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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1369 Bewertungen
Bewertung vom 16.01.2022
Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1
Völler, Eva

Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1


ausgezeichnet

„Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt.“ (Ovid)
1961. Das in der Rhön gelegene kleine westdeutsche Örtchen Kirchdorf nahe der DDR-Grenze wird für die junge Lehrerin Helene Werner zur neuen Heimat. Helene kommt ursprünglich aus der DDR und ist über Berlin in den Westen geflohen, um hier ihre neue Anstellung zu beginnen. Schon bei ihrem Eintreffen macht sie die Bekanntschaft mit dem Arzt Tobias Krüger, dem sie unvorhergesehen bei einer Hausgeburt assistiert. Helene, die ein gut gehütetes Geheimnis in sich trägt, begegnet allen Dorfbewohnern mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, während diese sie erst einmal misstrauisch beäugen. Aber schon bald hat sie nicht nur ihre Schüler in ihren Bann gezogen, sondern ist auch in der Dorfgemeinsschaft angekommen. In Hebamme Isabella findet sie eine echte Freundin und auch Tobias nimmt einen immer größeren Platz in ihrem Herzen ein. Doch Helene kann sich ihnen nicht wirklich öffnen, zu groß sind ihre Ängste. Während Kirchdorf immer mehr zu Helenes Heimat wird, unternimmt sie immer öfter Wanderungen an die DDR-Grenze....

Eva Völler hat mit „Was die Hoffnung verspricht“ den ersten Roman ihrer „Dorfschullehrerin-Saga“ vorgelegt, der mit gut recherchiertem historischem Hintergrund sowie einer einfühlsamen, schicksalhaften Geschichte zu überzeugen weiß. Der flüssige, farbenfrohe und einfühlsame Erzählstil, der zwischendurch immer wieder mal durch den örtlichen Dialekt gefärbt ist, nimmt den Leser schnell mit in eine schicksalsträchtige Zeit, als Ost und West auf grausame Weise voneinander getrennt wurde und Menschen, die eigentlich zusammengehörten, durch Stacheldrahtzäune und eine rigorose, unbarmherzige Politik zum Abstand gezwungen wurden. An Helenes Seite erlebt der Leser ein Wechselbad der Gefühle, denn die junge Frau hat schon einiges durchmachen müssen und hat noch immer mit dem Trauma des Erlebten zu kämpfen. Der Neuanfang in der Schule wird ihr von den Kollegen nicht leicht gemacht, jedoch stellt sich Helene den Herausforderungen und auch den oftmals fragwürdigen Methoden ihrer Kollegen um Umgang mit den Schülern. Sie nimmt sich der Schüler auf empathische Weise an, lehrt sie die Freude am Lernen wiederzufinden und kann schon bald erste Erfolge verbuchen, was ihr den Respekt der Dorfgemeinschaft einbringt. Völler hat akribisch recherchiert und verbindet die historischen Fakten sehr gut mit ihrer Geschichte, verleiht ihr dadurch viel Authentizität und Glaubwürdigkeit. Ihr gelingt es mühelos, den Leser schnell einzufangen und durch ihre Art der Erzählung ein wunderbares Kopfkino in Gang zu bringen. Der Leser hat nicht nur die Örtlichkeiten vor Augen, sondern kann die Ereignisse praktisch hautnah mitverfolgen. Der Spannungslevel ist erst gemächlich, steigert sich aber mit Helenes Ausflügen an die Grenze immer weiter in die Höhe. Gleichzeitig erlebt der Leser das Schicksal der Menschen auf der ostdeutschen Seite mit, die nicht nur um ihr Hab und Gut, sondern auch um ihr Leben bangen müssen. Sehr glaubwürdig und realitätsnah erlebt der Leser nicht nur die Unterwanderung eines Spions mit, sondern auch die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Helene und Tobias. Erst nach und nach gibt Völler das Geheimnis von Helenes Vergangenheit preis und spannt den Leser bis zum finalen Schluss auf die Folter, wie es wohl ausgehen wird.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt. Menschliche Ecken und Kanten machen sie dem Leser nahbar, der einen Logenplatz bei den Ereignissen bekommt und mitfiebern, hoffen und bangen kann. Helene ist eine freundliche, zurückhaltende Frau mit viel Einfühlungsvermögen. Nach außen zeigt sie Stärke und Einfallsreichtum, innerlich ist sie ängstlich und unsicher. Tobias ist ein fleißiger, sympathischer Arzt, der auch sein Päckchen zu tragen hat. Er ist offen, ehrlich und hilfsbereit. Isabell ist eine Frohnatur, die für alle Schandtaten zu haben ist. Göring ist ein strenger Lehrer mit fragwürdigem Ruf. Aber auch das restliche Lehrerkollegium, de

21 von 23 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.01.2022
Unruhige Wasser / Das Haus am Deich Bd.2
Kölpin, Regine

