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Benutzername: 
Lilli-Marleen
Wohnort: 
Eltmann

Bewertungen

Insgesamt 71 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2022
Kopf über Wasser im Alltagschaos
Davis, KC

Kopf über Wasser im Alltagschaos


sehr gut

Gut zur Motivation
"Einen gewissen Antrieb aufzubauen ist ein zentraler Schlüssel, denn Motivation führt zu weiterer Motivation."

Und genau darum geht es in dem Buch. Es will motivieren. Adressaten sind eher Menschen mit psychischen Problemen, da die Autorin selbst vorbelastet ist und darauf genauer eingeht. Die Aufgaben des Altags werden als Care-Aufgaben beschrieben:

"Welche eine Sache könntest du heute noch für dich tun, über die du dich morgen wirklich freuen würdest?"

Dieser Ansatz wird in 41 kurzen Kapiteln näher erläutert. Es werden auch Tipps für das Aufräumen gegeben, doch sollte man hier nicht zu viel Neues erwarten. Die Autorin sieht auch die Körperpflege als eine solche Care-Aufgabe. Sich selbst zu pflegen steht an oberster Stellen. Vor allem auch die eigene Psyche. Das schlechte Gewissen soll abtrainiert werden.

Der Schreibstil ist einfach gehalten und man kann das Buch gut in ein bis zwei Tagen durchlesen.

Für mich hat es jetzt nicht allzu viel neue Erkenntnisse gebracht, aber ich fand es auch nicht schlecht und ein wenig Motivation kann ja jeder gebrauchen.

Bewertung vom 14.05.2022
Vegetarianer
Kucher, Felix

Vegetarianer


ausgezeichnet

Amüsante und interessante Biographie

Fleisch oder andere tierische Produkte kommen dem Künstler Karl Wilhelm Diefenbach nicht auf den Tisch. Leder wird nicht getragen und impfen geht gar nicht. Freie Liebe und Nacktheit sind selbstverständlich in der Kommune. Nein, Diefenbach lebte nicht in den 1960jahren, sondern im Königreich Bayern des späten 19. Jahrhunderts. Er war einer, der die Welt mit seinen Lehren verändern wollte. Doch war die Zeit noch nicht reif. Er selbst war gesundheitlich angeschlagen und oft in finanzieller Not. Doch verlor er nie den Kampfgeist und setzte sich über alle Konventionen hinweg.

Felix Kucher schildert das Leben des Malers und Reformers in einer sehr amüsanten Weise. Das Wirken Diefenbachs wird in das zeitliche Geschehen eingeordnet. So zum Beispiel trennen sich die Wege von Diefenbach und einem seiner liebsten Jünger zur selben Zeit, wie Edison seinen Phonographen auf der Weltausstellung in Paris präsentiert.
Durch die liebevolle Erzählweise muss man den Maler einfach ins Herz schließen, auch wenn seine Ansichten manchmal schon etwas gewöhnungsbedürftig sind.

Schönes Buch über einen Mann, der seiner Zeit voraus war.

Bewertung vom 14.05.2022
Leo und Dora
Krup, Agnes

Leo und Dora


ausgezeichnet

Ein Buch mit sehr feinem Humor

Leopold Perlstein hat sich auch nach Jahren in seinem Exil in Palästina noch nicht richtig eingelebt. Er arbeitet bei einer Versicherung. Vor seiner Flucht aus Wien war er ein angesehene Schriftsteller. Nun bekommt er die Chance an einem neuen Roman zu arbeiten. Seine Agentin lädt ihn dazu nach Amerika ein. Doch als er ankommt, ist seine Unterkunft abgebrannt und er muss ins Roxys ziehen, einem Gästehaus. Hier lernt er die Wirtin Dora kennen und das gibt seinem Leben eine neue unerwartete Wendung.

Die Story an sich, mag gar nicht so besonders sein, aber ihre Umsetzung ist einfach großartig. Die Autorin hat ein Gespür für die kleinen, feinen Zwischentöne und ihr Humor ist genauso fein. Die Charaktere sind einfach sehr schön beschrieben und man muss sie ja förmlich liebgewinnen.

Das Amerika in den späten 1940er Jahren wird sehr gut porträtiert. Die Geschichte berührt und ein wenig gruselig wird es auch.

Ein sehr schöner Roman mit sehr feinem Humor. Lesenswert!

Bewertung vom 14.05.2022
Ein Giro in Triest
Klinger, Christian

Ein Giro in Triest


ausgezeichnet

Sehr spannend erzählt

Wie der Titel schon vermuten lässt, spielt dieser spannende historische Krimi in Triest. Die Stadt gehört 1914 zu Österreich-Ungarn. Als das Thronfolgerpaar in Sarajevo ermordet wird, kommt es auch in der Hafenstadt zu Unruhen. Der junge Polizist Gaetano ist gerade dabei einen Mord aufzuklären, als er den Auftrag bekommt, die Leichname des Thronfolgerpaares zu beschützen, deren Entführung angedroht wurde. Dabei gerät er selbst in Lebensgefahr, denn der Auftrag ist gefährlicher als er denkt.

