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odile

Bewertungen

Insgesamt 63 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2025
Der Gourmet / Washington Poe und Tilly Bradshaw ermitteln Bd.2
Craven, M. W.

Der Gourmet / Washington Poe und Tilly Bradshaw ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Unschuldiges Justizopfer oder skrupelloser Killer?

Für DS Washington Poe wird ein Alptraum wahr. Ein von ihm überführter und in einem spektakulären Indizienprozess als Mörder verurteilter Starkoch entpuppt sich als Justizopfer. Die angeblich von ihm ermordete Tochter taucht sechs Jahre nach seiner Verhaftung quicklebendig wieder auf. Eine DNA-Analyse beweist ihre Identität. Und DNA kann nicht lügen oder doch?

„Der Gourmet“ ist der zweite Band der Washington Poe – Reihe des britischen Schriftstellers M.W. Craven, der mehrfach, u. a. mit dem Gold Dagger Award, ausgezeichnet wurde. Für mich war es das erste Buch des Autors.

Im Krimi „Der Gourmet“ stellt sich uns folgende Frage: ist der charismatische Starkoch Jared Keaton ein Opfer der Justiz und des hartnäckigen Ermittlers DS Poe? Ist er tatsächlich unschuldig?
Die Beweislage der Verteidiger wirkt überzeugend. Das Wiederaufnahmeverfahren scheint nur noch eine Formalität und Keatons Freilassung eine Sache von Tagen zu sein. DS Poe befindet sich dagegen in einer schwierigen Situation. Er hat einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht und soll nun für seinen Fehler büßen.

Und trotzdem. Als erfahrene Krimileserin war ich mir von Beginn an sicher, dass Poe richtig lag und der charismatische Psychopath Keaton schuldig ist. Aber alle Beweise sprechen dagegen. Wie kann eine Tote leben?

M. W. Craven hat einen packenden Krimi geschrieben, der mich schnell gefesselt hat. Die Spannung beginnt im ersten Kapitel und steigert sich bis zum Ende. Unerwartete Wendungen und neue Indizien lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen. Der Autor schreibt sehr bildhaft, ich sah Poes Hütte im Norden Cumbrias direkt vor mir. Die Protagonisten überzeugen, egal ob Hauptfiguren oder in Nebenrollen.

Washington Poe ist kein einfacher Mensch. Ein Familiengeheimnis hat ihn jahrelang gequält. Mit seiner spröden Art hat er sich wenig Freunde gemacht. Aber Unterstützung benötigt er gerade jetzt dringend. Da trifft es sich gut, dass er sich der Loyalität zweier Koryphäen sicher sein kann. Da ist zunächst die brillante, aber exzentrische forensische Pathologin Estelle Doyle. Sie entdeckt die Substanz im Blut der wieder aufgetauchten Elizabeth, die Poes Team auf die richtige Spur bringen wird. Später kann sie eine Leiche identifizieren, die sich in einem ungewöhnlichen Zustand befindet. Die zweite Koryphäe ist die geniale Datenanalystin Tilly Bradshaw, die Asperger-Züge aufweist, was die Zusammenarbeit mit ihr nicht einfach macht. Poe denkt an einer Stelle über sie „Streiten hatte keinen Sinn. Bradshaw war so logisch, dass sie jedes Mal gewann, sogar wenn sie falschlag.“ Aber die beiden arbeiten erstaunlich gut zusammen und sind ein sympathisches Team. Auch ein paar Kollegen, wie seine direkte Vorgesetzte DI Stephanie Flynn, vertrauen Poe, während ein karrieregeiler DCI ihn unbedingt abschießen will.

Fasziniert hat mich, was ich beim Lesen dieses Krimis alles gelernt habe. Über Reiterdenkmäler, englische Bunker, Laborzentrifugen oder die Reform des britischen Gesetzes im Zusammenhang mit Doppelbestrafung. Ich behaupte schon immer, dass Krimilesen bildet. Craven bestätigt mich.

Fazit

Eine tierquälerische gruselige Szene im ersten Kapitel hat mich kurz zögern lassen, doch wollte ich dem Krimi eine Chance geben. Zum Glück! Für mich ist der Autor eine Neuentdeckung. Er hat das Potenzial, zu einem meiner Favoriten aufzusteigen. Zwar hätte ich auf einige grausame Szenen verzichten können, da sie tatsächlich für den Tathergang wichtig sind, kann ich aber darüber hinwegsehen. Cravens Schreibstil, der britische Humor, seine Charakterzeichnung, der originelle Plot und die vollständige Auflösung haben mich überzeugt. Ich werde mir die beiden anderen in Deutsch erschienen Bände besorgen und mich auf weitere freuen.

Bewertung vom 22.02.2025
Der Ränkelord
de Laar, Alessa

Der Ränkelord


ausgezeichnet

Mord in höchsten Kreisen

In Ashbury, einem geheimen, von der Außenwelt abgeschnittenen Distrikt Londons, ist es Tradition, spektakuläre Kriminalfälle an den Meistbietenden zu versteigern. Mit einer gelungenen Präsentation der Aufklärung kann der Gewinner sein Prestige erheblich steigern. Ob der Angeklagte schuldig oder nicht ist, wird nebenbei bewiesen. Verwandte von Beschuldigten sind von der Versteigerung ausgeschlossen. Genau in dieser Situation befindet sich der junge Adelige Garth, der im ersten Fall der Ashbury-Reihe „Das Versagen der Pahdora“ bereits als brillanter Ermittler überzeugte. Sein Vater, Lord Varesh Crafton, beauftragt ihn, die Unschuld seines älteren Halbbruders Tain Shoyn, der des Mordes bezichtigt wird, zu beweisen. Aber das scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein und die Zeit drängt.

