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Benutzername: 
MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 440 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


sehr gut

Den Schalk im Nacken. Wer Andrej Kurkow kennt, dem ist bekannt, was in seinen Romanen zu erwarten ist. In St.Petersburg geboren, in Kiew lebend und russisch schreibend, kennt sich Kurkow aus mit dem Verbrechertum in dieser Welt, zumal er selbst auf Erfahrungen als Gefängniswärter zurückgreifen kann. Dieses Mal nimmt er unsLesende mit nach Kiew und versetzt uns zurück in Zeiten großen Durcheinanders und politischer Wirren, zurück in die Zeit nach der russischen Revolution in das Jahr 1919. Direkt zu Beginn wird der Vater der Hauptperson Samson durch Kosaken getötet und ihm selbst wird dabei ein Ohr abgetrennt. Wegen seines guten sprachlichen Ausdrucksvermögens bekommt Samson - unterstützt durch kleine Zufälle - eine Anstellung bei der Miliz und darf ermitteln. Die Kriminal-Story ist hierbei für mich nicht das Wesentliche an dem Roman (zumal es recht seltsam zugeht, ein Oberschenkelknochen aus Silber, ein unfertiger Anzug aus teurem Stoff und auch Samsons abgeschnittenes und in einer Blechdose gelagertes Ohr eine Rolle spielen); die Beschreibung der Zustände, die Absurditäten der Ereignisse und Andrej Kurkows Augenzwinkern, welches einen über die Seiten hinweg begleitet - das ist der wahre Kern des Romans. Enttäuscht sein werden also diejenigen, die einen klassischen Krimi erwarten - Menschen mit eigenem Schalk im Nacken werden "Samson und Nadjeschda" mögen... und auf die Fortsetzung warten... auch um zu erleben, wie sich das zarte Gespinst der Liebe zwischen den Namensgebern des Romans weiter entwickeln wird.

Bewertung vom 30.09.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1


sehr gut

Wunderbar old-school - das dachte ich, als ich den 1973 zuerst erschienenen japanischen Krimi "Die rätselhaften Honjin-Morde" von Seishi Yokomizo in Händen hielt. Ein schmaler Band mit toller Haptik und einem Cover-Design, welches an die guten alten Tage von Agatha Christie, Edgar Wallace und Konsorten erinnert; welch große Freude wäre es, von diesen Krimis eine ganze Reihe in seinem Bücherregal beherbergen zu dürfen. Die gelungene Übersetzung in eine klare Sprache erleichtert den Lesefluss; jpanische Begriffe werden auf den letzten Seiten im Glossar erläutert und ein Personenverzeichnis ist eine zusätzliche, gute Unterstützung. Aus einer distanzierten und stellenweise berichtsartigen Erzählperspektive dürfen die Leser:innen die puzzelsteinartige Aufklärung eines äußerst ungewöhnlichen Mordfalles aus dem Jahre 1937 (der sich in einem quasi 'geschlossenen Raum' des Anwesens der Familie Ichiyanagi ereignet) verfolgen: In ihrer Hochzeitsnacht werden die Braut Katsuko und der Bräutigam Kenzo, ältester Sohn der Familie, tot aufgefunden. Die auf diesem Ausgangsszenario aufbauende Kriminalgeschichte ist ein wunderbares Ratespiel (zumal sie schon früh mit kleinen Hinweisen auf die Lösung gespickt ist) - und das bis zum Schluss. So erfahren wir nach und nach, welche Rolle ein dreifingriger Mann auf der Durchreise spielt und welche Bedeutung der Koto zukommt, einem Seiteninstrument, welches mit drei mit Plektren besetzten Fingern gespielt wird, auch spielt eine gut sortierte Bibliothek aus Klassikern der Kriminalliteratur eine Rolle, ganz zu Schweigen vom Zusammenwirken der Familienmitglieder in ihren unterschiedlichen Rollen und Persönlichkeiten; aber erst durch die zusätzlich zur Polizeiarbeit erfolgte Hinzuziehung von Privatdetektiv Kosuke Kindaichi klärt sich der Fall auf. Und am Ende wartet schließlich die sehr überraschende Lösung! Ein Buch wie ein gutes Online-Game! Lektüre für einen verregneten Nachmittag!

