Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 10.03.2021
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Schröder, Alena

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid


ausgezeichnet

Journalistin Alena Schröder legt mit ihrem Romandebüt einen sehr interessanten Plot vor, der laut eigener Aussage autobiografische Anteile trägt.

Die Geschichte dreht sich um vier Generationen einer Familie, genauer gesagt um vier Frauen: Protagonistin Hannah, deren Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Allen gemeinsam ist, dass sie alleinerziehend sind bzw. ohne Vater aufwachsen. Es geht also um Mutterschaft, glücklich und unglücklich, erfüllend oder bedauernd. Schröder legt den Finger in die "Rabenmutter"-Wunde und zeigt auf, dass nicht jede Frau automatisch mit dem Kind auch die nötige Portion positiver Gefühle mitgeliefert bekommt, um in ihrer Mutterrrolle aufzugehen. Und umgekehrt, dass man nicht biologisch Mutter sein muss, um die Rolle der sorgenden Mutter liebevoll auszufüllen.

Der Stil ist keineswegs so kompliziert, wie der sperrige Titel befürchten lässt. Zwar ist man als LeserIn gefordert, denn das Erzähltempo ist enorm schnell, aber die Story entwickelt rasch eine große Sogwirkung. Sehr gut gefallen hat mir, dass die Infos auf ganz unterschiedliche und intelligente Weise an den Leser gebracht werden. Kein peinliches Infodumping, indem sich Protagonisten gegenseitig einander hinlänglich Bekanntes erzählen, nur weil dem Autor kein anderer Weg einfällt, um den Leser mit den nötigen Informationen zu versorgen. Nein, Schröder löst dies eleganter. Etwa wenn sie uns über Hannas Vater (eine heimliche Affäre ihrer Mutter) und das Techtelmechtel mit ihrem Doktorvater aufklärt, indem sie Hannah sich im Halbschlaf ein skurriles Proseminar ausdenken lässt namens "Wie man sich nicht für eine Affäre mit einem älteren Mann empfiehlt". Das ist nicht nur witzig und intelligent gemacht, sondern zugleich von einer Dichte, dass einen schwindeln könnte.

Eine weitere Stärke des Romans ist die hervorragende Beschreibung der Figuren. Wie ein talentierter Porträtmaler mit nur wenigen Strichen wichtige Merkmale eines Gesichts festhalten kann, so gelingt es der Autorin, ihre ProtagonistInnen wie auch Nebenfiguren schnell und doch scharf mit Worten zu skizzieren. Ein wahrer Lesegenuss!

Sehr berührend sind die unfassbaren Gräuel des Nazi-Terrors beschrieben. Anhand von Tagebucheinträgen macht Schröder die Vergangenheit greifbar. Dies ist nicht innovativ, aber dennoch sehr gut gelungen.

Der Universitätsbetrieb wird schonungslos entlarvt, samt Studierenden, die so vor sich hin studieren, weil sie nichts anderes mit sich anzufangen wissen, und anderen, die absolut berechnend an der eigenen Karriere stricken, als ob es daneben nichts anderes gäbe.

Außerdem beeindrucken mich die zahlreichen historischen Details, etwa dass Osaka 1926 die größte japanische Stadt war.

Fazit: Ein starker Generationenroman, den ich regelrecht verschlungen habe!

Bewertung vom 08.03.2021
Treue
Missiroli, Marco

Treue


sehr gut

Von jedem noch so kleinen Italienklischee sollte man sich vor der Lektüre dieses preisgekrönten Beziehungsromans tunlichst verabschieden. Zwar spielt die Geschichte in Mailand und Rimini, zwei italienischen Städten also, die seit langem ausgewiesene Touristenmagnete sind. Doch wer sich die Leichtigkeit des von Federico Fellini auf die Kinoleinwand gebannten "La Dolce Vita" erhofft, der wird schnell ernüchtert.

