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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 967 Bewertungen
Bewertung vom 11.02.2025
Nur ein kurzer Sommer (eBook, ePUB)
Lehmann, Astrid

Nur ein kurzer Sommer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dem frisch gebackenen Arzt Helmut, der mit der deutschen Wehrmacht die französische Küstenstadt Vannes besetzt und der jungen Französin Anne-Marie, der Helmut das Leben rettet, als sie droht, bei der Geburt ihrer Tochter zu sterben, ist - wie der Titel schon unheilvoll verkündet - nur ein kurzer, gemeinsamer Sommer beschieden. Zunächst scheint das Leben in der besetzten Stadt seinen gewohnten Gang, mit einigen Einschränkungen, weiter zulaufen. Helmut versorgt gemeinsam mit einer Klosterschwester Kranke im Kloster und macht wenig Unterschied zwischen Deutschen, Franzosen oder Juden. Für ihn sind es kranke Menschen. Doch als eine Krankenschwester, die eine überzeugte Anhängerin des NS-Regime ist, die Macht im Krankenhaus übernimmt, ändert sich so gut wie alles. Als sich Helmut weigert, ausschließlich Deutsche zu behandeln, wird er kurzfristig an die Ostfront versetzt.

Gleichzeitig erleben wir, wie Helmuts kleiner Bruder, der sechsjährige Emil, ständig im Schatten seines abwesenden Bruders steht. Seine Eltern bewirtschaften im Schwarzwald einen abgelegenen Bauernhof. Nichts kann er seiner enttäuschten Mutter recht machen, die die schwere Arbeit kaum bewältigt. Der blinde Ehemann ist ihr wenig Hilfe.

Es kommt, wie es kommen muss: Helmut kehrt nicht aus dem Krieg zurück. Der tote Sohn wird überhöht und der lebende vernachlässigt.

Als dann der erwachsene Emil im Keller der mütterlichen Wohnung einen Karton mit Briefen von Helmut findet, macht er sich auf, um in Vannes nach Anne-Marie zu suchen.

Meine Meinung:

Dieser Roman ist, wie Autorin Astrid Lehmann im Nachwort schreibt, von den Aufzeichnungen und Erinnerungen ihrer Eltern und Großeltern inspiriert worden.

Die Geschichte beschreibt das Leben in einer unmenschlichen Zeit, in der Liebe zwischen Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit verboten ist.

Astrid Lehmann gelingt es durch mehrere Perspektivenwechsel die Spannung stetig zu steigern. Mir war von Beginn an bewusst, dass Helmut und Anne-Marie kein Happy-End beschieden ist. Die Story wird aus der Sicht von Helmut. Anne-Marie und Emil geschrieben, so dass sich dem Leser eine runde, wenn auch tragische Geschichte enthüllt. Sehr gut ist der Zwiespalt, in dem sich sowohl der junge als auch der erwachsene Emil befindet.

Die Geschichte lässt sich sehr gut und flüssig lesen. Die Charaktere sind sorgfältig herausgearbeitet.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der in einer unmenschlichen Zeit spielt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.02.2025
Gefährliches Wasser (eBook, ePUB)
Izquierdo-Hänni, Daniel

Gefährliches Wasser (eBook, ePUB)


sehr gut

Vicente Alapont, ehemaliger Polizist der Policia Nacional und nunmehriger Taxifahrer, kann das Ermitteln nicht lassen. Autor Daniel Izquierdo-Hänni lässt ihn nun zum dritten Mal in Valencia ein Verbrechen aufklären.

Es beginnt relativ harmlos mit einem Einbruch in der Altstadt, den Alapont aufklären soll. Recht bald wird klar, dass dahinter mehr als steckt. Wird es Vicente Alapont gelingen, den Täter, der ganz Valencia in Angst und Schrecken versetzt, rechtzeitig zu entlarven?

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist mein erster von Daniel Izquierdo-Hänni und hat eine aktuelle Brisanz. Denn es geht um Wasser. Zu wenig davon ist für Mensch, Tier und Landwirtschaft eine tödliche Bedrohung genauso wie zu viel davon, wie die Überschwemmungskatastrophe von 1957 und jene Ende Oktober 2024 beweisen.

Mit Vicente Alapont hat der Autor einen sympathischen Ermittler geschaffen, der eigentlich von Mord und Tozschlag genug hatte und deshalb seinen Dienst bei der Policia Nacional quittiert hat. Mit ein bisschen Abstand findet er nun wieder Gefallen am Ermitteln, zumal er sich nicht unbedingt streng an die Regeln halten muss.

