrakus


ausgezeichnet

Literarischer Reiseführer der sizilianischen Stadt

Ijoma Mangold sagte in lesenswert mit diesem Buch kaufe man auch die Reise nach Syrakus. Recht hat er. Wie der Autor die Fäden der langen Geschichte von der Blütezeit unter den Griechen in der Antik bis zu langsamen Niedergang in der Gegenwart zieht, ist meisterlich. Dabei vergisst er auch die Aufklärer nicht, allen voran August von Platen, dessen Grab er mühevoll sucht.

Doch auch die Gegenwart kommt nicht zu kurz. Wie die Schwimmer von Syrakus beschrieben werden, wie sie im Tagesverlauf wechseln ist wie der Name der oben genannten Sendung lesenswert. 5 Sterne

Bewertung vom 15.09.2023
Zwangsgeräumt (eBook, ePUB)
Desmond, Matthew

Zwangsgeräumt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Endlich mal schreibt jemand, wie Armutskreisläufe entstehen.
Da ist der Krankenpfleger, der wegen einer Krankeit opiumabhängig wird. Er verliert seine Arbeit, seine Wohnung und kann erst durch das Methadonprogramm zurück ins Leben finden.

Auf der anderen Seite ist der Vermieter, den die Schicksale nicht interessieren und sich eine goldene Nase verdient.

Bewertung vom 10.09.2023
Frühlings Erwachen
Wedekind, Frank

Frühlings Erwachen


sehr gut

verklemmte Aufklärung

Im Mittelpunkt des kurzen Dramas stehen drei Jugendliche. Die 14jährige Wendla, die in der Diskussion mit der Mutter nicht versteht, warum sie ein langes Kleid anziehen soll. Dann folgt Moritz, der um die Versetzung kämpfen muss, aber von seinem Freund Melchior aufgemuntert wird. Moritz ist zudem verklemmt und wird von Melchior aufgeklärt, erst mündlich, später will er es noch schriftlich haben.

Bildung und Aufklärung sind das Thema dieses Werkes. Wendla verlangt von ihrer Mutter, sie solle erklären, wie ihre Schwester ein Kind bekommen konnte. Sie sagt aber nur, man muss mit einem Mann verheiratet sein und ihn ganz doll liebhaben. Und als sie dann Melchior im Heuboden trifft, wird sie schwanger.

Damit sind die Katastrophen für den dritten und letzten Akt angerührt. Es beginnt mit der Lehrerkonferenz, die Melchior von der Schule verweisen will, weil er für den Selbstmord seines Freundes Moritz verantwortlich gemacht wird, da seine Aufklärungsschrift in Moritz Ranzen gefunden wurde. Statt aber mit Melchior, diskutieren die feinen Herren mit Namen wie „Sonnenstich“ und „Knochenbrecher“ lieber, ob man ein Fenster öffnen soll. Auf der Beerdigung zeigen sich die Gelehrten auch wenig mitfühlend, nach dem Motto: Wir hätten ihn ja sowieso nicht examiniert.

Und Wendla stirbt an den Abtreibungsmitteln, die ihr in einer Klinik verabreicht werden. So endet das Drama auf dem Friedhof, wo Melchior, der aus der Besserungsanstalt geflohen ist, den Geist von Moritz und eien vermummten Herrn trifft, sich aber nicht entschließen kann, ans andere Ufer zu gehen.


4 Sterne für einen Klassiker, der die behandelten Probleme sehr schön satirisch überspitzt. Die letzte Szenen der drei Akte sind aber jeweils zu rätselhaft, als dass ich 5 Sterne geben könnte. Auch wird vieles nur angedeutet. Bei der Szene auf dem Heuboden it nämlich nicht klar, ob es wirklich eine Vergewaltigung war, so dass wir impressionistisch sagen müssen:

Ach, was soll man so von Dingen halten,
die mit uns die Welt gestalten.

Bewertung vom 06.09.2023
Das Verschwinden des Josef Mengele
Guez, Olivier

Das Verschwinden des Josef Mengele


ausgezeichnet

Der Fluch der bösen Tat

Mag ja sein, dass die Geschichte des Todesarzt von Auschwitz noch spannender zu erzählen ist. Aber auch so hat mich dieses Buch gefesselt. Nachdem ich von der Entführung Eichmanns erfahren habe, wollte ich wissen, wieso Mengele nicht verhaftet wurde.