Nein, süß ist an dieser Story nichts, von den Creme-Schnitten abgesehen, die die Schwiegermutter des Protagonisten regelmäßig verzehrt. Vielmehr hadert jede der Figuren auf ihre ganz persönliche Art mit dem Schicksal, jeder scheint auf seine Art unglücklich oder zumindest unzufrieden zu sein. Und so fühlte ich mich bei der Lektüre oftmals in einen Claude-Chabrol-Film versetzt. Wie Chabrol zeichnet auch Missiroli ein Bild der brüchigen Bourgeoisie seines Landes: Die männliche Hauptrolle spielt Carlo, ein von Selbstzweifeln zerfressener Sohn aus reichem Hause. Zwar fühlt er sich als Literat berufen, hat aber noch nie einen Roman geschrieben. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mehr schlecht als recht als Werbetexter und Teilzeitdozent, wobei er die Stelle an der Universität durch Beziehungen seines übermächtigen Vaters bekommen hat. Nun also versucht Carlo sein angeschlagenes Selbstwertgefühl durch Sex mit einer Studentin aufzupimpen und gibt dabei eine recht armselige Figur ab. Auch für seine Ehefrau Margherita klaffen der erträumte Lebensentwurf (Architektin) und ihr reales Berufsleben (Immobilienmaklerin) weit auseinander. Unzufrieden flüchten sich beide in träumerische Sehnsüchte und projizieren ihr Verlangen auf Dritte. Die Untreue beginnt im Kopf - wird sie umgesetzt werden?

Dramaturgisch geht Missiroli sehr geschickt vor: Der Roman fließt dahin, ohne Einteilung in Kapitel, die diesen Fluss unterbrechen könnten. Das vielschichtige Beziehungsgeflecht der Figuren spiegelt sich literarisch in abrupten Szenewechseln wieder, die anfangs noch durch Absätze erkennbar sind. Je weiter sich die Lebensläufe ineinander verschlingen, je mehr die Personen umeinander mäandern, desto unkenntlicher trennt der Autor die Szenen von einander. Bald wechselt die Perspektive auch innerhalb eines Absatzes, zum Ende des Romans sogar innerhalb eines Satzes.

Der Roman hat es mir nicht leicht gemacht, anfangs mochte ich die Geschichte gar nicht. Zu kaputt erschienen mir die Figuren, fast schon gewollt unglücklich und verkorkst. Aber dennoch entwickelt das Buch eine Eigendynamik, einen starken Sog. Und ich wurde daran erinnert, dass es keine Sympathieträger für einen guten Roman braucht, sondern vor allem eine gut erzählte Story. Und das kann Missiroli.

Bewertung vom 08.03.2021
A Kind Of Blue
Spranger, Roland

A Kind Of Blue


sehr gut

Der Titel dieser Kurzgeschichtensammlung - eine Reminiszenz an das gleichnamige Album des Jazztrompeters Miles Davis - lässt es bereits erahnen: Die hier auftretenden Protagonisten sind "blue", also traurig, depressiv, ziemlich schlecht drauf.

Das war es aber auch schon an Gemeinsamkeiten. Autor Roland Spranger präsentiert - trotz der miesen Grundstimmung - ein erfreulich vielfältiges, buntes Panoptikum. Da gibt es etwa den frustrierten Pizzaboten, der jede Pizza Hawaii (in seinen Augen eine kulinarische Todsünde) grundsätzlich kalt ausliefert, quasi als pädagogische Maßnahme. Wir begleiten den völlig abgedrehten Anhänger von Verschwörungserzählungen, der sich aus Angst vor Chem-Trails nur im Ganzkörperschutzanzug auf seinen Aufsitzrasenmäher wagt. Es wird gemetzelt und gemordet, über Leben und Tod philosophiert. Und zwar intelligent und unterhaltsam, tiefgründig und skurril.

Besonders angetan hat es mir Sprangers Sprache. Bei ihm ist ein nächtlicher Park nicht einfach nur bedrohlich, nein: "Auf der anderen Seite der Gleise macht der Park auf dicke Hose. Still, starr, dunkel. Als wäre er soeben für eine Fortsetzung von Herr der Ringe gecastet worden."