Fazit:

Mir hat dieser Krimi, der auch leise ernste Töne enthält, sehr gut gefallen. Daher gibt es 4 Sterne. Bei Gelegenheit werde ich die beiden Vorgänger nachlesen.

Bewertung vom 09.02.2025
Spargel & Erdbeeren (eBook, ePUB)

Spargel & Erdbeeren (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich kann es jedes Jahr kaum erwarten, bis die Spargel- und Erdbeersaison beginnt. Nachdem ich am Stadtrand von Wien, nahe den Spargel- und Erdbeerfeldern wohne, habe ich es zu den erntefrischen Köstlichkeiten nicht allzu weit. Deshalb bin ich immer auf der Suche nach Anregungen, wie ich Spargel & Erdbeeren auf den Teller bringen kann.

Dieses Kochbuch von Gräfe & Unzer hat mich nicht enttäuscht. Allerdings haben sich einige Rezepte, die weder mit Spargel noch mit Erdbeeren in Zusammenhang stehen, hineingeschmuggelt (z. B. Karotten/Möhren-Muffins, Topfenknödel mit Rhabarberkompott oder gebackene Hollerblüten).

Ausprobieren werden ich jedenfalls die Parmesansuppe (S. 15), Spargeltempura (S. 33), Kartoffel-Spargel-Curry (S. 37) sowie die Hähnchenbrust mit Spargelfülle (S. 65) allerdings ohne Erdäpfelpüree ausprobieren. Der Spargelsalat mit Erdbeeren (S. 127) vereint beides und klingt köstlich. Das Erdbeer-Tiramisu schmeckt hoffentlich besser als das Bild aussieht (S.136). Der auf Seite 140 abgebildete Klassiker Erdbeer-Biskuit-Schnitte hat schon lange den Eingang in unsere Küche gefunden.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Kochbuch, das Lust sowohl auf Spargel als auch auf Erdbeeren macht, 5 Sterne.

Bewertung vom 08.02.2025
Campion. Tödliches Erbe
Allingham, Margery

Campion. Tödliches Erbe


gut

Margery Allingham (1904-1966) gehört wie Agatha Christie und Dorothy L. Sayers zu den führenden Autorinnen des »Goldenen Zeitalters« der englischen Kriminalliteratur. Sie nimmt ihre Leser in "Campion – Tödliches Erbe" mit auf eine spannende Reise voller Geheimnisse, Verbrechen und unerwarteter Wendungen mit.

Die adelige Familie Gyrth bewahrt im Namen der Krone seit Generationen einen wertvollen Kelch auf ihrem Landsitz auf. Das unschätzbare Kleinod gerät in den Fokus einer Verbrecherbande, die schon zahlreiche andere Kunstwerke gestohlen und durch Repliken ersetzt haben. Die Originale verschwinden in den Tresoren rücksichtsloser, reicher Sammler in aller Welt.

Der etwas unscheinbar wirkende Detektiv Albert Campion soll sowohl Kelch als auch die Familie Gyrth schützen. Das wird ihm nicht leicht gemacht. Gemeinsam mit seinem Assistenten Lugg erlebt Campion zahlreiche Überraschungen, die das gefährliche Netz aus Dieben für die beiden bereithält, stellen.

Meine Meinung

Das Cover deutet schon auf einen klassischen Kriminalroman hin. Die Charaktere sind typisch britisch, leicht versnobt, auch wenn es die finanzielle Situation nicht immer so zulässt. Das Personal, allen voran Lugg bekommt mehr von den Eigenarten der Herrschaft mit, als denen manchmal lieb ist.

Gut gelungen finde ich den unterschiedlichen Sprachduktus der Charaktere, die ihrer Herkunft nach, so sprechen (dürfen), wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

Die Krimihandlung selbst, lässt eigene Ideen und eigenes Miträtseln zu. Trotz hat mir das gewisse Etwas gefehlt. Vielleicht bin ich auch nur zu nüchtern, um diese über Generationen gepflegten Traditionen zu verstehen. Ein Hausmädschen, das mir die Hausarbeit abnimmt, könnte mir aber doch gefallen.

Fazit:

Wer die typischen englischen Krimis liebt, wird hier voll auf seine Rechnung kommen. Mich hat dieser Auftakt zu der Krimireihe rund um Albert Campion nicht so ganz gepackt. Daher gibt es diesmal nur 3 Sterne.

