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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2103 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2025
Gesicht aus Stein
Gardner Smith, William

Gesicht aus Stein


ausgezeichnet

Ein bemerkenswerter Roman und eine großartige Entdeckung. William Gardner Smith ist jetzt nicht gleich ein zweiter James Baldwin. Solche Giganten der Literatur sind rar, aber auch Gardner Smith hat einen guten, reflektierenden Stil. Dazu gehört ein ebenso die Situation durchdenkender Protagonist.

Simeon Brown verlässt die USA und geht nach Paris, um dort den Rassismus zu entgehen. Er freundet sich mit einigen Leuten an und findet mit der Jüdin Maria eine Liebe. Aber der Algerienkrieg zeigt Frankreichs düsteres Gesicht und Simeon kommt immer mehr ins Grübeln, ob er sich mehr gegen den Rassismus engagieren muss. Die Gewalt in Paris eskaliert.

Der Roman wirkt nicht altmodisch und ist doch in seiner Zeit behaftet. Er erzeugt ein realistisches, glaubhaftes Bild über diese Zeit an diesem Ort.

Hoffentlich folgen weitere Übersetzungen von Büchern dieses Autors. Gesicht aus Stein jedenfalls ist unbedingt empfehlenswert.

Bewertung vom 28.05.2025
Mit Thomas Mann am Meer
Mann, Thomas

Mit Thomas Mann am Meer


ausgezeichnet

Aus dem Werk des Zauberers

Ulrich Tukur, der bekannte Schauspieler, Musiker und Schriftsteller hat hier Texte von Thomas Mann versammelt, die mit dessen Nähe zum Meer zu tun haben.
Man kann die Qualität der Texte aber auch den Topos Meer erkennen.

Ziemlich am Anfang ist anscheinend komplett die Kurzgeschichte Der Tod enthalten. Ein sehr früher Text, von mir bisher übersehen. Es ist ein ergreifender Text voller Wehmut.
Aber es gibt auch viele Auszüge aus den bekannten Bücher: Buddenbrooks und Zauberberg.
Außerdem Tagebucheinträge und Briefe.
Es ist ein sehr reichhaltiges Buch.

Mit Meerfahrt mit Don Quijote endet das Buch mit einem tagebuchartigen Text. Im Gegensatz zu den Tagebüchern ist dieser Text aber literarisch und essayistisch sorgfältig bearbeitet. Ein Highlight.

Bewertung vom 28.05.2025
Die Chance unseres Lebens
Astrabie, Sophie

Die Chance unseres Lebens


sehr gut

Sara und Stanislas

Es gibt eine oft verwendete Formel für passende Sommerlektüre, die berührt. Das funktioniert ein weiteres Mal in diesem Roman. Ein selbstbewusstes Mädel mit dem Herz am rechten Fleck und ein kluger, aber schüchterner Junge, die sich anfreunden.
Wird aus der Freundschaft Liebe und was wird 20 Jahre später sein?

Das Buch erinnert von der Stimmung her an Helle Sommer, dem früheren Roman der Autorin. Es ist ein schnell gelesener Roman und als Leser fühlt man mit den beiden Protagonisten.

Bewertung vom 26.05.2025
Kult. Warum die Zukunft des Christentums uns alle betrifft
Marx, Reinhard

Kult. Warum die Zukunft des Christentums uns alle betrifft


sehr gut

Habent sua fata libelli

Kardinal Reinhard Marx arbeitet sein Essay gründlich aus und setzt gekonnt Zitate, wie z.B. Peter Sloterdjik und/oder nimmt Bezug auf andere Persönlichkeiten, wie z.B. oft auf Jürgen Habermas
Auch von Franziskus ist öfter die Rede.

Marx benennt die globalen Herausforderungen, die auch die Kirche betreffen.
Er bleibt aber auch oft Optimist, der an das Christentum als Religion der Zukunft und er kommt auf seine Vision, dem „Kult“ und die Eucharistie zu sprechen.
Ehrlich gesagt, ich war da teilweise raus.

