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Buchkomet

Bewertungen

Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2025
IMITATHYOS
Zimmermann, Matthias A. K.

IMITATHYOS


ausgezeichnet

IMITATHYOS: Das unendliche Alphabet von Matthias A. K. Zimmermann ist kein Roman wie jeder andere. Hier geht es nicht nur um eine Geschichte, sondern um ein Konzept – um eine Welt, in der Buchstaben nicht mehr harmlos sind, sondern Realität formen, beeinflussen und gefährden. Eine junge Schriftstellerin landet auf einer künstlich geschaffenen Luxusinsel, doch was wie ein stylisches Zukunftsresort beginnt, wird schnell zum sprachphilosophischen Albtraum. Die Sprache selbst beginnt zu kippen, wird unberechenbar – und genau das ist der Reiz dieses Buches.

Zimmermann mixt Utopie, Technik, Mythologie und Identitätsfragen zu einem Text, der sich traut, anders zu sein. Keine literarischen Konventionen, keine sicheren Pfade – dafür Ideenreichtum, Tiefgang und eine klare Haltung. Wer Popkultur kennt, erkennt Anklänge an Matrix, Westworld oder Borges, aber das Buch steht absolut für sich.

Fazit: Es fordert volle Aufmerksamkeit, aber schenkt im Gegenzug eine Erfahrung, die bleibt. Für alle, die Bücher lieben, die etwas Frisches lesen möchten – das hier ist einer dieser seltenen Volltreffer.

10/10

Bewertung vom 17.05.2025
Frankfurt Beats
Baier, Oliver

Frankfurt Beats


ausgezeichnet

Frankfurt Beats von Oliver Baier ist kein klassischer Thriller – es ist ein düsteres, verdammt atmosphärisches Debüt, das mehr über die Gegenwart erzählt, als viele lautere Bücher es je könnten. Und das schon mit der ersten Seite.

Im Zentrum steht Milan: jung, verloren, drogenvernebelt, zerrissen – auf der Flucht vor sich selbst und dem Tod seines Zwillingsbruders. Statt Trauerbewältigung gibt’s Absturz in Frankfurts Clubnächte. Aber Baier macht aus ihm keine Figur zum Mitleiden, sondern eine, bei der man mitgeht, obwohl man nicht immer mit ihr mitfühlt. Und das ist genau richtig so. Frankfurt ist dabei nicht Kulisse, sondern Mitspieler. Zwischen Bankentürmen und Bahnhofsviertel, zwischen Glanz und Dreck pulsiert ein Beat, der mehr ist als Soundtrack: Er ist Taktgeber für Milans Verdrängung, Halt in der Haltlosigkeit – und irgendwann: Risiko.

Was Baier kann: Figuren schreiben, die nicht sauber einzuordnen sind. Martina, die Auftragskillerin mit Reue. Eine Rechtsradikale, die ausgerechnet von denen Hilfe braucht, die sie hasst. Und Milan, der mal egoistisch, mal zärtlich, mal völlig neben sich steht. Kein Schwarzweiß, sondern durch und durch grau. Und das tut weh – aber auf die gute Art. Der Thrillerplot läuft mit, klar. Aber die Spannung kommt nicht aus dem „Whodunit“, sondern aus der Frage: Wie weit kann ein Mensch zerbrechen, bevor nichts mehr übrig bleibt? Und was passiert, wenn plötzlich doch noch jemand die Hand reicht?

Baier schreibt klar, direkt, mit genau dem richtigen Maß an Poesie. Kein Stil-Gehampel, kein Pathos – aber immer wieder Sätze, die sitzen. Und der Rhythmus: wie ein DJ-Set. Mal laut, mal leise, aber nie beliebig. Frankfurt Beats ist kein Buch, das gefallen will. Es konfrontiert. Mit Schmerz, mit Rausch, mit Schuld. Aber es erzählt auch von Sehnsucht, von Überleben, von Veränderung. Für ein Debüt? Unfassbar souverän.

