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Bewertungen
Insgesamt 452 BewertungenBewertung vom 11.10.2022 | ||
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Gut angedacht. "Nur wer einmal gewesen ist kann auch verwesen." Diese, nicht wörtlich zitierte Aussage ist mir nach Beendigung dieses nett aufgemachten und Büchleins im Sinn geblieben. Und die Grundidee der Geschichte ist bemerkenswert und auch erfrischend anders (mir kamen anfangs sogar Assoziationen zu Beckets 'Warten auf Godot'). "Wir sind Wesen, im Sinne von gewesen." Drei Wesen treffen sich mit ihrer jeweiligen Geschichte von Ungerechtigkeit, Gewalt und Flucht auf dem Meeresgrund. Gewissermaßen aus dem Leben abgetaucht, zwar das Leben ausgehaucht, aber noch fähig zu kommunizieren... und weil das Sprechen (unter Wasser) nicht mehr funktioniert, ist es ein Austausch der Gedanken... über das Leben des einzelnen, über die Zeit, über das in Erinnerung verbleiben, über die Gesellschaft. Hin und wieder ziehen 'originäre Meeresbewohner' wie der Gott Poseidon oder auch kichernde Meerjungfrauen denkend und sprechend vorbei und kommentieren 'von unterhalb der Meeresoberfläche'. Ich hatte mir von der Grundanlage des Romans recht viel versprochen ... aber es bleibt dann doch sehr an der Oberfläche, da wäre mehr Tiefe drin gewesen. So kommen die Lebensgeschichten der einzelnen viel zu kurz, werden wie Gedankenfetzen nur angedeutet; dazu noch eine Prise Philosophie und ein Schüsschen Zeit- und Gesellschaftskritik. Aber wie bereits gesagt: Gut angedacht. |
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Bewertung vom 09.10.2022 | ||
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Das Profil / Erdmann und Eloglu Bd.1 (eBook, ePUB) Gewohnte Thriller-Kost. Man nehme: Ein Zeitgeistthema wie das Sehnsuchtsportal 'Instagram' (die einen die Follower, suchen hierbei nach einem guten Weg für ihr Leben und brauchen Idole, die Influenzer - also die potenziellen Idole - brauchen Clicks für ihr Selbstwertgefühl und offenbaren einer anonymen Zuschauerschaft ihr Leben), den Voyeurismus einer Leserschaft, die mit ihrem eigenen Verhalten eigentlich selbst nahe dran sind an den Verhaltensweisen und Neigungen der Opfer dieser Story, selbst aber auf ihrer vermeintlich sicheren Couch mit leichtem Grusel der Geschichte folgen können, einen Täter mit schwieriger Kindheit und Jugend, der seine auf Frauen fokussierten Gewaltfantasien immer weniger im Griff hat, sich auf Instagram seine Opfer förmlich aussuchen kann, und schlussendlich noch ein neu zusammenarbeitendes Ermittlerpäarchen; hinzu kommen 'alte Fälle', die einen Zusammenhang mit den aktuellen aufweisen... Nix Neues also... aber wer's mag... 1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 09.10.2022 | ||
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Den Schalk im Nacken. Wer Andrej Kurkow kennt, dem ist bekannt, was in seinen Romanen zu erwarten ist. In St.Petersburg geboren, in Kiew lebend und russisch schreibend, kennt sich Kurkow aus mit dem Verbrechertum in dieser Welt, zumal er selbst auf Erfahrungen als Gefängniswärter zurückgreifen kann. Dieses Mal nimmt er unsLesende mit nach Kiew und versetzt uns zurück in Zeiten großen Durcheinanders und politischer Wirren, zurück in die Zeit nach der russischen Revolution in das Jahr 1919. Direkt zu Beginn wird der Vater der Hauptperson Samson durch Kosaken getötet und ihm selbst wird dabei ein Ohr abgetrennt. Wegen seines guten sprachlichen Ausdrucksvermögens bekommt Samson - unterstützt durch kleine Zufälle - eine Anstellung bei der Miliz und darf ermitteln. Die Kriminal-Story ist hierbei