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PMelittaM
Wohnort: 
Köln

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Insgesamt 544 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


sehr gut

Japan 1946: Auch Privatdetektiv Kosuke Kindaichi wurde während des Krieges eingezogen und diente bis zu dessen Ende. Er freundete sich in dieser Zeit mit Chimata Kito an, der zwar das Kriegsende erlebte, aber nicht mehr seine Ankunft in der Heimat. Kosuke reist nun auf dessen Bitte zur Insel Gokumon, um Chimatas Familie von dessen Ableben in Kenntnis zu setzen. Außerdem hatte ihn Chimata mit seinen letzten Worten gebeten, seine Schwestern zu retten, die sterben müssten, wenn er nicht heim käme.

Auf der Insel angekommen, lernt er schnell neben Chimatas Familie auch einige andere Bewohner kennen, und lässt sich, trotz seines „Auftrages“ ein wenig treiben, bis eines Tages ein Mord geschieht.

Der Blumenbar Verlag hat nun nach „Die rätselhaften Honjin-Morde“ einen weiteren Fall des japanischen Privatdetektivs veröffentlicht. Hier wie dort stammen die Opfer aus einer wichtigen, gut betuchten Familie, von der es zudem eine Seitenlinie gibt, mit der man sich nicht unbedingt versteht, und die möglicherweise in den Fall verstrickt ist. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Wie der Titel schon sagt, findet dieser Fall auf einer Insel statt. Einer Insel zudem, die so ihre Eigenheiten hat, offenbar stammen alle Bewohner von Sträflingen und Piraten ab. Man lebt hier vor allem von der Fischerei, und Chimata wäre der Erbe des Fischereigroßunternehmen, bei dem ein großer Teil der Bevölkerung angestellt ist, gewesen.

Wie bereits im oben erwähnten Roman ist auch hier der Fall äußerst verzwickt, doch der Autor liefert einiges, worüber nicht nur Kosuke, sondern auch der/die Leser:in nachdenken kann. Die Lösung am Ende ist zufriedenstellend, wenn auch sehr erschütternd.

Nebenbei lernt man manches über die japanische Lebensweise jener Zeit, im Anhang findet sich zudem ein Glossar, das manches näher erläutert. Auch das Personenregister ist nützlich, vor allem, wenn man Probleme hat, die japanischen Namen zuzuordnen. Wie auch bei den Hojin-Morden gibt es einen übergeordneten Erzähler, doch dessen Erläuterungen nehmen hier einiges weniger an Raum ein, was ich schade finde, da ich die dortige Erzählweise sehr interessant fand. Aber auch hier gibt es eine ganz eigene Atmosphäre, das Japan jener Zeit wird durchaus lebendig.
Seishi Yokomizo (1902 – 1981) war ein in Japan sehr bekannter, erfolgreicher und mehrfach ausgezeichneter Kriminalautor, der insgesamt 77 Bänden mit Kosuke Kindaichi veröffentlicht hat. Blumenbar hat also noch eine reiche Auswahl an Romanen der Reihe, von denen der Verlag hoffentlich noch weitere auf Deutsch veröffentlicht.

Auch „Mord auf der Insel Gokumon“ habe ich gerne gelesen, auch wenn ich „Die rätselhafen Honjin-Morde“ lieber mochte. Es ist aber allemal interessant, (Kriminal)Romane japanischer Autoren zu lesen, und dabei ein Stück (historisches) Japan zu entdecken.

Bewertung vom 23.07.2023
Wagner / Geiger-Reihe Bd.3
Skördeman, Gustaf

Wagner / Geiger-Reihe Bd.3


sehr gut

Ein ehemaliger schwedischer Außenminister wird von einem Geschäftsmann enthauptet, der sich anschließend selbst erschießt, ein Video der Tat erhält ein weiterer Geschäftsmann, der sich damit an die Polizei wendet, Polizeischutz aber ablehnt. Auch Sara Nowak ist in die Ermittlungen involviert, die noch mit den Auswirkungen der Ereignisse um „Faust“ zu kämpfen hat.

