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haberlei
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Wien
Über mich: 
Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 338 Bewertungen
Bewertung vom 11.12.2022
WattenZorn
Schmidt, Andreas

WattenZorn


ausgezeichnet

Atemraubende Jagd nach einem Serienmörder

„Wattenzorn“ von Andreas Schmidt ist ein spannungsgeladener Küstenkrim mit Lokalkolorit und einem sympathischen Ermittler-Duo.

Worum geht es?
Ein Serienmörder positioniert seine Opfer an Sehenswürdigkeiten. Die Kripo Nordfriesland steht vor einem Rätsel. Was bezweckt der Mörder? Wo liegt das Motiv? Wurden die Opfer willkürlich gewählt? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Bereits das Cover vermittelt richtiges Nordseeflair. Der berühmte Leuchtturm Westerheversand, umgeben von düsterer, rauer Landschaft, umgarnt von einer Drahtschlinge.

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge, sind mit Orts- und Zeitangaben versehen. Das Buch erschien 2022, die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart (Corona wird nicht erwähnt). Die polizeilichen Ermittlungen erstrecken sich lediglich über drei Tage, von Mittwoch bis Freitag.

Obwohl es sich bereits um den 5. Band der Serie handelt, hatte ich als Neueinsteigerin nicht das Gefühl, dass mir Kenntnisse aus Vorgängerbänden fehlten. Ich kam nicht nur in den Fall selber problemlos hinein, sondern überschaute auch den relevanten Personenkreis relativ rasch.

Die Spannung hält sich kontinuierlich während des gesamten Romans. Dazu tragen nicht nur Szenenwechsel sowie die immer wieder eingeschobenen Rückblenden zu einige Wochen zurückliegenden Geschehnissen bei, sondern im Speziellen auch die Perspektivenwechsel. Man verfolgt einerseits die Ermittlungsarbeit der Kriminalbeamten, andererseits die Vorbereitungen und Überlegungen des Täters, ebenso den Ablauf der Tat, die Empfindungen der Opfer. Man kann sich hervorragend mit den Opfern fürchten, leidet mit ihnen, und wird – trotz Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern – wie diese auf so manch in die Irre führende Fährte gelenkt.

Die Charaktere – sowohl der Ermittler, als auch der diversen verdächtigen Personen - sind gut vorstellbar gezeichnet; trotz der unter Zeitdruck stehenden, sich nur über drei Tage hinziehenden Ermittlungen ist Raum für ein paar Einblicke ins Privatleben der Protagonisten, inklusive einer sich leicht anbahnenden Liebesbeziehung.

In die Handlung wurde auch Lokalkolorit sehr gut verwoben. Durch anschauliche, recht detaillierte Schilderungen der involvierten Ortschaften, der typischen Häuser, Naturbeschreibungen, der herbstlichen Stimmung, sowie einiger Legenden, die sich um Sehenswürdigkeiten ranken. Sporadisch vorkommende Dialektausdrücke verstärken die norddeutsche Atmosphäre. Ein Glossar typischer norddeutscher Ausdrücke hätte ich geschätzt.

„Wattenzorn“ ist ein Krimi voll prickelnder Spannung, fast ein Thriller, den man kaum aus der Hand legen mag. Dies war mein erster Krimi aus der Feder dieses Autors, aber unter Garantie nicht mein letzter. Ich habe nicht nur Lust auf weitere Bände bekommen, sondern aufgrund der anschaulichen regionalen Beschreibungen würde ich Friedrichstadt, Husum, etc. gerne einmal bereisen.

Bewertung vom 08.12.2022
Als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war
Soak, Ulli;Schmidt, Roy

Als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war


ausgezeichnet

Auch der Weihnachtsmann kann ausgelassen sein

„Als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war“ von Ulli Soak ist ein ganz entzückendes Kinderbuch, wunderschön illustriert von Roy Schmidt.

Inhalt lt. Cover:
Was passiert, wenn der Weihnachtsmann mit seinem großen Geschenkeschlitten am Heiligen Abend nicht losfahren kann, weil seine Rentiere völlig außer Rand und Band sind? Und kann es gut ausgehen, wenn der Weihnachtsmann selbst so gestresst und müde ist, dass er alles um sich her vergisst und mitmacht bei dieser Toberei? Dies ist eine lang verheimlichte Geschichte, nämlich: was damals passierte, als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war.