Und das sieht auch das Buch so. Im ersten Teil „Der Pascha“ ist von seinem Leben in Argentinien unter Perron die Rede. Dass dieser Staatsmann mit der berühmten Ehefrau ein solcher Faschist war, war mir auch neu. Er hoffte, dass die USA und Sowjetunion im kalten Krieg bekämpfen und er mit seinem dritten Weg gewinnen würde.

Aber es kam anders, wie das zweite Kapitel "Die Ratte" beleuchtet. Nach Perrons Entmachtung und der Verhaftung Eichmanns musste Mengele sich verstecken, erst in Paraguay, dann bei einer Familie in Brasilien. Dies ging nur, weil seine Familie fürstlich für seine Unterkunft zahlte. Selbst nach seinem Tod am 7.2. 1979 wurde er weiter gesucht.

Erst der Epilog klärt auf, wie der Tod des Nazi-Arztes öffentlich wurde und wie dann auch die Familie in Günzburg den Namen der Firma Mengele ändern musste, weil die Geschäfte wegen des Terroronkels immer schlechter liefen.

Alles in allem ist doch erstaunlich, wie lang es brauchte, bis in der Geschichtsschreibung sich die wahrhafte Verfolgung des Terrors durchsetzte. 5 Sterne

Bewertung vom 30.08.2023
Babylon
Reza, Yasmina

Babylon


schlecht

Schluss mit lustig

Die Schachspielerseite 64 war die letzte. Kurz vorher wurde zwar noch ein Schachbuch ausgepackt, doch auch nach 64 Seiten war überhaupt nicht klar, warum dieses Buch „Babylon“ heißt.

Schon bei letzten Werk „Reza“ bemängelte ich den fehlenden roten Faden. Damals hatte ich noch gewisse Stärken gefunden. Hier nicht, hier gibt es einfach nur Beziehungsgespräche.

Ich wollte Reza noch eine zweite Chance geben, die hat die Autorin vergeben. Ich werde kein Buch mehr von ihr lesen. 1 Stern

Bewertung vom 25.08.2023
Reine Farbe
Heti, Sheila

Reine Farbe


weniger gut

unglückliche Sichtveränderung

Wenn Denis Scheck in Druckfrisch meint, dass dieses Buch meine Sicht auf die Welt verändern wird, dann hat er zweifellos Recht. Bis auf seine Vorliebe für Science-Fiction, die ich nicht teile, habe ich sein Urteil – im Gegensatz zu den Geheimtipps von Frau Wilke – immer geschätzt. Doch hier hat er ein langweiliges Buch in den Himmel gelobt.

Ich weiß nicht, was Scheck begeistert. Vielleicht weil die Autorin die Menschen in drei Gruppen einteilt: Vögel- Fisch- und Bärenmenschen. Aber ist das so gehaltvoll?
Oder freut sich der Atheist Scheck, dass Heti Gottes Schöpfung als ersten Entwurf ansieht, dem noch ein zweiter, wohlmöglich besserer folgen wird?

Ja, so viel im ersten Teil, im zweiten Teil stirbt der Vater der Hauptperson Mira und verwandelt sich in ein Blatt, das aber nicht mehr mit Mira redet. Klar, das sind die transzendenten Themen und ich habe mich gefragt, ob nicht mit Vater Gott-Vater gemeint sein kann. Schecks Interview mit der Autorin lässt mich dazu aber im Regen stehen. Ich leide immer, wenn theologische Themen von Atheisten behandelt werden, deren Hauptaufgabe es ist, Gott lächerlich zu machen.


Und so plätschert dieses kurze Buch – nicht nur jedes Kapitel lässt zwei Seiten frei, auch jeder Abschnit fängt auf einer neuen Seite an, so dass es mehrere Seiten mit nur einem Satz gibt – dahin. Es gibt einige schöne Bilder, aber letztlich sind 2 Sterne wirklich genug. Zum Nachdenken hat es mich nie gebracht.