Das ist Gegenwartsliteratur ganz nach meinem Geschmack, bitte mehr von diesen Momentaufnahmen der menschlichen Psyche!

Bewertung vom 05.03.2021
Die Kannenbäckerin
Spratte, Annette

Die Kannenbäckerin


sehr gut

Der Klappentext verspricht die Geschichte einer jungen Waisen, die während des 30jährigen Krieges das Töpferhandwerk erlernt. Beide Thematiken, das Handwerk wie der Krieg, interessierten mich sehr. Und die Kannenbäckerei, wie das Töpfern im südlichen Westerwald genannt wurde, nimmt auch breiten Raum in der Erzählung ein. Anschaulich und spannend zeichnet Autorin Annette Spratte den Lebensweg der jungen Waisen Johanna. Dass sich diese als Junge ausgibt ist nicht unbedingt sonderlich originell, aber gut und glaubhaft geschrieben. Etwas mehr Hintergrundinfos hätte ich mir jedoch zum Krieg gewünscht. Zwar erfährt man wieviel Angst und Leid die brandschatzenden, plündernden und vergewaltigenden Soldatentrupps bei der Landbevölkerung verursachten. Doch wer die Kriegsgegner waren und was überhaupt zu den Auseinandersetzungen geführt hatte bleibt leider völlig im Dunkeln. Auch die große Epidemie der Epoche, die Pest, kommt mir etwas zu kurz. Johanna verliert Eltern und alle Geschwister an den schwarzen Tod und muss aus ihrem Dorf fliehen, danach scheint diese Krankheit aber im Alltag der Menschen kaum eine Rolle zu spielen, dies ist nicht ganz stimmig.

Dafür erfährt der Leser einiges über die Stellung der Frau Anfang des 17. Jahrhunderts, über Hexenprozesse und auch darüber, dass eine Heirat aus Liebe zur damaligen Zeit die große Ausnahme darstellte.

Spratte schreibt unterhaltsam und berührend, ohne rührselig zu werden. Ihre Figuren wirken glaubhaft und entwickeln sich. Oft täuscht der erste Eindruck, wie im wahren Leben auch. Ein klein wenig gestört hat mich, dass der christliche Glaube der Protagonistin einen unerwartet großen Raum in der Geschichte einnimmt. Denn dies wird einerseits im Klappentext mit keinem Wort erwähnt, und andererseits wirkt es an mancher Stelle etwas missionarisch auf mich. So als ob die - tief gläubige - Autorin den ein oder anderen Leser ans Christentum heranführen möchte. Das ist durchaus legitim, sollte aber erkennbar sein, bevor man eine Kaufentscheidung über das Buch trifft.

Dennoch bietet die Kannenbäckerin spannende Lektüre. Es ist gut gemachte Unterhaltungsliteratur, die ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 28.02.2021
Einspruch!
Brodnig, Ingrid

Einspruch!


gut

Das Cover dieses Ratgebers kommt etwas reißerisch daher, es verspricht "Strategien und Tipps", um Verschwörungsmythen und Fake News kontern zu können.

Doch fühle ich mich nach der Lektüre argumentativ gewappneter, um mit QAnon-Anhängern oder Impfgegnern zu diskutieren? Ehrlich gesagt nein, oder bestenfalls ein wenig.

