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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Andy
Wohnort: 
Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 04.03.2024
Wer ist schon normal? / Willkommen bei den Grauses Bd.1
Bohlmann, Sabine

Wer ist schon normal? / Willkommen bei den Grauses Bd.1


ausgezeichnet

Ich habe meiner Tochter das Buch bestellt, weil sie von Sabine Bohlmann auch schon andere Bücher gelesen und gemocht hat. Auch dieses Buch hat ihr wieder gut gefallen. Dies liegt daran, dass es sehr lustig und spannend war.
Im Buch geht es um Familie Grause, die keine Familie im eigentlichen Sinne ist. Es handelt sich derweil um eine verrückte Mischung unterschiedlicher Charaktere, die alle besondere Eigenarten haben. Ohne zu viel zu verraten: diese Eigenarten führen zu lustigen Situationen. Dazu muss sich die Gemeinschaft der Grauses beweisen und sie müssen zusammen halten, obwohl sie sehr unterschiedlich sind. Dabei fiebert die Leserin mit, ob die Grauses es denn gemeinsam schaffen oder nicht. Alle Charaktere waren für meine Tochter interessant, wobei gerade auch hervorzuheben ist, dass ihr die Geister ein Lächeln auf die Lippen gezaubert haben, als sie daran dachte, dass diese die Luft anhalten müssen. Auch hervorzuheben ist eine Szene, in der diese besonderen Charaktere, die man auch als Monster bezeichnen könnte, sich gegenüber einem normalen Menschen erklären mussten. Meine Tochter lacht immer noch, wenn sie beschreibt, wie dieser Mensch schreiend wegrannte.
Nachdem es anfänglich gedauert hat, bis die Action losging, war es nachher ein Lesevergnügen, das leider zu schnell wieder zu Ende war.

Bewertung vom 22.02.2024
ruh
Dost, Sehnaz

ruh


gut

In der Ruhe liegt keine Kraft

ruh ist ein komplexer Roman. Er handelt in der Hauptsache von Cemal und seiner Geschichte, aber in der Nebensache viel von Cemals familiären Verflechtungen und Freunden. Es geht um die Suche nach Identität, auch zwischen Orten und Kulturen, aber vor allem aus einer sehr persönlichen, verzweifelten Perspektive heraus. Es geht dabei auch um Einsamkeit und verstanden werden. Oder eben nicht verstanden werden.
ruh bietet dabei tiefe Einblicke, wie sich familiäre Traumata über Generationen fortsetzen und auch einen interessanten Blickwinkel darauf, wie man diesen entfliehen und sich selbst vielleicht finden kann. Dabei vereinfacht der Roman nicht, sondern fordert den Leser auf, die Komplexität selbst zu entwirren.
Mich hat in dem Buch die Komplexität erschlagen. Ich habe bis zum Ende den Überblick nicht gefunden und war verwirrt, auch auf Grund vieler unterschiedlicher Punkte. Einerseits springt das Buch in den Zeitebenen. Andererseits fließen die Perspektiven vieler Personen ein. Dazu kommt eine mystische / religiöse Ebene, über die ich noch ein wenig grübeln werde. Geholfen hat sie mir ad hoc nicht.
Und so fehlt diesem hoffnungsvollen Roman-Debüt eine Prise Auflösung zumindest aus meiner Sicht. Es kann auch sein, dass ich das Buch nicht oder nur teilweise verstanden habe, was an mir liegen mag. Mich hat es schlussendlich nicht vollends überzeugt.