Fazit: Wer Thriller will, bekommt Spannung. Wer mehr will, bekommt alles. Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, wie sich deutsche Gegenwartsliteratur anfühlen kann, wenn sie was zu sagen hat.

10/10 - Jahreshighlight

Bewertung vom 07.05.2025
DoHa - Galaktische Geschäfte
Harlandt, Erik

DoHa - Galaktische Geschäfte


ausgezeichnet

DoHa – Galaktische Geschäfte von Erik Harlandt ist Science-Fiction, die klug unterhält, gesellschaftlich zielt und dabei nie schwerfällig wird.

Im Zentrum steht Phil, ein Menschenduplikat, das sich in einer Galaxis wiederfindet, in der Arbeitskraft als wertvolle Ressource behandelt wird. Statt heldenhafter Erweckung erlebt Phil, wie er zum Spielball eines Systems wird, das Freiheit und Würde dem Profit opfert. Harlandt erzählt diese Zukunft mit scharfem Humor und einer Leichtigkeit, die an Douglas Adams erinnert – aber ohne dessen anarchische Überdrehtheit.

Die Welt der „DoHa Corporation“ ist erschreckend realistisch: Müllentsorgung per Wurmloch, Menschen als verwaltbare Ware, Konzerne ohne Skrupel. Doch Harlandt bleibt nicht bei der Karikatur stehen – er entwickelt aus dieser bitteren Grundidee eine Geschichte, die von echtem Widerstand, Freundschaft und Identität handelt. Besonders stark: die Beziehung zwischen Phil und seiner KI, die an Tiefe gewinnt, je härter das System zuschlägt.

Harlandt verbindet Witz und Ernst mühelos. Seine Dialoge sind schnell, seine Pointen sitzen, doch darunter lauern ernste Fragen: Was ist ein Leben wert? Wer beherrscht wen? Wie viel Individualität bleibt, wenn Effizienz regiert?

Fazit: DoHa ist mehr als ein smarter Sci-Fi-Trip. Es ist eine scharfe Satire auf unsere Gegenwart – und ein Roman, der in Erinnerung bleibt, weil er zeigt, dass auch in einer durchkommerzialisierten Zukunft der Kampf um Freiheit nicht aufhört.

10/10 - „DoHa — Galaktische Geschäfte“ ist ein klug erzählter, humorvoller und gesellschaftskritischer Science-Fiction-Roman, der in seinen besten Momenten an „Per Anhalter durch die Galaxis" erinnert.

Bewertung vom 02.05.2025
Permafrost-Dämmerung
Blaustedt, Tove

Permafrost-Dämmerung


ausgezeichnet

Permafrost-Dämmerung von Tove Blaustedt ist kein romantisierter Abenteuerroman. Es ist eine stille, eindringliche Geschichte über Kälte, Einsamkeit – und darüber, wie sich trotzdem neue Nähe und Hoffnung entfalten können.

Im Zentrum steht Leo, ein gescheiterter Physikstudent, der statt eines sonnigen Kalifornien-Aufenthalts im arktischen Spitzbergen strandet. Longyearbyen, eine Siedlung zwischen Eis, Dunkelheit und langsamem Verfall, wird zum Schauplatz seines persönlichen Neuanfangs. Was zunächst wie Strafe wirkt, wird zum Raum für Veränderung.

Blaustedt schildert die Arktis ohne Kitsch. Kein Ort der Sehnsucht, sondern ein raues, ehrliches Setting. Die Einsamkeit, die klirrende Luft, das Monotone der Dämmerung werden spürbar. Und doch entsteht gerade aus dieser Härte heraus eine leise Form von Geborgenheit – besonders in der vorsichtigen Liebesgeschichte zwischen Leo und dem Tourguide Tom. Blaustedt erzählt diese Annäherung mit einer wohltuenden Langsamkeit, die sich absetzt vom üblichen Erzähltempo vieler Romane: kein falsches Drama, keine plötzlichen Geständnisse, sondern kleine, glaubwürdige Schritte.

