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Moe

Bewertungen

Insgesamt 47 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2020
Ein Sonntag mit Elena
Geda, Fabio

Ein Sonntag mit Elena


gut

"Er war siebenundsechzig Jahre alt und seit acht Monaten Witwer, in denen ihm klar geworden war, den Dringlichkeiten in seinem Leben mehr Aufmerksamkeit gewidmet zu haben als den Wichtigkeiten; doch daran konnte er nun nicht mehr viel ändern, außer sich und seinen Kindern zu beweisen, dass er in der ihm verbleibenden Zeit das eine bewusster vom anderen zu unterscheiden vermochte." (S. 9)

"Ein Sonntag mit Elena" ist eines dieser Bücher, das man sich an einem gemütlichen Nachmittag schnappt, um sich locker flockig unterhalten zu lassen und vielleicht den ein oder anderen rührenden Moment zu erleben. Das Buch hat keine großen Erwartungen an den Leser, fordert ihn nicht, hinterlässt aber auch nicht sonderlich viel Substanz. Ein Buch, das ein paar Stunden nett unterhält (nicht jedoch ohne das ein oder andere Mal immer am Kitsch zu kratzen), das man vermutlich aber auch schnell wieder vergisst. Solche Bücher wollen einem nicht wehtun und sie tun genau das, was man in dieser Zeit gerade braucht; nämlich nette Unterhaltung, ein paar Kalender-Weisheiten und Figuren, denen wir den einen oder anderen holprigen Dialog verzeihen, weil sie doch irgendwie "begleitenswert" sind (vorallem unsere Hauptfigur).

Bewertung vom 30.04.2020
Pandatage
Gould-Bourn, James

Pandatage


gut

James Gould-Bourn wurde beworben mit "der neue Nick Hornby", eine Aussage, die sich ganz schön weit aus dem Fenster lehnt. Und natürlich, die Parallelen sind da; beide Autoren sind Engländer, beide vermischen Tragik und Komik und beide haben einen Roman über eine außergewöhnliche Vater-Sohn Beziehung geschrieben.
Doch wo Hornby die Balance zwischen Tragik und Komik meist perfekt trifft, sich weder auf das eine, noch auf das andere zu stark verlässt, findet Gould-Bourn die Mitte oft nicht, wirkt viel zu bemüht.

Die Geschichte ist aber nicht schlecht, sie hat einige tolle Momente und ließ mich einige Male schmunzeln. Wäre der Autor dabei nicht oft ins Albere abgedriftet und hätte ein besseres Gespür für wohl portionierte Häppchen Humor, dann hätte mir die Geschichte wohl auch um einiges besser gefallen. Denn das Potential ist da. Gelingt es ihm jetzt noch, sich nicht an Klischeebildern übermäßig zu bedienen, sondern mehr eigene Ideen einfließen zu lassen, dann schreitet er eventuell irgendwann Richtung Hornby (falls das überhaupt seine Intention ist und nicht ein zu Unrecht aufgedrückter Stempel).

Insgesamt betrachtet fand ich die Geschichte okay; sie hat einige Fehler, macht aber auch einiges originell und richtig.

Bewertung vom 30.03.2020
Alfie und der Clownfisch
Bell, Davina

Alfie und der Clownfisch


ausgezeichnet

Schüchternheit oder die Angst vor uns unbekannten Situationen ist längst kein Thema, das nur Kinder betrifft. Wir alle möchten uns sicher manchmal einfach die Decke über den Kopf ziehen und die Welt ausschließen, geborgen und sicher in unserem Kokon.
So geht es auch Alfie. Neue Situationen bereiten ihm solch eine Furcht, das er sie lieber meidet. Szenen vor dem Bevorstehenden ereilen ihn in seinen Träumen und er hat das Gefühl, eine unheimliche Last stemmen zu müssen. Bis er erkennt, dass es okay ist, Angst zu haben und man sich manchmal etwas trauen muss, um Dinge erleben zu können.