Unruhige Wasser / Das Haus am Deich Bd.2


ausgezeichnet

Langsam kommendes Glück pflegt auch am längsten zu weilen. (Saadî)
1951. Während Deutschland mitten im Wirtschaftswunder steckt, hat Frida den Unternehmer Horst Hinrichs geheiratet, den Vater ihrer Tochter Meike. Eigentlich müsste Frida glücklich sein, denn es mangelt der Familie an nichts, doch Horst ist immer wieder Abwegen, so dass sie schon bald wieder zu ihrer Mutter ins Haus am Deich einzieht, um Abstand zu gewinnen und sich über ihre Gefühle klar zu werden. Währenddessen hat sich ihre ledige Freundin Erna zwar zu einer Karrierefrau entwickelt, doch sie leidet sehr unter der Trennung ihrer Tochter Sanne, die aufgrund von Ernas Familie erst in einer Pflegefamilie untergebracht war, um dann in einem Heim zu landen. Aber sowohl Frida als auch Erna nehmen täglich den Kampf auf für ein glückliches Leben mit ihren Kindern…
Regine Kölpin hat mit „Unruhige Wasser“ den zweiten Band ihrer Deichtrilogie vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltungswert und historischem Hintergrund in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lädt den Leser erneut ein, sich auf die Reise ins vergangene Jahrhundert zu begeben, um sich im Haus am Deich einzumieten und von dort aus die Geschicke von Frida, Erna und deren Lieben aus nächster Nähe mitzuverfolgen. Während Frida sich den ständigen Eskapaden von Horst ausgesetzt sieht, der seine Frau immer wieder aufs Neue mit seinen Seitensprüngen brüskiert, muss Erna mit den wenigen ihr zugedachten Stunden vorlieb nehmen, in denen sie ihre Tochter Sanne sehen darf. Ernas Vater ist unerbittlich, was seine Enkelin betrifft und zerstört mit seiner Grausamkeit die gesamte Familie. Frida, die sich in ihrem Schmerz und ihrer Sehnsucht nach Glück an der Schulter Trost bei ihrer heimlichen Liebe Focko gesucht hat, hütet seitdem ein Geheimnis und hat Angst, dass dieses ihr mal um die Ohren fliegt. Die Autorin lässt während ihrer gefühlvollen Geschichte die Zeit des Wirtschaftswunders wunderbar Revue passieren. In den Geschäften gibt es wieder alles, was das Herz begehrt, die ersten Autos werden erworben, doch gleichzeitig halten manche Menschen noch immer an ihren alten Gesinnungen fest. Auch die Rolle der Frau hat sich nicht verändert, sie steht weiterhin unter der Knute des Mannes und kann kaum eigene Entscheidungen fällen. Der Zusammenhalt zwischen Frida und Erna wird dafür umso deutlicher, die beiden Frauen unterstützen sich in allen Lebenslagen, spenden sich gegenseitig Trost und geben sich Selbstvertrauen. Schlimm sind dagegen die geschilderten Umstände in dem Waisenhaus, wo Sanne untergebracht ist, so dass man als Leser ständig hofft, dass es Erna gelingt, ihre Tochter endlich dort herauszuholen.
Die Charaktere sprühen vor Lebendigkeit und haben sich glaubhaft weiterentwickelt. Der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um keine Gefühlsregung und kein Ereignis zu verpassen. Frida ist eine herzliche Frau und wunderbare Mutter, die alles für ihre Lieben tut und etwas länger braucht, bis sie schwerwiegende Entscheidungen trifft. Erna dagegen ist offener und mutiger, doch auch sie wird oft genug von ihrem eigenen Vater ausgebremst. Fridas Mutter Margret ist eine patente Frau, die sich allerdings zu sehr in das Leben ihrer Tochter einmischt und zu manipulieren versucht. Horst ist ein Draufgänger, der einfach nicht anders kann. Ernas Vater Heinz ist ein harter und grausamer Mann, der seine Familie drangsaliert und oft wie ein Tier um sich schlägt.
„Unruhige Wasser“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung, die mit einer Mischung aus Historie, Familiengeschichte, Liebe, Geheimnissen und Freundschaft wunderbar zu unterhalten weiß. Einmal begonnen, lässt sich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung für ein wunderbares Kopfkino und beste Unterhaltung!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.01.2022
Mehr als die Finsternis
Metzenthin, Melanie