Bereits das Cover des rund 25 Seiten umfassenden Büchleins mit den durch die Luft fliegenden, lachenden Rentieren stimmt auf das Kommende ein. Roy Schmidt illustrierte das Buch sehr stimmungsvoll mit winterlichen Landschaften, dem ausgelassenen Treiben der Rentiere. Seine Zeichnungen sind eher stilvoll-schön; sie sind nicht so herzig-kindlich wie ich erwartet habe.

Nun, den Weihnachtsmann kennt doch jedes Kind (und Erwachsene sowieso). Er wird stets als gütiger, seriös wirkender alter Mann mit weißem Bart, mit roter Mütze und Mantel dargestellt. Die Betonung liegt auf seriös. Kann man ihn sich anders vorstellen als ernsthaft? Nicht streng, nicht grimmig, aber eben einfach ernsthaft.

Wie es seinen Rentieren gelingt, den Weihnachtsmann mit ihrem Übermut anzustecken, ist äußerst amüsant zu lesen. Am liebsten würde man mitmachen bei dem närrischen Treiben. Ich musste direkt schmunzeln, als ich mir die Szene bildlich vorstellte.

Mir gefiel die Idee der Geschichte, sie ist schwungvoll und kindgerecht verfasst, erfrischend unterhaltsam, und es bereitet Kindern (und nicht nur diesen) sicherlich Spaß, den Weihnachtsmann so von einer ganz anderen Seite zu erleben.

Bewertung vom 08.12.2022
Die Dreitagemordgesellschaft / Phyllida Bright Bd.1
Cambridge, Colleen

Die Dreitagemordgesellschaft / Phyllida Bright Bd.1


ausgezeichnet

Phyllida brillant wie einst Miss Marple und Hercule Poirot

„Die Dreitagemordgesellschaft“ von Colleen Cambridge ist ein typischer Whodunit-Wohlfühl-Krimi, wunderbar very british – à la Miss Marple bzw. Hercule Poirot.

Worum geht es?
Phyllida ist Haushälterin in Mallowan Hall, im Anwesen von Agatha Christie, wo für einige Tage einige Bekannte zu Gast sind. Als einer der Gäste in der Bibliothek ermordet aufgefunden wird, begibt sich Phyllida aktiv auf Spurensuche.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Murder at Mallowan Hall“, die deutschsprachige Version 2022. Es ist eine sehr schön ausgeführte Hardcover-Ausgabe, mit hellem Leineneinband und einem bunten Schutzumschlag. Der Roman ist in kurze Kapitel unterteilt, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Anfangs hätte ich ob des vielköpfigen Personals und Gästeschar eine Personenliste begrüßt, doch je länger man liest, desto besser überblickt man den Personenkreis.

Der Schreibstil, die Art und Weise wie die britische Atmosphäre zu Lebezeiten von Agatha Christie beschrieben wird, ähnelt derart frappierend Agatha Christie, dass man den Roman durchaus dieser bedeutenden Krimiautorin zuordnen könnte. Das Buch liest sich locker und flüssig, auch sprachlich der Zeit angepasst. Humorvolle Szenen, launige Dialoge lockern das Krimigeschehen auf. Detailreiche Beschreibungen des Interieurs, der Abläufe in einem hochherrschaftlichen Haushalt, ebenso wie des Umfelds, lassen einen als Leser so richtig hinein versinken in die damalige Zeit. Die Ereignisse sind – bis aus wenige Ausnahmen - aus Phyllidas Sicht dargestellt, man erlebt mit, was sie denkt, was ihr auffällt, was sie vermutet. Die Autorin hat mit der ermittelnden Haushälterin Phyllida eine Protagonistin geschaffen, die sich mit Miss Marple und Hercule Poirot messen kann. Sie ist originell, schlagfertig und schlau, loyal und tüchtig, behandelt das ihr unterstellte Personal streng aber menschlich, ist selbstbewusst, mutig bis leichtsinnig und natürlich unsagbar neugierig. Aber auch die übrigen handelnden Personen sind markant, mit Ecken und Kanten, lebendig und gut vorstellbar charakterisiert.