Bewertung vom 08.02.2025
Ginsterburg (eBook, ePUB)
Frank, Arno

Ginsterburg (eBook, ePUB)


sehr gut

Autor Arno Frank schildert in seinem neuen Roman „Ginsterburg“ das Schicksal ausgewählter Bewohner in der fiktiven Stadt „Ginsterburg“ während der NS-Zeit. Die Geschichte ist in drei Zeitabschnitte - 1935, 1940 und 1945 - gegliedert.

Arno Frank erzählt chronologisch die Entwicklung der Bewohner in dieser politisch eigentlich unbedeutenden Kleinstadt, die stellvertretend für reale Orte steht. Manche Personen gewinnt man recht schnell lieb, andere verhalten sich sehr bald verabscheuungswürdig.
Überhaupt mischt der Autor Fakten und Fiktion recht gekonnt. Allerdings fehlt mir persönlich ein Hinweis auf das Eine bzw. das Andere. Zwar werden durch Briefe oder Zeitungsausschnitte Bezüge zur realen Welt geknüpft, doch wäre ein Glossar am Ende des Romans oder ein Nachwort willkommen gewesen. So wird die Wunderwaffe „Natter“, die den wenigsten Lesern bekannt sein dürfte, mehrmals erwähnt.

Der Schreibstil ist ein wenig irritierend. Zahlreiche Ereignisse werden nur angerissen und der Fantasie der Leser überlassen. Für mich, die viele (Sach)Bücher über die Gräuel der NS-Diktatur gelesen hat, ist das kein Problem, sich hier zurecht zu finden. Auf andere Lesern kann dies verstörend wirken.

Fazit:

Diesem Roman, in dem Arno Frank aufzeigt, wie Menschen von einem Menschen verachtenden Regime belohnt, bestraft und korrumpiert worden sind, gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 07.02.2025
Die mysteriöse Tote vom Montmartre
Laffite, René

Die mysteriöse Tote vom Montmartre


ausgezeichnet

Es ist Herbst geworden in Paris, weshalb am Montmartre das beliebte Weinfest stattfindet. Auch die Familie Morel ist aus Südfrankreich angereist, um einerseits Geneviève und Olivia „Mamie“ Morel zu besuchen und andererseits sich dem Trubel um das Weinfest hinzugeben. Die Führung rund um den kleinen Weinberg mitten in der Großstadt Paris wird jäh unterbrochen, als eine neugierige Besucherin aus Österreich eine Plane lüpft und eine tote Frau im Weinbottich entdeckt.

Es dauert ein wenig, bis die Identität der Toten geklärt ist. Die Ermittlungen führen zunächst Madame le Commissaire Geneviève Morel wenig später auch ihr Team in die Champagne, wo man sich nicht nur mit der Erzeugung von Champagner beschäftigt.

Gleichzeitig hat Genevièves Großmutter Olivia einen neuen Verehrer. Dass Olivia mit einer charmanten männlichen Begleitung unterwegs ist, ist nichts Ungewöhnliches, ist sie doch eine attraktive Frau. Stutzig wird Geneviève nur, dass er ausgerechnet der Kurator der aktuell laufenden Picasso-Ausstellung ist und in Mamies Alter ist. Üblicherweise sind deren Liebhaber wesentlich jünger. Geneviève ist sich sicher, dass ihre geliebte Großmutter wieder etwas im Schilde führt. Nur was?

Meine Meinung:
Dieser dritte Krimi aus der Reihe rund um Geneviève Morel, der Polizistin mit krimineller Familie, hat mir sehr gut gefallen. Autor René Laffite, hinter dem der österreichische Autor Christian Schleifer steckt, verzichtet diesmal auf eine besonders grausliche Zur-Schaustellung „seiner“ Leiche, die die einzige bleiben wird. Das Rundherum um die Tote ist gefinkelt angelegt, so dass es eine geraume Zeit braucht, bis sowohl Geneviève als auch die Leser die Zusammenhänge erkennen.

Witzig finde ich, dass der werte Herr Autor die Charaktere seiner Perchtoldsdorfer Krimi-Reihe einen Besuch des Weinfestes in Paris gönnt. Bei ihrem Auftritt wirken die Nöhrers ein wenig, nun ja, aufdringlich.

Schmunzeln musste ich wieder über Olivia Morel, die ihre kriminelle Energie gekonnt und nonchalant einsetzt. Entzückend gleich zu Beginn die Szene mit Pascal, dem jugendlichen Taschendieb, der versucht, ausgerechnet Olivia, der ungekrönten Königin der Taschendiebin, zu bestehlen.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 03.02.2025
Die Ruinen von Northcott Abbey
Harris, C. S.