Was mir unglaublich an der Geschichte gefiel ist die Tatsache, dass die Autorin aus ihrem Jungen keinen strahlenden Ritter macht, der die Zähne zusammenbeißt und Wundertaten vollbringt. Alfie ist schüchtern und das ist absolut in Ordnung, er muss nicht erst zu einem Superhelden mutieren, nur um seine Entwicklung zu rechtfertigen. Die Autorin akzeptiert ihren Helden genau so wie er ist und lässt ihn von sich aus erkennen, dass es manchmal ein Fünkchen Mut braucht für das Leben. Und dass das schon heldenhaft genug ist.

Begleitet wird die Geschichte von Bildern, die schlichtweg bezaubernd sind. Die Illustratorin beschränkt sich auf eine kleine, aber sehr wirkungsvolle Farbpalette, die jedes Bild zum Leuchten bringt. Vorallem wenn wir uns in Alfies Träumen, seiner Fantasie und seiner Wahrnehmung auf bestimmte Dinge befinden, wird aus minimalistisch gehaltenen Bildern eine farbenprächtige und doch trotz spärlich eingesetzter Farben wahnsinnig bunte Kulisse. All das zusammen macht dieses Bilderbuch zu etwas absolut Besonderem. Das merkt man spätestens, wenn man das Buch in der Hand hält, denn die Details entfalten sich erst in echt so richtig.

Bewertung vom 01.03.2020
Dankbarkeiten
Vigan, Delphine

Dankbarkeiten


ausgezeichnet

Delphine de Vigan ist eine begnadete Autorin, das hat sie schon regelmäßig in der Vergangenheit bewiesen. In "Dankbarkeiten" zeigt sie erneut, dass es sich absolut lohnt, sie zu lesen!

"Sie heißt Michka. Eine alte Dame mit dem Habitus eines jungen Mädchens. Oder ein junges Mädchen, das versehentlich, durch ein böses Schicksal, alt geworden ist." (S. 13 - 14)

In ihrem Buch, das gerade einmal 176 Seiten umfasst und doch viel schwerer wiegt, geht es um eben jene Michka, die durch beginnenden Alzheimer gezwungen ist, ihren Lebensabend in einem Wohnheim zu verbringen und die Kontrolle über ihr Leben in die Hände Fremder zu legen.
Zwei, sowohl für die Geschichte, als auch für Michkas Leben wesentliche Charaktere sind ihre Ziehtochter, die sie regelmäßig besuchen kommt und der Logopäde, der sich sehr intensiv mit seiner Klientin auseinandersetzt.

In "Dankbarkeiten" geht es unter anderem um die Sprachlosigkeit, mit der wir früher oder später alle konfrontiert werden, ungesagte Wörter, ausgebliebene Worte, die den Adressat nie erreicht haben und unseren Körper vergiften. Aber die Autorin umreißt diese Thematik nicht plakativ, sie wirft nicht mit Lebensweisheiten um sich, sondern verpackt ihre Botschaft, von der ich denke, dass sie ihr sehr stark am Herzen liegt, in eine wunderbar charmante Geschichte. Sie nimmt ihre Figuren ernst, serviert uns aber auch die benötigte Prise Humor, um dem Ganzen die Schwere zu nehmen.
Vorallem die Dynamik zwischen Michka und dem Logopäden war eine ganz besondere, die die Geschichte auch in ganz besonderer Art und Weise vorantrieb.

Ich kann jedem, der sich mal in das noch überschaubare Werk der Autorin einlesen möchte, "Dankbarkeiten" sehr ans Herz legen. Kaum vorstellbar, dass man danach nicht das Bedürfnis verspürt, mehr von ihr zu lesen.