Zwar erklärt Autorin Ingrid Brodnig anschaulich, was Verschwörungserzählungen so anziehend macht und dass niemand davor gefeit ist, manipuliert zu werden. Man erfährt viel über die Bedeutung von Emotionen in der Kommunikation, und Brodnig übt Kriktik daran, dass die großen Internet-Plattformen ihre Algorithmen nicht offenlegen, denn somit ist unabhängige Forschung dazu, wie Social Media unsere Meinungen beeinflussen, leider kaum möglich. Die Sprache ist - abgesehen von einigen überflüssigen Fachbegriffen - gut verständlich, Brodnig argumentiert schlüssig und gibt zitierte Quellen an. Dies alles hilft mir zwar dabei, zu verstehen, wie aus einem guten Freund nach und nach ein Attila-Hildmann-Verschnitt werden konnte. Doch wie ich dessen schräge Ansichten ändern kann, wie es mir gelingen soll, dass jemand Falschmeldungen auch als solche erkennt, das kommt leider in dem Buch zu kurz. Praktische Tipps machen nicht mehr als ein Viertel des Ratgebers aus, hier hatte ich mehr erwartet. Vor allem auch mehr Beispiele, Übungen etc.

Gut gefallen mir hingegen die comicartigen Illustrationen von Marie-Pascale Gafinen.

Das Buch hilft dabei, zu verstehen wie jemand dazu kommen kann, an Verschwörungserzählungen zu glauben. Für mehr reicht es meiner Meinung nach jedoch nicht.

Bewertung vom 24.02.2021
Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2
Ziebula, Thomas

Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2


ausgezeichnet

Nachdem ich von "Der Rote Judas" vollauf begeistert war, hatte ich hohe Erwartungen an den zweiten Band rund um Kriminalinspektor Paul Stainer. Und Autor Thomas Ziebula hat mich auch diesmal nicht enttäuscht. Das Buch knüpft zeitlich direkt an den Vorgänger an, und schon nach wenigen Seiten erinnerte ich mich an die bereits bekannten Protagonisten, an Stainers Kriegsneurose und die Ermordung seiner Frau.

Das ist weniger meinem (eher unterdurchschnittlichen) Gedächtnis zuzuschreiben, als vielmehr der Kunst Ziebulas, seine Figuren und deren Handlungen äußerst ausdrucksstark zu schildern. Als Leser glaubt man sich umgehend ins Leipzig im Jahre 1920 zurückversetzt, ohne dies je selbst erlebt zu haben. Dabei hilft auch die hochwertige Ausstattung des Hardcovers, denn auf Vor- und Nachsatz ist ein historischer Stadtplan der Sachsenmetropole abgebildet.

Der Roman ist spannend, unterhaltsam, fesselnd, ein 1A-Krimi und darüber hinaus zugleich ein Sittengemälde der Nachkriegsjahre, die auf den ersten Weltkrieg folgten. Die Geschichte erzählt nicht nur die polizeilichen Ermittlungen, die auf die Morde folgten, sonder auch davon, wie Frauen urplötzlich ihre Jobs und somit auch Lebensgrundlage verloren, weil man sang- und klanglos statt ihrer Kriegsheimkehrer einstellte. Auch die politische Spaltung Deutschlands wird geschildert - vielleicht etwas weniger ausführlich als im ersten Band. Dafür bekommt man Einblick in studentische schlagende Verbindungen und journalistisches Arbeiten.

Besonders gut gefällt mir, wie akribisch Ziebula recherchiert. Dies schlägt sich zum Beispiel in der korrekten Wiedergabe der damaligen Tageslosungen der Herrnhuter Brüdergemeinde nieder, oder auch in der detailverliebten Schilderung der Interieurs historischer Cafés und Kneipen in Leipzig. Dies macht für mich einen Teil der Charmes dieses Romans aus und trägt erheblich zur Authentizität bei.

Auch sprachlich punktet "Abels Auferstehung": Glaubhafte Dialoge und ein den Figuren auf den Leib geschneiderter Duktus sind ganz nach meinem Geschmack. Kurze Fragmente aus dem anonymen Geständnis des Täters durchbrechen die ansonsten chronologische Erzählperspektive und bringen zusätzlich Abwechslung und Spannung.

Ein großer Lesegenuss; ich warte bereits jetzt ungeduldig auf Fortsetzung!