„Der Ränkelord“ ist der zweite Band der Ashbury-Reihe von Alessa de Laar. Es ist möglich, die Bände unabhängig voneinander zu lesen. Aber die Kenntnis von Garths erstem Fall erhöht Lesespaß und -verständnis beträchtlich.

Wie beweist man die Unschuld eines Angeklagten, den alle schon als überführt ansehen? Die Beweislage scheint erdrückend. Garth beginnt damit, den Tatverdächtigen, seinen Halbbruder Tain, aufzusuchen. Dieser verweigert jede Mitarbeit, erklärt sich aber für unschuldig. Dann untersucht er die Leiche des Opfers und den Tatort. Wie wurde das Mordopfer vergiftet? Er versucht, den Tathergang zu rekonstruieren, was ein Schlüsselelement zur Lösung des Falles darstellt.

Bei seiner Tätersuche unterstützen ihn der Klient des Hauses Crafton, Erro, und der Gespaltene Flyn. Viele Zeugen werden befragt und Experten werden zum Fall hinzugezogen. Ganz allmählich scheint sich der Tathergang rekonstruieren zu lassen. Ein Indiz weckt Garths besonderes Interesse und weist ihm die Richtung. Genau in dieser Situation wird er gekidnappt und damit Schachmatt gesetzt.

Alessa de Laar hat mit Ashbury eine ganz eigene magische Welt erschaffen. Wir treffen hier weder Drachen noch Elfen. Ashbury unterscheidet sich wesentlich subtiler von unserer Welt.

Dieser magische Ort verfügt über komplexe soziale und politische Strukturen. Das Justizsystem unterscheidet sich von unserem, sei es durch die Versteigerung der Kriminalfälle oder durch eine häufig vollzogene Strafe, die Spaltung, die nur mittels magischer Kräfte erfolgen kann. Die Geschichte Ashburys fließt beiläufig in die Erzählung mit ein und lasst diese Welt noch überzeugender wirken. Dazu dient auch die Isolation von der Außenwelt.

Nicht nur mit ihrer beeindruckenden Fantasie und Kreativität hat mich die Autorin beeindruckt. Mit ihrer bildhaften, lebendigen Sprache lässt sie Ashbury vor unseren Augen entstehen, mit seinen Adelsresidenzen, den sehr unterschiedlichen Vierteln oder den Wohnungen in der Kanalisation, die bedingt durch den Platzmangel entstanden sind.
Die Einwohner arbeiten als Barrierenspringer, Glyphenschreiber oder Bundbrecher, alles Berufe, die speziell für die Belange Ashburys entstanden sind. Pflanzen wie der
Seitwärtsbaum oder magische Hilfsmittel wie ein Rührlöffel, der mittels seiner eingeritzten Glyphen, Gräten aller Art anzieht, vervollständigen eine fantastische Welt.

Dankenswerterweise enthält das Buch Glossar, Namensverzeichnis und Landkarte, die sehr nützlich sind.

Die Auflösung des Falles ist der Knaller. Teilweise lag ich richtig mit meiner Einschätzung, trotzdem ist es mir nicht vollständig gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen. Alessa de Laar hat mich mit der Identität des Täters überrascht und gleichzeitig den Fall perfekt abgeschlossen. Nicht nur Lord Crafton betrachtet Garths Beweisführung als brillant.

Mir hat es sehr gut gefallen, wie die Autorin Kriminalfall und Fantasy verschmolzen hat, meine beiden Lieblingsgenres. Noch während des Lesens habe ich mir Band eins besorgt und inzwischen verschlungen. Ich freue mich auf weitere Erzählungen mit Garth, Erro und Flyn. Speziell über die Themen Pahdora und Wandler, die für Ashbury eine dominante Rolle spielen, möchte ich gern mehr lesen.

Ich vergebe die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle, die wie ich Krimis und Fantasy schätzen.

Bewertung vom 15.02.2025
Nacht der Ruinen
Rademacher, Cay

Nacht der Ruinen


ausgezeichnet

Wer frei von Schuld ist ...

März 1945. Köln ist eine geteilte Stadt. Der Rhein bildet die Front, nachdem alle Brücken gesprengt wurden. Während die US Army ihren Teil der Stadt besetzt, geht jenseits des Flusses der Krieg unverändert weiter. Lieutenant Joe Salmon wird nach Köln abkommandiert, wo er vor 24 Jahren als Joseph Salomon geboren wurde. Colonel Patterson erteilt ihm einen Geheimauftrag. Joe soll herausfinden, wer den vor einer Woche mit einem Fallschirm abgesprungenen Bomberpiloten Rohrer ermordet hat. Ein nahezu aussichtsloses und gefährliches Unterfangen. Doch der Lieutenant folgt insgeheim seiner eigenen Agenda.

Cay Rademacher hat neben seiner erfolgreichen Provence-Reihe mit Capitaine Roger Blanc als Ermittler, bereits mehrere historische Kriminalromane geschrieben. Nach Méjean, Hamburg und dem Ozeanliner Champollion ist dieses Mal Köln der Schauplatz der Ermittlungen.