Die Ruinen von Northcott Abbey


ausgezeichnet

Sebastian St. Syr reist gemeinsam mit Ehefrau Hero und Söhnchen Simon in den kleinen Ort Ayleswick-on-Teme, in dem möglicherweise das Geheimnis seiner Abstammung lüften wird können, denn Jamie Knox, sein Halbbruder soll hier Verwandtschaft gehabt haben. Kaum angekommen, wird er von Archibald Rawlins, dem jungen unerfahrenen Friedensrichter des Dorfes um Hilfe gebeten. Eine junge Witwe ist zusammen mit einer leeren Flasche Laudanum tot aufgefunden worden. Während Constable Nash vom Selbstmord überzeugt ist, hat Rawlins seine Zweifel, die St. Cyr nach der Besichtigung der Leiche bestätigt. Emma Chance ist ermordet worden.

Die Frau gibt nicht nur St. Cyr zahlreiche Rätsel auf, sondern heizt die Gerüchteküche in Ayleswick an, denn niemand kann sagen, was sie hier wollte. Man vermutet einen Zusammenhang mit Lucien Bonaparte, der als Kriegsgefangener mit seine Familie auf einem Anwesen hier im Ort wohnt.

Als Sebastian bei seinen Ermittlungen entdeckt, dass in den vergangenen 15 Jahren mehrere Frauen unter verdächtigen Umständen gestorben sind, sieht er sich einem Gegner gegenüber, der echte oder vermeintliche Mitwisser skrupellos beseitigt.

Meine Meinung:

Dieser zehnte historische Roman der Reihe um Sebastian St. Syr hat mich ebenso begeistert wie seine Vorgänger. Diesmal muss er auf seinen Freund Paul, den Arzt, der den Toten ihre letzten Geheimnisse entreißt verzichten. Dafür lernen wir eine historische Figur kennen, die bislang noch nicht in Erscheinung getreten ist: Lucien Bonaparte (1775-1840), der jüngste Bruder Napoleons sowie dessen zehnjährigen Sohn Charles (1803-1857), der später als Ornithologe berühmt werden sollte.

Ich habe schon geglaubt, dass Sebastian und Hero diesmal ohne Blessuren davonkommen werden, aber auf den letzen „Metern“ kommt es doch noch zu einem Showdown.

Ob er ob dieser Ereignisse seine Obsession, das Geheimnis seiner Herkunft lösen zu wollen aufgeben wird? Man wird sehen, denn Band 12 “Die Verbrechen von Morton House“ ist für 17. April 2025 angekündigt.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 5 Sterne.

Bewertung vom 31.01.2025
Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)
Limbeck, Jeanette

Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Éléonore „Léo“ Duplay, eine junge Malerin und Tochter des die Revolution gutheißenden Tischlermeisters Maurice Duplay, will gemeinsam mit ihrer Schwester Elisabeth eine Petition rund um mehr Frauenrecht unterzeichnen als es auf dem geschichtsträchtigen Marsfeld zu einer Demonstration kommt, die mit Gewalt aufgelöst wird und einige Tote fordert. Für Léo bringt dieses Ereignis neben Angst und Schrecken auch die Begegnung mit Maximilien Robespierre, dem Anwalt und nunmehrigen Mitglied der Assemblée Nationale, der Nationalversammlung.

Robespierre bezieht Unterkunft im Hause Duplay und erhält Léos Malzimmer, das sie - aus Sicht der Mutter - nur für ihr Vergnügen benutzt. Nun ja, auf Grund der allgemeinen Teuerung können die Duplays die Mieteinnahmen gut brauchen.

Léo und Maxime, wie Robespierre genannt wird, diskutieren viel miteinander. Während SIE leidenschaftlich für die Rechte der Frauen kämpft, versucht Maxime seinen Traum von einer Republik zu verwirklichen, in der die Menschen tugendhaft und ohne Religion leben. Der Politiker nimmt für seine Vision von Tugend im Staat den Terror in Kauf, dem er letztlich selbst zum Opfer fallen wird, während einige der (doch) korrupten Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses wie Joseph Fouché und Paul Barras den Terror überleben und wenig später, unter Napoleon Bonaparte, noch eine große Rolle spielen werden.

