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Benutzername: 
Juti
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HD

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Insgesamt 785 Bewertungen
Bewertung vom 30.07.2023
Aus der Welt gefallen
Kuhn, Kristina;Struck, Wolfgang

Aus der Welt gefallen


weniger gut

Falscher Titel

Was sich wie ein spannendes Werk über die nicht heimgekehrten Entdecker anhört, entpuppt sich mehr oder weniger als eine Biografie des Verlegers Petermann.

So steht nicht im Mittelpunkt wie sich beispielsweise Heinrich Barth aus der Gefangenschaft in Timbuktu befreien konnte, sondern eher, dass er monatelang keinen Brief an den Gothaer geschrieben hat.

Eigentlich schade, denn die „gescheiterten“ Forschungsreisen hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, auch im 17. Jahrhundert und nicht nur in Afrika. 2 Sterne

Bewertung vom 28.07.2023
Abraham trifft Ibrahîm
Lewitscharoff, Sibylle;Wali, Najem

Abraham trifft Ibrahîm


weniger gut

Wenige Sternstunden

Als Sibylle Lewitscharoff starb, hörte ich, dass Religion in ihren Romanen einen Hauptrolle spielte. Dann fiel mir der Titel dieses Buches auf und fand es aufregend.

Doch das erste Kapitel über Eva war eher öde, ja die Behauptung des Co-Autors Najem Vadi, dass Frauen in alle Religionen ihre Blöße in Gotteshäusern zu bedecken haben (45), hat mich so geärgert, dass ich das Werk fast beiseite gelegt hätte.

Und als das nächste Kapitel von Lewitscharoff wieder nichts Neues leistete – sie beschreibt nämlich nur wie Kierkegaard unter der geplanten Opferung Isaaks litt –, war ich vom Co-Autor angetan, da er mir neue Sichtweise aufzeigte. So erfuhr ich die Anekdote, dass Sara vom ägyptischen Pharao verführt werden sollte, aber immer wenn er seine Hand nach ihr ausstreckte, wurde sie steif. Er erklärte mir auch, warum die Mosesgeschichte im babylonischen Exil entstanden sein muss und weshalb es deswegen keine archäologischen Funde dazu gibt.
Lot und Hiob dagegen waren wenig befruchtend. Und bei Jona gewinnt nun Lewitscharoff mein Herz, weil sie anstatt über Jona über meinen Freund Clemens von Brentano schreibt.

So schaute ich von nun an immer, wen die alte Dame als Aufhänger nutzte und was der Koran anders zu bieten hatte, der näher am Text orientierte islamische Teil gefielt mir meistens besser. Eine große Gefahr, dass beide Seiten nur das Geschehen nacherzählten, was mich dazu bewog weite Teile des Buches nur zu überfliegen.

Da so die Lektüre langweilig wurde, sind mehr als 2 Sterne nicht drin.

Bewertung vom 26.07.2023
Ahnen
Weber, Anne

Ahnen


weniger gut

Vielseitige Autorin

Ja, ihr „Heldenepos“ hat mich begeistert. Und nun hoffte ich, dass auch Webers neues Buch mich vom Hocker reißen würde.

Doch irgendwie fand ich zu ihrem Ahnen Sanderling nicht den Zugang. Sei es, dass seine Theologie zu sonderbar sei, sei es, dass der Besuch in Posen zu sehr von der Nazizeit überlagert war, für mich blieb er ein Sonderling.


Vielleicht, nein bestimmt, hätten Überschriften und Einteilung in Kapiteln das Lesen erleichtert, aber das war wohl nicht erwünscht. So erhält dieses Buch nur 2 Sterne und auch das war wohl nicht erwünscht.

Bewertung vom 24.07.2023
Aufklärung
Steidele, Angela

Aufklärung


gut

Gespaltenes Verhältnis

Was hätte ich machen sollen? Ich liebe die Bachzeit, nicht aber den Organisten.

So habe ich dennoch dieses Werk gelesen, dass eine fiktive Autobiografie der ältesten Bachtochter Dorothea ist. Und so muss ich anfangs durch die musikalische Kaffee-Sonate, in der wohl erstmals der Schlendrian erwähnt wird.