Wie viele andere junge Emigranten aus Deutschland und Österreich (insgesamt ca. 9000), hat Lieutenant Salmon eine Spezialausbildung in Camp Ritchie, Maryland, absolviert, die ihn auf den Einsatz in Europa vorbereitet hat. Wir begleiten Joe, der meist mit dem englischen Kriegsreporter Eric Arthur Blair, später berühmt als George Orwell, unterwegs ist und sehen die zerstörte Stadt durch seine Augen.Obwohl er wütend auf die „Jerrys“ ist, die das Vermögen seines Vaters gestohlen und so viel Leid über ihn und die Seinen gebracht haben, kann er sich dem herrschenden Elend nicht ganz entziehen. Von Köln und seiner Bevölkerung ist nur wenig übrig. Zweieinhalb Wochen wird seine Suche dauern, die ihn nachhaltig verändern wird.

Cay Rademacher schreibt flüssig und bildhaft. Er lässt vor den Augen seiner Leser das zerstörte Köln wieder erstehen. Die düstere bedrückende Atmosphäre, die der damaligen Zeit angepasste Sprache und die Beobachtungen des Lieutenants schaffen ein Ambiente, das fesselt. Die umfangreiche Recherchearbeit des Autors ist in jedem Kapitel spürbar. Auftritte bekannter Zeitgenossen wie Hans Habe, ebenso ein „Ritchie Boy“ wie Joe Salmon, Konrad Adenauer, der vor und nach dem Tausendjährigen Reich, Kölns Oberbürgermeister war oder die Schriftstellerin Irmgard Keun, lassen den Roman noch authentischer wirken. Eine besondere Rolle kommt George Orwell zu, der, obwohl seit dem Spanischen Bürgerkrieg gesundheitlich schwer angeschlagen, seine Tätigkeit als Kriegsreporter nicht aufgeben will. „Kriege sind eine Aneinanderreihung schäbiger Kompromisse“ resümiert er seine Beobachtungen.

Rademachers Charaktere sind glaubwürdig und spannend. Ob Joe, der zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefangen, erfahren muss, dass nicht alles entweder Schwarz oder Weiß ist, Hilda, die kühle Schönheit, schwer durchschaubar nicht nur für Joe, Jakub, der vielseitig begabt, einmal zu oft auf seine „Chuzpe“ vertraut hat oder Irmgard Keun, eine unangepasste Überlebenskünstlerin, die scheinbar allen Widrigkeiten trotzt.

Das Erzähltempo ist eher gemächlich, die Spannung baut sich allmählich auf, aber gegen Ende des Romans, mochte ich nicht mehr mit dem Lesen aufhören.

Ich habe diesen Roman gern gelesen.Er hat mir diese Zeit näher gebracht, vor allem das Leben der Zivilbevölkerung, das mich besonders interessiert hat. Ihre Hoffnungen, Erfahrungen, Ängste, ihre pragmatischen Lösungen (Treibstoffbeschaffung), der alles bezwingende Überlebenswille.

Einiges war mir neu, wie die Ritchie Boys oder der Tunnel unter dem Rhein. Ich durfte den Fotografen Hermann Claasen kennenlernen und habe, neben anderen, auch sein historisches Foto der Madonna von St. Kolumba gefunden, die eine Rolle im Roman spielt.

Historische Ereignisse, raffiniert in eine fiktive spannende Ermittlung verpackt, dieses Konzept ist Cay Rademacher mit diesem Roman vortrefflich gelungen. Einmal mehr fand ich meine Meinung bestätigt, dass gut recherchierte Romane über die Kriegszeiten, zur besten Friedenspropaganda gehören.

Meine Leseempfehlung geht an alle, im Besonderen an die, die sich für Geschichte interessieren.

Bewertung vom 12.02.2025
Ostsee, Klönschnack und ein Mord (eBook, ePUB)
Schneider, Inga

Ostsee, Klönschnack und ein Mord (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mit einer Petuhtante auf Mördersuche

Anni Gade ist eine sympathische, etwas verpeilte junge Frau, die noch nicht richtig weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Inzwischen hält sie sich mit Stadtführungen über Wasser. Während sie einer Gruppe Touristen Flensburgs Sehenswürdigkeiten zeigt, beobachtet sie zufällig einen heftigen Streit zwischen zwei angesehenen Unternehmern der Stadt. Am nächsten Tag sind beide Streithähne spurlos verschwunden. Wurden sie gekidnappt?

"Ostsee, Klönschnack und ein Mord - Anni Gade und die Fördemorde" ist der Auftakt einer neuen Cosy Crime-Reihe von Inga Schneider, die an der Flensburger Förde spielt. Es ist mein erstes Buch der Autorin.

Das farbenfrohe Cover und der Handlungsort Flensburg haben meine Aufmerksamkeit geweckt. Dass ich eine „Süßwassermakrele“ bin, hat sich schnell gezeigt. Den Begriff "Petuhtanten" musste ich gleich nachschlagen, obwohl ich zunächst von einem Druckfehler ausging - ist aber keiner. Insgesamt kam ich aber gut zurecht und habe das norddeutsche Flair sehr genossen. Ein bisschen fühlte es sich wie Urlaub an, mit Anni durch Flensburg zu flanieren. Über die Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten dieser Stadt wurde ich gut informiert.