Und diese Ereignisse sind gar nichts im Vergleich zu dem, was hier auf sie zukommt, das noch tiefer in ihr Leben und das ihrer Familie eingreifen wird, und ihr letztlich dann doch mein Mitleid sichert. Das hatte sie, bei allem, was ihr bisher schon passiert ist, nämlich bisher nicht so ganz, denn Sara ist keine sehr liebenswerte Person. Hier allerdings kam sie mir dann doch ein Stück näher, obwohl sie auch hier leider wieder ein paar dumme Dinge tut, nicht zuletzt ihr Verhältnis zu einem Kriminellen.

Ja, diese Geschichte ist noch ein Stück weit unrealistischer, als es die Vorgänger vielleicht waren, bei denen ich aber doch immer das Gefühl von Möglichkeit hatte, Terroristen, Spione, Spionageabwehr, ich glaube, da ist schon einiges los, und wahrscheinlich ist es gut, dass man als „normaler Bürger“ nicht alles weiß. Was Gustaf Skördeman hier nun bietet, ist noch um einiges mehr „drüber“ als bisher – aber trotzdem extrem spannend, wie ich finde. Ich hatte sehr viele „Ach du je“-Momente, und musste dann doch unbedingt noch weiter lesen, noch ein Kapitel und noch eins … Dieser Roman stellt noch einmal eine ganze Menge auf den Kopf.

Am Ende von „Geiger“ dachte ich eigentlich, die Geschichte sei auserzählt, in den Fortsetzungsbänden müsste Neues kommen, doch tatsächlich baut alles aufeinander auf, um dann hier zum Höhepunkt zu kommen. „Wagner“ endet für mich sehr unerwartet, aber auch auf eigene Art passend. Da eine Trilogie angekündigt war, müsste das nun auch das Ende der Geschichte gewesen sein. Oder?

„Wagner“ ist für eine Thrillertrilogie ein sehr passender Abschlussband, actionreich, spannend und mit viel Unerwartetem. Unbedingt sollte man aber die beiden Vorgängerbände gelesen haben. Ich hatte mit allen drei Bänden sehr spannende Lesestunden.

Bewertung vom 22.07.2023
Pforte der Verdammnis / Matthew Shardlake Bd.1
Sansom, Christopher J.

Pforte der Verdammnis / Matthew Shardlake Bd.1


sehr gut

1537: Im Kloster Scarnsea wird Robin Singleton, der Kommissar des Königs, geköpft aufgefunden. Thomas Cromwell beauftragt den in seinen Diensten stehenden Anwalt Matthew Shardlake den Mörder zu finden, und die Arbeit Singletons zu Ende zu führen.

Nachdem Heinrich VIII sich vom Papst losgesagt und sich zum Oberhaupt der Kirche Englands ernannt hatte, wurde eine Reihe Reformen eingeführt, u. a. sollten die Klöster aufgelöst werden. Dies ging natürlich nicht ganz ohne Widerstand vonstatten. Der Autor greift in diesem ersten Band der Reihe um den Anwalt Matthew Shardlake, der selbst ein überzeugter Reformer ist, dieses Thema auf.

Der Autor lässt Matthew in Ich-Form erzählen, so dass man als Leser:in seine Gedanken und Emotionen hautnah erfährt. In diesem Band erfährt man auch viel von Matthews Hintergrundgeschichte. Er ist ein sympathischer Mann, mit einem körperlichen Leiden geschlagen, der im Laufe des Romans einen Teil seiner Ansichten überdenken muss, Mitgefühl und Empathie zeigt, aber auch für seine Überzeugungen einsteht.