Bewertung vom 26.09.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Weit mehr als nur eine Familiengeschichte ist Daniela Dröschers neuer und für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman "Lügen über meine Mutter" allemal. Die Autorin setzt den Roman in der Gegenwart an - das Gespräch mit der Mutter, die Absicht verkündend, ein Buch über die Familie zu schreiben und die Reflexion der Jahre 1983 bis 1986. Dies sind die kurz gehaltenen aber aufschlussreichen Einschübe, die dem eigentlichen Text, der Geschichte über die Familie aus der Tochterperspektive, einen Rahmen geben. Die Geschichte selbst ist ein großartig angelegter Entschlüsselungsversuch: Die Frage, warum die Entwicklungen in ihrer Familie genau diesen Verlauf genommen haben und das auf dem Hintergrund einer hunsrücker Dorfgemeinschaft in der Mitte der 80-er Jahre. Was war offensichtlich und für sie aus der Tochterperspektive zwar beobachtbar, aber damit noch lange nicht verstehbar? Was waren Auslöser und Verursachungen der Abwärtsdynamik dieser Familie? Und was waren die Geheimnisse ihrer Familie? So heißt es schon auf der ersten Seite: "So wie jeder Mensch drei Leben hat. Ein öffentliches, ein privates und ein geheimes." Da ist der Vater, der empor kommen möchte aber immer wieder scheitert und das Dicksein der Mutter verantwortlich macht, das eigene Leben nicht kontrollieren kann, aber glaubt, Kontrolle über seine Ehefrau ausüben zu können. Da ist die in ihrer Ehe unglückliche Mutter und schließlich die erzählende Tochter, zerrissen zwischen ihren Eltern. Und die späte Klärung durch das Schreiben. So fragt sich Daniela Dröscher gegen Ende des Buches - als die Geschichte schon fast zuende erzählt ist - in einem Dialog mit sich selbst: "Ist es wirklich notwendig, darüber zu schreiben? Ja. Kann Literatur einen retten? Vielleicht. Weil einen Literatur Dinge verstehen lässt, die man vorher nicht verstanden hat? Ja." Ein intimes und großartiges Buch. Danke, dass ich teihaben durfte.

Bewertung vom 16.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


sehr gut

Düster. Echt düster, der neue Roman von Friedrich Ani; fast wie wenn man duch ein "Bullauge" in die dunklen Tiefen des Ozeans (der Seelen) blicken würde. Als großer Fan des Autors waren meine Erwartungen hoch und auch die Rahmenhandlung versprach einiges: Polizist wird auf Demo von Verschwörungstheoretikern und Konsorten von einem Bierflaschenwurf getroffen und verliert auf einem Auge seine Sehkraft, trifft bei der Recherche auf die mögliche Täterin, eine Frau, deren Leben nach einem nicht weiter verfolgten, durch einen Streifenwagen ausgelösten Fahrradunfall aus den Angeln gehoben ist und sich ins rechte Milieu flüchtet; beide an Leib und Seele Versehrte und am Leben Verzweifelte; die Frau berichtet von dem Verdacht, dass ein rechter Terroranschlag geplant sei; die beiden nähern sich an, übernehmen Fürsorge füreinander in deiner düsteren Welt, sind trotz großer Unterschiede auf eine Weise seelenverwandt. Was am Roman begeistert, ist weniger die Story (die man thrillerartig hätte aufblähen können, was aber nicht die Art von Friedrich Ani ist) sondern vielmehr das Psychogramm zweier angeschlagener Menschen, eingebettet in einen ganz eigenen Schreibstil: "...der Zufall hatte uns vor ihrer Tür zusammengeführt, eine belanglose Begegnung an einem überflüssigen Tag." Nicht der Beste, aber ein Guter!