Auch die großen Themen klingen mit: Klimawandel, das Schmelzen des Permafrosts, die Bedrohung durch freigesetzte Gefahren, die schon immer unter der Oberfläche lagen. Blaustedt bindet diese Bedrohung klug in den Hintergrund ein – präsent, aber nie aufdringlich.

Stilistisch bleibt sie klar, unprätentiös, nah an ihren Figuren. Nur an wenigen Stellen gerät der Text etwas zu weitschweifig – kleine Längen in einem ansonsten beeindruckend balancierten Roman.

Fazit: Permafrost-Dämmerung ist eine Einladung, sich auf unbekanntes Terrain zu wagen – geographisch wie emotional. Ein stilles Buch über Verlust, Neuanfang und darüber, wie Widerstandskraft manchmal im leisesten Moment entsteht.

9/10 - Ein stiller, kraftvoller Roman, der zeigt, dass auch in der kältesten Einsamkeit Liebe und Hoffnung überleben können.

Bewertung vom 29.04.2025
Phoenixwalzer
da Silva, Elyseo

Phoenixwalzer


ausgezeichnet

Phoenixwalzer von Elyseo da Silva ist ein leiser, eindringlicher Roman über zwei Männer, die darum kämpfen, in einer zerrissenen Welt bei sich selbst anzukommen.

Luk und Galiano tragen Narben, die tiefer reichen als die Zeit, in der sie leben. Luk kämpft mit den Geistern seiner Kindheit, mit Gewalt, Scham und der Sehnsucht nach einem Leben, das ihm niemand mehr vorschreibt. Galiano versinkt in Dunkelheit, kämpft gegen Depression, gegen die eigene Unsichtbarkeit – und beginnt langsam, in der noch zaghaften Schwulenszene Kölns neue Räume für sich zu finden. Räume voller Unsicherheit, voller Angst, aber auch voller Möglichkeiten.

Phoenixwalzer erzählt nicht von schnellen Heilungen. Da Silva hat keine Angst vor Schmerz, vor Rückschlägen, vor Momenten, in denen nichts besser wird, nur anders. Gerade dadurch berührt der Roman tief. Er nimmt seine Figuren ernst – in ihrer Verletzlichkeit, in ihrem Stolz, in ihrer Wut.

Hinter allem liegt eine Atmosphäre aus Bedrohung und Hoffnung zugleich. RAF-Terror, Anti-Atomkraftbewegung, die Angst vor einem dritten Weltkrieg – sie drücken auf das Leben der Menschen, doch sie definieren es nicht vollständig. Wichtiger sind die kleinen, intimen Revolutionen: der erste Kuss an einem unsicheren Ort, das erste Aufbäumen gegen die eigene Angst.

Besonders stark sind die Szenen, in denen da Silva die beginnende HIV-Stigmatisierung schildert – subtil, schmerzhaft genau. Ohne Anklage, aber mit einer Dringlichkeit, die noch lange nach dem Lesen bleibt.

Fazit: Phoenixwalzer ist kein Liebesroman im klassischen Sinn. Es ist ein Roman über das Überleben, über die Suche nach Würde, nach Nähe, nach einer Zukunft, die trotz allem möglich bleibt. Über Menschen, die lernen müssen, dass Glück keine Belohnung ist, sondern etwas, das immer wieder neu errungen werden muss.

9/10 - Elyseo da Silva hat ein Buch geschrieben, das bleibt. Weil es ehrlich ist. Weil es weh tut. Und weil es genau deshalb Hoffnung macht.