Mehr als die Finsternis


ausgezeichnet

Den Leib soll man nicht schlechter behandeln als die Seele. (Hippokrates)
1923. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaftskrise stark beutelt, bekommt es Friederike von Aalen in der Nervenheilanstalt Gut Mohlendorf gleich mit zwei neuen Patientinnen zu tun: der 17-jährigen Luise Jannsen und eine junge schwanger Frau, die durch einen beobachteten Unfall schlimm traumatisiert ist und seitdem nicht mehr spricht. Während Luise sich wie eine Halbstarke aufführt und dem Gefängnis nur durch eine Therapie entgehen konnte, wird die Schwangere als Zeugin des Unfalls auf Gut Mohlenberg untergebracht, wo sie ein farbiges Baby zur Welt bringt. Wird Friederike das Vertrauen der beiden so unterschiedlichen Frauen für sich gewinnen und so einige Geheimnisse ans Tageslicht bringen?
Melanie Metzenthin hat mit „Mehr als die Finsternis“ den Folgeband ihrer „Gut Mohlenberg“-Reihe vorgelegt, der eine Kriminalgeschichte vor historischem Hintergrund spannend verpackt und gleichzeitig die damalige schwierige Zeit für den Leser wieder auferstehen lässt. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lässt die Autorin den Leser per Zeitreise in die Psychiatrieeinrichtung Mohlendorf nahe Lüneburg einziehen, wo er Friederike bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter sehen und dabei auch die Patienten sowie Kommissar Lechner kennenlernt. Friederike geht in ihrem Beruf auf und gerade in der augenblicklichen Wirtschaftslage bangt sie darum, dass Patienten die Behandlung nicht mehr bezahlen können und deshalb ausbleiben. Ihre beiden Neuzugänge verlangen ihr einiges ab, denn es bedarf einiges an Einfühlungsvermögen und Geduld, um hinter die Fassade sowohl von Luise als auch der Schwangeren zu blicken. Die Autorin vermengt die damaligen Gepflogenheiten sowie den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung. Während man als Leser Friederike begleitet, erfährt man so einiges aus dem Leben der beiden Patientinnen. Die Rolle der Frau war damals noch genau definiert und für Luise wie ein Gefängnis, gegen das sie mit ihrem rebellischen Verhalten aufbegehrt. Der Spannungsbogen entsteht gleich zu Beginn des Buches und zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, denn nicht nur Friederikes Anstrengungen gegenüber ihren Patientinnen ist hochinteressant, auch der beobachtete Unfall muss aufgeklärt werden. Metzenthin beweist mit der Verflechtung von mehreren Handlungssträngen einmal mehr, wie gut sie den Leser zu fesseln weiß, denn dieser kann das Buch kaum aus der Hand legen.
Liebevoll und lebendig ausgestaltete Charaktere nehmen den Leser schnell für sich ein, der ihnen folgt, mitfiebert und miträtselt. Friederike ist eine einfühlsame, hilfsbereite, selbstlose und patente Frau, die ihren Beruf als Ärztin als Berufung empfindet. Sie kann sich in ihre Patienten hineinfühlen und versucht, ihnen so gut wie möglich zu helfen. Gleichzeitig schießt sie bei ihren Unternehmungen oftmals auch über das Ziel hinaus, doch verliert sie nie den Mut, Lösungen zu finden. Luise benimmt sich wie ein typischer Teenager, sie ist rebellisch, strebt nach Freiheit und stemmt sich gegen Bevormundung und Unterordnung. Fräulein Wermut wirkt zu Beginn noch wie eine Lehrmeisterin, doch im Kern besitzt sie eine Menge Humor, ist clever und wortgewandt, teilweise spitzzüngig, ohne dabei verletzend zu sein. Sie sorgt für einige sehr unterhaltsame Momente.
„Mehr als die Finsternis“ ist ein sehr unterhaltsamer Mix aus Historie, Schicksalsschlägen, Spannung und vor allem wunderbaren Protagonisten, denen man sich verbunden fühlt. Absolute Empfehlung für eine sehr gelungene Fortsetzung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.01.2022
Die Frauen von Saffron Hall
Marchant, Clare

Die Frauen von Saffron Hall


sehr gut

Das Schicksal nimmt nichts, was es nicht gegeben hat. (Seneca)
1538. Die 17-jährige Eleanor wird nach dem Tod ihres Vaters von ihrem Cousin mit dem 10 Jahre älteren Greville Lutton verheiratet, der sie und ihre Dienerin Joan mit auf sein Gut Milfleet nach Norfolk nimmt. Dort muss Eleanor schnell in die Rolle der Hausherrin hineinwachsen, denn ihr Gatte kehrt schnell an den Hof Heinrich VIII. zurück, wo er sich einen Namen machen möchte. Während Grevilles Abwesenheit beginnt Eleanor, das Gut auf Vordermann zu bringen und widmet sich zudem der Züchtung von Krokussen, aus denen der wertvolle Safran gewonnen wird. Schon bald verleiht ihre immer größer werdende Ernte Greville Wohlstand und Einfluss bei Hofe. Aber auch zwischen Eleanor und Greville entwickelt sich eine innige Beziehung. Doch dann kommt es zu einem Schicksalsschlag, der Eleanor fast alles kostet, was ihr lieb und teuer ist…
2019. Amber hat sich für ein Sabbatjahr auf das Gut Saffron Hall ihres Großvaters zurückgezogen, um dessen Bibliothek zu archivieren und dabei genügend Abstand zu gewinnen. Nach einer Fehlgeburt hadert sie mit dem Leben, worunter auch ihre Ehe zu leiden hat. Als ein Gewitter den Turm des Gutes zerstört, wird bei Aufräumarbeiten ein altes Stundenbuch gefunden, das Amber schon bald fasziniert, denn sie fühlt eine enge Verbindung zu der Frau, die es geschrieben hat und möchte deren in Rätseln verfasstes Geheimnis unbedingt lösen…
Clare Marchant hat mit „Die Frauen von Saffron Hall“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur zwischen zwei Zeitschienen wandeln lässt, sondern ihn auch zwei starke Frauen vorstellt, die vieles gemeinsam haben. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser ein, sowohl Amber in der Gegenwart zu folgen als auch in der Vergangenheit 500 Jahre früher Eleanor zu begegnen, die während der Regentschaft Heinrich VIII lebte. Amber hat sich von der Außenwelt abgeschottet, denn sie leidet sehr unter ihrer Fehlgeburt und auch die Beziehung zu ihrem Ehemann liegt auf Eis. Der Fund des alten Stundenbuchs bringt sie dazu, ihre eigenen Probleme zu vergessen, während sie die Tagebuchzeilen Eleanors übersetzt und dabei nicht nur von den damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten erfährt, sondern auch von Eleanors Geschick, Safran zu gewinnen. Zudem hat Eleanor ein gut gehütetes Geheimnis, dass Amber unbedingt entschlüsseln möchte. Über sich abwechselnde Zeitebenen springt der Leser zwischen den beiden Jahrhunderten hin und her, dabei legt er gemeinsam mit Amber nach und nach das verborgene Geheimnis offen. Die Autorin hat den historischen Hintergrund schön mit ihrer Geschichte verwebt und lässt die Tudor-Zeit sowie Heinrichs Regentschaft mit einfließen. Sowohl seine wechselnden Ehefrauen als auch der Zwist mit dem Papst werden thematisiert und spielen eine Rolle gerad ein Eleanors Geschichte. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass dem Leser während der Lektüre das Kopfkino anspringt.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und liebevoll in Szene gesetzt. Sie besitzen realistische menschliche Eigenheiten, die sie dem Leser schnell ans Herz wachsen und sie auf Schritt und Tritt verfolgen lassen. Amber ist eine zurückhaltende Frau, die einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat. Sie ist gebildet, neugierig und hilfsbereit, aber auch ratlos und unsicher was ihre eigene Situation betrifft. Eleanor ist ebenfalls zuerst eine unsichere und scheue Frau, doch sie wächst an ihren Aufgaben. Greville ist ein warmherziger und geduldiger Mann, der seine Familie über alles liebt, doch er besitzt auch einen großen Ehrgeiz. Butler Hugo ist ein Faktotum, der sich ganz seiner Herrschaft verschrieben hat. Aber auch Tom, Joan und Betty haben wichtige Rollen in diesem Stück.
„Die Frauen von Saffron Hall“ ist eine Geschichte über Schicksalsschläge, Liebe, Geheimnisse und der Gewinnung von Safran, der zu fesseln weiß, vor allem auch wegen seinem historischen Bezug. Kurzweilige, gefühlvolle Lektüre mit