Bewertung vom 09.02.2024
Weiße Wolken
Seck, Yandé

Weiße Wolken


ausgezeichnet

Die Farben des Covers sind wunderschön, die Geschichte spielt in Frankfurt und ist aktueller denn je. Ich mag Familiengeschichten und war zumindest positiv gestimmt, dass mir Yandé Secks Debüt gefallen würde. Diese Hoffnungen wurden nicht nur erfüllt, ich wurde sogar äußerst positiv überrascht und habe mit dem Buch einen Schatz gefunden. Yandé Seck erzählt die Familiengeschichte rund um Dieo, Simon, Zazie und ihr Rudel drumherum auf eine Art und Weise, die mich tief berührt hat. Einerseits behandelt sie die großen Themen, u.a. Kinderwunsch, Beziehungen mit Eltern und Freunden und Trauer. Andererseits sind ihre Charaktere menschlich so greifbar. Mir kommt direkt ein Moment in den Sinn, in dem Simon im Buch einfällt, an was seine Frau gedacht hätte, er aber in diesem Moment nicht. Vielen von uns ist vielleicht gar nicht bewusst, wie viele unterschiedliche Aspekte unsere Persönlichkeiten haben. Seck schafft es wunderbar, diese Persönlichkeitsaspekte bei ihren Charakteren herauszuarbeiten, sie nahbar zu machen und dem Leser damit einen Spielplatz zur Reflektion auf die eigene Persönlichkeit zu eröffnen. Ein wunderschönes literarisches Werk, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 05.02.2024
Im Spiegel des Kosmos
Tyson, Neil deGrasse

Im Spiegel des Kosmos


gut

Perspektiven auf einen Kontinent

Neil deGrasse Tysons Buch nennt sich zwar „Im Spiegel des Kosmos“ und fügt im Untertitel sogar dazu „Perspektiven auf die Menschheit“, derweil Titel und das schöne, glitzernde Cover nicht passen. Derweil in diesem Buch interessante Informationen und Perspektiven enthalten sind, sind es meist keine Perspektiven auf die Menschheit sondern auf die nordamerikanische Gesellschaft. Es geht um amerikanische Jury-Bestellungen und den Rassismus der amerikanischen Gesellschaft als auch die Historie der Sklaverei. Die Perspektiven auf die amerikanische Gesellschaften – so gut ausgeführt sie auch sind – überlagen die globalen Themen. Was dieses Buch dazu eher mittelmäßig erscheinen lässt: die Thesen und Perspektiven sind nicht besonders originell. So bleibt dieses Buch bei mir nicht lange im Gedächtnis und wird eines von vielen Sachbüchern sein, aus dem ich trotzdem das ein oder andere Nugget mitnehmen konnte.

Bewertung vom 27.01.2024
Wellness
Hill, Nathan

Wellness


ausgezeichnet

Erkenntnisse über tiefe Einblicke
„Wellness“ ist ein umfassendes Buch, ein großer Roman im besten Sinne. Jacks und Elizabeths Leben liegen am Ende vor dem Leser, der alle möglichen Eindrücke bekommen hat und selbst von diesen beeindruckt ist. Nathan Hill liefert mit „Wellness“ ein Werk ab, dass aus vielen unterschiedlichen Perspektiven auf die Leben seiner Protagonisten blickt und auf diesem Wege den Leser mit auf die Reise der Protagonisten nimmt. Und diese Reise ist spannend. Wie Zwiebelscheiben entblättern sich die Leben vor einem und enthüllen immer wieder eine neue Schicht. Und wie bei einer Blume, die sich langsam öffnet, ist das Farbenspiel der Eindrücke, welches sich vor einem eröffnet, bunt und eindrucksvoll. Ich bin immer noch geflasht. Es ist Januar und ich zweifle, ob ich im weiteren Jahresverlauf ein weiteres Buch finde, dass mich so beindrucken, berühren und erstmal konsterniert zurücklassen wird. Alles in allem eine überaus lohnens- und empfehlenswerte Lektüre.