für mich nicht das Wesentliche an dem Roman (zumal es recht seltsam zugeht, ein Oberschenkelknochen aus Silber, ein unfertiger Anzug aus teurem Stoff und auch Samsons abgeschnittenes und in einer Blechdose gelagertes Ohr eine Rolle spielen); die Beschreibung der Zustände, die Absurditäten der Ereignisse und Andrej Kurkows Augenzwinkern, welches einen über die Seiten hinweg begleitet - das ist der wahre Kern des Romans. Enttäuscht sein werden also diejenigen, die einen klassischen Krimi erwarten - Menschen mit eigenem Schalk im Nacken werden "Samson und Nadjeschda" mögen... und auf die Fortsetzung warten... auch um zu erleben, wie sich das zarte Gespinst der Liebe zwischen den Namensgebern des Romans weiter entwickeln wird. |
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Bewertung vom 30.09.2022 | ||
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Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 Wunderbar old-school - das dachte ich, als ich den 1973 zuerst erschienenen japanischen Krimi "Die rätselhaften Honjin-Morde" von Seishi Yokomizo in Händen hielt. Ein schmaler Band mit toller Haptik und einem Cover-Design, welches an die guten alten Tage von Agatha Christie, Edgar Wallace und Konsorten erinnert; welch große Freude wäre es, von diesen Krimis eine ganze Reihe in seinem Bücherregal beherbergen zu dürfen. Die gelungene Übersetzung in eine klare Sprache erleichtert den Lesefluss; jpanische Begriffe werden auf den letzten Seiten im Glossar erläutert und ein Personenverzeichnis ist eine zusätzliche, gute Unterstützung. Aus einer distanzierten und stellenweise berichtsartigen Erzählperspektive dürfen die Leser:innen die puzzelsteinartige Aufklärung eines äußerst ungewöhnlichen Mordfalles aus dem Jahre 1937 (der sich in einem quasi 'geschlossenen Raum' des Anwesens der Familie Ichiyanagi ereignet) verfolgen: In ihrer Hochzeitsnacht werden die Braut Katsuko und der Bräutigam Kenzo, ältester Sohn der Familie, tot aufgefunden. Die auf diesem Ausgangsszenario aufbauende Kriminalgeschichte ist ein wunderbares Ratespiel (zumal sie schon früh mit kleinen Hinweisen auf die Lösung gespickt ist) - und das bis zum Schluss. So erfahren wir nach und nach, welche Rolle ein dreifingriger Mann auf der Durchreise spielt und welche Bedeutung der Koto zukommt, einem Seiteninstrument, welches mit drei mit Plektren besetzten Fingern gespielt wird, auch spielt eine gut sortierte Bibliothek aus Klassikern der Kriminalliteratur eine Rolle, ganz zu Schweigen vom Zusammenwirken der Familienmitglieder in ihren unterschiedlichen Rollen und Persönlichkeiten; aber erst durch die zusätzlich zur Polizeiarbeit erfolgte Hinzuziehung von Privatdetektiv Kosuke Kindaichi klärt sich der Fall auf. Und am Ende wartet schließlich die sehr überraschende Lösung! Ein Buch wie ein gutes Online-Game! Lektüre für einen verregneten Nachmittag! |
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Bewertung vom 26.09.2022 | ||
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Weit mehr als nur eine Familiengeschichte ist Daniela Dröschers neuer und für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman "Lügen über meine Mutter" allemal. Die Autorin setzt den Roman in der Gegenwart an - das Gespräch mit der Mutter, die Absicht verkündend, ein Buch über die Familie zu schreiben und die Reflexion der Jahre 1983 bis 1986. Dies sind die kurz gehaltenen aber aufschlussreichen Einschübe, die dem eigentlichen Text, der Geschichte über die Familie aus der Tochterperspektive, einen Rahmen geben. Die Geschichte selbst ist ein großartig angelegter Entschlüsselungsversuch: Die Frage, warum die