Da lob ich mir den Marktbesuch auf Seite 108: „Eier, Eier wunderscheene Eier hab ich, wollen Sie mal gucken? Gucken Sie sisch doch mool meine Eier an. Oder lieber‘n Gürkchen gefällig, die Mamsell? Ah, für Madamme darf’s ooch ne Gurke sein, ned wohr? Die hab ich ooch, und wenn ich Madame ihre herrlichen Äpfel seh, da wird meine Gurke größer und größer.“
Oder: „Ich seh ihr kleines Kinn, die aufgeschnürte Brüste,
Und endlich gar welch Glück! Die Muschel schöner Lüste.“ (109)
Dazu passt noch eine Fabel von Gellert:
Zwo junge Mädchen hofften beide,
Worauf? Gewiss auf einen Mann:
Denn dies ist doch die größte Freude,
Auf die ein Mädchen hoffen kann.“ (316)

Doch kommen auch die großen Gelehrten zu Wort. Der Universalgelehrte Leibniz zum Beispiel, der theologisch für das duale Zahlensystem argumentiert: „Die Eins steht für Gott und die Null für das Nichts. Am siebten Tag ruht Gott, die Welt ist erschaffen, und deshalb schreibt sich die Sieben111, ohne Null. Die Zahl der Dreifaltigkeit!“ (251)

Neu war mir, wie sehr Sachsen unter dem Angriffskrieg von Friedrich dem Großen im Siebenjährigen Krieg litt. Dass auch noch der Student Goethe auftaucht, lässt das Ende des Romans Anfang der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts spielen.

Da das Buch viele Längen hat, gibt es von mir gerade noch 3 Sterne, also eher 2 als 4 - die Musikliebhabrin möge es besser bewerten. Aber da es auch einige Höhepunkte hat, möchte ich mit Bachs Matthäus-Passion schließen:

„Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt Du dann herfür;
wenn mir, am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
Kraft Deiner Angst und Pein.“ (556f)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2023
Tobias Mayer
Knubben, Thomas

Tobias Mayer


ausgezeichnet

Über die Wissenschaft im 18. Jahrhundert

Viel Neues habe ich in dieser Biografie über Tobias Mayer erfahren. Der gebürtige Marbacher musste sich sein Wissen selbst beibringen, da er früh seine Eltern verlor. Aufgewachsen ist er in Esslingen am Neckar, wo das Wunderkind den ersten Stadtplan zeichnete. Wissenschaftskritisch stellte er selbst fest, dass im dabei Ungenauigkeiten unterliefen, die sich an den Rändern auf über 100 Metern (Einheit aus heutiger Zeit) summierten.

Da über das Leben von Tobias Mayer wenig bekannt ist, beschäftigt sich das Buch auch mit den Fragen zu seinen wissenschaftlichen Themen. So ist der Mythos von der flachen Erde erst durch die Biografie von Washington Irving über Christoph Kolumbus 1828 und hat erst Anfang des 20. Jahrhunderts Einzug in die Schulbücher gefunden. Irving wollte damit vor allem die Kirche kritisieren.
Witzig ist auch, dass der französische König Ludwig XIV. 1684 bemerkte, dass die „Kartierung ihn mehr Land gekostet habe als ein Krieg.“ (97)

Doch zurück zu Tobias Mayer, der von Nürnberg an die junge Universität Göttingen berufen wurde. Dort forschte er eher im Stillen, hatte aber ständigen Briefkontakt mit Leonard Euler, der in Berlin wirkte und wurde Privatlehrer vom Arabienreisenden Carsten Niebuhr. Mayer erforschte die Mond­bahn so genau, dass sie sich zur Kartografie und zur Lösung des Längengradproblems eignete.

Weil ich vieles nicht wusste: Bestnote 5 Sterne.

Bewertung vom 15.07.2023
Der Traum des Beobachters
Genazino, Wilhelm

Der Traum des Beobachters


schlecht

Lesenswert hieß das Magazin, Insa Wilke die Kritikerin, die dieses Buch vorstellte. Doch den Warnungen der jüngsten Kritikerin zum Trotz, sie sei schwer reingekommen, wollte ich es lesen. Wilhelm Genazino lebte schließlich auch mal in Heidelberg.


Nach dem ersten Jahr, 1972 glaube ich, hatte ich aber den Eindruck nur die Reste zu lesen, die der Autor nicht in seinen Romanen verwenden konnte und legte es aus der Hand. 1 Stern

Bewertung vom 13.07.2023
Gentleman über Bord
Lewis, Herbert Clyde

Gentleman über Bord


sehr gut

leichte Unglücksnovelle

„Nichts ist komischer als das Unglück“ heißt es auf Seite 158 im Nachwort. Aber so komisch ist das ganze nicht. Ein Mann, eben der Gentleman, rutscht auf einem Ölfleck aus und fliegt mitten im Pazifik über Bord. Niemand bemerkt sein Missgeschick und so treibt er mutterseelenallein dem Sonnenuntergang entgegen.