Bewertung vom 22.02.2020
Rote Kreuze
Filipenko, Sasha

Rote Kreuze


sehr gut

„Ich möchte Ihnen gerne eine unglaubliche Geschichte erzählen. Eigentlich keine Geschichte, sondern eine Biographie der Angst. Ich möchte Ihnen erzählen, wie das Grauen einen Menschen unvermittelt packt und sein ganzes Leben verändert.“ (S. 15)

Damit beginnt für den Protagonisten und uns Leser eine Reise zu eine der zahlreichen düsteren Episoden der sowjetischen Geschichte.

Die Ausgangssituation ist, dass Alex, unser alleinerziehender und verwitweter Protagonist, in ein neues Land und somit eine neue Wohnung zieht, in welcher er auf die an Alzheimer leidende Tatjana trifft und sich kurzerhand ihre Lebensgeschichte erzählen lässt.

Alex‘ Geschichte ist sehr kurz abgehandelt und im Grunde nicht wichtig für die eigentliche Geschichte, außer dass er ein anfangs eher unfreiwilliger Zuhörer ist und wir durch ihn Tatjanas Biographie erleben.
Tatjana, und das wird im Laufe immer klarer, ist eine sehr interessante Figur, die vorallem düstere Facetten eines ehemaligen Terrorregimes enthüllt, welches ohne dieses Wissen schon unvorstellbar grauenvoll war. Filipenko hält sich dabei nicht großartig mit Nebenhandlungen und unnötigen Beschreibungen auf, sondern kommt direkt zum Punkt. Der Stil ist sehr einfach gehalten und fordert den Leser nicht unbedingt heraus. Um ein Gefühl für die Schrecken jener Zeit zu transportieren, braucht er das aber auch nicht. Tatjanas Leben wird kurz und unverblümt abgehandelt, verliert aber keinesfalls an Intensität.

Die größte Grausamkeit ist dabei die Erkenntnis einer sowjetischen Bürgerin zur Zeit des Krieges, dass ihr Staat nichts für seine Leute übrig hat; sie im Gegenteil nur zu Kriegszwecken verheizt und zu einer hörigen Masse formt. Tatjana erlebt dies hautnah, als sie mitbekommt, dass sowjetische Kriegsgefangene in anderen Ländern als Deserteure verschrien werden; Spione, die sich dem Feind ergeben haben und nicht zu ihrem Land stehen. Gleiches gilt für die Angehörigen der in Kriegsgefangenschaft befindlichen Männer. Innerhalb des Buches wird klar, woher diese krude Vorstellung kommt: Ein linientreuer Sowjet würde sich laut Stalin eher selbst erschießen, als gefangen nehmen zu lassen.

„Stalins Experiment war geglückt – gefangen war der Mensch nicht länger in einem Anstaltsgebäude, sondern in seinem eigenen Schicksal.“ (S. 229)

Tatjana selber landet irgendwann im Arbeitslager, das Schicksal ihres Mannes ungewiss, ihre Tochter in einem sowjetischen Umerziehungsheim. Sie hat den festen Glauben, dass Gott sich vor ihr und ihren Erinnerungen fürchtet, weshalb er sie im Alter mit Alzheimer bestraft.

Alles in Allem kann ich das Buch durchaus empfehlen, es ist vielleicht nicht so literarisch wie viele andere Werke aus dem diogenes Verlag, aber es ist ein Mahnmal gegen das Vergessen und lässt Szenen und Geschehnisse aufleben, die im Gedächtnis bleiben.