Bewertung vom 15.09.2022
An den Ufern von Stellata
Raimondi, Daniela

An den Ufern von Stellata


gut

Magische Geschichten, die allerdings nur schwer einen Zusammenhalt , einen verbindenden, gemeinsamen Spannunsbogen finden... Bitte nicht falsch verstehen: "An den Ufern von Stellata" von der italienischen Schriftstellerin Daniela Raimondi ist durchaus sehr unterhaltsam, auch sind die einzelnen (Lebens-) Geschichten gut zu lesen und auch gut anzuhören, auch gibt es einen Beginn, der zunächst eine richtige Leselust erzeugt, weil die Erzählweise der Autorin eine äußerst angenehme ist und - was der Zeit der Ausgangshandlung, dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts geschuldet ist - auch etwas Magisches hat (Aberglaube, Vorhersehung, mit den Toten sprechen...), auch ist jede der vielen Figuren mit ihrer jeweiligen Geschichte interessant... Aber: Ab der Mitte des Buches ist es eine große Herausforderung, in der Generationenabfolge, in der Folge der andauernden Geburten den Überblick zu behalten... was die Leselust ein wenig beeinträchtigt. Da wäre weniger sicher mehr gewesen.

Bewertung vom 11.09.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


sehr gut

Lohnenswert. Zunächst habe ich gedacht, einen der üblichen Historienschmöker in der Hand zu haben. Und in die Hand genommen habe ich Susanne Abels "Was ich nie gesagt habe" überhaupt nur, weil es um die Verbindung der Zeit des Nationalsozialismus, des zweiten Weltkriegs mit dem Heute ging und mich schon vor einiger Zeit bereits die Bücher von Sabine Bode (z.B. "Die vergessene Generation") sehr interessiert haben, wenn es darum ging, zu verstehen, wie sich die oft traumatischen Erlebnisse der Eltern- und Großelterngeneration wohl auf mich und mein (Seelen-) Leben ausgewirkt haben können... und was sich hinter dem Schweigen dieser Generationen verbarg. Wie auch immer - die Geschichte, die Susanne Abel erzählt, hat mich ab der ersten Seite gepackt, weil sie so ungeheuer nahe am Leben sielt und in keiner Weise aufgeblasen oder sogar rührseelig wirkt. Die sehr einfache Sprache lässt zuweilen den Eindruck entstehen, die Geschichte wäre nicht niedergeschrieben, sondern vielmehr mündlich erzählt. Zudem wird sich jedermann und jedefrau bestimmten Alters darin wiederfinden, weil die Autorin es versteht, das eine oder andere zeitgeschichtliche Ereignis einzubinden und auch das Lebensgefühl der Zeit nachfühlbar zu machen.

Bewertung vom 04.09.2022
Warum Ziele Quatsch sind - und wie wir sie trotzdem erreichen
Frädrich, Stefan