Der historische Hintergrund ist gut eingebaut, nimmt aber weniger Raum ein als in den beiden nachfolgenden Romanen, die ich bereits gelesen habe. Das liegt aber auch zum Teil daran, dass die Geschichte fast ausschließlich in Scarnsea stattfindet, also an einem örtlich sehr begrenzten Schauplatz. Dadurch ist auch das Figurenensemble sehr begrenzt, und so kann man sich als Leser:in auch gut Gedanken über die Hintergründe der Tat bzw. der Taten, denn es bleibt nicht bei einem Mord, machen – mögliche Täter gibt es einige.

Dem Autor gelingt es, mich in die Geschichte zu ziehen. Die Geschichte spielt in einem schneereichen Winter, die entsprechende Atmosphäre kann man spüren, und durch den bildhaften Erzählstil meint man fast, selbst dabei zu sein. Die Charaktere sind im übrigen alle gut gezeichnet.

Am Ende ist alles aufgelöst, und man erfährt auch etwas über das Danach. Im Anhang gibt es zudem einen kurzen aber lesenswerten historischen Nachtrag des Autors.

Der erste Band der Reihe um einen Anwalt zur Zeit Heinrichs VIII hat mir gut gefallen, die beiden nachfolgenden Bände mochte ich aber noch lieber – somit kann ich die gut recherchierte Reihe auf jeden Fall empfehlen.

Bewertung vom 18.07.2023
Faust / Geiger-Reihe Bd.2
Skördeman, Gustaf

Faust / Geiger-Reihe Bd.2


sehr gut

Eine Gruppe Jäger kommt einer Leichenbeseitigung in den Weg und wird beschossen, doch eine von ihnen ist beherzt genug, zurückzuschießen. Sara Nowaks neue Dienststelle ist zuständig, und findet bald heraus, dass hier wahrscheinlich noch mehr Leichen entsorgt wurden – Opfer von Bandenkriegen?

Etwa zur selben Zeit findet man den Pfarrer Jürgen Stiller, ein Überlebender der Ereignisse aus dem Vorgängerband, erhängt vor. Kurz vorher hatte er noch versucht, Sara zu erreichen, die sich nun schuldig fühlt und – ohne Zuständigkeit – auch in diesem Fall ermittelt.

Im zweiten Band der Trilogie stößt Sara Nowak wieder in ein, oder besser gesagt, mehrere Wespennester. Nicht nur, dass ihr die Ereignisse des ersten Bandes schon durch ihre Narben immer noch präsent sind, nein, Terroristen und Spione drängen sich erneut in ihr Leben. Und als wäre das noch nicht genug, will ihre Mutter unbedingt publik machen, wer Saras leiblicher Vater ist, distanziert sich ihre Tochter immer mehr von ihr, und hat ihr Ehemann einen besonders großen geschäftlichen Deal machen können, der die Familie auch privat tangiert.

Sara Nowak war mir bereits im ersten Band alles andere als sympathisch, viele ihrer Handlungen, privat und beruflich, erschienen mir sehr drüber – und das setzt sich leider auch in diesem Band fort. Ich fürchte, die Protagonistin der Trilogie und ich werden keine Freunde mehr. Und nicht nur das, auch dieser Band wimmelt nur so vor Unsympathen – genau wie im ersten Band eben. Auch wie im ersten Band spielt ihr Privatleben neben dem Beruflichen eine wichtige Rolle.

Trotz aller Unsympathie ist es spannend, es gibt überraschende Wendungen, wenn sie auch manchmal ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirken, gerade gegen Ende, als der Roman noch einmal richtig aufdreht – und lässt mich dadurch dann doch am Ball bleiben. Natürlich gibt es am Ende eine Auflösung, und die ist auf jeden Fall nachvollziehbar. Doch dann kommt das letzte Kapitel, und ich frage mich, wie der Autor das im nächsten Band erklären will.

Der zweite Teil der Trilogie ist ähnlich turbulent und actionreich wie der erste, und Sara Nowak könnte mir fast leid tun, wäre sie mir nicht so unsympathisch. Ich bin sehr gespannt auf den Abschluss der Trilogie. Wer Band 1 mochte, kann auch hier zugreifen, wer Band 1 noch nicht gelesen hat, sollte ihn unbedingt zuerst lesen.