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2022
Was uns zueinander führt
Johanning, Marion

Was uns zueinander führt


ausgezeichnet

Liebe und Leid liegen nahe beieinander
1956. Die 28-jährige Luise lebt mit ihrer Familie im westfälischen Kurstadt, nachdem sie aus Schlesien vertrieben wurden. Auch von dem polnischen Zwangsarbeiter Marian musste sie dort Abschied nehmen und hat kaum noch Hoffnung, jemals mit ihm ein gemeinsames glückliches Leben zu führen. Dann läuft ihr durch Zufall ihre erste Liebe Wolfgang wieder über den Weg, der Sohn ihrer ehemaligen schlesischen Nachbarn, der in den Krieg ziehen musste und den Luise seitdem nicht mehr wiedergesehen hat. Das enge Band von früher ist schnell wieder zwischen den beiden geknüpft. Schon bald heiraten Wolfgang und Luise und krönen ihre Liebe mit einem Töchterchen. Doch Wolfgang, der inzwischen bei der Bundeswehr Karriere gemacht hat, ist nicht mehr derselbe Mann wie früher, leidet noch immer unter seinem Kriegseinsatz und lässt Luise mit seinem Kontrollzwang bald verzweifeln. Als Luise einer Einladung zu einem Konzert folgt, ist die Überraschung groß, denn auf einmal steht sie Marian gegenüber und die Gefühle füreinander sind schlagartig wieder da. Aber eine Zukunft kann es für sie beide nicht geben…
Marion Johanning hat mit „Was uns zueinander führt“ die Fortsetzung ihres historischen Romans „Was uns durch die Zeiten trägt“ vorgelegt, der seinem Vorgänger an Unterhaltungswert sowie geschichtlicher Recherche in nichts nachsteht. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, um dort wieder an Luises Seite zu stehen und ihr bei ihren Aktivitäten über die Schulter zu sehen. Die Nachkriegszeit hat die Familie schon recht gebeutelt, nun leben sie in Westfalen, wobei das Heimweh zur schlesischen Heimat ungebrochen ist. Luise musste auch ihre zweite Liebe Marian zurücklassen, nun ist es schier unmöglich, dort hinzureisen aufgrund des Eisernen Vorhangs. Luise fügt sich den Gegebenheiten, das Zusammentreffen mit ihrer Jugendliebe Wolfgang ist wie ein Zeichen, dass auch sie nun etwas Glück erfährt. Allerdings entpuppt sich Wolfgang in der Ehe schon bald als Tyrann, der Luise regelrecht von allem abschirmt und sie kontrolliert, maßregelt und wie eine Dienstbotin behandelt. Das Kriegstrauma liegt ihm noch in den Knochen und früher gab es noch keine Therapiemaßnahmen, auch sprach man über diese Dinge kaum. Und in den damaligen Zeiten hatten die Frauen eine ihnen zugedachte Rolle, aber das rechtfertigt sein extremes Verhalten Luise gegenüber nicht. Das Aufeinandertreffen Luises mit Marian macht ihr deutlich, was sie bereits alles verloren hat und wie schwer es ist, das Glück festzuhalten. Die Autorin verwebt den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Geschichte, auch die damaligen gesellschaftlichen Konventionen finden sich in der Handlung wieder.
Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt und mit realistischen menschlichen Eigenschaften ausgestattet, der Leser erhält Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt, darf ihnen auf Schritt und Tritt folgen und mitfiebern. Luise ist eine liebenswerte, zurückhaltende Frau, die sich auch von den vielen Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt und für das kämpft, was ihr am Herzen liegt. Wolfgang lässt sich von seinen Kriegstraumata beherrschen, dass zunehmend das Familienleben vergiftet. Er ist kontrollierend, verletzend und irgendwie auch machtbesessen, setzte Luises herunter, um sich besser zu fühlen. Marian ist ein sympathischer Mann, der Luise auf Händen tragen würde, hätte er die Möglichkeit dazu.
„Was uns zueinander führt“ ist ein wunderbar fesselnder historischer Roman, der mit viel Tragik, Emotionen und Hoffnungen den Leser bis zum Ende berührt. Absolute Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.01.2022
Als der Sommer verschwand
Cantrell, Josephine