Bewertung vom 05.11.2019
Die Ewigkeit in einem Glas
Kidd, Jess

Die Ewigkeit in einem Glas


ausgezeichnet

Jess Kidds Bücher sind mittlerweile für mich eine jährliche Tradition; jeden Herbst freue ich mich auf das neueste Buch. Eine schöne Tradition, die gerne so bleiben darf.
In ihrem aktuellen Buch „Die Ewigkeit in einem Glas“ befinden wir uns im viktorianischen England und begleiten unsere Protagonistin Bridie, die sich als Privatdetektivin verdingt und nach einem verschwundenen Mädchen forscht, das eine unheimliche Komponente haben soll.
Wie in bislang jedem ihrer Bücher, verleiht Kidd ihrer Protagonistin die Fähigkeit, die Toten (oder in diesem Fall einen Toten) zu sehen und mit ihnen zu interagieren. Was mich bei anderen Autoren eher abstößt und an Einfallslosigkeit denken lässt, ist hier ein liebgewonnenes Stilmittel, das sich in jedem Buch wiederholt, aber nicht an Charme verliert. In diesem Fall ist der tote Begleiter Ruby, der in einem Verhältnis zu unserer Protagonistin steht, das weder uns noch ihr zu Anfang klar ist. Aber hier zeichnet sich ganz klar eine der Stärken der Autorin ab; sie kann Figuren auf wunderbare Weise Leben einhauchen (oder in diesem Fall: so eine Art von Leben). Sowohl Haupt-, als auch Nebenfiguren würzen alle ihre Geschichten und machen sie zu einem bunten Potpourri aus Skurrilität und Individualität. Auch hier hat sich wieder eine klare Lieblingsfigur herauskristallisiert, die in einem engen Verhältnis zur Protagonistin steht.
Neben der Figurenzeichnung ist der Schreibstil (und die Übersetzung!) ein Genuss. All das zusammen genommen macht es für mich schon zu einem lesenswerten Buch und das war hier definitiv auch der Fall. Ich mochte das Setting, die Themen und die Figuren. Womit ich mich jedoch nicht so sehr anfreunden konnte, war eine fantastische Komponente, die in dieser Geschichte dazu kommt und die es mir erschwert hat, mich in ihr fallen zu lassen. Sowohl die Auflösung, als auch die Entwicklung der Handlung hatten es mit mir nicht ganz leicht. Ich denke jedoch, wäre es nicht Jess Kidd, die mich mitten in das neblig-graue viktorianische London geworfen und mit skurrilen Figuren bekannt gemacht hätte, hätte es das Buch noch wesentlich schwerer mit mir gehabt.

Bewertung vom 31.08.2019
Ein anderer Takt
Kelley, William Melvin

Ein anderer Takt


ausgezeichnet

William Melvin Kelley ist einer dieser Autoren, die erst nach dem Tod Bekanntheit erlangen – jedoch nicht annähernd in der Form, wie er es verdient hätte. Im Vorwort wird er in einem Satz mit James Baldwin und anderen großen Weltliteraten genannt, allerdings nur bezogen auf sein Schreibtalent, nicht auf seine Popularität.

„Ein anderer Takt“ gilt gemeinhin als sein bekanntestes Werk, was umso erstaunlicher ist, da es sich hier um ein Debüt handelt und zu einer Zeit erschien, in der die Rassentrennung immer noch ein großes Thema war (nicht, dass sie das nicht heute auch noch wäre).

In seinem Roman entwirft Kelley ein Szenario, das sich für mich absolut neu las. Aufgrund eines Ereignisses verlassen alle dunkelhäutigen Menschen den Süden und streifen ihre Ketten ab, angefangen in der Kleinstadt Sutton. Dabei fokussiert sich der Roman darauf, wie es zu dem Ereignis kam. Die Konsequenz daraus nimmt nur einen geringen Teil ein und wird zum Schluss kurz abgehandelt. Was schade war, für mich bietet dieses Szenario wahnsinnig viel Potential und ich hätte gern mehr darüber gelesen.