Der Mordfall erweist sich als komplexer als gedacht. Durch die Recherchen ergeben sich unerwartete Wendungen und überraschende Erkenntnisse. Eine Herausforderung für Phyllida, die letztlich mit anerkennenswerter Kombinationsgabe, ein wenig auch mit Hilfe des Chauffeurs Bradford, die Zusammenhänge klärt und den wahren Täter entlarvt.

Wer Agatha-Christie-Krimis liebt, der wird von „Die Dreitagemordgesellschaft“ ebenso begeistert sein wie ich. Dieser Roman stellt den vielversprechenden Auftakt für eine neue Serie dar. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung und bin gespannt, wie sich das Duo Phyllida-Bradford weiterentwickeln wird.

Bewertung vom 03.12.2022
Sterz und der Mistgabelmord
Archan, Isabella

Sterz und der Mistgabelmord


ausgezeichnet

Inspektor Sterz zwischen Mordermittlung und Vergangenheitsbewältigung

„Sterz und der Mistgabelmord“ von Isabella Archan ist der Auftakt zu einer neuen, in der Steiermark spielenden Krimireihe.

Worum geht es?
Als Inspektor Ferdinand Sterz erfährt, dass sein Jugendfreund Wiggerl brutal ermordet wurde, kehrt er nach langjähriger Tätigkeit bei Europol-Deutschland in seine Heimat, in die Steiermark, zurück, um selbst die Ermittlungen aufzunehmen. Psychisch ist die Situation für ihn schwierig: seine Vergangenheit, seine gestörte Beziehung zum Vater und zur Ex-Freundin belasten ihn.

Bereits das Cover mit der bäuerlichen Landschaft und der Mistgabel stimmt auf diesen typischen Regionalkrimi ein. Der grüne Buchschnitt - Grün ist ja die Farbe der Steiermark - betont das noch. Steirisches Flair und Sehenswertes ist unaufdringlich, aber dennoch einprägsam in die Handlung verwoben. Der steirische Dialekt, insbesondere die originell gewählten Überschriften der Abschnitte unterstreichen das Lokalkolorit. Für Nichtösterreicher gibt es ein Glossar zu den Dialektausdrücken.

Das Buch ist in fünf Abschnitte und diese wiederum in kurze Kapitel ohne Orts- oder Zeitangaben unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, temporeich. Das Buch erschien 2022, die Handlung ist in der nicht näher bestimmten Gegenwart angesiedelt, Covid19 wird nicht erwähnt.

Nach dem heftigen Beginn –man erlebt den Mord aus Sicht des Opfers mit -, hält sich die Spannung kontinuierlich durch gefährliche Momente, Überraschungseffekte und in die Irre führende Spuren bis zum dramatischen Showdown und bis zur schlüssigen, letztlich unerwarteten Auflösung des Falles.

Im Mittelpunkt der Ermittlungsarbeit steht Inspektor Ferdinand Sterz, und zwar nicht nur seine Überlegungen den Fall betreffend und seine eigenmächtigen Alleingänge, sondern auch die charakterliche Entwicklung des introvertierten Einzelgängers, geprägt durch die Kindheit, den frühen Verlust seiner Mutter und die Zurückweisung durch seine Jugendliebe. Sehr einfühlsam sind seine Gedanken, Gefühle und Zweifel dargestellt. Die übrigen agierenden Personen sind ebenfalls mit mehr oder weniger Hintergrundinformationen anschaulich und lebendig gezeichnet.

„Sterz und der Mistgabelmord“ war mein erstes Buch dieser Autorin. Es hat mir ausgezeichnet gefallen, bot alles, was ich an einem Krimi schätze: Spannung, Action, sympathische und gut gezeichnete Charaktere, unerwartete Ereignisse und Wendungen, aber auch erfrischende Dialoge und stimmiges Lokalkolorit. Ein wunderbar gelungener Anfang! Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

Eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.11.2022
Mord im Rumford-Club
Gerl, Werner

Mord im Rumford-Club


ausgezeichnet

Rumford, Kirschblüte und Kaiserschmarrn

„Mord im Rumford-Club“ von Werner Gerl ist bereits der vierte Band der Reihe mit Kommissarin Tischler als Ermittlerin, ein Krimi, der Spannung mit Lokalkolorit verbindet.