Bewertung vom 20.04.2025
Mein fettes Glück
Hauptmanns, Melanie

Mein fettes Glück


ausgezeichnet

Mein fettes Glück von Melanie Hauptmanns ist kein klassischer Wohlfühlroman – auch wenn man sich beim Lesen streckenweise bestens unterhalten fühlt. Es ist ein Buch über Selbstachtung, körperliche Autonomie und die Kraft, sich von den Erwartungen anderer zu lösen.

Die Geschichte beginnt mit einem Schlag ins Gesicht: Maras Freund setzt sie in einem Kloster ab – zur Fastenkur. Sein Deal: „Nimm ab oder ich bin weg.“ Was wie ein schlechter Witz klingt, ist der Startschuss für Maras Bruch mit einem Leben, das sie lange zu klein gemacht hat. Sie bricht aus. Aus dem Kloster. Aus der Beziehung. Aus den Erwartungen.

Was folgt, ist keine heilige Transformation zur neuen, besseren Version von sich selbst. Sondern ein realistischer, oft sehr komischer Weg zurück zu Selbstrespekt, Freundschaft, Job, Lust – und vielleicht auch Liebe, aber diesmal zu anderen Bedingungen.

Hauptmanns erzählt mit Witz, aber nie seicht. Das Buch ist klar positioniert: gegen Fatshaming, gegen toxische Beziehungen, gegen die Annahme, dass Frauen sich optimieren müssen, um liebenswert zu sein. Statt Moralkeule gibt’s messerscharfe Dialoge, überspitzte (aber treffende) Szenen und viele starke Frauenfiguren, die sich nicht gegenseitig ausspielen, sondern stützen.

Manche Szenen sind drüber, ja. Aber der Ton stimmt. Die Botschaft sowieso.

Fazit: Mein fettes Glück ist ein Roman für alle, die genug haben von Diätplots, von Makeover-Narrativen, von „Wenn du dich nur genug anstrengst“-Erzählungen. Und für alle, die wissen: Selbstwert misst sich nicht in Kilos – sondern in der Entscheidung, sich selbst ernst zu nehmen.

9/10 - Für alle, die auf der Suche nach Witz und ganz viel Frauenpower sind, ist „Mein fettes Glück“ die perfekte Wahl.

Bewertung vom 18.04.2025
Let's Talk about Moving to Mallorca (eBook, ePUB)
Kassner, Stefan S.

Let's Talk about Moving to Mallorca (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Let’s Talk about Moving to Mallorca von Stefan S. Kassner ist kein Auswanderer-Guide und schon gar kein Ratgeber. Es ist ein Buch über das echte Leben hinter der Urlaubspostkarte – chaotisch, schräg, ehrlich, und oft so komisch, dass man laut auflachen muss.

Kassner, Ex-Arzt mit Sinn für Pointen, verlässt Mannheim, nimmt seinen Hund Goliath mit und landet auf Mallorca – irgendwo zwischen Tapas, Thai-Massage und totaler Überforderung. Was folgt, ist kein geradliniger Bericht, sondern ein Sammelsurium aus absurden Begegnungen, Alltagspannen und Mini-Desastern: Nachbarinnen mit Blockflöten als Waffe, ein Ameisenkrieg mit strategischer Kriegsführung, Mietwagen mit Überraschungspotenzial und Chatverläufe, die direkt aus der Grindrhölle stammen könnten.

Das Buch lebt von diesen Momenten. Kein Spannungsbogen, keine große Entwicklung – braucht es auch nicht. Kassner beobachtet messerscharf, aber liebevoll. Und wenn er über seine skurrilsten Erlebnisse schreibt, klingt es nie bemüht – eher so, als säße man mit ihm in einer Bar, ein Glas Wein dazwischen, und er erzählt einfach los. Ohne Pose, ohne „Seht her, wie mutig ich bin“. Nur mit Humor, Selbstironie und viel Gespür für Timing.