Warum Ziele Quatsch sind - und wie wir sie trotzdem erreichen


sehr gut

Nachdenkspaß.
Mein halbes Leben lang hat mein Kopf mir zugefunkt, ich bräuchte Ziele, weil ich sonst stehen bleiben - oder schlimmer noch - nichts erreichen und damit auch nirgendwo ankommen würde. Was ich aber immer auch festgestellt habe war, dass mich nicht nur der Weg der Zielerreichung nicht gerade glücklich, sondern auch die häufig genug ausbleibende Zielerreichung unzufrieden gemacht hat. Mir wurden zwar Werkzeuge an die Hand gegeben - und an die habe ich stets auch geglaubt... allerdings waren diese Hilfsmittel auch nicht die Lösung. Da waren die allseits bekannten SMART-Kriterien und der eine oder andere Sinnspruch (Wer nicht weiß, wo er hinwill, der darf sich auch nicht wundern...), die Unterstützung bei der Zielerreichung bieten sollten... mit mäßigem Erfolg. Und jetzt kommt dieser mir trotz seiner Popularität bislang noch nicht bekannte Stefan Fädrich und wirft alles über den Haufen... nein, nicht so ganz. Es gelingt dem Autor, mich mitzunehmen auf eine Reise; sein Buch ist ein intellektueller Genuss und Lesespaß zugleich; die persönliche Ansprache und die praktischen Beispiele haben mich ungemein angeregt, zukünftig nicht mehr 'wie blöde zu zielen', sondern nach meiner 'Inneren Ausrichtung' zu handeln und mehr auf mich selbst zu vertrauen. Zielsetzungen in einer hochkomplexen, unsicheren und mehrdeutigen Welt stets stringet verfolgen zu wollen, ist häufig genug Unsinn, weil es häufig genug anders kommt... was nicht gegen Zielsetzungen spricht, aber unbedingt dagegen, sich von Zielsetzungen versklaven zu lassen. Fädrich dekonstruiert die klassischen Vorstellungen über Ziele: "Das Leben kommt sowieso anders, als es unseren Zielen entspricht." Was sind eigentlich Merkmale eines guten Buches? Man ist nach dem Lesen ein anderer als davor. Und genau das ist der Effekt von "Warum Ziele Quatsch sind".

Bewertung vom 03.09.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


sehr gut

Ungeheuer dicht. Dass Tove Alsterdal eine sehr routinierte Krimi-Autorin ist, hat sie mit ihrem neuen Buch "Sturmrot" wieder einmal unter Beweis gestellt. Und wie so oft ist es nicht ganz so leicht einen Krimi zu beschreiben, ohne Gefahr zu laufen, dem Werk die Spannung zu nehmen. "Sturmrot" hat mit seinen 480 Seiten eine optimale Länge, in der es gelingt der Handlung einen stringenten Verlauf zu gewährleisten und lediglich einigen wenigen zweckdienlichen Nebensträngen einen Raum zu geben. Besonders gelungen ist die Vernüpfung des aktuellen Todesfalles mit einem lange zurückliegeneden Vorfall im selben Ort: Olof Hagström, seinerzeit wegen Vergewaltigung und Mord eines Mädchens angeklagt und wegen seiner Strafunmündigkeit in einem Jugendheim untergebracht, kehrt an den Ort des Geschehens zurück, allerdings nur um kurz bei seinem Vater vorbeizuschauen, den er dann allerdings ermordet in seinem Elternhaus vorfindet. Natürlich glaubt das ganze Dorf zunächst daran, dass Olaf der Täter sei; eine Hetzjagd beginnt. Polizistin Eira Sjödin, in genau dieses Dorf zurückgekehrt, um sich um ihre demenzkranke Mutter zu kümmern, widmet sich dem Fall und muss dafür nicht nur in Olafs sondern vor allem und unerwarteterweise in der eigenen Familiengeschichte nachforschen - mit überraschenden Erkenntnissen. Die Vergangenheit wirkt halt in die Gegenwart hinein und auch bei Menschen mit Demenz gehen nicht sämtliche Erinnerungen verloren... Gut komponierte, nicht an den Haaren herbeigezogene und spannende Unterhaltung!