Die Hauptcharaktere haben mich überzeugt. Anni war mir auf Anhieb sympathisch. Ihre Grübeleien und Selbstgespräche konnte ich gut nachvollziehen. Die junge Frau ist klug, neugierig und unternehmungslustig. Schade, dass ihre Akademikereltern das anders sehen, ihrer Jüngsten das abgebrochene Studium nachtragen und der Vater die perfekte ältere Tochter eindeutig vorzieht. Es spricht für Anni, dass sie trotzdem tapfer zum wöchentlichen Familienessen geht. Kommissar Jan Christiansen ist ganz anders gestrickt. Er wirkt anfangs ziemlich arrogant und überheblich, wie er den Provinzlern zeigen will, was ein Kommissar aus der Großstadt Hamburg ihnen alles voraus hat. Teilweise hat das wohl familiäre Gründe, weil er seine Scheidung noch nicht verdaut hat und um seine Tochter öfters sehen zu können, ins ungeliebte Flensburg ziehen musste. Auch Tipps zu bekommen, verträgt er schlecht, selbst wenn seine Ermittlungen davon profitieren. Gegen Ende des Krimis hatte ich aber den Eindruck, dass er doch lernfähig ist. Die anderen Charaktere bleiben noch etwas blass, aber das ist für einen Auftaktband nachvollziehbar. Ob Annis lebhafte Freundin Nele, Jans gemütlicher Kollege Boysen oder Mutter Gade, die das Familienessen für Kochexperimente nutzt, sie alle haben Potenzial. Inga Schneider schreibt klar und bildhaft und schafft eine glaubhafte Atmosphäre. Wie für Cosy Crime üblich ist das Erzähltempo gemächlich und der Kriminalfall nicht zu gruselig.

"Ostsee, Klönschnack und ein Mord - Anni Gade und die Fördemorde" war kurzweilig zu lesen und hat mich gut unterhalten. Ich freue mich schon auf Band zwei. Weil mir ein klein wenig die Verwicklungen fehlten, vergebe ich 4,5 von 5 Sternen.

Eine Leseempfehlung geht an alle, die Cosy Crime mit Lokalkolorit schätzen.

Bewertung vom 10.02.2025
Berauscht der Sinne beraubt
Kirakosian, Racha

Berauscht der Sinne beraubt


sehr gut

Ekstase: Rausch oder Bewusstseinserweiterung?

Das psychedelisch anmutende Cover erregte zunächst meine Aufmerksamkeit. Mit dem Klappentext und der Leseprobe hatte sie mich dann endgültig am Haken. Sie, das ist Racha Kirakosian, Professorin für Mediävistik an der Alberts-Ludwig-Universität in Freiburg. Ihr Buch. „Berauscht der Sinne beraubt“ bietet einen Überblick über die Geschichte der Ekstase von der Antike bis heute.

In der Einleitung, erläutert die Autorin ihren Hintergrund, die Annäherung ans Thema und die zugrunde liegende Methodik. Diese werden auch mittels der Einschübe, „Diskursiv“ und „Exkursiv“ im Text hervorgehoben.

Das Buch ist in fünf Kapitel eingeteilt, die sich jeweils mit einer Erscheinungsform der Ekstase befassen. Die Annäherung an das Phänomen erfolgt aus verschiedenen Richtungen.

Kapitel eins – Über den Wolken – Visionen und Flow

befasst sich mit der Assoziation dieser Begriffe mit Ekstase.
Die Autorin erläutert, dass in der Spätantike dem sinnentrückten Zustand ein besonderes Potenzial zur Gotteskommunikation attestiert wurde. In diesem Zusammenhang untersucht sie die visionäre Sicht einer Hildegard von Bingen ebenso, wie das Bekehrungserlebnis von Paulus, das Orakel von Delphi und modernes leistungsförderndes Flow-Coaching. Die Wirkung bewusstseinserweiternder Substanzen als Auslöser ekstatischer Zustände wie Ergotamin oder Ayahuasca werden in diesem Kapitel ebenfalls beleuchtet.

Kapitel zwei – Der Moment des Aufpralls. Freude im Schmerz

widmet sich der Ekstase infolge von Schmerzen. Im religiös spirituellen Rahmen dient Christina von Hanes Ekstase infolge eines dreistufigen Leidenskonzeptes, das u.a. Selbstverletzung und strenge Askese beinhaltet als Beispiel. Auch Elsbeth von Oye, Heinrich von Suse und andere propagieren ein ähnliches Konzept. Die Verbindung von Schmerz und Ekstase beschränkt sich aber nicht auf den christlichen Rahmen, wie der Sufismus, der in der islamischen Tradition wurzelt, beweist. Nicht religiöse Vertreter der Leidensekstase werden mit den Beispielen de Sade, Sacher-Masoch und der modernen BDSM-Szene belegt.

Kapitel 3 – Hinab ins Erdreich. Frauen und Ekstase

Das ekstasesüchtige Weib, von der Gefahr ausgeht, steht hier im Mittelpunkt. Frauen, die in Zusammenhang mit Ekstase gebracht wurden, befanden sich lange Zeit in Gefahr. Wie die Autorin einräumt, berührt das Thema Hexerei die Geschichte der Ekstase zwar nur peripher. Trotzdem hängt beides zusammen. Dies wird durch einen Abriss der Geschichte der Hexenverfolgung ausgehend vom Deutschland der Frühen Neuzeit, über Salem 1692/93 bis hin zu heutigen Staaten wie Ghana oder Sambia, verdeutlicht.
Die zeitgenössische Bewertung religiöser Stigmata wie die der Anna Katharina Emmerick, einer ekstatischen Mystikerin, Meister Eckharts Sicht der Ekstase und eine kurze Geschichte der Hysterie komplettieren dieses Kapitel.