Worum geht es?
Ein Historiker bzw. Antiquitätensammler wurde erschlagen. Er gehörte dem sogenannten Rumford-Club an, benannt nach einem wohltätigen Adeligen, der Anfang des 19. Jahrhunderts in München lebte. Dem Ermittlerteam unter Kommissarin Tischler gibt vor allem eine Keramikscherbe Rätsel auf, die im Hals des Toten steckt und auf der als Botschaft ein weiterer Mord angekündigt wird. Bei der Suche nach dem nächsten Opfer stößt die Polizei auf Ereignisse im Jahr 1989 …

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind angenehm kurz, bis auf den Prolog ohne Orts- oder Zeitangaben. Das Buch erschien 2022. Die Handlung spielt im Sommer 2021. Vereinzelt findet Covid 19 Erwähnung, was ich als positiv und authentisch empfand, denn immerhin hatte die Pandemie gewisse Auswirkungen auf den Alltag.

Obwohl dies bereits der vierte Band einer Reihe ist, hat man als Neueinsteiger weder ein Problem in die Geschichte hineinzufinden, noch hat man den Eindruck, dass einem Kenntnisse aus den früheren Bänden fehlen.

Der Prolog führt ins Jahr 1989 zurück. Nach Prag, wo ein DDR-Bürger in die deutsche Botschaft flüchtet. Die Spannung des Krimis basiert einerseits auf der den Leser bis zum Ende beschäftigenden Frage nach dem Motiv für die im Jahr 2021 verübten Morde, andererseits wo die Verbindung zu der im Prolog geschilderten Flucht liegt. Szenen- und Perspektivenwechsel – mal aus Sicht der Ermittler, dienstlich oder auch im privaten Umfeld, mal aus Sicht des Täters - gestalten die Handlung abwechslungs- und temporeich. Zudem sickern die erhellenden Informationen nur nach und nach durch. Je mehr man über die Ermordeten, ihre Vergangenheit und ihre Beziehungen zueinander erfährt, desto fesselnder wird die Handlung, bis sich nach einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit der Fall klärt und der Täter gefasst wird.

Bei den Charakteren sticht Kommissarin Tischler hervor. Bei ihr zeigen sich die meisten Facetten an Emotionen, Ecken und Kanten, bedingt dadurch, dass sie nicht nur auf beruflicher, sondern auch auf privater Seite mit einigen zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen hat. Sie wirkt kompetent, ist ein Teamplayer und eine umsichtige Führungskraft. Sie ist witzig und schlagfertig. Und mir gefiel der Umgangston mit den Kollegen ebenso wie ihr Umgang mit ihrer Stieftochter. Auch sämtliche anderen agierenden Personen sind bildhaft beschrieben, äußerlich wie auch hinsichtlich manch markanter Wesenszüge.

Auch dem Lokalkolorit wird Rechnung getragen, unaufdringlich, en passant werden besonders sehenswerte Plätzchen in München und Umgebung in die Handlung verwoben. Last but not least wurde auch mein Wissen erweitert – denn von Reichsgraf von Rumford hatte ich bislang noch nie gehört.

„Mord im Rumford-Club“ fand ich spannend, unterhaltsam und informativ. Ich bekam Lust auf mehr aus Werner Gerls Feder und empfehle das Buch gerne weiter.

Bewertung vom 19.11.2022
Frau Appeldorn und der tote Maler
Nentwich, Vera

Frau Appeldorn und der tote Maler


sehr gut

Nachbarschaftliche Beziehungen

„Frau Appeldorn und der tote Maler“ von Vera Nentwich ist ein unterhaltsamer Cosy-Krimi.

Worum geht es?
Frau Appeldorn, erst seit kurzem in Pension, langweilt sich im Ruhestand und ist daher ehrenamtlich im Kulturverein ihres Heimatortes engagiert, organisiert u.a. einen Tag der Ateliers. Als einer der Künstler tot aufgefunden wird, gerät zunächst die junge Citymanagerin in Verdacht, die Tochter von Frau Appendorns Nachbarn, Herrn Büyüktürk. Um die Unschuld der Tochter zu beweisen, begeben sich die beiden total unterschiedlichen Charaktere auf Mörderjagd.

Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich und humorvoll. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Das Buch erschien 2022 und spielt in der nicht näher bestimmbaren Gegenwart.

Die Spannung liegt, wie bei jedem Whodunit-Krimi primär in der Frage, wer die Tat beging. Frau Appeldorn und Herrn Büyüktürk kommen mit ihren Recherchen nur langsam voran. Der Kreis der Verdächtigen ist zwar überschaubar, doch so manche Spur führt die beiden Hobby-Ermittler in die Irre. Bis sie all die ihnen aufgetischten Lügen durchschaut haben, geraten sie in einige unangenehme bis gefährliche Situationen.

Mit den beiden Protagonisten schuf die Autorin ein originelles Paar, durch dessen Verschiedenartigkeit so einiges an Situationskomik entsteht. Es ist amüsant zu verfolgen wie aus anfänglicher Aversion und Distanz gegenseitige Wertschätzung und freundschaftliche Annäherung wird. Für mich lag der Reiz dieses Romans vor allem im zwischenmenschlichen Zu- und Miteinander. Frau Appeldorn wirkt sehr dominant, voller Aktivität, allerdings auch etwas zu ichbezogen; neben ihr verblasst Büyüktürk, was mich einerseits für einen Akademiker, andererseits für einen Mann türkischer Abstammung nicht so richtig überzeugte.

Es ist ein gut gelungener, sowohl spannender als auch unterhaltsamer Auftakt zu einer neuen Krimireihe. Ich bin schon sehr neugierig, welche Fälle Frau Appeldorn und Herr Büyüktürk noch zu lösen haben, aber auch wie innig ihre Beziehung sich entwickeln wird.

Bewertung vom 16.11.2022
Der Henker von Hamburg
Marschall, Anja

Der Henker von Hamburg


ausgezeichnet

Carlottas Geheimnis

„Der Henker von Hamburg“ von Anja Marschall ist der bereits der fünfte Band der historischen Krimiserie rund um Kommissar Hauke Sötje.

Klappentext:
1899: Die gefeierte Sopranistin Carlotta Francini reist für eine Konzertsaison nach Hamburg. Während Hauke Sötjes Frau deren Gesang in der Oper lauscht, wird der Kommissar in die Nähe der Speicherstadt beordert. Ein Erhängter wurde in einem Baum gefunden – bei ihm ein Zettel mit der Aufschrift »schuldig«. Weitere Opfer lassen nicht lange auf sich warten, und sie alle haben eines gemeinsam: Sie kreuzten in der Vergangenheit Carlotta Francinis Weg …

Für mich war es nach Band 1 „Feuer in der Hafenstadt“ erst das zweite Buch dieser Serie. Ich war nach wenigen Seiten wieder heimisch mit den Protagonisten sowie der Zeitepoche, in der die Handlung spielt. Sehr angenehm ist, dass – auch wenn man nicht alle Vorgängerbände kennt – man keine gravierenden Wissenslücken verspürt. Es handelt sich stets um in sich abgeschlossene Fälle. Hie und da ist eine Information zu früheren Ereignissen eingestreut.

Anja Marschalls Schreibstil ist flüssig, stilmäßig und im Vokabular der damaligen Zeit angepasst. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Zu Beginn jedes Kapitels bietet ein kurzer Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1899 interessante Hintergrundinformationen zu Events, Vorkommnissen bzw. dem Preisniveau jener Zeit. Es wird generell im Roman ein sehr anschauliches Gesellschaftsbild mit vermittelt, insbesondere von der von Männern dominierten Arbeitswelt, und der Stellung der Frauen, die primär auf den Haushalt und die Kindererziehung zurückgedrängt wurden. Aber es wird auch der Blick auf so manche Neuerung gelenkt, sei es die Einführung von spurensichernden und Täter katalogisierenden bzw. identifizierenden Maßnahmen oder das Novum von Buffets bei gesellschaftlichen Empfängen. Zudem sind auch Inhalte bzw. Texte aus Wagner-Opern mit der Handlung verknüpft. Die historischen Fakten und wahren Persönlichkeiten, wie z.B. Friedrich Reindel, seinerzeitiger Scharfrichter, sind sehr geschickt mit der fiktiven Krimihandlung verwoben. Im Anhang findet man weitere Erläuterungen und Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen. Nicht unerwähnt möchte ich die historische Karte von Hamburg um 1895 am Beginn des Buches lassen, sie bietet einen ausgezeichneten Überblick.