Als der Sommer verschwand


sehr gut

Ein fragender Mensch ist auf halbem Weg, weise zu sein. (Irisches Sprichwort)
Aufgrund von Schulden lebt die arbeitslose Journalistin Clara bei dem betagten Oscar Fitzgerald in dessen Londoner Wohnung, wo sie ihm den Haushalt führt und dafür kostenfrei ein Zimmer hat. Die beiden pflegen eine vertrauensvolle Freundschaft, die Oscar zum Anlass nimmt, Clara sein Elternhaus in Irland zu schenken. Er selbst möchte sich darum nicht kümmern müssen und hat auch zu seinen Angehörigen keinerlei Kontakt mehr, seine einzige Bedingung ist, dass Clara die Vergangenheit ruhen lässt. Clara ist völlig perplex und macht sich erst einmal auf den Weg nach Irland, um sich das alte Herrenhaus anzusehen und mit dessen Verkauf eventuell all ihre Schulden tilgen zu können. Schon bei ihrer Ankunft ist Clara von Irland ganz fasziniert und kann es kaum erwarten, einige Zeit dort zu verbringen. Schon in der ersten Nacht lernt sie ihren nächsten Nachbarn Jon kennen, bei dem ihr Herz schon bald höher schlägt. Die beiden kommen sich schnell näher, als Clara einen alten Brief findet, machen sich Joe und Clara daran, der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Dabei stoßen sie auf Oscars gut gehütetes Geheimnis…
Josephine Cantrell hat mit „Als der Sommer verschwand“ einen sehr unterhaltsamen Roman voller Geheimnisse und Liebe vorgelegt, für den sie das mystisch-angehauchte wunderschöne Irland als Hintergrundkulisse gewählt hat. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Claras Seite treten, um ihr bei ihrem Abenteuer über die Schulter zu sehen. Die Wohngemeinschaft von Clara und Oscar ist nicht nur wunderbar zweckmäßig, sondern das Verhältnis der beiden ist regelrecht familiär. Obwohl die beiden aus unterschiedlichen Generationen stammen, ergänzen sie sich und unterstützen einander, was gerade in Metropolen eine tolle Lösung für alleinlebende Menschen darstellt und viel Nachahmung finden sollte. Das großzügige Geschenk Oscars an Clara ist nicht nur selbstlos, sondern er möchte sich auch von Ballast befreien. Clara dagegen würde bei dem Verkauf ihre Schulden loswerden, doch schon bald ist sie nicht nur von Irland fasziniert, sondern verliebt sich. Mit Hilfe von Jon entlockt sie dem alten Gemäuer ein gut gehütetes Geheimnis, das Oscar wie einen Schatz hütet und nicht darüber redet. Die Autorin versteht es wunderbar, ihre farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen von Irland mit ihrer Handlung zu verweben und ihrer Geschichte mit dem alten Familiengeheimnis einen mystischen Touch zu geben, der den Leser bis zum Ende zu fesseln weiß. Auch die eingefügten Briefe tragen zur Emotionalität dieser Geschichte bei. So heftet dieser sich an Claras und Jons Fersen, um dem alten Herrenhaus Stück für Stück das Geheimnis zu entreißen. Die Spannung baut sich gemächlich auf und zieht sich wie ein Faden durch die gesamte Geschichte.
Die Charaktere sind mit realistischen Eigenschaften versehen und liebevoll in Szene gesetzt, die es dem Leser leicht machen, ihnen zu folgen und mit ihnen zu fiebern. Clara ist eine warmherzige, pragmatische und hilfsbereite Frau, die sich auch zu einem Pitbull verwandelt, wenn sie etwas auf der Spur ist. Oscar ist ein lieber älterer Herr, der sich um andere sorgt. Er ist melancholisch und zurückhaltend, aber auch ein Geheimniskrämer. Damit schützt er seine Seele vor weiteren Verletzungen. Jon ist ein charismatischer, freundlicher Mann, den die Neugier ebenso umtreibt wie Clara.
„Als der Sommer verschwand“ ist eine berührende Geschichte um ein altes Familiengeheimnis, aber auch die Liebe kommt in diesem Roman nicht zu kurz. Sehr gefühlvoll mit einem Touch Mystik fesselt die Handlung bis zur letzten Seite. Verdiente Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.01.2022
Liebe in bester Lage
Wiedemann, Kerstin

