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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2018
Gauß
Mania, Hubert

Gauß


ausgezeichnet

Wer war Carl Friedrich Gauß? Was war er für ein Mensch? Welche Werke hat er geschaffen? Zumindest die letzte Frage kann jeder Mathematiker, Geodät oder Ingenieur beantworten. Mit seinen Beiträgen zur Zahlentheorie, Algebra, Ausgleichungsrechnung und Statistik werden Studenten konfrontiert. Mit seiner Methode der kleinsten Quadrate hat er die Landesvermessung revolutioniert.

Hubert Mania zeichnet in seiner Biographie über Gauß die Entwicklung zahlreicher mathematischer Methoden und Lehrsätze nach. Dabei liegt der Fokus auf den Rahmenbedingungen und den Anwendungen und nicht auf der Mathematik selbst. Sein Talent wird schon in der Volksschule entdeckt und die Förderung durch Herzog Ferdinand sorgt dafür, dass er seinen wissenschaftlichen Weg gehen kann.

Häusliches Glück ist dem zu Melancholie neigenden Gauß wichtig. (197, 199) Er vertieft sich, wie viele Forscher, lieber in seine Arbeit, als dass er sich mit Verwaltungsaufgaben und Ämtern beschäftigt. (224) Bittstellungen sind nicht sein Ding (300), wenngleich er die Obrigkeit nie in Frage stellt (301). Er ist Perfektionist, besessen davon, Meßfehler zu reduzieren und Auswerteverfahren zu optimieren. (247)

Mania beschreibt Elternhaus, Lebensumstände und Freunde von Gauß, eigebettet in den gesellschaftlichen und politischen Rahmen seiner Zeit. Der Mensch Gauß schimmert zwischen den Zeilen dieser lesenswerten Biographie durch. In wissenschaftlicher Hinsicht entwickelt Gauß Grundlagen für die späteren Werke von Maxwell und Einstein. Mania zeichnet ein würdiges abgerundetes Bild von dem Genie Gauß.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.08.2018
Einbruch in die Freiheit
Krishnamurti, Jiddu

Einbruch in die Freiheit


sehr gut

Es gibt keinen festgelegten Pfad zur Wahrheit. Keine Religion und keine Philosophie kann bei der Suche helfen. Selbst die Suche nach Wahrheit lehnt Krishnamurti ab. Geistige Freiheit setzt ein Leben in der Gegenwart voraus ohne einschränkende Traditionen, Erinnerungen oder Gedanken. Im reinen Erleben verschmelzen Subjekt und Objekt, also Beobachter und Beobachtetes, miteinander. Kann man innere Freiheit wirklich erreichen?

Die Ausführungen wirken paradox. Es gibt keine Freiheit des Denkens (38), Freude zu wiederholen führt zu Leid (39) und Denken ist Materie (100). Das Buch ist ein Anti-Ratgeber, da den Weg zur Freiheit jeder selbst finden muss. Die Beschreibungen klingen wie Erfahrungsberichte über kosmische Bewusstseinserlebnisse. Aber Vorsicht: Etwas zu vergleichen führt zu Energieverschwendung und widerspricht Krishnamurtis Weisheit.

Ein solches Buch kann man eigentlich nicht rezensieren, weil das Rezensieren eine geistige Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfordert und Denken nicht zur Freiheit führt und damit in Krishnamurtis Sinne kontraproduktiv ist. Krishnamurtis Lehre, die keine sein will, halte ich nicht für erlernbar aber vielleicht in manchen Momenten, vergleichbar dem Zustand des Flow, für erfahrbar. Aber da ist schon wieder so ein Vergleich.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2018
Alles außer irdisch
Evers, Horst

Alles außer irdisch


sehr gut

Der mittelmäßig begabte ewige Student Goiko Schulz, 36 Jahre alt, vertreibt sich die Zeit damit, als Hilfskraft seines Professors, dessen Kater zu versorgen. Irgendwie schafft er es, im Rahmen der Eröffnung des Berliner Flughafens BER, Passagier des Jungfernfluges von Berlin nach New York zu werden. Würde dort nicht plötzlich ein großes Raumschiff auftauchen und den Abflug verhindern. Goiko greift unbewusst ins Geschehen ein.

Das ist der noch verständliche Einstieg in eine verworrene Abenteuergeschichte mit Außerirdischen, die die Erde verramschen wollen. Es tobt ein Kampf zwischen unterentwickelten Erdlingen, hyperintelligenten Cyanen, radikal-renitenten Schorfen und verwandlungsfähigen Chamäleonsoldaten. Und Goiko Schulz, der das Vertrauen seiner Mutter genießt, wird zusammen mit der Fahrradkurierin Kira zur Hoffnung der Menschheit.