Bewertung vom 17.07.2023
Das brennende Einhorn (eBook, ePUB)
Lange, Matthias

Das brennende Einhorn (eBook, ePUB)


sehr gut

Inquisitor Orlin wird nach Alberdon zurückgerufen. Ein „brennendes Einhorn“ soll Dörfer in der Umgebung niedergebrannt und viele Bewohner getötet haben. Orlin soll untersuchen, was dahintersteckt, zur Seite gestellt wird ihm die Adeptin Kwill, die kurz vorher noch eingekerkert worden war.

Die Novelle spielt im selben Universum wie die „Chroniken der Drachenreiterin“-Reihe des Autors, deren erster Band bereits erschienen ist, hat aber andere Protagonist:innen. Bereits der bildreiche und atmosphärische Prolog hat mich in die Geschichte gezogen und mich gespannt auf das weitere Geschehen gemacht.

Trotz der Kürze der Geschichte ist es Matthias Lange gelungen, den Charakteren Profil zu geben, Orlin hatte schnell meine Sympathie, bei Kwill brauchte ich ein bisschen länger. Beide haben ihre Geheimnisse, die sich erst im Laufe der Novelle entschlüsseln. Sehr gefreut habe ich mich, die beiden Charaktere aus dem Prolog im späteren Verlauf wiederzutreffen, vor allem der Zwerg Bernhardt hat es mir angetan – bei Zwergen kann ich wohl schlecht aus meiner Haut …

Die Geschichte hat eine Reihe unerwartete Wendungen bzw. hatte ich zu Beginn eine ganz andere Geschichte erwartet, als ich am Ende bekommen habe. Dass er Überraschungen gut kann, hat der Autor ja schon in „Die Ankunft des Drachen“ gezeigt. Orlin und Kwill treffen auf Kultisten, Syndikats-Zwerge und eine sehr erschreckende Antagonistin, und nicht immer kann man sicher sein, wer überleben wird.

Am Ende kann man das Buch zufrieden zuklappen, und sich auf die nächste Geschichte aus diesem Universum freuen. Ich fände es sehr gut, wenn neben der Drachenreiterin-Reihe auch weitere Novellen erscheinen würden, dieses Universum hat einiges zu bieten.

„Das brennende Einhorn“ ist eine spannende und atmosphärische Novelle aus dem Drachenreiterin-Universum und macht Lust auf mehr.

Bewertung vom 16.07.2023
Feuer der Vergeltung / Matthew Shardlake Bd.2
Sansom, Christopher J.

Feuer der Vergeltung / Matthew Shardlake Bd.2


ausgezeichnet

London, 1540: Ein ehemaliger Mandant bittet Matthew Shardlake um Hilfe: Seiner Nichte wird der Prozess gemacht, weil sie angeblich ihren Cousin getötet hat, Joseph Wentworth ist sich sicher, dass Elizabeth unschuldig ist, Elizabeth aber will nicht sprechen. Thomas Cromwell verhilft Matthew zu einem Zeitaufschub, verlangt dafür von ihm aber auch einen Gefallen.

Der zweite Band um einen Anwalt zur Zeit König Heinrichs VIII ist ein praller Historienroman, in dem nicht nur das damalige London, sondern auch die Charaktere, darunter einige historische Persönlichkeiten, lebendig werden. Mein Kopfkino hatte viel zu tun, der Autor schreibt sehr bildhaft, und nicht nur das, auch Gerüche und Geräusche kann man sich gut vorstellen.

Matthew Shardlake habe ich schnell liebgewonnen, er strebt nicht, wie viele seiner Berufs- und Zeitgenossen, nach Ruhm, Macht und Geld, sondern ihm sind vor allem seine Mandanten wichtig, für sie setzt er sich ein, egal ob sie arm oder reich sind. Der Autor lässt ihn in Ich-Form erzählen, so dass man seine Gedanken und Emotionen hautnah miterlebt. Ein körperliches Gebrechen macht ihm zu schaffen, doch er steht trotzdem seinen Mann, mit dem Apotheker Guy hat er zudem jemanden, der seiner Gesundheit gut tut.