Liebe in bester Lage


sehr gut

Wer loslässt hat die Hände frei für Neues!
Ella fällt aus allen Wolken, als sie zufällig von der Affäre ihres Mannes David mit ihrer Assistentin erfährt. Bisher waren sie ein gut eingespieltes Team, sowohl knapp 25 Jahre als Ehepaar als auch beruflich in ihrer eigenen Werbeagentur Spreegold und bewegten sich in den besten Berliner Kreisen. Doch das alles ist nun nichts mehr wert, denn die Affäre bekommt auch noch ein Kind. Um den Kopf frei zu bekommen, reist Ella Hals über Kopf nach Bozen, um sich mit einem Seminar auf einem kleinen Weingut in Südtirol abzulenken. Dort lernt Ella nicht nur viele nette Menschen kennen, unter anderem auch zwei Mannsbilder, die ihr gefährlich werden könnten, wenn da nicht vorher noch die Dinge mit David ins Reine zu bringen wären…
Kerstin Wiedemann hat mit „Liebe in bester Lage“ einen unterhaltsamen und wie aus dem wirklichen Leben gezeichneten Roman vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an einfängt und mitreißt. Der flüssige und warmherzige Erzählstil lädt den Leser ein, Ellas Schicksal hautnah mitzuverfolgen. Diese muss kurz vor ihrer Silberhochzeit so einige böse Überraschungen vertragen, die ihr sonst so wohlgeordnetes Leben kräftig durcheinander wirbeln. Ihr altes Leben bricht völlig auseinander, so dass sie gezwungen ist, einen zukünftigen Weg für sich zu finden. Ihr Ehemann und Geschäftspartner für viele Jahrzehnte hat sie böse und nicht ohne Folgen hintergangen, während sich Ella in Sicherheit gewiegt und jene Möglichkeit nicht mal in Betracht gezogen hat. Während sie räumlichen Abstand sucht, setzt sie sich rational und recht unprätentiös mit den Dingen auseinander, um für sich einen Ausweg zu finden. Die Autorin bringt die Selbstreflexion ihrer Hauptprotagonistin realistisch und sehr selbstkritisch zu Papier, so dass der Leser gut mit Ella mitfiebern kann. Ella ist weder theatralisch oder eine Dramaqueen, sie beurteilt ihr Leben rational und gesteht sich selbst auch Fehler ein. Neben farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen von Südtirol und dem Weingut, die dem Leser schöne Bilder in den Kopf zaubern, ist es vor allem die aus dem alltäglichen Leben gegriffene Handlung, die den Leser für sich einnimmt und ihm aufzeigt, dass es immer Lösungen und Hoffnung gibt, auch wenn das Alte zusammengebrochen ist. Man darf nur nicht aufgeben, vor allem nicht sich selbst.
Die Charaktere sind mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften versehen und mit Leben gefüllt. Der Leser fühlt sich als Teil von ihnen und kann sowohl ihre Überlegungen als auch Handlungen gut nachvollziehen. Ella ist eine Frau, die nicht nur andere verurteilt, sondern auch sich selbst hinterfragt. Sie wird nicht zur Heulboje, sondern geht die Dinge rational an, auch wenn sie tief verletzt ist, aber sie gibt sich nicht auf, sondern sucht Lösungen. Maria leitet das Weingut und ist eine warmherzige Frau, die ihre Gäste verwöhnt und ihnen eine heimelige Umgebung bietet. Joe ist ein ehrgeiziger und fordernder Mann, der sich auf Ellas Expertise immer verlassen hat. Michael ist ein freundlicher Mann, bei dem es schnell knistert. Ellas Ehemann David ist ein Egoist erste Güte, der nur sich selbst im Fokus hat und sich keine Gedanken darüber macht, wie sehr er andere mit seinem Verhalten verletzt.
„Liebe in bester Lage“ beschert dem Leser einen schönen Ausflug nach Südtirol, wo er mit Ella eine starke Frau kennenlernt, die mitten im Leben steht und ihr Leben neu sortiert. Verdiente Leseempfehlung für eine sehr kurzweilige Unterhaltung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.01.2022
Das Geheimnis der Baumeisterin
Jasmund, Birgit

Das Geheimnis der Baumeisterin


gut

"Jeder soll ein Haus bauen, der es kann." (Wilhelm Kaisen)
1733. Potsdam ist die neue Heimat der Holländerin Nynke, ihrer jüngeren Schwester Anna und deren Ehemann Jan Boumann, denn dort ist ein im holländischen Baustil geprägtes Viertel geplant und Jan soll als Baumeister bei der Umsetzung der Pläne mithelfen. Während ihre Familie sich eine standesgemäße Ehe für Nynke erhofft, findet diese es wesentlich spannender, Jan auf die Baustellen zu begleiten und sich mit den Bauwerken zu befassen. Als sie dem Handwerker Matthias begegnet, ist es für beide schon bald die große Liebe, doch Matthias‘ Herkunft entspricht so gar nicht den Vorstellungen von Nynkes Familie. Schon bald muss Matthias die Stadt verlassen, um endlich mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen, die er bisher vor Nynke verheimlicht hat. Nynke allerdings ist inzwischen schwanger und muss ganz allein entscheiden, wie es in ihrem Leben weitergehen soll…
Birgit Jasmund hat mit „Das Geheimnis der Baumeisterin“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der vor allem all jene ansprechen wird, die dem holländischen Viertel in Potsdam schon einmal einen Besuch abgestattet haben. Der flüssige und bildhafte Erzählstil bringt den Leser schnell ins 18. Jahrhundert, wo es noch einen preußischen König gab, der einige Vision für sein Land hatte, wozu auch der Bau eines Viertels nach holländischem Vorbild gehörte. Der Leser wird Nynke an die Seite gestellt, um ihr bei ihrem Lebensweg über die Schulter zu schauen und alles hautnah mitzuerleben. Der Bau des neuen holländischen Viertels fasziniert Nynke, die sich an die Fersen ihres Schwagers Jan heftet, der die Arbeiten überwachen und vorantreiben soll. Allerdings sind diese mit allerlei Schwierigkeiten behaftet, denn durch fehlende Materialien sowie Neid und Vorbehalte gegenüber dem holländischen Baumeister ergeben sich immer wieder Widerstände. Die Bauarbeiten machen einen Großteil der Geschichte aus und sind interessant zu lesen, da man auch viel über die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten sowie den Arbeitsalltag auf den Baustellen erfährt. Jedoch sind die Schilderungen irgendwann recht langatmig. Mit dem Zusammentreffen zwischen Nynke und Matthias ändert sich das Tempo der Geschichte, die nun in die romantisch-dramatische Richtung läuft. Matthias hat mit Geheimnissen aus seiner Vergangenheit zu kämpfen, die ihn zwingen, Nynke und die Stadt zu verlassen. In ihrer Naivität hat sich Nyke in dieser Beziehung zu weit hervorgewagt und sich dabei in Schwierigkeiten gebracht. Die Autorin hat die historischen Begebenheiten gut mit ihrer Geschichte verknüpft, allerdings fehlt es der Handlung an Spannung und Überraschungsmomenten, um den Leser dauerhaft gut zu unterhalten, das kann leider auch der witzige Papagei Ritter nicht ändern, der etwas Farbe ins Spiel bringt.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen Ecken und Kanten bestückt, allerdings fehlt die Nähe zum Leser, der eher als Beobachter fungiert und die Szenerie aus der Distanz betrachtet, was ein Mitfiebern erschwert. Nynke hat ihren eigenen Kopf und genaue Vorstellungen davon, was sie vom Leben erwartet. Sie wirkt oft etwas naiv und vor allem unbedacht, was sie alsbald in Schwierigkeiten bringt. Schwester Anna benimmt sich wie eine Ersatzmutter, sie weiß alles besser, nörgelt ständig an Nynke herum, wobei aus ihrem Benehmen eher Neid und Eifersucht spricht, da Nynke sich Möglichkeiten herausnimmt, die sie selbst wohl nicht hatte. Insgesamt wirkt Anna eher wie eine mit sich unzufriedene Frau.
„Das Geheimnis der Baumeisterin“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der den Leser die Entstehung des holländischen Viertels von Potsdam miterleben lässt. Leider bisher der schwächste Roman der Autorin. Aufgrund von Langatmigkeit und fehlender Spannung kann es hier nur eine eingeschränkte Leseempfehlung geben!