Bewertung vom 01.01.2024
Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?
Raether, Till

Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?


gut

Handeln für Hoffnung

Till Raethers Gefühlslage springt mich direkt an. Ich kann sie einfach so gut nachvollziehen. Und so lese ich seine Gedanken interessiert und nicke ganz viel. Dennoch springt das Buch zu kurz. Ja, es ist wohl formuliert, mit interessanten Geschichten angereichert und Raethers Einblicke in sein Leben lassen eine Verbindung entstehen. Am Ende wird allerdings eine entscheidende Frage nicht beantwortet: Was tun? Raether macht klar, dass jede(r) von uns individuell trotz der Aussichtslosigkeit der Situation handeln sollte. Und handeln führt zu Hoffnung. Aber wie? Was sind die besten Möglichkeiten etwas zu tun? Ich hätte mir dann in einem zweiten Buchteil etwas in der Art von Ilja Trojanows „Meine Olympiade“ gewünscht. Raether hätte unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten testen und beurteilen können. So bleibt das Buch die Antwort auf die wichtigste aller Fragen leider schuldig und erfüllt meine persönlichen Erwartungen nur zum Teil. Schade.

Bewertung vom 15.11.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Viel mehr als nur ein Frauenroman

Ich lese normalerweise keine klassisch historischen Romane. Geraldine Brooks hat mit „Das Pesttuch“ einen solchen geschrieben und dieser hatte sich gut verkauft. Nun erscheint auch „Horse“ in der sehr gelungenen deutschen Übersetzung „Das Gemälde“ von Judith Schwaab in Deutschland und wird vom herausgebenden Verlag v.a. als Frauenroman. Evtl. ist das notwendig, damit das Buch überhaupt sein Publikum hierzulande findet. Treffend finde ich das zumindest nicht. Warum der Titel im Sinn geändert wurde, erschließt sich mir nicht. Das Cover ist unscheinbar und langweilig und hätte mich normalerweise wohl nicht angesprochen. In diesem Falle hatte mich die Leseprobe davon überzeugt, das Buch lesen zu wollen. Warum? Die Charaktere waren dort schon so ausgearbeitet, dass man ihnen weiter folgen wollte. Dazu spielt das Buch im 19., 20. und 21. Jahrhundert und nicht in einer historisch weiter zurückliegenden Epoche. Mit Colson Whiteheads Underground Railroad hatte ich vor einiger Zeit einen Titel gelesen, der ähnliche Themen adressiert. Das Buch damals hatte mir schon gut gefallen, aber Geraldine Brooks‘ „Das Gemälde“ sprach mich noch mehr an.
Dies liegt einerseits am Erzähltempo, welches ich für ideal halte. Es trägt den Roman über die 560 Seiten und verknüpft die Handlungsstränge geschickt. Andererseits sind die Charaktere außergewöhnlich. Man kann sich mit Ihnen identifizieren und wartet meist gespannt, wie es weiter geht mit Jarret, Theo, Jess und Co. Dazu bearbeitet das Buch geschickt eine Vielzahl von Themen über Alltagsrassismus in Amerika, bis zum Bürgerkrieg hin zur Geschichte des Kunsthandels und der Rolle von weiblichen Kunsthändlern. Diese vielen positiven Bausteine werden um den Kern der Geschichte herumgewebt. Und dieser Kern heißt Lexington und ist das berühmteste Rennpferd der Geschichte. Man muss sich nicht für Pferderennsport interessieren, aber Lexington nimmt einen in Beschlag und fand seinen Weg in mein Herz. Hach, habe ich dieses Buch gerne gelesen. Volle Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 11.11.2023
All dies könnte anders sein
Thankam Mathews, Sarah