Eine lebendige Handyhülle rettet Goiko das Leben, intelligenter Schleim begleitet ihn auf seinen Wegen und Zeitreisen und Bewusstseinstransformationen gehören zum Alltag hoch entwickelter Lebensformen. Es ist dank kurioser alternativer Zeitabläufe nicht leicht, dem Geschehen zu folgen und auch die Charaktere sind mehr als seltsam. Hier setzt auch erste Kritik an: Es gibt zu viele skurrile Protagonisten, mit denen man nicht vertraut wird.

In diese abgedrehte multitemporale Geschichte verpackt Autor Horst Evers zahlreiche Bezüge zu Science-Fiction-Klassikern und parodiert und kritisiert, eingeflochten durch Betrachtungen Außerirdischer, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auf der Erde. Die Handlungen sind komisch, absurd und zeitkritisch. Es ist schwierig, den Geschehnissen zu folgen. Die bunte Fülle eignet sich für eine Verfilmung.

Bewertung vom 30.07.2018
QED
Feynman, Richard P.

QED


ausgezeichnet

Der Physiker und Nobelpreisträger Richard P. Feynman übernahm 1985 im Rahmen des Alix G. Mautner-Gedächtnis-Fonds, einem Fond, der zum Ziel hat, schwierige Wissenschaftsthemen einem breiten Publikum möglichst verständlich darzulegen, die erste Vorlesungsreihe. Feynman referierte über die Theorie der Quantenelektrodynamik (QED). Das Buch enthält die aufbereiteten Niederschriften seiner Vorlesungen.

Feynman macht deutlich, dass Verständnisprobleme oft dadurch entstehen, weil eine Erwartungshaltung vorherrscht, die den Rahmen der Physik überschreitet. So kann die Physik nur Fragen nach dem WIE beantworten und nicht nach dem WARUM. Für das WARUM gibt es keine brauchbaren Theorien. Zum Welle-Teilchen-Dualismus äußert er sich eindeutig: „In Wirklichkeit aber ist das Verhalten des Lichts das von Teilchen.“ (26)

Die QED „beschreibt alle Phänomene der physikalischen Welt mit Ausnahme der Wirkung der Gravitation … sowie der radioaktiven Erscheinungen bei der Veränderung des Energiezustandes von Atomkernen.“ (18) Sie hat erheblichen Einfluss auf die Chemie und die Biologie. Der Autor erläutert bekannte Phänomene der Optik wie Reflexion, Refraktion, Zerlegung in Farben, um nur Beispiele zu benennen.

Feynman beschreibt die QED mit einfachen Hilfsmitteln. Er arbeitet mit Pfeilen, in deren Längen Wahrscheinlichkeiten und in deren Richtungen Laufzeitunterschiede zum Ausdruck kommen. Eine wichtige Erkenntnis ist die, dass sich Licht immer den Weg sucht, der am wenigsten Zeit beansprucht. Damit liefert er für verschiedene Phänomene, z.B. für die Funktionsweise von Sammellinsen, plausible Erklärungen.

Wenngleich Feynman die Vorgänge, die allen Licht- und Elektronenphänomenen zugrunde liegen, auf drei Grundvorgänge reduziert, werden die Vorlesungen zunehmend komplexer und erfordern ein besonderes Verständnis für Naturwissenschaften. Es ist kein Buch für zwischendurch, sondern erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den seltsamen Eigenarten der QED, die letztlich ein Modell der realen Natur ist.

Auffallend ist, dass Feynman bei seinen historischen Betrachtungen zur Quantenphysik wichtige Protagonisten wie Planck, Heisenberg oder Schrödinger nicht erwähnt. Unabhängig davon sind seine Ausführungen unterhaltsam, humorvoll und kompetent. „Die Natur, wie sie die Quantenelektrodynamik beschreibt, erscheint dem gesunden Menschenverstand absurd.“ (21) Dem ist nichts hinzuzufügen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2018
Schriftsteller!
Durlacher, Jessica

Schriftsteller!


weniger gut

Wie der Titel vermuten lässt, handelt sich um Geschichten aus dem Künstlermilieu. Die Schriftstellerin Tirza Danz leidet nach ihrem ersten Erfolg unter einer Schreibblockade. Sie beschäftigt sich seit über einem Jahr mit ihrem zweiten Buch und dessen Entwürfe werden von ihrem Mann Marvin, ebenfalls Schriftsteller, verrissen. Um die Zeit zu überbrücken, leitet sie Kurse für kreatives Schreiben an Schulen.