Ihm zur Seite steht Jack Barak, der im Dienste Cromwells steht und Matthew unterstützen soll, bei beiden Fällen, wohlgemerkt. Die Beziehung zwischen den beiden, zunächst distanziert, entwickelt sich mehr und mehr, es ist schön, dies zu verfolgen.

1540, wer sich ein bisschen mit der englischen Geschichte auskennt, weiß vielleicht auch etwas über Cromwells Schicksal. Ich war sehr gespannt, ob und wenn ja, wie dies in die Geschichte einfließt. Dass Cromwells Stern am Sinken ist, ist von Anfang an Thema, und alles weitere sollte man selbst lesen. Neben Cromwell spielt Richard Rich eine größere Rolle wie auch Thomas Howard, der Onkel Katherine Howards, Heinrich VIII fünfter Ehefrau. Zu Beginn des Romans ist der König noch mit Anna von Kleve verheiratet. Der historische Hintergrund, man ahnt es, spielt eine große Rolle und ist gut eingebaut. Interessant fand ich u. a. die Ausführungen zum Rechtsystem. Im Anhang gibt es einige historische Anmerkungen C. J. Sansoms.

Wie es zu der Zeit „üblich“ war, gibt es auch im Roman Intrigen, man muss Heinrichs Launen fürchten, und manch einer überlebt auch nicht – auch Matthew und Barak kommen mehr als einmal in große Gefahr. Das gibt dem Roman immer wieder spannende Momente, und auch die Frage, ob es Matthew gelingt, wenigstens eine seiner Aufgaben zu erfüllen, ist spannend, zudem es auch immer wieder unvorhersehbare Wendungen gibt. Als Leser:in kann man auch miträtseln.

Was soll ich sagen, dies ist ein historischer Roman, wie ich ihn mag, gut recherchiert, süffig, spannend, mit packenden Fällen, interessanten Charakteren und einem liebenswerten Protagonisten. Genrefans sollten zugreifen – und ich freue mich darauf, noch weitere Romane der Reihe lesen zu können.

Bewertung vom 14.07.2023
Draußen (eBook, ePUB)
Stormhouse, Mary

Draußen (eBook, ePUB)


sehr gut

Die Menschen leben in virtuellen Welten von einer KI bewacht, die die Menschen für ihre Göttin halten. Eines Tages, Nalani hat sich gerade ausgeloggt, um sich ihren Lebensbedürfnissen zu widmen, fällt ein junger Mann, Caiden, in ihren Cubus und hastet schnell weiter. Ohne zu überlegen, folgt ihm Nalani - und ist plötzlich „draußen“. Und draußen gibt es tatsächlich auch Leben, sogar menschliches.

Mary Stormhouse zeigt uns hier eine mögliche Zukunftsvision. Das ist schon ein bisschen erschreckend und Augen öffnend, gerade heutzutage, doch, der Roman würde nicht als Solarpunk veröffentlicht, wenn er nicht auch ein Stück Hoffnung mitbrächte – und damit einiges zum Nachdenken.

Erzählt wird aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern bildhaft und spannend, bereits der Prolog hat mich sehr angesprochen. Man liest sich schnell ein, und ist gespannt, was Nalani erwartet, und wie es weitergehen wird. Nach und nach lernt man zusammen mit ihr verschiedene Menschen kennen, die zum Teil ganz unterschiedlich leben, ein Teil der Menschheit hat hier draußen seine Nischen gefunden, vielleicht auch finden müssen.

Es brauchte ein bisschen, bis ich Nalani mochte, bei Caiden ging es schneller, ebenso bei einigen der Menschen draußen. Die relative Kürze des Romans lässt keine sehr tiefgehenden Charakterzeichnungen zu, aber die Charaktere, die mehr im Mittelpunkt stehen, haben alle ihre besonderen Wesenszüge und prägen sich ein.