Kapitel 4 – Vom Aufsteigen. Der Tanz in die Lüfte.

Eine Unterscheidung wischen säkularer und religiöser Tanzekstase ist laut der Autorin nicht möglich. Sowohl im Sufismus wie beim marokkanischen Gnawa-Kult wird entrückte Ekstase durch rituellen Tanz erreicht. Von christlichen Gemeinschaften wird Ähnliches berichtet. So beschrieben 1827 Menschen, die zum Methodismus konvertierten, ihr Bekehrungserlebnis als religiöse Ekstase. Säkulare Beispiele von Tanz und Ekstase sind z. B. die apulische Tarantella oder Tanz-Events der Techno-Szene.

Kapitel 5 – Aufgehen im Ganzen. Einheitserfahrungen in der Masse

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit Ekstase in der Masse, z. B. als gemeinsames euphorisches Erlebnis eines Sportereignisses. Ekstase und Gewalt in Gestalt des ekstatischen Soldaten, bspw. Kamikaze-Fliegern.
Ekstase als Massenphänomen von der Boston Tea Party 1773 bis hin zu Goebbels von der Masse umjubelten Aufruf zum totalen Krieg am 18.2.1943. Ekstase als wesentliches Merkmal des Massenwahns. Als Mittel zur Kontrolle oder als Werkzeug der Macht durch Manipulation.

Der Epilog über die Ambivalenz der Ekstase, die teilweise kommentierten Anmerkungen im Anhang (stolze 65 Seiten) und ein Personenregister runden das Sachbuch ab,

Racha Kirakosian hat ein beeindruckendes Werk zum Thema Ekstase geschrieben. Trotz der vielen Informationen und Beispiele kann ich jetzt ihre Aussage besser verstehen, dass das Phänomen schwer zu fassen ist. Für meinen Geschmack liegt der Fokus etwas zu stark auf der religiösen Ekstase, was die Erwähnung der christlichen Mystikerin Christina von Hane in vier von fünf Kapiteln belegt.Ich habe viel gelernt und meine Neugier nicht bereut, obwohl sich das Buch zu Beginn etwas spröde liest. Wer sich für die Geschichte der Ekstase interessiert, trifft mit diesem Sachbuch eine gute Wahl.

Bewertung vom 06.02.2025
Vino, Mord und Bella Italia! Folge 6: Der süße Klang von Rache (eBook, ePUB)
Homma, Christian; Frank, Elisabeth

Vino, Mord und Bella Italia! Folge 6: Der süße Klang von Rache (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mord und Dolce Vita

Anna genießt mit Loris, Tameo und Hündchen Peppo einen schönen Tag am Meer. Die Musik eines Strandsängers, der dort fehl am Platz zu sein scheint, fasziniert sie. Als Anna den Musiker später im Promenadencafé wieder trifft, lädt sie ihn spontan zu einem Auftritt im Restaurant ihrer Freundin Giovanna ein. Sie ahnt freilich nicht, wen sie einlädt und was da auf Fontenaia zukommt ...

„Der süße Klang von Rache“ ist bereits der sechste Teil der Reihe „Vino, Mord und Bella Italia!“ von Christian Homma und Elisabeth Frank. Auch Neueinsteiger können problemlos mit diesem Band starten. Ich habe es seinerzeit so gemacht und nicht bereut.

Der Musiker entpuppt sich als Mauro Moschella, ein vor Jahren sehr populärer Sänger in Italien. Das Konzert wird ein voller Erfolg und Giovannas Restaurant besuchen so viele Gäste wie schon lange nicht mehr. Leider kommt es nach dem musikalischen Event zu einem schweren Unfall mit Todesfolge. War es Mord?

Zahlreiche Verdächtige, überraschende Wendungen und ein motiviertes Ermittlerteam sorgen für Spannung. Sogar den gefürchteten Bürgermeister Fontenaias Massimo Franco kann Commissario Vico mit einem strategischen Kniff für die Ermittlung einspannen. Trotz gemächlichen Tempos und Dolce Vita ist die Tätersuche spannend, denn die Autoren haben sich ein paar clevere Finten ausgedacht.

Mir gefällt die klare, bildhafte Sprache des Autorenteams. Ich war sofort wieder mittendrin in der Geschichte. Die Atmosphäre, das Ambiente, Land und Leute, alles passt. Die Charaktere wirken glaubwürdig, allen voran die sympathische, patente Anna und das liebenswürdige Gespann Tameo und Peppo. Mir gefällt, dass sich die Charaktere weiter entwickeln. Hat uns Annas Journalistenkollege Adriano Rossi beim letzten Fall positiv überrascht hat, so toppt ihn Commissario Vico dieses Mal. Mit einer längst überfälligen Gardinenpredigt hat ihn seine Schwester, Giuliana, dazu verdonnert, die Stärken seines Teams zu fördern, statt seine Untergebenen immer nur zu kritisieren. Vico beschließt, sich diesen Rat zu Herzen zu nehmen und verunsichert damit sein Team gewaltig. Erst allmählich gewöhnen sich Flavia, Marco und Anna an den „neuen“ Commissario. Doch das Team arbeitet jetzt noch effizienter, was dem aktuellen kniffligen Fall zugutekommt.