Der Fall an und für sich ist von Anfang an ziemlich rätselhaft. Es zeigt sich zwar bald, dass die Motive für die aktuellen Morde in Vergangenem liegen, doch es gibt lange nichts Greifbares. Dadurch, dass einerseits Sophie den Stand von Haukes polizeilichen Ermittlungen nicht kennt, andererseits er wiederum von ihren Unternehmungen mit Carlotta nicht laufend informiert ist, fügt sich erst so nach und nach eins zum anderen. Als Leser verfügt man jedoch über einen Wissensvorsprung und kann sich wunderbar eigenen Theorien und Vermutungen hingeben.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Hauke und Sophie. Sie sind ein sympathisches Paar, nunmehr verheiratet, und sie haben eine kleine Tochter. Hauke wird von seinem Vorgesetzten sehr geschätzt und hat sich zu einem anerkannten, modernen Maßnahmen aufgeschlossenen Kommissar empor gearbeitet. Sophie fühlt sich als Nur-Hausfrau und Mutter nicht wohl und unterfordert, einerseits da sie für die Haushaltsführung ja Personal hat, andererseits auch intellektuell eine Aufgabe bräuchte. Das Ermitteln reizt sie, sie ist neugierig und will den Dingen auf den Grund gehen, wenig zur Freude von Hauke, der sie lieber sicher im häuslichen Umfeld hätte. Sie entspricht jedoch nicht dem Frauenbild der damaligen Zeit, zu sehr strebt sie nach Selbstständigkeit. Nichtsdestotrotz sind auch die Nebenfiguren in einer Art und Weise charakterisiert, dass sie authentisch und lebendig wirken, egal ob es sich um Menschen aus dem einfachen Volk oder aus höheren Kreisen handelt.

„Der Henker von Hamburg“ hat mir sehr spannende, aber auch wissenserweiternde Lesestunden beschert. Es ist ein exzellent recherchierter Kriminalroman mit einer packenden Handlung voller überraschender Wendungen und Zusammenhänge, den ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 11.11.2022
Ohne mich geht gar nichts
Möller, Hilde

Ohne mich geht gar nichts


ausgezeichnet

Wenn ein Kuscheltier sprechen könnte

„Ohne mich geht gar nichts“ von Hilde Möller ist eine etwas andere Liebesgeschichte, die Zuneigung der Menschen zueinander mit den Augen eines Kuscheltiers betrachtet – ein entzückendes, nachdenklich stimmendes und berührendes Buch.

Das Buch erschien 2018, spielt in der Gegenwart in Deutschland. Es umfasst rund 180 Seiten und ist in 34 kurze Kapitel unterteilt. Im Mittelpunkt steht die am Cover abgebildete Plüschente Espi. Ein richtiger Eye-Catcher. Der Roman ist in Ich-Form verfasst.

In flüssiger Erzählweise werden die Gedanken, Gefühle und Beobachtungen von Espi, einer kleinen grünen Kuschel-Ente, geschildert, von jenem Moment an, als zwei befreundete Frauen den Enterich in einem Kaufhaus aus einer Wühltruhe herausfischen und zum Talisman ihrer Freundschaft machen. Mit seinem Frauchen Charlie und deren Freundin Domi erlebt Espi glückliche und traurige Momente, ist vor allem Charlies Begleiter im Alltag sowie auf Reisen. Es passiert so einiges, auch Abenteuerliches, für Espi und die beiden Frauen Schicksalhaftes. Letztlich geht für Charlie ohne Espi gar nichts, bis in alle Ewigkeit.

Espi hält uns Menschen einen Spiegel vor Augen. Er wundert sich über viele ihrer Reaktionen und hinterfragt so manche der menschlichen Handlungsweisen. Nicht nur, warum sie sich nicht offen dazu bekennen, ein Kuscheltier zu haben, sondern auch warum Gefühle, Sorgen, Wünsche und seelische Verletzungen vielfach nicht offen kommuniziert werden.