„Schweigend saßen sie da und dachten darüber nach, was das alles mit jedem Einzelnen von ihnen zu tun hatte und wie sich der nächste Tag, die nächste Woche, der nächste Monat vom vergangenen Tag, der vergangenen Woche, dem vergangenen Monat, von ihrem ganzen bisherigen Leben unterscheiden würde. Keiner war imstande, es zu Ende zu denken. Es war, als würde man versuchen, sich das Nichts vorzustellen, etwas zu erfassen, das noch nie jemand gedacht hatte. Keiner von ihnen verfügte über einen Bezugspunkt, an dem er das Konzept einer Welt ohne Neger hätte festmachen können.“ (S. 271)

Interessant hierbei ist, dass die Geschichte pro Kapitel aus einer anderen Perspektive geschrieben ist und wir so einen Rundumblick erhalten und zudem, dass jede Perspektive die eines weißen Protagonisten ist. Vor allem die Perspektivwechsel empfand ich als wahnsinnig gelungen und machten aus der eh schon spannenden Prämisse ein hervorragend durchdachtes und toll inszeniertes Buch.

Kelley denkt sich dabei erstklassig in seine Figuren hinein und verwebt deren Gedanken und Handlungen zu einem stimmigen großen Ganzen. Auch wenn wir hier in einer Zeit sind, in der die farbigen Menschen nicht mehr als Eigentum galten, so ist der Rassismus in den Köpfen doch allzu präsent, auch bei denen, die sich eigentlich auf der anderen Seite wähnen. Wenn die Tochter einer gut betuchten Familie davon spricht, welche Vorteile es bringt mit einer farbigen Frau befreundet zu sein, da diese bei Männern unbegehrt sind und keine Konkurrenz darstellen oder wie seltsam es ist, einen farbigen Menschen nach seiner Meinung zu fragen, dann hat mich das erst einmal wütend gemacht. Von einem anderen Protagonisten zu lesen, dessen Gedanken sind: „Es war seltsam, mit so vielen Negern in einem Wagen zu sitzen, auch wenn es meine Freunde waren.“ (S. 179) zeigt es, dass die Trennung in den Köpfen der Menschen allgegenwärtig ist. Zwar gibt es auch die Seite, die sich innerlich dagegen ausspricht, aber die Dinge trotzdem geschehen lässt.

Kelley hat hier ein Buch entworfen, über das ich noch gerne lange sinniere und das in seiner Form unvergleichlich ist. Ich kann nur hoffen, dass diesem Autor post mortem die Wertschätzung widerfährt, die er verdient hat. Ein grandioses Buch!

Bewertung vom 22.08.2019
Nichts bleibt so, wie es wird
Bechtolf, Sven-Eric

Nichts bleibt so, wie es wird


weniger gut

Erwartet hatte ich mir eine lockere Geschichte mit viel Witz, Charme und Charakteren, die man liebgewinnen muss. Eingebettet in die Welt des Theaters.
Leider bekam ich davon alles nur in kleinen Ansätzen, der Autor verliert sich in Erzählungen von Nebensächlichkeiten, die nicht zur Handlung beitragen und macht es daher mühselig, dem Geschehen zu folgen. Das Buch ist nicht sehr dick und dennoch dauert es gefühlt ewig, bis man zur Essenz der Geschichte vordringt.
Was das Theater Setting angeht, so kommt man allerdings voll auf seine Kosten. Dass der Autor weiß wovon er spricht ist ihm definitiv nicht abzustreiten und diese spürbare Passion war für dann doch ein kleiner Pluspunkt.

Alles in Allem fällt es mir allerdings schwer das Buch zu beurteilen, da ich während des Lesen oft abgeschweift bin und mich teilweise durch die Seiten gekämpft habe, ohne die Geschichte großartig auf mich wirken lassen zu können.
Es scheint aber einige Fans zu haben, deswegen ist das hier meine sehr subjektiv gefärbte und zugegebenermaßen nicht ausführlich begründete nicht-Empfehlung/macht euch ein eigenes Bild.