Bewertung vom 24.02.2021
Die Schwimmerin
Mayer, Gina

Die Schwimmerin


ausgezeichnet

Bestsellerautorin Gina Mayer erzählt von einem berührenden und zugleich Mut machenden Frauenschicksal. Protagonistin Betty wächst im zertrümmerten Nachkriegsdeutschland auf. Zerstört sind nicht nur die Städte, sondern auch Bettys Familie ist kaputt, der Vater tot, die Mutter darüber verzweifelt und kaum noch lebensfähig, doch Betty kämpft sich trotz mangelnder Unterstützung seitens ihrer Mutter tapfer durch. Bis sie eine traumatisierende Zeit in einem Heim erleben muss.

Jahre später versucht sie einen Neuanfang, sie will die Schatten ihrer Vergangenheit mit aller Gewalt abschütteln - kann dies gelingen? Was definitiv gelungen ist, ist der Aufbau des Romans. Er nimmt sich vieler schwerwiegender Themen an: des zivilen Widerstands gegen die Nationalsozialisten, des unfassbaren Schreckens der letzten Kriegsjahre, dem Aufbau der jungen Bundesrepublik mit alten Nazis, Fehlern, die in der Heimerziehung gemacht wurden oder auch der Frage, wie viel Ehrlichkeit eine Ehe verträgt. Und doch wirkt die Geschichte an keiner Stelle überfrachtet.

Die beiden Zeitstränge, die im Abstand von rund 20 Jahren spielen, bringen Spannung in die Erzählung. Sehr sympathisch und authentisch wirkt es, wenn die Autorin ihren Figuren lokalen Dialekt in den Mund legt.

Bettys Schicksal - leider kein Einzelschicksal - hat mich sehr berührt, ich habe mit ihr mitgefühlt und gelitten und dabei einiges über die dunkle deutsche Vergangenheit gelernt, die mitnichten mit dem Ende des Naziregimes vorbei war, sondern noch weit in die Wirtschaftswunderzeit hinein reichte.

Bewertung vom 24.02.2021
Mordsmäßig Münchnerisch

Mordsmäßig Münchnerisch


ausgezeichnet

Zwanzig kleine Leckerbissen präsentiert Herausgeberin Ingrid Werner in dieser Anthologie mit Münchner Stadtteilkrimis. Nein, genaugenommen sind es vierzig kleine Häppchen, denn zu jeder Kurzgeschichte gibt es quasi als Nachtisch noch ein einfach nachzukochendes Rezept eines bayerischen Gerichts, das im jeweiligen Krimi erwähnt wird. Ob Fleischpflanzerl, Steckerlfisch, Hollerküchl oder Leberknödelsuppe - der geneigte Leser kann nach der Lektüre seinen heimischen Speiseplan um bayerische Klassiker erweitern.

Die Kriminalgeschichten sind so unterschiedlich wie die AutorInnen. Es werden Morde aus Eifersucht oder aus Rache verübt, es wird geschossen, erdolcht und in Beton gegossen. Ein gemeinsamer Nenner - neben dem Tatort München - sind hingegen die überaus liebenswerten Protagonisten. Ob es das Handtaschen-Nannerl, eine "jahrelang unentdeckte Fachkraft für Wohnungseinbrüche" oder der untergetauchte "Graf Porno" ist, ein ehemaliger Produzent von Lederhosen-Sexfilmchen, irgendwie schaffen es die Autoren, dass ich für fast jeden der kleinen und auch größeren Verbrecher Sympathien entwickelte. Die Storys sind unterhaltsam, jedoch nicht oberflächlich. Gute Charakterstudien sind ebenso enthalten wie Sozialkritik. Anhand weniger Seiten wird nicht nur der Kriminalfall geschildert, sondern auch skizziert, wie es dazu kommen konnte.

Auch die Ausstattung des Paperbacks lässt nichts zu wünschen übrig: In einem schematischen Stadtplan sind die Stadteile eingezeichnet, in denen die jeweiligen Tatorte liegen und als Anhang gibt es Kurzbiografien der Autoren und Autorinnen. Die abgerundeten Ecken machen das Buch zum perfekten Zeitvertreib für unterwegs, denn sie sind robust und stoßen sich praktisch nicht ab.