Was wirklich komisch ist, dass die Gesellschaft auf dem Schiff sein Fehlen einen Tag lang nicht bemerkt. Der Frühstückskellner wird sein Essen einfach in den Müll, das Missionarsehepaar glaubt ihn sogar in der Bibliothek gesehen zu haben, auch sein bester Freund will ihn nicht stören.
So wechselt die Sichtweise zwischen dem im Wasser treibende Mr. Standish und der Gesellschaft auf dem Schiff.


Von mir gibt es 4 Sterne, weil die Komik kein Lachen auslöst, nicht auslösen kann, da das Thema dies nicht erlaubt, aber sonst gefällt mir Sprache und Inhalt des kurzen Buches, das ich eher als Novelle denn als Roman bezeichnen würde, außerordentlich gut.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.07.2023
Die Fehlbaren
Bubrowski, Helene

Die Fehlbaren


ausgezeichnet

Wertvolle Analysen

Seit Robin Alexander „Die Getriebenen“ habe ich kein so spannendes Buch über den Berliner Politikbetrieb gelesen wie dieses. Die Fehlerkultur in der Politik wird ganz unterschiedlich gehandhabt.

Nicht so sehr die Bühne im Berliner Wedding ist spannend, mehr die große Politik. Angela Merkel hat während der Corona-Zeit zugegeben, dass die geplante „Osterruhe“ ein Fehler war, der einzige, den sie in ihrer Regierungszeit zugegeben hat. Für ihre Russlandpolitik muss sie sich nämlich nicht entschuldigen, auch wenn es ihr Außenminister Steinmeier als Bundespräsident getan hat. Er war aber der einzige.

Der Primus der Fehlerlosen ist Andreas Scheuer, dessen Mautdebakel – wie wir heute wissen – dem Steuerzahler 243.000.000 Euro kostet, aber der Minister hat keinen Fehler gemacht. Auch Christine Lambrecht war als Verteidigungsministerin – zumindest nach ihrer Selbsteinschätzung – perfekt.
Dagegen waren die Grünen ein Musterbeispiel der Fehlerkultur. Nur wer so viele Fehler macht wie Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin, der kann sich die Entschuldigung auch letztlich sparen. Armin Laschet hat sich dagegen für sein korrektes Buch zu früh entschuldigt. Und bei Wolfgang Kubicki ist die Entschuldigung Teil seiner politischen Inszenierung. Wenn sein Mundwerk zu locker war, entschuldigt er sich einen Tag später ohne wirklich Reue zu zeigen. So verfährt auch Friedrich Merz.

Eine andere Strategie ist nur einen Teil zuzugeben. Bodo Ramelow hat in einem Interview erzählt, dass er bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit „Merkelchen“ auf seinem Handy gespielt hat. Für „Merkelchen“ hat er sich entschuldigt, der Rest wurde vergessen.

Den Satz, dass wir einander viel verzeihen müssen, hat Spahn vor der Presse verstolpert. Er kam spontan, wurde von ihm aber im Gesundheitsausschuss vorher ausprobiert. Lauterbach war immer im Team Vorsicht. Aber dass er damit auch für die langen Schulschließungen mitverantwortlich war, glaubt er heute nicht. Und Spahn verzeiht heute in der Russlandkrise der Regierung auch keine Fehler.

Der Meister der Fehlerkultur ist Robert Habeck. Er will nicht reden wie alle anderen. Aber wer an Beliebtheit verliert, der hat auch weniger Lust sich etwas vorwerfen zu lassen. Der Hauptvorwurf: Viele schöne Worte, aber wenig Substanz.

Die Linke bestätigt den Satz: Freund, Feind, Parteifreund. Nach der Wahl von Wissler wird sie gleich von den eigenen Leuten beschädigt, nur damit eine offene Rechnung beglichen wird.
Und Anna Spiegel hat versucht, ohne professionellen Pressesprecher die Krise zu meistern und ist gescheitert.

Danach geht es um Beamten, die für die Firma Tesla die Verfahren beschleunigt haben, auch auf die Gefahr, dass dabei Fehler passieren, um Journalisten, die nicht locker lassen, um die Shitstorms bei Twitter und die Sucht, nicht davon wegzukommen. Mastodon wäre eine Alternative, aber vermutlich nur vorerst, weiter über die Fehlerkultur bei Start-ups, bei Gerichtsverfahren und bei der Kirche.