Bewertung vom 17.07.2019
Licht und Schatten
Drvenkar, Zoran

Licht und Schatten


ausgezeichnet

„Der Tod ist ein geduldiger Dieb, der auf den richtigen Moment wartet, um sich zu holen, was ihm nicht gehört.“ (S. 80)

Ich persönlich kenne Zoran Drvenkar nur von seinen Thrillern, die ich allesamt auf ihre Art und Weise geliebt habe, haben sie doch das Genre meiner Meinung nach revolutioniert. Als ich sah, dass etwas Neues von diesem begnadeten Autor erscheinen würde, merkte ich mir den Erscheinungstermin fest vor und beschloss, das Buch zu lesen. Auch wenn es, zugegebenermaßen, nicht mein bevorzugtes Genre ist. Milde gesprochen. Aber, um es mal vorweg zu nehmen, ich mochte das Buch. Es wird sich keinesfalls in meine Riga der Lieblingsbücher einreihen, aber ich weiß Drvenkars Ideenreichtum und seine wunderschöne Metaphorik sehr zu schätzen. Außerdem lässt es viel Spielraum für Interpretationen, auch das ist ein Punkt, der mir fast immer zusagt.

Aber wann wäre es trotz allem zu einem Lieblingsbuch geworden? Nun, ich glaube so etwas passiert, wenn ich das Buch zuschlage und wehmütig bin, dass ich die Welt verlassen muss. Wenn ich noch Tage danach an die Geschichte denke, wenn ich geliebte Charaktere nicht gehen lassen möchte oder einfach, wenn mir der Autor ganz viel Stoff zum Nachgrübeln gibt. Das alles war nicht der Fall, ich habe das Lesen durchaus genossen, das schon, aber nachhaltig berühren konnte mich die Geschichte leider nicht. Nichtsdestotrotz mochte ich Vida, ich mochte es mich mit ihr auf die Reise zu begegnen, ich mochte ihre Gefährten und ihre Familie. Ich mochte es innerlich Verknüpfungen zu erstellen und zu interpretieren. Nur eben auf eine sehr kurzweilige Art und Weise.

Daher finde ich das Buch empfehlenswert, vorallem wahrscheinlich für Leser von Fantasy, die passagenweise sehr schön mit der Sprache spielt. Aber ich denke, ich werde das nächste Mal doch eher zu einem Drvenkar Thriller greifen. Und das mit riesengroßem Vergnügen.

Bewertung vom 01.05.2019
Kaschmirgefühl
Aichner, Bernhard

Kaschmirgefühl


gut

"Kaschmirgefühl" von Bernhard Aichner sprach mich an, weil sich mir sofort die Parallelen zu einem ähnlichen Buch eines ebenfalls österreichischen Autoren aufdrängten. Und das lässt sich auch nicht verübeln, gehört eben jenes Buch doch zu meinen Lieblingsbüchern.
Außerdem mag ich Herrn Aichner, seine Thriller gehören mit zu meinen liebsten, daher wusste ich schon von seinem besonderen Schreibstil und seiner Fähigkeit, besonders dichte Atmosphären zu erschaffen.

Das Prinzip ist ganz leicht: Zwei Menschen lernen sich über ein Medium kennen, ohne einander zu sehen und verlieben sich ineinander. In diesem Fall durch eine Sexhotline und sehr eigene Gespräche.
Diese Gespräche ließen auch den teils sehr charmanten, teils gewöhnungsbedürftigen Humor des Autors durchblicken.
Mochte ich mal mehr, mal weniger.

Was mir aber fehlte (und da muss ich leider unweigerlich die Parallelen zu anfangs genannten anderem Buch ziehen...) ist die Anziehung, die die beiden Figuren miteinander verbindet.
Zugegeben gibt es dafür, dass die Figuren mehr spüren, als der Leser zunächst ahnt, eine plausible Erklärung, aber das reichte mir nicht. Ich hatte mich darauf gefreut, mich mit den Figuren zu verlieben und dieses Knistern zu spüren; das Bedauern, wenn der andere auflegt und die Freude, wenn er sich wieder meldet. All das konnte ich leider in groben Ansätzen finden, mehr aber nicht.

Für mich war es dann letztendlich eine nette Nachmittagsunterhaltung, aber nicht der große Wurf, auf den ich mich gefreut hatte.