Bewertung vom 28.08.2022
Die dunkle Leidenschaft
Haller, Reinhard

Die dunkle Leidenschaft


sehr gut

Ein wichtiges Buch zur richtigen Zeit. "Die dunkle Leidenschaft" von Reinhard Haller, österreichischer Psychiater, Psychotherapeut und forensisch-psychiatrischer Gerichtsgutachter hat ein umfassendes und gut lesbares Werk zu einem Thema verfasst, welchem sicher schon in der gesamten Menschheitsgeschichte eine große Bedeutung zugeschrieben werden kann (der Brudermord bei Kain und Abel), welches eine kulturspezifische Ausformung beitzt (der Ehrenmord), sich in unterschiedlichen Kontexten äußert (das Mobbing im Arbeitskontext) und sich in und damit auch zwischen Individuen ereignet, weil sich ja bekanntlich der eigene ungelöste innere Konflikt oft genug auf der Bühne des Zwischenmenschlichen ereignet (der Hass hat seine eigene, zuweilen dem Neid und der Eifersucht geschuldete Psychodynamik, ist das Resultat von Kränkungen und Ent-Täuschungen, oft auf der Basis eines instabilen Selbstwertgefühls). Neben einer sehr umfassenden Beschreibung der unterschiedlichen Hassphänomene, seinen Quellen und Ursachen, einer Präsentation der Erkenntnisse aus Philosophie, Psychologie, Hirnforschung und Soziologie, bietet Haller am Ende des Buches Löungsansätze sowohl für die individuelle wie auch für die gesellschaftliche Ebene. "Die dunkle Leidenschaft" ist eine wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig bestens lesbare Pflichtlektüre!

Bewertung vom 26.08.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


ausgezeichnet

Wenige Seiten, aber mit Tiefgang. Hat ein Autor einmal ein richtig erfolgreiches Buch geschrieben, dann schauen Verlage ja bekanntlich gerne nach älteren Texten, die man dann zeitnah veröffentlichen kann, in der Hoffnung an den vorangegangenen Erfolg anknüpfen zu können. Das gelingt nicht immer. Mit Hervé Le Tellier's neuer Geschichte (Novelle) "Ich verliebe mich so leicht" - erstmals erschienen in 2007 - ist es aber gelungen. Über gerade einmal 113 Seiten hinweg wird eine etwas andere Geschichte erzählt, die verdeutlicht, "dass Verrücktheiten die einzigen Dinge sind, die man niemals bereut." Es ist die Geschichte eines "amourösen Schiffbruchs". Was tut man nicht alles, wenn man verliebt ist: "Unser Held" (der namenlos bleibt) hat sich in eine 20 Jahre jüngere Frau verliebt und reist ihr spontan mit dem Flugzeug von Paris in ihre Heimat Schottland hinterher, um sie dort zu treffen und der Liebe eine Gestalt zu geben; leider ist die Angebetete, die 'unserem Helden' wohl auch als Jungbrunnen soll, bereits in einer Partnerschaft. Und natürlich kommt sowieso alles anders als erwartet, sonst würde es sich ja nicht um einen 'amourösen Schiffbruch' handeln. Das Besondere an der Geschichte ist die Art wie sie erzählt ist: Wie in einem Film für Hör- und/oder Sehbeeinträchtigte Menschen - als ein die Bilder begleitender Audiokommentar ergänzt durch Untertitel. Und die besondere Fähigkeit des Autors liegt in der Beschreibung von Nuancen des Fühlens und des Reflektierens: "Unser Held lässt sich nach und nach von der Melancholie unterkriegen, von Ängsten überwältigen. Er fürchtet plötzlich, dass mit ihr nichts jemals gewonnen ist. Dass sie jederzeit sein Leben verlassen kann, dass sie ihn seinem Schicksal als demnächst alter Mann überlassen wird, dem sie ein Leben mit Zukunft vorzieht. Wie will er ihr das zum Vorwurf machen? Ihr gehört die Welt, unser Held fühlt sich wie auf Bewährung. Sie ist dreißig Jahre alt, also fast noch zwanzig. Er fünfzig, da kann man auch gleich sechzig sagen. Wenn er diese morbide Logik umkehren würde, hätten sie beide dasselbe Alter, aber jetzt ist nicht der Augenblick für Optimismus." Und klug ist es zudem "..., dass die Jugend, die absichtslos verführerisch ist, nicht immer aufs Verführen aus ist. Das reife Alter verschwendet von morgens bis abends all seine Kraft darauf." Ein viel zu schmales Bändchen - da hätte man gerne mehr! Aber manchmal ist weniger halt mehr!!!