Konflikte lauern nicht nur innerhalb der Familie Danz und in ihren Kursen (Schüler Mahmud Aziz), sondern auch in ihrem Bekanntenkreis (Maler Ferenc Lasko und seine Partnerin Zita) und in ihrem beruflichem Umfeld (Verleger Bastiaan und Autor Axel Andel). Mal geht es um Eifersucht, mal um Eitelkeit, mal ums Ego). Aufgeheizt wird die Atmosphäre zusätzlich durch seltsame Mails.

Wohin die Reise geht bzw. was der entscheidende Handlungsfaden ist, wird erst am Schluss deutlich. In der Summe beackert die Autorin eine Vielzahl an Themenfeldern, ohne die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Dazu hätten die Beziehungen zwischen den Protagonisten und die Konflikte ausführlicher behandelt werden müssen. Manche Bücher könnten schadlos gekürzt werden, dieses wirkt skizzenhaft und hätte umfangreicher sein dürfen.

Bewertung vom 21.07.2018
Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1
Benedict, Marie

Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1


weniger gut

Mileva Marić war gemeinsam mit Marcel Großmann und Albert Einstein als Studentin für den mathematisch-physikalischen Fachlehrerberuf an der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Zürich immatrikuliert. Hier entwickelte sich ihre Beziehung zu Albert Einstein, mit dem sie von 1903 bis 1919 verheiratet war. In „Frau Einstein“ erzählt Marie Benedict ihre schillernde Lebensgeschichte.

Während Albert Einstein als Genie des 20. Jahrhunderts gilt und Werke über ihn und über seine Theorien ganze Regalwände füllen, ist Mileva Marić trotz ihrer hohen Begabung eher unbekannt geblieben. Woran liegt das? Wer war Mileva Marić? Diese Fragen lassen sich nicht leicht beantworten. Die Autorin entwickelt in ihrem Roman Antworten auf diese Fragen, die nach eigener Aussage (361) spekulativ bleiben.

Das mindert erheblich den Wert des Buches. Es handelt sich um eine Mischung aus Fakten und Fiktionen, wobei unklar ist, wo die Grenze zu ziehen ist. Hat Mileva Marić die Relativitätstheorie entwickelt? War Albert Einstein ein extremer Egozentriker und hat er seine Familie wie beschrieben vernachlässigt? Hier sind m.E. Historiker gefragt, die Faktenlage aufzuarbeiten. Diese sollten einfließen in eine Biographie.

„Es ist nicht das Ziel des vorliegenden Romans, Albert Einsteins Beitrag zur Wissenschaft und seinen Verdienst an der Menschheit zu schmälern ...“ (362) Aber genau dieser Eindruck entsteht durch den Roman. Es fehlen konkrete wissenschaftliche Auseinandersetzungen, z.B. rekonstruiert anhand früherer Briefwechsel, die es dem Leser überlassen, eine Gewichtung vorzunehmen. So wirkt der Roman sehr klischeehaft.

Bewertung vom 17.07.2018
Kafka am Strand
Murakami, Haruki

Kafka am Strand


ausgezeichnet

„Neben der Welt, in der wir leben, existiert stets noch eine andere, die wir bis zu einem gewissen Punkt betreten und aus der wir dennoch wieder heil zurückgelangen können. Wenn wir vorsichtig genug sind.“ (477)

Der 15-jährige Kafka Tamura wohnt mit seinem Vater in Tokyo, im Stadtteil Nakano. Seine Eltern leben getrennt, seine Mutter und seine Schwester kennt er nicht. Sein Verhältnis zu seinem Vater ist angespannt. Aufgrund einer an Ödipus erinnernden Prophezeiung flieht er aus Nakano und reist mit dem Bus nach Takamatsu. Unterwegs lernt er die junge Frau Sakura kennen. In Takamatsu verbringt Kafka seine Zeit in einer kleinen privaten Bibliothek, die von Frau Saeki geleitet wird.

Parallel dazu erzählt Haruki Murakami die Geschichte von dem alten Mann Nakatu. Dieser hatte in den 1940er Jahren während des Krieges eine mysteriöse Erfahrung gemacht, die zu einer Bewusstseinsstörung führte. Er gilt seitdem als minderbegabt und wirkt aufgrund seiner Eigenarten (unterhält sich mit Katzen) als seltsamer Mensch. Nakatus Geschichte ist voller Magie. So sanftmütig wie er ist, lässt er sich von dem finsteren Johnny Walker zu einer Untat verführen. Unsichtbare Kräfte treiben ihn auf seinem Weg an.