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.01.2022
Der Friesenhof - Auf neuen Wegen / Teehändler-Saga Bd.1
Lüders, Fenja

Der Friesenhof - Auf neuen Wegen / Teehändler-Saga Bd.1


sehr gut

Frauenpower in den Nachkriegsjahren
1948 Ostfriesland. Der Tod des Ehemanns und Vaters erwischt Mutter Henrike de Fries nebst denen noch im Haushalt lebenden Töchter Hanna und Gesa eiskalt, denn nun müssen sie den großen Friesenhof in Rysum allein ohne Mann bewirtschaften. Helga, die älteste Tochter, steht mit ihrem Ehemann Günther schon kurz nach dem Tod des Vaters auf der Matte und verlangt ihren Erbteil, während Günther sich bereits als Herr auf dem Hof sieht und sich allen gegenüber auch dementsprechend verhält. Hanna liebt die Arbeit auf dem Hof mit den Tieren und übernimmt dort die Verantwortung. Gesa zieht es in die Stadt Emden, wo sie Arbeit bei der Teehandelsgesellschaft Kruse findet und so ihre Familie unterstützt, damit der Hof in der Familie bleibt und Helga ausgezahlt werden kann, denn Günther soll auf keinen Fall das Sagen auf dem Hof bekommen. Während Hanna dem polnischen Knecht Tomek immer näher kommt, verlieben sich Gesa und ihr verheirateter Juniorchef Keno Kruse, was dessen Frau ein Dorn im Auge ist…
Fenja Lüders hat mit „Auf neuen Wegen“ ihre neue historische Friesenhof-Saga eingeläutet, der mit einer Familiengeschichte und dem Schicksal von zwei starken Schwestern wunderbar zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildhafte und eingängige Erzählstil lässt den Leser in die früheste Nachkriegszeit nach Ostfriesland reisen, wo er sich im Friesenhof der Familie de Fries einmietet und von dort die Geschicke der einzelnen Familienmitglieder beobachtet. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser mal an der Seite von Hanna, mal an der von Gesa. Die Schwestern sind vom Wesen her zwar grundverschieden, doch der Zusammenhalt zwischen den beiden ist so groß, dass zwischen sie kein Blatt Papier passt. Gesa als Ältere kümmert sich fürsorglich um Hanna, während diese die größte Verantwortung schultert mit der Bewirtschaftung des Hofes. Mutter Henrike gibt sich zwar oft wortkarg, doch am Ende zieht sie mit ihren Töchtern immer an einem Strang. Die älteste Schwester Helga passt in dieses Kleeblatt, das durch Großtante Tanti noch ergänzt wird, gar nicht hinein und wirkt eher wie eine Außenseiterin, was durch ihren großspurigen Ehemann Günther noch verstärkt wird. Frauen galten damals als ungeeignet, einen großen Hof zu leiten, was deren damalig zugedachte Rolle gut wiederspiegelt. Auch die ausländischen Fremdarbeiter waren unbeliebt, sie sollten zwar ihre Arbeit verrichten, jedoch die Hände von den einheimischen Frauen lassen. Die Engstirnigkeit einer Dorfgemeinschaft wird von Lüders hervorragend eingefangen, ebenso die gesellschaftlichen und politischen Ansichten, die damals vertreten wurden. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen sowohl den Hof als auch das Teekontor wunderbar vor den Augen des Lesers entstehen, der von der Geschichte gebannt regelrecht an den Seiten klebt.
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich in Szene gesetzt, sie bestechen mit menschlichen Eigenschaften und nehmen den Leser sofort in ihre Mitte, so dass er sich als Teil von ihnen fühlt. Henrike ist eine zurückhaltende, wortkarge Frau, die ihre Lieben zusammenhält und erst nachdenkt, bevor sie ein Machtwort spricht. Gesa ist offen, stark und fürsorglich, während Hanna eher zupackend und draufgängerischer ist. Helga ist eine graue Maus, die keine eigene Meinung hat, so sehr steht sie unter der Knute ihres Ehemannes Günther, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, großmäulig und unverschämt ist. Tanti ist das Faktotum im Haushalt, die mit viel Lebensweisheit und Weitsicht überzeugt. Tomek ist ein herzensguter und fleißiger Mann, der für die einsteht, die er liebt. Keno hadert mit seinem Leben und hat für sich selbst noch immer keinen Weg zurück ins Leben gefunden.
„Auf neuen Wegen“ ist ein gelungener Auftakt, um den Friesenhof und seine Bewohner gut kennenzulernen, in die Familiengeschichte einzutauchen, Liebe, Schicksale und Intrigen mitzuerleben während der damaligen gesellschaftlichen Konventionen. Unterhaltsame Lektüre mit schönem Kopfkin