Mein Fazit

Jeder, der Cosy Crime schätzt, ist hier richtig. Dolce Vita in der Toskana, gewürzt mit einem Kriminalfall, das liest sich sehr vergnüglich. Dabei kommt die Spannung nicht zu kurz. Fontenaia ist weiterhin ein gemütliches italienisches Dorf, in dem der abenteuerlichste Klatsch gedeiht und Veränderungen nur langsam Fuß fassen. Immerhin wird Annas Pool endlich fertig.
Der „neue“ Commissario gefällt mir ausgezeichnet. Nun wird eine Romanze zwischen ihm und Anna wesentlich wahrscheinlicher. Zumal Vico sich allmählich in Fontenaia heimisch fühlt. Oder macht doch der fesche Loris das Rennen, der gerade seine künstlerische Seite offenbart hat? Es bleibt spannend. Ich warte schon auf die Fortsetzung.

Ich habe den Ausflug in die Toskana sehr genossen und vergebe 5 Sterne mit einer Leseempfehlung an alle Fans von Dolce Vita und Cosy Crime.

Bewertung vom 04.02.2025
Das verfluchte Medaillon / Die magische Bibliothek der Buks Bd.2
George, Nina;Kramer, Jens J.

Das verfluchte Medaillon / Die magische Bibliothek der Buks Bd.2


ausgezeichnet

Das Abenteuer geht weiter ...
.
"Die magische Bibliothek der Buks – Das verfluchte Medaillon" ist der zweite Band der Reihe von Nina George und Jens J. Kramer. Er schließt nahtlos an Band eins an. Da auf einen Rückblick verzichtet wird, empfehle ich dringend, mit Band eins „Das verrückte Orakel“ zu beginnen. Nur so kann man das zweite Abenteuer mit den Buks, kleinen Buchschutzgeistern, in vollem Umfang genießen.

Die Ausgangssituation ist folgende: Nola befindet sich im Buch „Die abenteuerliche Reise des Quentin Tauros“, um Geraldine zu suchen, die versehentlich in dieser Geschichte gelandet ist. Finn wiederum ist seiner Zwillingsschwester gefolgt, sodass sich jetzt alle drei im selben Buch, aber getrennt voneinander, befinden. Ihre Freunde Mira und Thommy wiederum sind in ihr Zuhause zurückgekehrt, um sich dort schwierigen Befragungen zu stellen. Sie verschweigen die Wahrheit und halten ihr Versprechen, die Existenz der Geheimen Bibliothek und der Buks nicht zu verraten. Inzwischen spitzt sich die Lage zu. Immer mehr Bücher werden von der schrecklichen Bleichkrankheit befallen und der Buchmeister, Geraldines Vater, der ein Heilmittel sucht, bleibt verschollen. Um die Bücher zu retten, sehen sich die Buks zu einem unvorstellbaren Schritt gezwungen: Sie schicken Attila, Sherlokko und Rebella Buk ins Draußen!

Immer wieder werden, glücklicherweise, Geschichten geschrieben, die mit überschäumender Fantasie, großer Kreativität und überraschenden Wendungen ihre Leser fesseln. Wir finden uns hier in einer Welt wieder, in der Bücher unbekannt sind, Fantasie abgelehnt wird und Träumen als suspekt gilt. Alle befolgen starre Regeln und werden ständig überwacht, da das Mitführen von Handys für Kinder Pflicht ist. Was als praktisch und der Sicherheit dienend verkauft wird, dient tatsächlich der totalen Kontrolle des Ministeriums über die Menschen.

Das Autorenteam schreibt bildhaft und versteht es, eine magische Atmosphäre zu schaffen. In der Geschichte stecken viele Weisheiten, die ganz ohne belehrenden Ton daherkommen. Immer wieder werden andere Bücher und Autoren erwähnt oder zitiert. Das hat mir gut gefallen. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Ich sage nur Hugo Viktor. Die Protagonisten sind durchweg glaubhaft gezeichnet, ob der freche Finn, der nachdenkliche Thommy, die empathische Mira oder Thommys freundliche Großeltern. Die einzelnen Buks sind jeder für sich liebenswert und in ihrer Vielfalt und Diversität beeindruckend.Ich liebe ihre Diskussionen untereinander.

Das bezaubernde Cover und die liebevolle Ausstattung mit Lesebändchen, den hübschen in den Text eingestreuten kleinen Zeichnungen und Porträts der Buks auf den Innenseiten des Einbands lassen das Buch hochwertig wirken.

Ich habe dieses neue Abenteuer mit den Buks sehr genossen. Das rundum stimmige Ende und der Ausblick aufs „Danach“ haben mir sehr gut gefallen. Für mich scheint die Geschichte damit abgeschlossen, aber vielleicht haben die Autoren doch noch eine magische Idee für eine Fortsetzung? Ich wäre sofort dabei oder wie Reimling Buk vielleicht sagen würde: Großes Freuen mit neuen Abenteuern?