Bei meiner Affinität für Stofftiere ist es nicht weiter verwunderlich, dass mir dieses Buch aus der Seele gesprochen hat. Doch die Gedanken und Emotionen sind allgemein gültig. Es ist nicht nur ein Plädoyer, zu seinen Neigungen zu stehen, auch wenn andere darüber spotten, selbstsicherer zu sein. Das Buch thematisiert die Bedeutung von Freundschaft, Treue und Liebe, Trauer, Trennungsschmerz und Loslassen-Können und die Einsamkeit Alleinstehender – reichlich Stoff zum Mitfühlen und zum Nachdenken. Und vielleicht hat dann der eine oder andere allzu nüchtern Denkende schließlich mehr Verständnis für jene, die er bislang belächelt hat. Ein Kuscheltier kann menschliche Wärme und Nähe nicht ersetzen, aber es kann Trost spenden, die Einsamkeit mildern oder ganz einfach Freude bereiten.

Mich hat dieses Buch sehr berührt, die Schicksalsfügungen der Frauen, aber primär konnte ich mich sehr gut in das Kuscheltier hineinversetzen – als ein Mensch, der selber ein Faible für Stofftiere hat, sich offen dazu bekennt und sehr wohl weiß, dass sie einem so einiges bedeuten können.

Ein herzerwärmendes, liebenswertes Buch, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 07.11.2022
Auf tapsigen Pfoten ins Glück / Der Weihnachtshund Bd.7
Schier, Petra

Auf tapsigen Pfoten ins Glück / Der Weihnachtshund Bd.7


ausgezeichnet

Zauberhaftes Weihnachtsmärchen
„Auf tapsigen Pfoten ins Glück“ von Petra Schier hat mich richtig in romantische Weihnachtsstimmung versetzt.

Worum geht es?
Bei Jana, einer Glaskünstlerin, wird in ihr Geschäft und Lager eingebrochen, erheblicher Sachschaden verursacht und zudem wird sie bedroht. Sie engagiert Oliver, einen Privatdetektiv, der quasi als Bodyguard bei ihr einzieht. Mit seiner Bordeauxdogge Scottie. Jana und Oliver sind zwar total gegensätzliche Charaktere, dennoch fühlen sie sich immer mehr voneinander angezogen. Doch da gibt es etwas, das Oliver Jana verschwiegen hat …

Petra Schiers Schreibstil ist flüssig und unterhaltsam, die Kapitel angenehm kurz. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Dies ist bereits der 7. Band der Reihe „Weihnachtshund“. Jeder Band kann aber unabhängig von den anderen gelesen werden, auch wenn die Protagonisten der Vorgängerbände als Nebenfiguren agieren.

Das Weihnachtsflair ist derart anschaulich geschildert, dass ich mich wunderbar in die Szenerie am Weihnachtsmarkt hineinversetzen konnte, von der Weihnachtsliederbeschallung bis zu all dem Glitzer und den Punsch- und Essensgerüchen.

Besonders reizvoll fand ich die Nebenhandlung, in der der Weihnachtsmann, seine Frau und sein Elfenteam mit der Erfüllung von Weihnachtswünschen befasst sind. Dem Kind in mir gefiel dieser Ausflug ins Märchenhafte sehr.

Der Haupthandlungsstrang ist eine gelungene Kombination von Spannung – denn die Suche nach dem Menschen, der Jana weiterhin attackiert und ihr geruhsames Leben zerstören will, erweist sich als schwierig – und einer Liebesromanze. Die Szenenwechsel – vom Weihnachtsmann am Nordpol zu Jana am Weihnachtsmarkt bzw. in der Werkstätte oder zu gemeinsamen Stunden der beiden daheim - gestalten den Roman sehr abwechslungsreich. Abgesehen von der Tätersuche schweben noch weitere Geheimnisse im Raum. So bleibt der Plan des Weihnachtsmannes, wie er Janas Wunsch erfüllen will, bis zuletzt im Dunkeln, ebenso, welche Hintergedanken Oliver hegt. Die sich nach und nach entwickelnde Beziehung von Jana und Oliver ist einfühlsam, voller Romantik und Leidenschaft, aber stets dezent prickelnd erotisch geschildert. Und dazwischen immer wieder die erfrischenden Aktionen und Gedanken der liebenswerten lebhaften Dogge Scottie, die zum Schmunzeln und Lachen anregen.