Interessanterweise plädiert Marx für eine Globale Soziale Marktwirtschaft, doch die aktuelle Weltlage ist eine andere.
Marx selbst sagt ja: „Und ich bin sehr besorgt über die europaweiten und weltweiten Entwicklungen hin zu Rechtspopulismus, Nationalismus und rückwärtsgewandter Abgrenzung.“
Die Zukunft des Christentums hängt somit von vielen Faktoren ab.
Unabhängig davon hat Reinhard Marx mit seinen sprachlichen Mitteln gekonnt sein Essay gestaltet.

Bewertung vom 24.05.2025
Merz
Lau, Mariam

Merz


ausgezeichnet

Mariam Lau ist Zeit-Korrespondentin und Buchautorin. Sie hat schon über Angela Merkel und Harald Schmidt geschrieben.
Das hier vorliegende Buch ist jedoch keine Biografie im eigentlich Sinne, sondern beleuchtet die politischen Vorgänge der letzten Zeit, vordergründig im Zusammenhang mit Friedrich Merz Wahlkampf und Kanzlerschaft. Der Untertitel ist treffend gewählt.

Über Friedrich Merz wurden in letzter Zeit schon ein paar Bücher veröffentlicht, die hohe Qualität haben, aber Mariam Laus Buch ist das erste, nachdem Merz wirklich Kanzler geworden ist. Sie hat es mit spürbarer guter Schreiblaune gemacht und man wird von ihr kenntnisreich durch die Ereignisse der letzten Monate gewirbelt.
Dabei ist die Frage der politischen Position, die die neue Regierung und vorrangig Merz suchen, wichtig. Und das innen- wie außenpolitisch.

Immer wieder gibt es auch bemerkenswerte Rückblicke und man liest im Zusammenhang auch von anderen Politikern.

Mariam Lau spart nichts aus, bleibt aber fair.
Das Buch bietet pure Lesefreude und vielleicht ist Laus Merz-Buch daher das bisher beste.

Bewertung vom 18.05.2025
Der Kaiser der Freude
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


ausgezeichnet

Noch einmal kurz grandios

Nach „Auf Erden waren wir kurz grandios“ kommt Ocean Voungs zweites Prosawerk. Wieder ein Werk von Niveau.

Ocean Vuong zeichnet ein raues Amerika-Bild und schon mit wenigen Sätzen entstehen starke Bilder im Kopf des Lesers. Es beginnt schon mit der Passage, als der junge Hai auf der Brücke in East Gladness steht und überlegt zu springen. Doch dann hält ihn eine ältere Frau davon ab. Sie lässt ihn bei sich wohnen, dafür soll er sich um sie kümmern und sie leidet an Demenz.Die beiden sind dennoch ein gutes Team.
Hai findet schließlich einen Job in einem Schnellimbiß, lernt einige Leute kennen, die auch am Rande leben und wird so gewissermaßen ein Teil einer Gesellschaft, auch wenn es schwer bleibt.
Es gibt in der Mitte ein paar Längen, doch das Buch führt den Leser gut durch die Jahreszeiten und viele Passagen gehen unter die Haut.

Bewertung vom 17.05.2025
Für uns gibt es keinen Namen
Manzini, Gaia

Für uns gibt es keinen Namen


sehr gut

Adas Weg

Für uns gibt es keinen Namen ist ein Roman über eine Frau im zeitgenössischen Italien. Ada arbeitet in Mailand in einer Werbeagentur und ist ziemlich verschlossen. Sie ist noch jung, erst 26, aber hat schon eine neunjährige Tochter. Von der erzählt sie in Mailand nicht. Die Tochter lebt bei Adas Eltern.
Es wird ein langer Weg für Ada, sich zu ihrer Tochter zu bekennen, von der sie anfangs mal sagte, sie sei ihre Schwester.
Das Thema des Buches ist Beziehungen. Zu ihrer Tochter und den Eltern und zu Alessio, mit dem sie zusammenarbeitet und teilweise sogar mit ihm lebt.
Gaia Manzini schreibt in einem ruhigen, verhaltenen Ton, in einer durchaus ansprechenden Sprache. So kann sie ein ehrliches Porträt einer Frau zeichnen, die ihren Weg finden muss.