Ich vergebe die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle Buchliebhaber mit Fantasie von 10 bis 100

Bewertung vom 29.01.2025
Snehild - Der Ruf der Unterwelt (eBook, ePUB)
Vedsø Olesen, Anne-Marie

Snehild - Der Ruf der Unterwelt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nordic Fantasy - Snehild Grauwolfs Reise geht weiter

Die junge Seherin Snehild lebt wieder am Königshof von Himlinge. Sie genießt die Gunst Aslaks, der seit einem halben Jahr über Sialand herrscht. Doch den jungen König plagen böse Träume, die ihn beeinträchtigen. Von dem jungen Prinzen, dessen Scharfsinn und Klugheit sie einst faszinierte, ist nur noch wenig übrig. Er verliert allmählich den Verstand und wird zur größten Bedrohung seines Reiches, dessen Bewohner er terrorisiert. Snehild erkennt, dass sie eingreifen muss, doch dazu kommt es vorerst nicht. Eine alte Feindin verflucht die junge Seherin. Um ihr Leben zu retten, muss Snehild an Midgards gefürchtetsten Ort reisen: Helheim.

„Snehild - Der Ruf der Unterwelt“ ist der zweite Band der Reihe von Anne-Marie Vedsø Olesen. Ich rate, mit dem ersten Band anzufangen. Dadurch wird das Verständnis erleichtert und der Lesespaß vergrößert.

Als Snehild geheilt und mächtiger denn je, zurückkehrt, muss sie sich der Realität stellen. Sie hat einen großen Fehler begangen. Ihren Favoriten Aslak hat seine Macht ängstlich und bösartig gemacht. Er erweist sich als unfähiger, ja gemeingefährlicher König. Den wesentlich geeigneteren Roald hat Snehild damals unterschätzt. Jetzt will sie diese Entscheidung korrigieren – um jeden Preis. Wer Ungeheuer bekämpft, sollte darauf achten, nicht selbst eines zu werden. Diesen weisen Ratschlag gibt der alte Gode Faxe Snehild als Warnung mit auf ihren Weg als er sie in der Runenmagie unterweist. Nicht von ungefähr. Inzwischen hat sie nicht nur den Tod Arns, sondern auch die Opfer Aslaks zumindest teilweise auf dem Gewissen. Dies ist ihr bewusst und macht ihr zu schaffen.Trotzdem zögert sie nicht.

Anne-Marie Vedsø Olesen erzählt bildhaft und atmosphärisch. Die Beschreibung Helheims samt seiner Ungeheuer hat mich beeindruckt. Besonders Hel war ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte. Durch die verschiedenen Handlungsstränge und die dadurch bedingten Orts- und Perspektivenwechsel weiß der Leser stets, was wo aktuell passiert. Das hat mir gut gefallen und erhält die Spannung. Band Zwei endet an der dafür perfekten Stelle. Die Weichen für Band Drei sind gestellt, obwohl die Autorin auf einen richtigen Cliffhanger verzichtet hat.

Mich hat Snehild erneut gut unterhalten. Ihre Entwicklung geht weiter. Aber manche ihrer Handlungen konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Warum betrinkt sie sich, bspw. gemeinsam mit ihrer Erzfeindin? Aber das ist wohl ihrer Jugend geschuldet. Dagegen fand ich ihren Mut in und vor Helheim sehr beeindruckend. Berührend war Hjalmars Ende. Wie er sein Schicksal noch wenden konnte, obwohl das unmöglich schien, war sehr emotional.

Die starke Fokussierung auf Gewalt und Missbrauch wäre in diesem Maß nicht erforderlich. Schnell begreift der Leser die Bedrohung und dass, das Leben in Midgard nicht einfach ist.
Schmerzlich vermisst habe ich ein Glossar und eine Übersichtskarte. Die wären angesichts der zahlreichen Namen und Orte eine echte Hilfe.

Es bleibt spannend. Wie wird Ragnfried ihr Wissen nutzen? Was wird aus Aslaks ungeborenem Kind und dessen ehrgeiziger Mutter? Was bedeuten Snehilds Begegnungen mit Loki? Und wann wird Berghilds „Entdeckung“ bekannt?

4,5 von 5 Sternen von mir und eine Empfehlung an alle Fantasy-Fans, die mit der Darstellung von Gewalt klarkommen.

Bewertung vom 27.01.2025
Keilsberg
Mense, Sebastian

Keilsberg


ausgezeichnet

Jeder geht, aber von jedem muss etwas bleiben

Dieser Satz, den eine fremde Frau auf einem Friedhof zu ihm sagt, bleibt Paul im Gedächtnis. Dabei hat er gerade ganz andere Sorgen. Seine Freundin Julie hat ihn vor Monaten ohne Vorwarnung verlassen und ist seither spurlos verschwunden. Auch Michael, ihr Bruder und sein Chef, hat angeblich nichts von seiner Schwester gehört. Paul lässt sich gehen, seine Gedanken kreisen ausschließlich um die verlorene Geliebte, er bringt für nichts mehr Interesse auf. In dieser Situation stößt er bei einem Spaziergang zufällig auf einen englischen Soldatenfriedhof und lernt das ältere Ehepaar Ochs kennen. Diese Begegnung wird weitreichende Folgen für Paul haben ...

„Keilsberg“ ist das Romandebüt von Sebastian Mense. Eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt seine Heimatstadt Kassel, bzw. der nahegelegene, wenig bekannte Soldatenfriedhof. Dort sind britische und russische Opfer des Kriegsgefangenenlagers Keilsberg aus dem 1. Weltkrieg bestattet.

Einer dieser Gefangenen war der englische Soldat Thomas Barley. Durch Lieselotte Ochs gerät der Briefwechsel zwischen Tom und seiner Mutter in Pauls Hände. Sie bittet ihn als studierten Anglisten, um die Übersetzung ins Deutsche. Toms Briefe gewähren verstörende Einblicke in das Lagerleben der Kriegsgefangenen. Seine Mutter Madelaine wiederum berichtet über die Lage im England des Jahres 1915. Paul beginnt über Thomas Barley zu recherchieren. Warum passen die Briefe inhaltlich oft nicht richtig zusammen? Was geschah mit Thomas Barley?