Zwischen dem aktuellen Geschehen gibt es immer wieder Texte in kursiv zu lesen, aus denen man nach und nach erfährt, was vorher passiert ist, wie es dazu kam, dass die Welt nun so ist. Das ist gut gemacht, man erfährt immer nur das, was gerade nötig ist, erst gegen Ende wird das Komplette offenbart – das stark auf unserer Welt aufbaut, und dadurch ziemlich realistisch wirkt.

„Draußen“ ist ein interessanter Roman, der eine mögliche dystopische Zukunft offenbart, aber auch Hoffnung lässt. Sehr gerne empfehle ich ihn uneingeschränkt weiter.

Bewertung vom 12.07.2023
The Rules of Magic. Eine zauberhafte Familie (eBook, ePUB)
Hoffman, Alice

The Rules of Magic. Eine zauberhafte Familie (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Familie Owens besteht aus Hexen. Susanna Owens hat sich allerdings von ihrer Familie losgesagt, und lebt mit ihrem Mann und den Kindern Frances, Franny genannt, Bridget, Jet genannt, und Vincent in New York, weitab vom Rest der Familie. Der Tradition, dass eine Owens, wenn sie 17 ist, den Sommer bei Tante Isabelle verbringt, beugt sie sich dennoch. Frances, Jet und Vincent sind unzertrennlich, und so kommt es, dass alle drei zusammen nach Massachusetts reisen, als die Älteste von ihnen 17 wird. Hier erfahren sie nun auch mehr über ihren magischen Hintergrund – und über den Fluch, der auf der Familie liegen soll.

Vor Jahren war ich eine Zeit lang fast süchtig nach Romanen Alice Hoffmanns, bis diese irgendwann wieder von anderen überlagert wurden, und erst jetzt habe ich wieder zu einem Roman der Autorin gegriffen. Und Alice Hoffmanns „Zauber“ hat mich direkt wieder erreicht. Für mich ist ihr Schreib- und Erzählstil etwas besonderes, er packt und berührt mich sehr schnell, zieht mich mitten hinein in das Leben der Protagonist:innen, ich fühle mich schnell mittendrin – und kann mich am Ende nur schwer lösen.

Erzählt wird das Leben der drei Geschwister über mehrere Jahrzehnte, wobei immer wieder die Perspektive gewechselt wird. So lernt man Franny, Jet und Vincent sowie ihre Gedanken und Emotionen gut kennen –und trotzdem sind sie mir nicht so nahe gekommen, wie ich mir das gewünscht hätte, am ehesten ist das noch Vincent gelungen – anscheinend hat sein besonderes Charisma auch bei mir gewirkt – Franny und Jet blieben mir dagegen seltsam fremd. Und das, obwohl mich ihrer aller Geschichte sehr berührt hat. Beim Lesen war mir das immer bewusst, hat aber meine Lesefreude kaum geschmälert. Vincent ist übrigens eine Ausnahme, üblicherweise bekommen Owens-Frauen nur weibliche Kinder, magische Fähigkeiten hat er aber trotzdem bekommen.

„Rules of Magic“ ist ein im Original 2017 erschienenes Prequel zu „Practical Magic“, das bereits 1995 erschienen ist und 1998 mit Sandra Bullock und Nicole Kidman verfilmt wurde. Am Ende von „Rules of Magic“ lernt man die beiden Protagonistinnen aus „Practical Magic“ kennen, sie sind hier noch Kinder. Fischer Tor hat „Practical Magic“ 2022 übrigens neu herausgebracht.

Meine Wiederbegegnung mir Alice Hoffmann ist gut verlaufen, und hat mir erneut Lust gemacht, ihre anderen Werke zu lesen. Ich kann „Rules of Magic“ empfehlen, vor allem jenen, die sowohl Familiengeschichten als auch ein bisschen Magie in ihrer Lektüre mögen, hier gibt es noch einen Touch amerikanische Geschichte obendrauf. Von mir gibt es 4,5 Sterne, die ich, wo nötig, aufrunde.