Entwicklungen in ihrer Familie genau diesen Verlauf genommen haben und das auf dem Hintergrund einer hunsrücker Dorfgemeinschaft in der Mitte der 80-er Jahre. Was war offensichtlich und für sie aus der Tochterperspektive zwar beobachtbar, aber damit noch lange nicht verstehbar? Was waren Auslöser und Verursachungen der Abwärtsdynamik dieser Familie? Und was waren die Geheimnisse ihrer Familie? So heißt es schon auf der ersten Seite: "So wie jeder Mensch drei Leben hat. Ein öffentliches, ein privates und ein geheimes." Da ist der Vater, der empor kommen möchte aber immer wieder scheitert und das Dicksein der Mutter verantwortlich macht, das eigene Leben nicht kontrollieren kann, aber glaubt, Kontrolle über seine Ehefrau ausüben zu können. Da ist die in ihrer Ehe unglückliche Mutter und schließlich die erzählende Tochter, zerrissen zwischen ihren Eltern. Und die späte Klärung durch das Schreiben. So fragt sich Daniela Dröscher gegen Ende des Buches - als die Geschichte schon fast zuende erzählt ist - in einem Dialog mit sich selbst: "Ist es wirklich notwendig, darüber zu schreiben? Ja. Kann Literatur einen retten? Vielleicht. Weil einen Literatur Dinge verstehen lässt, die man vorher nicht verstanden hat? Ja." Ein intimes und großartiges Buch. Danke, dass ich teihaben durfte. |
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Bewertung vom 16.09.2022 | ||
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Düster. Echt düster, der neue Roman von Friedrich Ani; fast wie wenn man duch ein "Bullauge" in die dunklen Tiefen des Ozeans (der Seelen) blicken würde. Als großer Fan des Autors waren meine Erwartungen hoch und auch die Rahmenhandlung versprach einiges: Polizist wird auf Demo von Verschwörungstheoretikern und Konsorten von einem Bierflaschenwurf getroffen und verliert auf einem Auge seine Sehkraft, trifft bei der Recherche auf die mögliche Täterin, eine Frau, deren Leben nach einem nicht weiter verfolgten, durch einen Streifenwagen ausgelösten Fahrradunfall aus den Angeln gehoben ist und sich ins rechte Milieu flüchtet; beide an Leib und Seele Versehrte und am Leben Verzweifelte; die Frau berichtet von dem Verdacht, dass ein rechter Terroranschlag geplant sei; die beiden nähern sich an, übernehmen Fürsorge füreinander in deiner düsteren Welt, sind trotz großer Unterschiede auf eine Weise seelenverwandt. Was am Roman begeistert, ist weniger die Story (die man thrillerartig hätte aufblähen können, was aber nicht die Art von Friedrich Ani ist) sondern vielmehr das Psychogramm zweier angeschlagener Menschen, eingebettet in einen ganz eigenen Schreibstil: "...der Zufall hatte uns vor ihrer Tür zusammengeführt, eine belanglose Begegnung an einem überflüssigen Tag." Nicht der Beste, aber ein Guter! |
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Bewertung vom 15.09.2022 | ||
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Magische Geschichten, die allerdings nur schwer einen Zusammenhalt , einen verbindenden, gemeinsamen Spannunsbogen finden... Bitte nicht falsch verstehen: "An den Ufern von Stellata" von der italienischen Schriftstellerin Daniela Raimondi ist durchaus sehr unterhaltsam, auch sind die einzelnen (Lebens-) Geschichten gut zu lesen und auch gut anzuhören, auch gibt es einen Beginn, der zunächst eine richtige Leselust erzeugt, weil die Erzählweise der Autorin eine äußerst angenehme ist und - was der Zeit der Ausgangshandlung, dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts geschuldet ist - auch etwas Magisches hat (Aberglaube, Vorhersehung, mit den Toten sprechen...), auch ist jede der vielen Figuren mit ihrer jeweiligen Geschichte interessant... Aber: Ab der Mitte des Buches ist es eine große Herausforderung, in der Generationenabfolge, in der Folge der andauernden Geburten den Überblick zu behalten... was die Leselust ein wenig beeinträchtigt. Da wäre weniger sicher mehr gewesen. |