Meine Meinung:

Da ich schon zahlreiche Bücher über die Französische Revolution und ihre Folgen, nämlich 25 Jahre Krieg mit fast allen Dynastien Europas, gelesen habe, war ich äußerst gespannt, wie Jeanette Limbeck diesen historischen Roman, der eine Liebesgeschichte zwischen der jungen Malerin und Robespierre, der als blutrünstiger Politiker in die Geschichte eingegangen ist, beschreibt, anlegen wird. Über Robespierres Privatleben ist wenig bekannt. Es scheint, als hätte er seine Vorstellung von Tugend selbst gelebt. Auch im Roman benimmt er sich Léo gegenüber, die augenscheinlich Gefühle für ihn entwickelt, obwohl sie auf Wunsch ihrer Eltern den Tischlergesellen Jean heiraten soll, damit die Werkstätte im Familienbesitz bleibt, zunächst zurückhaltend, ja fast asketisch.

Die (Vor)Geschichte der Französischen Revolution ist höchst komplex und kann in diesem Roman nicht in vollem Umfang erzählt werden. Dazu eignet sich das Sachbuch „Tugend und Terror“ von Johannes Willms sehr gut, das ich nun im Nachgang lese.

Gut beschrieben sind die gesellschaftlichen Zwänge, in denen sich Léo befindet. Als Frau gilt sie nichts. Die wenigen Zugeständnisse, die Kämpferinnen wie Olympe de Gouges erreicht haben, werden nach deren Hinrichtung wieder zurückgenommen. Statt mehr Freiheit und Gleichheit zu erhalten, werden die Frauen wieder an den Herd und in die Mutterschaft verbannt. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller. Als dann Léo auf einer der Proskriptionslisten steht, benutzt er seine Macht, um ihren Namen gegen einen anderen auszutauschen. Damit handelt er eigentlich, seinem eigenen, ehernen Gedanken der Unbestechlichkeit zuwider.

Geschickt verknüpft die Autorin fiktive und reale Personen sowie erfunden und historische Fakten miteinander. Dazu hat sie penibel recherchiert. Interessant habe ich den Konnex zum Jahr 2017 gefunden, in dem Massendemonstrationen in Paris ein wenig an jene Unruhen von 1789 erinnert haben. Von diesem Handlungsstrang habe ich mir, ehrlich gesagt, ein bisschen mehr erwartet. Er ist in den dramatischen Ereignissen rund um Robespierre und Léo Duplay dann ein wenig untergegangen.

Der Roman ist aus Sicht Éleonores und in der Ich-Form geschrieben, so dass man sich sehr gut in ihre Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen kann. Obwohl es keinen Beweis für eine tatsächliche Liebesgeschichte zwischen Léo und Maxime gibt, kann es sich durchaus so oder ähnlich zugetragen haben.

"Ich war mit der Revolution verheiratet." und werde an den Mann denken, der sie verkörperte. "Ich war die Malerin der Revolution!" (S. 447)

Léos Schwester Elisabeth Le Bas, Witwe nach Philippe-François-Joseph Le Bas, der sich der Hinrichtung durch die Guillotine, durch Selbstmord entzogen hat, wird später in ihren Memoiren über die Verlobung Léos mit Maxime schreiben. Léo selbst wird bis zu ihrem Tod um Maxime trauern.

Fazit:

Ein penibel recherchierter historischer Roman, der mir sehr gut gefallen hat und dem ich gerne 5 Sterne sowie eine Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 29.01.2025
Berauscht der Sinne beraubt
Kirakosian, Racha

Berauscht der Sinne beraubt


sehr gut

Racha Kirakosian ist aktuell Professorin für Mediävistik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Bei ihrer langjährigen Beschäftigung mit dem Mittelalter traf und trifft sie ständig über Menschen, die mit und ohne substanzgebundene Stimulanzien in einen Rausch, Extase oder Furor fallen. In diesem Buch, das nicht grundlos ein psychedelisches Cover erhalten hat, geht sie den Gründen nach, warum Menschen in Extase fallen.

Diese fünf Kapitel sind:

Über den Wolken - Visionen und Flow
Im Moment des Aufpralls - Freude im Schmerz
Hinab ins Erdreich - Frauen und Extase
Vom Aufsteigen - Der Tanz in die Lüfte
Aufgehen im Ganzen - Einheitserfahrungen in der Masse

Dabei beleuchtet die Autorin sowohl die Gründe als auch individuelle Erfahrungen von Personen, die diesen Zustand des Rausches, sei es durch schier unerträgliche Schmerzen, überschießende Freude oder sei es durch das Phänomen der Massenpsychose erfahren haben.