Bewertung vom 09.07.2023
Outlander - Das Schwärmen von tausend Bienen / Highland Saga Bd.9
Gabaldon, Diana

Outlander - Das Schwärmen von tausend Bienen / Highland Saga Bd.9


ausgezeichnet

1779 sind Brianna, Roger und die Kinder zurück in Frasers Ridge, wo man gedacht hatte, sie nie wiederzusehen – um so größer ist die Freude. Claires und Jamies neues Haus wächst zunehmend und auch das Gemeindehaus kann bald seinen Dienst aufnehmen, sonntags teilen die verschiedenen Glaubensgemeinschaften es sich, wobei es zum Zusammenhalt der Bewohner dient, dass man, wenn man schon einmal da ist, und ja sonst nichts Interessantes zu tun hat, man sich direkt alle Gottesdienste zu Gemüte führt.

Doch noch ist der Krieg nicht zu Ende, und die Einwohner von Frasers Ridge sind teilweise Rebellen und teilweise Royalisten. Vor allem der neu hinzugezogene Kapitän Cunningham ist königstreu durch und durch, und im Laufe des Romans wird es auch hier zu Problemen kommen.

Auf einen Brief John Greys hin, reisen Roger, Brianna und ihre Kinder nach Savannah, nicht ohne einen Zwischenstop in Charles Town, wo sie Germain bei Marsali und Fergus abliefern. In Savannah trifft Brianna auch ihren Halbbruder William, der sich nach erfolgloser Suche nach seinem Cousin Ben vorübergehend hier aufhält. Gleichzeitig erfüllt Brianna einen brisanten Auftrag ihres Vaters.

Auch Ian ist mit Frau, Mutter und Sohn unterwegs. Sie reisen nach New York, da Ian nach seiner ersten Frau, der Mohawk Emily sehen möchte.

Es ist für mich immer wieder ein Nachhausekommen, wenn ich einen neuen Band der Reihe aufschlage. Dieser ist bereits der neunte Band. Ich bin der Familie Jamie Frasers inzwischen sehr verbunden, vor allem in den Büchern. Ich schaue auch die Serie, kann mich dort aber nicht für jede:n Schauspieler:in erwärmen. Zum Glück sehe ich diese beim Lesen größtenteils nicht vor mir, sondern für mich passendere Gesichter. Der einzige, der sich komplett durchgesetzt hat, ist der John-Grey-Darsteller David Berry, der für mich perfekt passt.

Doch zurück zum Roman. Wie immer erzählt Diana Gabaldon sehr ausführlich. Wir sind dadurch wirklich mitten im Leben der Charaktere, und durch den bildhaften Erzählstil springt das Kopfkino sofort an. Ich mag es auch, wenn z. B. Claire, die als einzige in Ich-Form erzählt, ausführlich über Krankheiten und mögliche Heilungsformen referiert, auch wenn es manchmal blutig und/oder eklig wird. Die Bücher sind dick, aber haben für mich keinerlei Längen, zumal viel Historisches integriert ist.

Natürlich gibt es neben Claire wieder eine ganze Reihe anderer Perspektiven, Jamie, Roger, Brianna, Ian, Rachel, John, William – alle sind vertreten, und so erhält man umfassende Einblicke, da die Perspektiven auch oft ineinander übergehen. Es passiert wieder sehr viel, und oft ist es richtig spannend, manche:r gerät in Lebensgefahr, es gibt Tote und neues Leben. Und mancher Charakter taucht auf, mit dem man nicht (mehr) gerechnet hätte. Und auch die Bienen aus dem Titel spielen natürlich eine Rolle.

Am Ende gibt es einen Cliffhanger, und ich hoffe, es dauert nicht mehr allzu lange, bis Band 10 erscheint. Auch die Anmerkungen der Autorin im Anhang sind lesenswert.