Natürlich gibt’s auch ernste Untertöne. Auswandern ist oft weniger Befreiung als ständiger Balanceakt. Kassner macht daraus kein Drama, sondern eine ehrliche Erzählung mit Schlaglöchern. Und das Beste: Er nimmt sich selbst nie zu ernst. Wenn seine Nachbarin nach reichlich Kritik ein „Ich mein ja nur …“ hinterherschiebt, versteht man ziemlich schnell, warum dieses Buch funktioniert. Weil es genau da hinzielt, wo Leben passiert: zwischen peinlich, absurd und wunderbar normal.

Fazit: Wer keine Lust mehr auf perfekte Lebensentwürfe hat, sondern auf echte Geschichten mit schrägem Humor steht – lesen. Es ist zu kurz, aber dafür ziemlich auf den Punkt. Ich mein ja nur. ;)

9/10 - Kaufen, lesen, lachen – und sich daran erinnern, dass ein „Ich mein ja nur…“ am Ende fast alles relativiert. Fast.

Bewertung vom 16.04.2025
Der Mahr und die Mär
Remiszewski, Björn

Der Mahr und die Mär


sehr gut

Der Mahr und die Mär von Björn Remiszewski ist kein klassischer Fantasy-Roman – und genau das macht ihn interessant. Kein episches Weltenbasteln, keine Heldenreise im Blockbuster-Tempo. Stattdessen: leise Töne, psychologische Tiefe und ein märchenhafter Unterton, der lange nachwirkt.

Im Mittelpunkt stehen zwei Jugendliche: Theodor und Malte. Als Malte seinen Freund mitten in der Nacht mitnimmt in eine fremde Welt, beginnt eine Reise, die weniger von Action als von innerem Wandel lebt. Die fremde Welt wirkt nicht überladen, sondern bewusst zurückgenommen – melancholisch, brüchig, manchmal bedrohlich. Das Böse hier ist nicht greifbar, sondern etwas, das sich langsam offenbart – in Albträumen, Ängsten, Erinnerungen.

Remiszewski nutzt das Fantastische als Spiegel. Die Reise ist eine Auseinandersetzung mit verdrängten Gefühlen, eine Prüfung von Freundschaft und Vertrauen. Besonders stark ist die Sprache: ruhig, präzise, atmosphärisch dicht. Kein Fantasy-Klischee, sondern eigene Töne.

Schwachpunkt: Der Einstieg ist sehr langsam. Das erste Drittel nimmt sich viel Raum für Stimmung und innere Prozesse – was literarisch funktioniert, aber Leser:innen mit weniger Geduld verlieren könnte. Wer dranbleibt, wird mit Tiefe belohnt.

Was das Buch trägt, ist sein Vertrauen in die Kraft von Andeutungen. Die Struktur erinnert an Märchen, ohne sie zu kopieren: Prüfungen, der Wald, das Unheimliche. Vieles bleibt offen, aber genau das macht es spannend. Kein „großes“ Fantasy-Abenteuer – eher eine stille Auseinandersetzung mit Angst, Verlust und Veränderung.

Fazit: Für Leser:innen, die auf Atmosphäre statt Spektakel setzen, auf Sprache statt Tempo. Und für alle, die sich vom Märchenhaften nicht blenden lassen, sondern darin etwas Zeitloses sehen.

8/10 - „Der Mahr und die Mär“ ist ein starkes Debüt mit eigener Stimme. Sprachlich eindrucksvoll, inhaltlich mutig, wenn auch im ersten Drittel zu zögerlich.

Bewertung vom 13.04.2025
Was wir füreinander waren
Albendorf, Johannes

Was wir füreinander waren


ausgezeichnet

Was wir füreinander waren von Johannes Albendorf ist kein Roman, der laut um Aufmerksamkeit bittet. Er wirkt leise – und genau deshalb bleibt er. Drei Zeitebenen, drei Leben, verbunden durch ein Gemälde und durch eine zentrale Frage: Wie tief reicht Liebe, wenn das Leben dazwischenkommt?