Zwischen den beiden Handlungssträngen gibt es reale und magische Verbindungen. Es sind nicht die recht plump wirkenden Ereignisse (Blutegel fallen vom Himmel), die überzeugen, sondern es sind die innerweltlichen und grenzüberschreitenden Verbindungen zwischen den Protagonisten und den verschiedenen Welten, die die Leser in ihren Bann ziehen. Murakami öffnet Tore in fremde geistige Dimensionen. Traum und Wirklichkeit verschmelzen miteinander. Wahrheit ist eine Frage der Perspektive.

Der Roman deckt ein breites Spektrum literarischer Genres ab. Er enthält psychologische und philosophische Elemente, ist gleichzeitig Krimi, Abenteuer und Fantasie mit einer Priese Erotik und Roman über den Reifungsprozess eines Heranwachsenden. Dem Autor gelingt es, die verschiedenen Facetten miteinander zu verbinden. Dem Schicksal kann niemand entkommen, so die Botschaft. Es werden nicht alle Rätsel gelöst, Fragen bleiben offen. Alles ist relativ, alles eine Frage der Perspektive, so eine weitere Botschaft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2018
Mythos Motivation
Sprenger, Reinhard K.

Mythos Motivation


ausgezeichnet

In seinem Klassiker "Mythos Motivation" demaskiert Managementberater Reinhard K. Sprenger Beeinflussungstechniken im beruflichen Alltag und verändert damit die Sicht auf die Arbeitswelt. Er unterscheidet zwischen Motivation (Eigensteuerung) und Motivierung (Fremdsteuerung). Motivation beruht auf Selbstverantwortung und kommt von Innen heraus, Motivierung erfolgt manipulativ mittels Anreizsystemen durch Vorgesetzte und beruht auf Misstrauen.

Mit diesen Thesen, die der Autor anhand zahlreicher Beispiele erläutert und untermauert, stellt der studierte Philosoph Sprenger den Menschen und seine Selbstachtung in den Vordergrund. „Führen ist vor allem das Vermeiden von Demotivation.“ (172) Positiv ausgedrückt: Mitarbeiter müssen gefordert werden. Aufgabe der Führung ist es, notwendige Freiräume zu schaffen. Sprenger beschreibt einen notwendigen Perspektivwechsel, der bis heute nur in wenigen Köpfen angekommen ist.

Bewertung vom 21.06.2018
Die Frau, die liebte
Lewis, Janet

Die Frau, die liebte


ausgezeichnet

Der Roman spielt im 16. Jahrhundert in den französischen Pyrenäen und beruht auf einer wahren Begebenheit. Der junge Bauer Martin Guerre verlässt Frau und Kind und verschwindet spurlos aus seinem Heimatdorf Artigues. Acht Jahre später taucht ein Mann in dem Dorf auf und gibt sich als Martin Guerre aus. Ist er es wirklich oder handelt es sich um einen Hochstapler? Bedenken bleiben, daher landet der Fall drei Jahre später vor Gericht, zunächst in Rieux, danach in Toulouse.

Der Fall ist spektakulär und bietet Gesprächsstoff in ganz Frankreich. Ohne moderne DNA-Analyse ist ein Identitätsnachweis schwierig. Zahlreiche Zeugen werden gehört. Auffallend ist die (positive) Veränderung im Wesen des Protagonisten. Martins Ehefrau Bertrande de Rols hat die Rückkehr ihres Ehemannes herbeigesehnt und kämpft zunehmend mit Zweifeln, die ihr auch gesundheitlich zu schaffen machen. Obwohl sie sich auf den Mann einlässt und zwei Kinder von ihm bekommt, will sie Klarheit haben.

Die Geschichte bietet reichlich Stoff für Interpretationen und Charakterstudien. Das Dorf und die Familienstrukturen sind vom Patriarchat geprägt, was auch Martins Flucht beeinflusst. Die Rolle der Kirche ist wegen der einfachen Lösungsvorschläge zweifelhaft. Wie verhalten sich Verwandte, Bedienstete und die übrigen Dorfbewohner? Kann eine Ehefrau sich täuschen lassen? Die Geschichte produziert viele Verlierer. Sie wurde mehrfach verfilmt und ist unbedingt lesenswert.