Das Buch schildert wirklich sehr gut die angespannte Stimmung kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Und auch die schöne Landschaft um Triest kommt nicht zu kurz. Am Anfang lernt man den jungen Polizisten und seine Familie kennen. Die Charaktere sind sehr schön dargestellt. Dann nimmt der ganze Fall auch schon rasant an Fahrt auf. Gaetano Lamprecht gerät immer wieder unerwartet in sehr brenzlige Situationen.

Mir hat das Buch wirklich sehr gut gefallen. Die Story ist wirklich interessant. Vor allem vor dem geschichtlichen Hintergrund. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall von Gaetano Lamprecht.

Bewertung vom 14.05.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

"Schuld wurde nicht weniger, wenn man sie verdrängte. Schuld wurde auch nicht weniger, weil andere sich viel schuldiger gemacht hatten."

1962 taucht bei der Weinhändlerhin Henny plötzlich ihre alte Liebe Paul auf. Er ist auf der Suche nach einer alten Champagnerflasche, die er nach Kriegsende als französischer Soldat aus Hitlers Weinkeller in Berchtesgaden an sich genommen hat und bei Hennys Ex-Schwiegermutter am Kaiserstuhl versteckt hatte. Mit dieser Champagnerflasche sollen Adenauer und de Gaulle auf die Deutsch-Französische Freundschaft anstoßen. Doch nicht nur Paul interessiert sich für die Flasche. Hennys Konkurrent es ebenfalls hinter ihr her. Und dann verschwindet plötzlich auch noch ihr Sohn Kasper, der die Flasche an sich genommen hatte.

Um diese Champagnerflasche webt die Autorin eine ganze Familiengeschichte. Der Zweite Weltkrieg und die traumatischen Erlebnisse der einzelnen Familienmitglieder werden erzählt. Es geht viel um Verrat und Schuld. Und vor allem wird viel geschwiegen. Nach dem Krieg wird das Erlebte nicht aufgearbeitet und man schweigt. Dadurch geht viel kaputt. Man möchte die Protagonisten am liebsten wachrütteln und sie zum Dialog miteinander bringen. Doch wahrscheinlich war das so in den 1960er Jahren. Leider fand ich dadurch das Ende des Buches auch recht unbefriedigend. Das ganze Buch über wurde eine Spannung aufgebaut, aber am Ende bleibt die Genugtuung aus. Ich will hier nicht mehr verraten. Man muss es einfach selber lesen.

Die Landschaft dieser Grenzregion wird auf jedem Fall sehr schön detailliert beschrieben. Und die Geschichte ist auch recht spannend. Aber für mich hatte das Buch auch einige Längen, wenn zum Beispiel immer wieder auf die Kinofilme aus der damaligen Zeit eingegangen wurde.

Aber im Großen und Ganzen ein sehr schöner, ruhiger Roman mit viel Bezug zur Heimat, Liebe, Schuld und Vergebung.

Bewertung vom 24.03.2022
Bone Music
Almond, David

Bone Music


gut

Die Vergangenheit ist überall

Die fünfzehnjährige Sylvia geht mit ihrer Mutter aus der Großstadt ins ländliche Northumberland. Hier trifft sie auf Gabriel, der ein ganz besonderes Instrument hat: eine Knochenflöte. Sie ist sofort verzaubert von der mystischen Musik. Mit Gabriel erkundet sie fortan die Natur und entdeck hier Spuren aus vergangenen Zeiten. Immer mehr fasziniert von ihren Entdeckungen spürt sie in sich selbst, eine tiefe Verbindung zu der uralten Vorzeit. Sie begibt sich auf eine mystische Reise zur Frühgeschichte der Menschheit und lernt damit auch viel über sich selbst und ihre Verbindung zur Natur.

Das hört sich alles sehr spannend an, doch fand ich die Umsetzung etwas langatmig. Mit den Figuren konnte ich auch nicht so recht warm werden und ich konnte Sylvias Handeln auch nicht immer nachvollziehen. Das Buch soll ja für Jugendliche bzw. junge Erwachsene sein, aber dafür fehlt hier eindeutig ein Spannungsbogen, der einem zum weiterlesen animiert.

Wer aber die leisen Töne bevorzugt und sich etwas philosophisch mit der Menschheit und der Verbundenheit zur Natur auseinandersetzen möchte, ist mit dem Buch bestens bedient. Wer Spannung und Action erwartet, eher nicht.

Bewertung vom 21.03.2022
Allein auf dem Meer
Vick, Chris

Allein auf dem Meer


ausgezeichnet

Abendteuer mit einem Hauch von 1001 Nacht

Der 15-jährige Bill ist mit einem Betreuer und weiteren Jugendlichen mit einer Segeljacht unterwegs. Als die Gruppe von einem Orkan überrascht wird und das Schiff kentert, kann sich Bill in das Beiboot retten.
Nun ist er allein auf dem Meer, aber es dauert nicht lange, da sammelt er die ebenfalls schiffbrüchige Aya auf. Das Mädchen stammt von einem Berberstamm ab. Die beiden unterschiedlichen Jugendlichen kämpfen von nun an zusammen ums überleben.