Bewertung vom 10.05.2025
Himmlischer Frieden
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

China in den Achtziger Jahren

Das Buch von Lai Wei ist fiktiv, aber stark autobiografisch gefärbt und zeigt ein Leben in China der Achtziger Jahre. Es wird aus der Perspektive der Erzählerin erzählt, daher ist man relativ nah bei der Figur.
Stilistisch ist es relativ einfach gehalten.
Das Buch ist anfangs weniger politisch als erwartet, obwohl das natürlichs chon eine große Rolle spielt. Zunächst sehen wir aber einen Text über familien- und Machtstrukturen.
Eine ganz starke Nebenfigur ist Lais Großmutter, eine starke persönlichkeit und sie standen sich sehr nahe, bis die Demenz Lai diese Frau stück und stück raubt.
Hinzu kommen Szenen mit ihrem Freudn Gen. Das zusammen ergibt auch ein Coming-of-Age. Schließlich folgen die Jahre auf der Universität. Da verbindet sie mit der unkonventionellen Anna eine innige Freundschaft. Schließlich wird sie Teil der Protestbewegeung.
Ich denke, es sind ca. 15 Jahre, die gezeigt werden.

Insgesamt fand ich das Buch mittel bis gut. Es gibt viele emotionale Passagen und man fühlt für Lai. Aber viele wichtige Details, die ich erwartet hatte, wurden zu wenig ausgearbeitet.
Dennoch ist es natürlich ein lesenswerter Roman.

Bewertung vom 10.05.2025
Roberto und ich
Fröhlich, Anna Katharina

Roberto und ich


sehr gut

Ein Buch, durchtränkt von Literatur

Anna Katharina Fröhlich hat ein Buch über ihren Freund Roberto Calasso, italienischer Verleger und die Literaturwelt gemacht.
Es ist ein bewunderndes Buch, das Calassos Bedeutung als Kulturschaffender heraustreicht. Sie hatten sich 1995 auf einer Buchmesse kennen gelernt und schließlich verliebt. Sie reisten auch zusammen. Es gibt einige bemerkenswerte Passagen über Orte in Italien, streckenweise sind sie auf den Spuren von Joseph Brodsky, mit dem Calasso befreundet war und der 1996 starb.

Man spürt, wie die Autorin Kultur und bedeutende Literatur mit einem Mann in Verbindung bringt.
Anna Katharina Fröhlich hat ein Talent für Details, wenn auch leicht überfrachtet eingesetzt und es dürfte interessant sein, auch ihre Romane zu lesen.

Bewertung vom 28.04.2025
Der alte Mann vom Main
Meining, Alexander

Der alte Mann vom Main


ausgezeichnet

Die Schlacht um Würzburg

Das Buch zeigt die Zeit zu Kriegsende in Würzburg.
Im Mittelpunkt ein 75jähriger Mann namens Walter Gänslein, der durch die zerstörte Stadt irrt. Durch Zufall lernte er die 69jährige Henrietta kennen. Eine späte Liebe.
Es gibt aber auch noch viel Fanatismus selbst im Anblick der Niederlage. Daher ist Gänslein sogar froh, in Kriegsgefangenschaft zu kommen. Interessant hier die Gespräche zwischen ihm und den deutschstämmingen US-Sergeant Roseman sowie Colonel Schmidt, mit dem es eine große Überraschung gibt. Diesen Handlungsverlauf habe ich nicht unbedingt erwartet, finde es aber originell.

Im letzten Romandrittel kommen noch detaillierte Beschreibungen der letzten Kämpfe in den Ruinen der Stadt. Das wirkt sehr glaubwürdig.

Alexander Meining schafft es, einen Eindruck von dieser Zeit zu vermitteln. Wie von Gmeiner Büchern gewohnt, ist ein gutes Niveau vorhanden. Zu loben ist außerdem die dichte Atmosphäre, die das Buch zu etwas Besonderen macht.