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Bewertung vom 11.09.2022 | ||
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Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2 Lohnenswert. Zunächst habe ich gedacht, einen der üblichen Historienschmöker in der Hand zu haben. Und in die Hand genommen habe ich Susanne Abels "Was ich nie gesagt habe" überhaupt nur, weil es um die Verbindung der Zeit des Nationalsozialismus, des zweiten Weltkriegs mit dem Heute ging und mich schon vor einiger Zeit bereits die Bücher von Sabine Bode (z.B. "Die vergessene Generation") sehr interessiert haben, wenn es darum ging, zu verstehen, wie sich die oft traumatischen Erlebnisse der Eltern- und Großelterngeneration wohl auf mich und mein (Seelen-) Leben ausgewirkt haben können... und was sich hinter dem Schweigen dieser Generationen verbarg. Wie auch immer - die Geschichte, die Susanne Abel erzählt, hat mich ab der ersten Seite gepackt, weil sie so ungeheuer nahe am Leben sielt und in keiner Weise aufgeblasen oder sogar rührseelig wirkt. Die sehr einfache Sprache lässt zuweilen den Eindruck entstehen, die Geschichte wäre nicht niedergeschrieben, sondern vielmehr mündlich erzählt. Zudem wird sich jedermann und jedefrau bestimmten Alters darin wiederfinden, weil die Autorin es versteht, das eine oder andere zeitgeschichtliche Ereignis einzubinden und auch das Lebensgefühl der Zeit nachfühlbar zu machen. |
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Bewertung vom 04.09.2022 | ||
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Warum Ziele Quatsch sind - und wie wir sie trotzdem erreichen Nachdenkspaß. |
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Bewertung vom 03.09.2022 | ||
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Ungeheuer dicht. Dass Tove Alsterdal eine sehr routinierte Krimi-Autorin ist, hat sie mit ihrem neuen Buch "Sturmrot" wieder einmal unter Beweis gestellt. Und wie so oft ist es nicht ganz so leicht einen Krimi zu beschreiben, ohne Gefahr zu laufen, dem Werk die Spannung zu nehmen. "Sturmrot" hat mit seinen 480 Seiten eine optimale Länge, in der es gelingt der Handlung einen stringenten Verlauf zu gewährleisten und lediglich einigen wenigen zweckdienlichen Nebensträngen einen Raum zu geben. Besonders gelungen ist die Vernüpfung des aktuellen Todesfalles mit einem lange zurückliegeneden Vorfall im selben Ort: Olof Hagström, seinerzeit wegen Vergewaltigung und Mord eines Mädchens angeklagt und wegen seiner Strafunmündigkeit in einem Jugendheim untergebracht, kehrt an den Ort des Geschehens zurück, allerdings nur um kurz bei seinem Vater vorbeizuschauen, den er dann allerdings ermordet in seinem Elternhaus vorfindet. Natürlich glaubt das ganze Dorf zunächst daran, dass Olaf der Täter sei; eine Hetzjagd beginnt. Polizistin Eira Sjödin, in genau dieses Dorf zurückgekehrt, um sich um ihre demenzkranke Mutter zu kümmern, widmet sich dem Fall und muss dafür nicht nur in Olafs sondern vor allem und unerwarteterweise in der eigenen Familiengeschichte nachforschen - mit überraschenden Erkenntnissen. Die Vergangenheit wirkt halt in die Gegenwart hinein und auch bei Menschen mit Demenz gehen nicht sämtliche Erinnerungen verloren... Gut komponierte, nicht an den Haaren herbeigezogene und spannende Unterhaltung! |
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