Band 9 der Reihe hat mich, wie schon die Vorgängerbände, wieder sofort abgeholt. Mir wird bei dieser Familiengeschichte einfach nie langweilig, und ich könnte immer weiter lesen. Wer die Familie um Claire und Jamie mag, und die bisherigen Bände kennt, macht auch hier nichts falsch. Alle anderen sollten besser mit Band 1 starten.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


sehr gut

Darwin ist ein Rastafari, daher muss er sich von Toten fernhalten. Seine einzige Chance auf einen Job ist allerdings die des Totengräbers, und so trennt er sich von Dreads, Bart und Mütze und nimmt den Job an.

Yejide stammt aus einer Familie mit einem mythologischen Hintergrund. Die Frauen der Familie haben eine besondere Beziehung zu Toten, und nach dem Tod ihrer Mutter, ist es nun an ihr, deren Platz einzunehmen.

Die Autorin ist selbst auf Trinidad geboren, der Roman wurde im Original in trinidad-kreolischem Englisch verfasst, auch das Titelbild weist nicht nur mit seinen Farben auf die Karibik hin, sondern macht auch Lust, nach dem Buch zu greifen. Der Autorin gelingt es gut, eine besondere Atmosphäre zu schaffen, sie einen sehr bildreichen, manchmal fast poetischen Sprachstil und erzählt abwechselnd aus Darwins und Yejides Perspektive.

Darwins Szenen sind dabei leichter zu lesen. Ich empfehle jenen, die sich nicht mit Rastafari auskennen, sich zu diesem Thema ein bisschen zu belesen, Darwin ist dann leichter zu verstehen. Mir kam er schnell nahe, und ich mochte ihn schon nach wenigen Seiten. Er hat es nicht leicht auf dem Friedhof, aber nicht nur wegen seines kulturellen/religiösen Hintergrundes, auch seine Kollegen machen es ihm nicht immer leicht, und erst nach und nach erkennt man, dass hinter ihnen mehr steckt, als zunächst gedacht, und es wird noch richtig spannend.

Bei Yejide ist es schwieriger, ihre Szenen sind voller Mystik (hier erklärt sich dann auch der Titel), und als Leser:in versteht man nicht immer die Hintergründe, vieles kann man deuten und erahnen, aber bis zum Ende bleibt manches unklar. Ich hätte mir hierzu ein erklärendes Nachwort gewünscht, zumal ich auch nichts ergoogeln konnte. Handelt es sich hier um eine tatsächliche karibische Mythologie oder ist es eine fiktive, von der Autorin erdachte? Für mich wird das leider nicht klar. Und mit Yejide geht es mir teilweise ähnlich, ich kann sie nicht ganz greifen, komme ihr nicht so nahe wie Darwin.

Im Laufe des Romans treffen Darwin und Yejide aufeinander, und schon das erste, noch nicht körperliche, Zusammentreffen zeigt, dass es eine besondere Verbindung zwischen ihnen geben muss. Als sie sich dann tatsächlich treffen, wird das in kurzen Abschnitten aus ihren abwechselnden Perspektiven beschrieben, was ich erzählerisch sehr gelungen finde. Sprachlich und erzählerisch ist der Roman überhaupt sehr gelungen.

Neben den beiden Hauptcharakteren gibt es relativ wenige weitere Personen. Ich könnte nicht bei jedem Namen eine konkrete Charakterisierung liefern, doch einige sind wichtiger als andere, und diese finde ich gut gezeichnet, so dass ich mir ein deutliches Bild von ihnen machen konnte. Auch die Orte kommen gut zur Geltung, was dem bildhaften Erzählstil geschuldet ist, vor allem den Friedhof, auf dem Darwin arbeitet, kann man sich gut vorstellen.

„Als wir Vögel waren“ ist kein Roman für zwischendurch, man muss ihm Aufmerksamkeit schenken und offen sein für seine Mystik.