Dafür hat sie penibel recherchiert und kann auf ihren reichen Schatz an Wissen über die Einflüsse von Religion, Medizin, Pharmokologie und „Menschenverführer“ zurückgreifen. Die Autorin geht im letzten Kapitel auf das „Aufgehen im Ganzen“, also jenem Phänomen der Massenhysterie wie man sie aus den Wochenschauberichten aus dem NS-Regimie kennt, ein. Diese Begeisterung der manipulierten Massen ist nach wie vor beängstigend.

Das Buch ist ob der wissenschaftlichen Sprache nicht einfach zu lesen, da es genaues Lesen und einige an Vorwissen erfordert. Die am Ende aufgelisteten Anmerkungen sowie das umfangreiche Verzeichnis der verwendeten Quellen und ein umfangreiches Personenregister, helfen dabei sich hier zurechtzufinden und zusätzliche Informationen einzuholen.

Fazit:

Wer sich nicht scheut, tief in die Phänomene, die einen die eigene Kontrolle über sich verlieren lassen könnte, einzutauchen, ist hier richtig. Gerne gebe ich diesem Buch, das nichts für Zwischendurch ist, 4 Sterne.

Bewertung vom 28.01.2025
Ostfriesennebel / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.19 (eBook, ePUB)
Wolf, Klaus-Peter

Ostfriesennebel / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.19 (eBook, ePUB)


sehr gut

In ihrem 19. Fall wird Ann-Kathrin Klaasen mit einer schier unglaublichen Geschichte konfrontiert: Carina Oberdieck, Mutter zweier Söhne, glaubt, dass der Mann, der nach einer Urlaubsreise mit seinem Bruder ins traute Familienheim zurückgekehrt ist, nicht ihr Ehemann Florian sondern sein eineiiger Zwillingsbruder Fabian ist. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass ihr Ehemann nicht mehr lebt.

In ihrer langen Laufbahn als KHK sind Ann-Kathrin Klaasen schon zahlreich abstruse Geschichten untergekommen. Natürlich stößt die seltsame Geschichte von Carina Oberdieck bei der Polizei auf Misstrauen, zumal es ja keine Leiche gibt. Und keine Leiche bedeutet, keine Ermittlungen.

Doch bevor sie sich näher mit Familie Oberdieck beschäftigen kann, findet man die Leiche einer jungen Frau auf den Bahngleisen.

Hat der sogenannte Eisenbahnmörder, der eine blutige Spur durch Deutschland zieht, nun auch in Ostfriesland zugeschlagen? Der Schluss liegt nahe, denn KHK Wollenweber, Zielfahnder beim BKA, fordert Ann-Katrin Klaasen sowie deren Ehemann Frank Weller zur Unterstützung an.

Doch dann scheint so ziemlich alles aus dem Ruder zu laufen, denn die nächste junge Frau verschwindet ...

Meine Meinung:

Seit Erich Kästners „Doppeltes Lottchen“ spielen zahlreiche Autoren mit einem Rollentausch zwischen eineiigen Zwillingen in der Literatur. Was manchmal - wie bei Kästner - amüsant zu lesen ist, verarbeitet Klaus-Peter Wolf hier in ein perfides, kaltblütiges Spiel um die wahre Identität eines Menschen.

Ann-Kathrin Klaasens Team ist wieder ordentlich gefordert. Polizeichefin Elisabeth Schwarz macht wieder eine denkbar schlechte Figur, während Rupert mit seiner kumpelhaften Art männliche Verdächtige zu befragen, durchaus Erfolg hat.

Zielfahnder Wollenweber steht kurz vpr seiner Pensionierung und will den Eisenbahnmörder zur Strecke bringen. Dazu bedient er sich auch der Dienste von AKK und ihrem Team. Er selbst geht mit seinen Informationen sparsam um, und dass AKK ihm gleich einmal Nachlässigkeiten bei den Ermittlungen nachweisen, kratzt ziemlich an seinem Ego.

Wir erleben den Krimi aus unterschiedlichen Perspektiven: aus Tätersicht, aus Opfersicht und natürlich aus der Warte der Ermittler.

Der trockene Humor der Ostfriesen darf auch nicht fehlen, sowie Ruperts Wortkreationen.

Fazit:

Der 19. Fall ist wieder spannend, auch wenn die Zwillingsmasche schon ein wenig ausgelutscht ist. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.