Sebastian Mense schreibt flüssig und bildhaft. Seine Charaktere wirken glaubwürdig und haben Tiefe. Die einfühlsame Beschreibung der Situation der Gefangenen, der Schrecken und Entbehrungen, die sie erdulden mussten, berührt. Die Lage der Bevölkerung in Deutschland und England, ihre Gefühle, Ängste wie Hoffnungen, sind anschaulich beschrieben. Man spürt die gründliche Recherche des Autors. Der laufende Wechsel der Perspektiven und der zwei Zeitebenen sorgt für anhaltende Spannung.

Besonders interessant fand ich die Entwicklung Pauls. Zunächst verharrt er im Selbstmitleid und seine Gedanken kreisen ausschließlich um Julie. Doch allmählich findet er in sein Leben zurück. Er schafft es, endlich loszulassen, sein Schicksal wieder selbst in die Hände zu nehmen und eine überfällige Entscheidung zu treffen. Als er endlich ein Lebenszeichen seiner Ex-Freundin sieht, kappt er mühelos die letzte Verbindung zu ihr. Zeitgleich mit seinem „Cold Case“ löst er auch seine eigenen Probleme.

Vielleicht treffen wir Paul ja wieder? Mich hat der Roman sehr gut unterhalten und ich habe Neues über den 1. Weltkrieg erfahren, obwohl ich schon einiges zu diesem Thema gelesen habe. Vielleicht recherchiert Paul auch künftig zu (anderen) historischen Themen? Ein Wiedersehen würde mich freuen, obwohl ich das nach den ersten Kapiteln nicht gedacht hätte.

Ich vergebe die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle historisch Interessierten. Aber nicht nur an diese.

Bewertung vom 27.01.2025
Die verlorenen Chroniken von Eristria (eBook, ePUB)
Hackel, Mario

Die verlorenen Chroniken von Eristria (eBook, ePUB)


sehr gut

Wie alles begann

Die fantastische Welt von Eristria hat sich als ein ideales Reiseziel, für mich entpuppt. Bereits zweimal habe ich mich dorthin aufgemacht und konnte spannende Abenteuer erleben. Wie nicht anders zu erwarten war, blieben nach meinen Ausflügen in eine neue magische Welt einige Fragen offen.

Mit "Eristria: Die verlorenen Chroniken" hat Autor Mario Hackel nun die Vorgeschichte zu seiner Palineas-Trilogie zu Papier gebracht. Sie beantwortet viele offene Fragen, die beim Lesen von Palis Abenteuer aufkommen. Auch zum besseren Verständnis der Kämpfe zwischen Zimeria und Eristria in „Chroniken der Magie“ erweist sich dieses neue Buch als sehr nützlich.

Aufgeteilt in zwei Teile, wird die Entstehung der Welt von Eristria erzählt. Im ersten Abschnitt „Drachen und Völker“ lernen wir die verschiedenen Drachengötter kennen, von denen jeder einen Aspekt der Schöpfung spiegelt. Es folgt die Geschichte der verschiedenen Völker, die Eristria bewohnen: Menschen, Elfen, Zwerge, Trolle und Blutmenschen. Sie sollten die neue Welt mit Leben erfüllen.

Dann übernimmt der Chronist Erydon, ein Drache, der jetzt als Magier durch die Welt wandert und ihr Gedächtnis bewahrt. In Form der Chroniken, einer Sammlung von Geschichten, die er kommentiert und in Zusammenhang bringt.
Ergänzende Illustrationen, ein Namensverzeichnis und eine Karte runden das Nachschlagewerk ab.

"Eristria: Die verlorenen Chroniken" ist gut verständlich und leicht zu lesen. Die Geschichten wirken authentisch und stimmig. Besonders hervorheben möchte ich Matts Bericht und die Aufzeichnungen von Erzmagier Malvaren Schattenwacht.
Bei den Protagonisten hat mir gefallen, dass sie häufig facettenreich sind. Also weder nur gut noch ausschließlich böse, wie z. B. Ogoran.
Bereits das Vorwort hat meine Neugier in einer Hinsicht gestillt: Was veranlasst jemanden dazu, eine derart komplexe Welt zu erfinden und zu gestalten?

Mein Fazit

Besonders für die Palineas Trilogie finde ich dieses Buch zur Erläuterung der Zusammenhänge außerordentlich wichtig und erhellend. Die komplexe Welt von Eristria wird dadurch verständlicher, mit ihren diversen Protagonisten und deren durchaus unterschiedlicher Motivation. Die Illustrationen finde ich sehr gelungen und schön anzusehen. Meine offenen Fragen wurden größtenteils beantwortet. Da erst ein Band der Palineas-Trilogie erschienen ist, war mehr auch nicht zu erwarten. Die Geschichte ist schließlich noch lange nicht zu Ende erzählt.

Gern hätte ich noch mehr über die Beweggründe der einzelnen Charaktere erfahren, speziell der Bösewichte. Was lässt sie zur leichten Beute der Dunkelheit werden? Ihre unstillbare Gier nach Macht oder ist da noch mehr?

Ich empfehle allen Reisenden nach Eristria dieses Nachschlagewerk als begleitende Lektüre.