Clemens flieht vor seinem Burnout auf die Insel Ameland. Er ist Musiker, äußerlich erfolgreich, innerlich leer. Dort trifft er Juk, und was als flüchtige Begegnung beginnt, wird zur vorsichtigen Annäherung. Keine klischeehafte Romanze, sondern eine glaubwürdige Geschichte über Trauma, Erschöpfung und die Kraft von Nähe.

Im Köln der 1930er Jahre verlieben sich Leo und Friedrich. Ihre Liebe steht unter dem Schatten des Nationalsozialismus, der Homosexualität kriminalisiert. Albendorf erzählt ihre Geschichte ohne Pathos, aber mit großer Wucht. Die Bedrohung ist spürbar, die Liebe dennoch stark – auch wenn sie nicht siegen darf.

Der dritte Strang führt nach Neapel, 1826. Simone, ein junger Fischer, träumt vom Theater und liebt einen Mann, der unerreichbar bleibt. Diese Episode ist kürzer, aber atmosphärisch dicht. Sie bringt das Gemälde ins Spiel, das sich durch alle Geschichten zieht – als Symbol für das, was bleibt, wenn Worte und Zeit versagen.

Albendorf schreibt ruhig, klar und respektvoll. Er romantisiert nicht. Er benennt das Dunkle, ohne darin stecken zu bleiben. Seine Figuren sind nicht perfekt, aber sie tragen ihre Geschichte mit Würde.

Fazit: Was wir füreinander waren ist ein Roman über Liebe in schwierigen Zeiten, über Identität, Verlust und darüber, wie Kunst manchmal das auffängt, was sonst verloren geht. Kein Buch, das man schnell durchblättert – sondern eins, das hängen bleibt.

10/10 - Was wir füreinander waren ist ein Roman über Liebe, Verlust und Verbundenheit – und eines meiner ganz klaren Jahreshighlights.

Bewertung vom 08.04.2025
Sphäre über Berlin
Merk, Manuel

Sphäre über Berlin


ausgezeichnet

Ein schwarzer Himmelskörper über Berlin, psychischer Zerfall, eine dystopische Parallelwelt aus Asche, ein biomechanisches Wesen und eine queere Romanze – Sphäre über Berlin klingt wild, aber genau diese Mischung funktioniert überraschend gut. Merk vereint Sci-Fi, Dark Fantasy und Romance zu einem atmosphärischen, vielschichtigen Debütroman, der nicht nur Genregrenzen überwindet, sondern sie völlig neu ordnet.

Im Mittelpunkt stehen zwei Männer: Robert, ein psychisch erschöpfter Callcenteragent, und Ezra, der in einer dystopischen Welt ohne Erinnerung erwacht. Beide Figuren sind auf der Suche – nach sich selbst, nach Sinn, nach Verbindung. Besonders hervorzuheben ist Merks sensibler und präziser Umgang mit Themen wie Depression, Isolation und psychischer Belastung. Die Darstellung wirkt authentisch, intensiv und zugleich nie plakativ.

Die queere Liebesgeschichte entwickelt sich leise und glaubwürdig und fügt sich selbstverständlich in die düstere Gesamtstimmung des Romans ein. Der Horror ist subtil, die Gore-Elemente dosiert. Die Stärke des Buches liegt vor allem in seiner bedrückenden, melancholischen Atmosphäre, die sich wie feiner Staub über jede Szene legt.

Mit einem konsequenten, ehrlichen Ende, das sich nicht in ein bequemes Happy End flüchtet, beweist Merk erzählerischen Mut. Sphäre über Berlin ist ein eindringliches, reifes Debüt, das berührt, fordert – und auch beschäftigt.

Fazit: Atmosphärisch, mutig, tiefgründig – ein starker Genre-Mix mit emotionaler Wucht.

10/10 – Manuel Merk gelingt ein Debütroman, der erstaunlich reif daherkommt und genreübergreifend überzeugt. Ein Buch, das sich sehen lassen kann. Leseempfehlung!