Jana und Oliver sind sympathische Protagonisten, mit vorwiegend liebenswerten Eigenschaften, aber auch Schwächen und Unsicherheiten; sie sind sehr lebendig charakterisiert, man erhält sowohl in Janas als auch Olivers Gedankenwelt Einblick und kann so ihre Aktionen nachvollziehen. Wie es sich für ein Wohlfühlbuch wie dieses gehört, gibt es trotz aller Widrigkeiten und Missverständnisse ein beglückendes Happy-End für Jana, Oliver und natürlich auch Scottie.

„Auf tapsigen Pfoten ins Glück“ ist ein bezauberndes Märchen für Erwachsene, mit Liebesglück und Weihnachtsfeeling. Literatur zum Wegträumen, zum Vergessen der rauen Wirklichkeit. Ich habe diese Lesestunden genossen.

Bewertung vom 04.11.2022
Mord im Jenseits
Winger, Luc

Mord im Jenseits


ausgezeichnet

Dinge, die nicht zu erklären sind

„Mord im Jenseits“ von Luc Winger ist bereits der 17. Band der St. Tropez-Reihe mit der Kommissarin Lucie Girard im Mittelpunkt.

Worum geht es?
Ein junges Studentenpaar gerät auf der Fahrt zur Großmutter in ein Unwetter, hat einen Unfall und gilt danach als vermisst. Als sie nach Tagen auftauchen, leiden sie unter Gedächtnisverlust bzw. halten sich für ein junges Paar, das vor 10 Jahren spurlos verschwand. Lucie Girard stößt bei ihren Ermittlungen auf Okkultismus, Séancen und so manches, was Illusion mit Realität verschwimmen lässt.

Der Schreibstil ist flüssig, die kurzen Kapitel sind mit Orts- und Zeitangaben versehen. Das französische Flair wird durch landessprachliche Begriffe und Redewendungen unterstrichen. Die Handlung spielt im Jahr 1977. Ich kenne die Serie fast seit Beginn und finde es stets interessant, die technische Entwicklung zu verfolgen, die auch bei der Polizeiarbeit Einzug nimmt – in diesem Band wird z.B. die Gründung einer Abteilung für Forensik erwähnt. Im Übrigen ist das Buch problemlos auch für Neueinsteiger verständlich und der Personenkreis ist überschaubar.

Obwohl dies bereits der 17. Band der Reihe ist, gelingt es dem Autor immer wieder zu überraschen. Mit diesem Krimi sogar mehrfach. Erstmals wird ein Cold Case aufgerollt, zudem ist die Thematik des Übernatürlichen, all die Mystik, die Auseinandersetzung mit Dingen, die real nicht zu erklären sind, für einen Krimi einmal etwas anderes und letztlich wird erst durch den Cliffhanger am Ende klar, dass die Story sich im nächsten Band fortsetzen wird.

Die im Krimi vorherrschende etwas unheimliche Stimmung, dieses nicht genaue Wissen, was nun Wirklichkeit ist und was Illusion, das Böse, das in der Vergangenheit geschah, das nun zutage kommt, die Fähigkeiten und Kräfte mancher Menschen, andere zu manipulieren, das alles macht die Spannung aus, die einen als Leser einfach packt. Noch dazu las ich das Buch ausgerechnet zu Halloween. Wie passend.

Was Lucies Charakter anbelangt, so macht sie eine interessante Entwicklung durch bzw. zeigen sich neue Facetten: die sonst klar blickende Kommissarin offenbart eine gewisse Empfindsamkeit Übernatürlichem gegenüber und sie, die für ihre Alleingänge bekannt ist, schätzt neuerdings die Unterstützung ihrer neuen Kollegin. Wie die Zusammenarbeit der beiden weiter wohl gedeihen wird?

Wieder einmal hat mich eine Story mit Lucie Girard begeistert. Auch ohne den fiesen Cliffhanger am Ende, hätte ich mich auf eine Fortsetzung gefreut, aber so kann ich diese kaum noch erwarten.