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.01.2022
Fremde Ufer / Das Haus am Deich Bd.1
Kölpin, Regine

Fremde Ufer / Das Haus am Deich Bd.1


ausgezeichnet

Nirgends strahlt der Himmel so schön grau wie in Norddeutschland
1947. Der Krieg zwang die aus einfachen Verhältnissen stammende Frida Köhle und deren Eltern, ihre Heimatstadt Stettin zu verlassen und nach Westen zu flüchten, wo sie in der Wesermarsch bei einer Bauersfamilie untergebracht werden. Dort fühlt sich die Familie gar nicht wohl, muss aber hart mit anpacken. Mehr und mehr verabschiedet sich Frida von ihrem Traum, einmal Pianistin zu werden. Wenigstens hat sie ihre Jugendfreundin Erna von Geest in greifbarer Nähe, wenn diese auch durch ihren umtriebigen Vater mit ihren Eltern in einer Villa untergebracht ist und sich um nichts zu kümmern braucht. Fridas Vater Ulrich erwirbt eine kleine Kate, in die er viel Arbeit steckt, um seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Dafür ist er rund um die Uhr als Handlanger unterwegs, während Fridas Mutter Margret den Haushalt am Laufen hält. Als Erna unehelich schwanger wird, sucht sie bei Frida und deren Familie Unterschlupf, denn bei ihren eigenen Eltern herrscht Kälte und Unverständnis. Auch Frida will zum Unterhalt der Familie beitragen und nimmt Arbeit in einer Fischfabrik an, wo sie Horst Hinrichs begegnet…
Regine Kölpin hat mit „Fremde Ufer“ einen sehr unterhaltsamen Auftakt ihrer historischen Deich-Trilogie vorgelegt, der nicht nur die Nachkriegsjahre Deutschlands wieder aufleben lässt, sondern auch mit einer Familiengeschichte sowie einer tiefen Frauenfreundschaft aufwarten kann. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise in die Jahre 1947 bis 1950 ein, wo er durch wechselnde Perspektiven nicht nur Frida und ihr Umfeld kennenlernt, sondern auch am Leben von Erna und deren Familie teilhaben kann. Frida und ihre Eltern haben in Stettin alles zurücklassen müssen und sind mit wenigen Habseligkeiten im Westen gelandet, leben als Flüchtlinge in ärmlichsten Verhältnissen und ermöglichen sich mit harter Arbeit nach und nach ein etwas besseres Leben, obwohl sie immer noch Heimweh nach der alten Heimat haben. Als Flüchtlinge waren sie in der Gesellschaft am Ende der Nahrungskette und wurden oftmals verachtet oder auch bei der Arbeitssuche übergangen. Erna von Geest und ihre Familie sind das komplette Gegenteil von Fridas Familie. Ernas Vater ist ein Ex-Nazi und Emporkömmling, der gute Kontakte pflegt und dadurch viele Vergünstigungen erhält sowie seine Macht ausspielt. Davon profitiert zwar die Familie insgesamt, doch fehlt es in diesem Haushalt an Wärme, Verständnis, Liebe und vor allem Zusammenhalt. Kein Wunder, dass sich Erna immer wieder zu Frida flüchtet, weil sie dort alles findet, was sie daheim vermisst. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, den zwei Familien Leben einzuhauchen und dem Leser so die Möglichkeit zu geben, sich unter sie zu mischen. Auch lässt sie die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten sowie die unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau sehr schön in ihre Geschichte miteinfließen.
Die Charaktere sind sehr authentisch gezeichnet und mit glaubwürdigen Eigenschaften ausgestattet, so dass der Leser sich mit ihnen verbunden fühlt und mit ihnen fiebert. Frida ist musisch talentiert, muss aber nun ins wirkliche Leben eintauchen und fleißig mitanpacken. Sie ist großherzig, offen, freundlich und hilfsbereit. Erna ist etwas verwöhnt, hat aber das Herz am rechten Fleck. Sie spricht Dinge offen aus, lässt sich nichts vormachen und muss einige Schicksalsschläge einstecken. Fridas Mutter Margret ist nach außen unterkühlt, doch insgeheim tut sie für ihre Familie alles. Vater Ulrich ist ein warmherziger Mann, der seiner Familie alles ermöglichen will. Heinz von Geest ist ein unbarmherziger Mann, der nur seinen eigenen Vorteil sucht, während Ehefrau zutiefst verängstigt ist und sich kaum zu wehren weiß.
„Fremde Ufer“ ist ein wunderbarer Mix aus Familiengeschichten, Geheimnisse, Liebe und Intrigen, der mit einer sehr authentischen Schilderung des Lebens der Flüchtlinge in der Nachkriegszeit zusätzlich punkten

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