Fazit: Kleine Geschichten, große Schreibkunst, gewürzt mit charmantem Lokalkolorit der wunderschönen Isarmetropole. Als Zugabe gibt es noch Rezepte bayerischer Schmankerl - mehr geht nicht!

Bewertung vom 19.02.2021
Iss besser
Rose, Tarik;Riedl, Matthias

Iss besser


sehr gut

Ich kenne die NDR-Kochsendung nicht, auf der dieses Buch basiert, und auch ansonsten habe ich noch nicht von den beiden Autoren gehört: Profikoch Tarik Rose und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl. Und dennoch hätte ich auf die sehr umfangreiche Vorstellung der beiden zu Beginn dieses Kochbuchs verzichten können. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Hilfreich sind hingegen die knapp formulierten Infos zu den sogenannten "Küchenlieblingen", zehn ausgewählten gesunden Lebensmitteln. Auch die Fachbegriffe zu gesunder Ernährung werden verständlich erklärt, und einfach umzusetzende Gesundheitstipps runden die Einleitung ab.

Die über 60 Rezepte sind in fünf Kapitel gegliedert (Vorspeisen, Vegetarisches, Fisch, Fleisch und Desserts) und sehr übersichtlich und ansprechend präsentiert. Personenanzahl, Nährwertangaben, je ein ganzseitiges Foto und Tipps vom Küchenprofi oder Ernährungsdoc erleichtern das Nachkochen. Statt der Icons, die angeben, ob das Gericht besonders eiweiß-, ballaststoff- oder vitaminreich ist, hätte ich Angaben zur Zubereitungsdauer hilfreicher gefunden.

Ein Saisonkalender zu Gemüsen und Salaten und ein hervorragendes Rezept- und Stichwortverzeichnis runden das Buch ab.

Alle von mir bisher getesteten Rezepte waren unkompliziert zuzubereiten und haben ausgezeichnet geschmeckt. Die Gerichte überzeugen mit wenigen Zutaten in origineller Kombination, mit frischen Kräutern und pfiffigen Gewürzen.

Das Buch bringt gesunde Abwechslung auf den heimischen Speiseplan, ich kann es wirklich empfehlen.

Bewertung vom 19.02.2021
Warum Bayern ein orientalisches Land ist und andere weiß-blaue Wahrheiten
Reichold, Klaus

Warum Bayern ein orientalisches Land ist und andere weiß-blaue Wahrheiten


ausgezeichnet

Sie sind ein "Zuagroaster", ein "Preiß", der frisch ins größte deutsche Bundesland gezogen ist und möchten sich im Selbststudium das Wichtigste über ihre bayerische Wahlheimat aneignen? Oder Sie sind gebürtiger Bajuware und wollen ihren Besuchern von jenseits des Weißwurst-Äquators mit originellen historischen Anekdoten unterhalten?

Dann ist dieses liebevoll gestaltete Hardcover des Historikers Klaus Reichold die perfekte Hilfestellung für Sie: Kurzweilig, pointiert und voller überraschender Details galoppiert der Autor durch die bayerischen Lande. Er erzählt von Herzog Max, der seinen Namen in den Tempel von Abu Simbel ritzte, oder dass die Statue der Bavaria am Rand der Münchner Theresienwiese aus eingeschmolzenen türkischen Kanonen gegossen wurde. Neben kuriosen Fun Facts bekommt der Leser auch noch etwas Nachhilfe in bayerischer Mundart.

Reichold schreibt kurzweilig, äußerst unterhaltsam und stets mit einem Augenzwinkern, gerade so, als ob er nicht nur die Geschichte, sondern auch sich selbst nicht "bierernst" nimmt.

Ich habe viel gelacht, noch mehr gelernt und kann dieses bajuwarisch-literarische Kleinod nur wärmstens empfehlen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.