Zum Schluss wird das Comeback von Philipp Anthor behandelt, während Copy und Paste-König Guttenberg mit seiner Auszeit in den USA gescheitert ist.


Auch wenn der nichtpolitische Teil etwas abfällt, 5 Sterne sind vollauf verdient.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2023
Kochen im falschen Jahrhundert
Präauer, Teresa

Kochen im falschen Jahrhundert


weniger gut

Abgefahrenes Zeug

Also wenn nicht Sommer wäre, die Kapitel so kurz und das Buch so dünn, hätte ich dieses Büchlein nicht bis zur letzten Seite gelesen.

Nein, ein Roman ist es nicht, auch kein nettes Familientreffen bei dem gekocht wird. Es ist dieser typische österreichische Humor, der die Gastgeber und Gäste beim Essen über Alles und Nichts reden lässt, ja gegen Ende gerät auch noch das Essen in den Hintergrund, sondern Politik.


Dieses Werk ist für Germanisten, die sich hinterher fragen dürfen: „Was will uns die Autorin damit sagen?“ Mich lässt sie ratlos, ich dafür lasse 2 Sterne zurück.

Bewertung vom 01.07.2023
Das Ende des Kapitalismus
Herrmann, Ulrike

Das Ende des Kapitalismus


gut

Das Problem der Prognose

Eigentlich hatte ich nach der Lektüre des vorletzten Buches „BlackRock“ erwartet, dass ich nun wieder etwas höre von der Wall Street, von modernen Finanzspekulationen und einen Computerhandel in Millisekunden. Doch weit gefehlt. Frau Herrmann will die Klimakatastrophe stoppen.

Eigentlich beschäftigt sich nur das erste von drei Kapiteln mit dem Kapitalismus. Herrmann entwickelt plausibel, dass die Wirtschaft nur wächst, wenn immer Kredite und immer mehr Geld zur Verfügung steht. Dieses Wachstum ist aber schlecht für das Klima.

Und im zweiten Kapitel zeigt sie dann, dass das grüne Wachstum die Erwärmung der Welt nicht stoppen kann. So könnten wir in Deutschland zwar Wind- und Solarenergie ausbauen, für die dunklen Flauten bräuchten wir aber noch weitere Energie. Da gibt es zwei Möglichkeiten:
1. der Energieimport von Solarenergie aus der Sahara. Aber beim Transport nach Europa geht so viel verloren, dass es sich nicht lohnt.
2. die Energiespeicherung, aber außer den Wasserspeicherbecken, die aber nur für eine kurzfristige Lücke reichen, geht immer viel Energie flöten, auch beim viel diskutierten Grünen Wasserstoff.

Als Lösungsvorschlag plädiert sie im letzten Kapitel für ein Schrumpfen der Wirtschaft wie bei der Kriegswirtschaft der Briten. Fliegen oder Autofahrten wird es kaum noch geben, Fleisch wird rationiert. Corona zeigt doch, dass Klima eben nicht als sofortige Krise angesehen wird, bei der unmittelbares Handeln angesagt ist.

Das Problem ist, dass sie mit keinem Wort schreibt, wie das politisch durchgesetzt werden soll. Und auch die sinngemäße Einwende Lauterbach, dass der globale Klimawandel nicht dadurch gestoppt wird, dass die Deutschen weniger Fleisch essen, wird zwar genannt, aber nicht reflektiert.

Zudem weiß heute keiner, wie die Klimakatastrophe wirklich aussehen wird – also das Problem der Prognosen. Deutschland wird sich wohl auf trockenere und heißere Sommer einstellen müssen, d.h. auch der Landwirtschaft muss ausreichend Wasser zur Verfügung stehen, Deutschland wird mit diesen Problemen leben müssen. Ich glaube, dass eine Erwärmung von drei oder vier Grad unvermeidlich ist, weil die Wege des Verzichts wie in diesem Buch nicht mehrheitsfähig sein werden, die den Klimawandel auf unter 2 Grad begrenzen.


Da dieses Buch zum Umgang mit dem Klimawandel – und wie schon gesagt auch zum Umbau des Finanzsystems – keine Antworten gibt, erteile ich 3 Sterne. Immerhin bietet es eine nette intellektuelle Auseinandersetzung.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.