Das Buch ist eigentlich ein Buch für Jugendliche, aber es hat mich von Anfang an in den Bann gezogen. Der Autor kann die Verzweiflung der beiden wirklich gut beschreiben. Man spürt fast selbst die erbarmungslose Sonne, die auf die beiden niederscheint. Man lernt auch etwas über die Kultur der Berber, welche Aya versucht Bill näher zu bringen. Immer wieder unterhält sie ihm mit Geschichten aus 1001 Nacht, wenn die Situation mal wieder ausweglos erscheint. Doch auch die Spannung kommt nicht zu kurz. Man merkt, dass der Autor sich mit dem Meer sehr gut auskennt. Eine wirklich sehr gute Geschichte über eine ungleiche Freundschaft. Spannend, fesselnd, lesenswert! Auch für Erwachsene.

Bewertung vom 21.03.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


ausgezeichnet

Zum schmunzeln, aber auch zum nachdenken

"Vielleicht sollten wir damit aufhören von den Ostdeutschen und von den Westdeutschen zu sprechen. Ich meine, was hat ein Hamburger mit einem Oberbayern zu tun? Und ein Mecklenburger mit einem Sachsen? Wir sollten aufhören, uns gegenseitig zu beschuldigen und zu belehren."

Michael Hartung, ein Videotheken-Besitzer, bekommt Besuch von einem Journalisten. Der Journalist hat Stasi-Akten in die Hände bekommen, in denen davon die Rede ist, dass Hartung 127 Menschen zur Flucht aus der DDR geholfen hat, in dem er einen Zug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen umgeleitet hat. Zunächst bestätigt er die Geschichte nicht, doch als er erfährt, dass das Honorar für die Story, die nächste Miete für die Videothek decken würde, ist er bereit ein Interview zu geben. Und Akten lügen ja nicht, oder?
Es kommt, wie es kommen muss. Es ist kurz vor dem 30jährigen Mauerfalljubiläum und die Medien reißen sich, um den "neuen" Helden und seine Geschichte. Selbst der Bundespräsident lädt ein. Doch wie lange kann Hartung mit dieser Lüge vor ganz Deutschland bestehen. Und dann ist da auch noch Paula, die damals in dem Zug war und in die sich Hartung Hals über Kopf verliebt hat.

Ein wirklich sehr, sehr gutes Buch. Und sehr klug. Tolles Personal. Da ist dieser wunderbare Anti-Held, der jetzt mit seinem Gewissen im Konflikt ist. Der Journalist, der auch mal Anerkennung haben will. Ein ehemaliger ostdeutscher Bürgerrechtler, der jedoch langsam Selbstzweifel bekommt und ein alter Stasioffizier mit einer Finnhütte am See. Um hier nur einige zu nennen. Die Charaktere sind einfach wirklich gut beschrieben und man schließt sie eigentlich alle ins Herz.

Und immer wieder die Fragen: braucht Geschichte Helden und wer mach die Geschichte überhaupt? Und warum sind sich Ost-und West bis heute noch fremd? Das Buch findet natürlich nicht DIE Antwort, aber gibt einem gute Ansätze zum nachdenken.

Ein kluges Buch zum schmunzeln, aber manchmal auch mit ernsten Tönen. Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.02.2022
Kleine Philosophie der Begegnung (eBook, ePUB)
Pépin, Charles

Kleine Philosophie der Begegnung (eBook, ePUB)


gut

Begegnungen mal philosophisch betrachtet

In den letzten Jahren der Pandemie sollten wir die meisten Begegnungen eher vermeiden. Doch wie wichtig gerade zufällige Begegnungen sein können, beschreibt der französische Philosoph Charles Pepin in diesem Buch.

Der Autor analysiert in den Kapiteln, wie Begegnungen stattfinden, was sie aus einem machen und was man selbst dafür tun muss, um andere Menschen überhaupt richtig wahrzunehmen.

„Ohne Begegnung mit anderen können wir unmöglich wir selbst werden.“ (S. 222) Wie der Titel des Buches schon verrät, wird das Thema philosophisch betrachtet. Das ist vielleicht nicht für jeden etwas. Doch erfährt man hier auch etwas Interessantes über berühmte Persönlichkeiten und wie bestimmte Begegnungen ihren Lebensweg beeinflusst haben. Auch ermuntert das Buch einen selbst, mit offenere Augen auf andere zuzugehen, denn vielleicht ist die Person, die wir gar nicht für wahrgenommen hätten, unser Seelenverwandter.

Das Buch ist leicht zu lesen und regt einem zum nachdenken an. Etwas für alle, die die Muße haben, alltägliche Dinge auch mal philosophisch zu betrachten.