All dies könnte anders sein


ausgezeichnet

Wenn man das Cover von „All dies könnte anders sein“ von Sarah Thankam Matthews betrachtet, dann sieht man viele Farben, die wieder in unterschiedliche Nuancen der Grundfarbe unterteilt werden. Damit beschreibt das Cover das Buch besser, als man es je hätte vermuten können. Der Roman „All dies könnte anders sein“ beschäftigt sich nicht nur mit einem wichtigen Thema. Er befasst sich mit einer großen Anzahl an Themen und Nuancen, seien es Heimat, Identität, mentale Gesundheit, Queerness, Immigration, Freundschaft und Einsamkeit. Einerseits tut der Roman das mit einer gewissen Leichtigkeit, andererseits werden auch die Untiefen, die das Leben so mit sich bringt, ungeschönt beschrieben. Insgesamt ist Sarah Thankam Matthes auf diesem Wege ein Werk gelungen, welches zumindest für mich einen Ankerpunkt setzt. Es bietet genau das, was ich von gelungenen Romanen erwarte: ich verstehe Themen durch die dargestellte Perspektive besser und gewinne neue Erkenntnisse. An einigen Stellen habe ich mich selbst sehr wiedergefunden und die Autorin hat für mich gesprochen. Dabei sind die Charaktere um Sneha, Marina, Antigone und Thomm rund ausgearbeitet und die Geschichte entfaltet einen Sog. Ich hätte nie gedacht, dass ich neben den tiefgründigen Einblicken eine solche Freude bei der Lektüre des Buchs empfinden würde. Überraschend, aber eines der besten Bücher meines Lesejahres. Volle Empfehlung!

Bewertung vom 16.09.2023
Landgang
Zervakis, Linda

Landgang


weniger gut

Linda Zervakis' Landgang klang wie spannende Lektüre. Wir sind auch Städter und das Leben auf dem Land wirkt immer wieder wie eine attraktive Alternative. Zervakis hatte das Abenteuer ausprobiert, war letztendlich aber wieder zurück in die Stadt gezogen. Aus ihren Berichten zu dem Experiment musste man doch etwas mitnehmen können. Oder eben auch nicht. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Anekdoten, die mich nicht berührt haben. Dazu vermittelt das Buch für mich auch keine Learnings. Zervakis vermittelt nicht, was sie nun aus dem Landleben mitgenommen hat. Welche Routinen sich geändert haben. wie es ihr danach geht. Es ist ein bisschen schade, denn man wird das Gefühl nicht los, dass da viel Potential gewesen wäre. Und ich hätte anstatt des Buchs ein anderes Lesen können. Denn während der Lektüre blieb stellenweise mangels fehlendem emotionalem Zugang und fehlender Informationsvermittlung schlicht Langeweile. Zwei positive Punkte bleiben: das Buch war nicht allzu lang und Zervakis wird nicht erneut über das Landleben schreiben, denn sie ist ja zurück in der Stadt. Auf zu neuen Ufern.

Bewertung vom 13.09.2023
Tasmanien
Giordano, Paolo

Tasmanien


ausgezeichnet

Erstmal ist Paolo Giordanos „Tasmanien“ ein schönes Buch. Das Coverbild vermittelt einen verträumten Eindruck und hat mir von Anfang an gut gefallen. Und es sind Wolken abgebildet. Wolken spielen in Giordanos Buch eine große Rolle. Schon alleine das Cover zieht einen in seinen Bann.

Was ich dabei nicht gedacht hätte: das ich mit diesem Buch, in dem es auch viel um Wolken, Bomben und den Klimawandel geht, so sehr resonieren würde. Dabei ist es vielleicht die Perspektive des Autors, die sich in dem Buch wiederfindet, die mich so sehr anspricht. Ich kann mich mit der Geschichte und Lebenssituation von Paolo sehr identifizieren. Nicht, dass mein Leben ähnlich verlaufen wäre. Überhaupt nicht. Dennoch kann ich die Probleme und Herausforderungen in seinem Leben und die Begegnungen mit Freunden und Familie sehr gut nachvollziehen. Wie er auch den momentanen Zeitgeist meisterlich abbildet. Als Folge hat mich dieses Buch auf seine Art hypnotisiert. Ich habe Paolos Leben gerne verfolgt, ohne dass die Geschichte mitreißend gewesen wäre. Aber sein Leben hat mich auf vielen Ebenen sehr berührt und ich wollte immer wissen, wie es weitergeht, bis die Geschichte von Paolo zu einem gelungenen Abschluss findet.

Insgesamt war das Buch so für mich eines der besten Lese-Erlebnisse dieses Jahres und ich empfehle es gerne und mit vollem Herzen weiter.