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katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 195 Bewertungen
Bewertung vom 04.04.2025
Herzvorland
Kiehne, Björn

Herzvorland


sehr gut

Heimat ist kein geographischer Begriff. Man trägt sie in sich selbst. Andrej Sinjawski

Es sind nur noch wenige Meter, bis der Erzähler endlich wieder in der Heimat ist. Auf dem Weg bis zu seiner Ankuft macht er kurz Rast, lässt die Gedanken schweifen und Erinnerungen Revue passieren. Aus diesen Bildfetzen und bruchstückhaften Dialogen formt sich nach und nach ein wohliges Gefühl, denn Heimat ist ief im Herzen verwurzellt....


Wir alle kennen das Gefühl, nach einer Reise die bekannten Bergkuppen, die bewaldeten Hügel oder den Kirchturm zu sehen. Es breitet sich eine wohlige Wärme im Körper aus und irgewndie scheint das Herz einfach überzuquellen vor Freude. Unser Erzähler macht eben jene Gefühle für alle Lesenden zugänglich und zeigt ihnen verstohlene Blicke hinter frisch gewaschene Gardinen, öffnet Gartenpforten und knarzende Türen. Sie alle stehen sinnbidlich für unsere Heimatorte - ganz gleich, ob Dörfchen oder Stadt - und führen uns mit dem Herzen genau dort hin.

Die Erzähaung lebt von den vielen Bildern, die Björn Kiehen mit Worten malt und formt darus nicht nur die Erinnerungen des Erzählers, sondern weckt die der Leserschaft wieder auf.Mitten drin viele skurrile und liebenswerte Charaktere mit Marotten, Ecken und Kanten, die alle etwas zu erzählen haben Es fühlt sich so an, als würde man auf einem Schemel zu Füßen einer betagten Frau oder gemensam mit den Dorfältesten auf einer Holzbank unter einer alten Linde sitzen, und den Sagen, Märchen, Legenden und Lebensgeschichten lauschen, die sich in und um das Dörfchen im Harz zugetragen haben.

Kiehne erschafft eine Wohlfühlatmosphäre, die die Lesenden wie eine warmherzige Umarmung umfängt Jedoch scheut er auch nicht davor zurück, Tabus zu brechen und diese in sein Dorfgeschehen miteinzuarbeiten. (Aber-)Glaube und Sichtweisen der Religionen, die Suche nach Liebe und Geborgenheit, das Schweigen der Großeltern, die so viele Traumata für ihre Nachommen hinterlassen, Integration und Kurioses bindet er - der Tradition seiner Heimat folgend - in eine Erzählung ein, die die ganze Klaviatur der Gefühle beherrscht: mal poetisch, mal zornig, mal mit leisen Tönen oder auch aufbrausend wird das Bild eines kleinen Dörfchens immer plastischer, bringt eine Saite im Herzen zum Klingen und hinterlässt Spuren.

Schreibstil und Wortwahl sind nicht immer einfach zu lesen, aber wer hat gesagt, dass das Leben in einem Dorf einfach ist. Ein Buch, das überrascht, bewegt und die Grenzen von Fantasie und Wirlichkeit verschwimmen lässt

Bewertung vom 03.04.2025
Goebbels' Schatten
de Lorent, Hans-Peter

Goebbels' Schatten


ausgezeichnet

Die rechte Hand des Teufels

"Goebbels Schatten - Die Naumann-Verschwörung" von Hans-Peter de Lorent ist ein fesselnder Tatsachen-Roman, der einen tiefen Einblick in die dunklen Geheimnisse, Klüngeleien und verschleierten Machenschaften der Nazis in der Nachkriegszeit bietet. Mit akribischer Recherche und egroßem erzählerischen Geschick lenkt de Lorent die Leser:innen nicht nur durch die letzten Tage im Führerbunker, sondern lässt sie auch an dramatischen Fluchten und den chaotischen Verhältnissen der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen alte NS-Strukturen versuchen, wieder Fuß zu fassen, teilhaben.

Es sind Szenen, die wie aus dem Film "Der Untergang" sich vor dem inneren Auge abspielen und dabei die Kaltschnäuzigkeit, Abgebrühtheit und den unbedingten Willen, die braunen Ideale hochzuhalten und wieder alltagstauglich zu machen, mit einer daratigen Klarheit und Vehemenz vermitteln, dass der Leserschaft der Atem stockt.

Die Geschichte des Werner Naumann ist nicht nur die eines unverbesserlichen NS-Funktionärs, sondern auch ein erschreckender Blick auf die Bedrohung der jungen Bundesrepublik durch reaktionäre Kräfte. De Lorent schafft es meisterhaft, die historische Genauigkeit für seine Lesenden informativ und zugleich kritisch aufzubereiten, damit sie die Intrigen dieser bedrohlichen Epoche nachempfinden und aus ihnen lernen können.

Durch den geschickten Einsatz von Einschüben und Hintergrundinformationen wird die Tiefe der Verschwörungen und der Einflussnahme ehemaliger Nazi-Funktionäre in Politik und Wirtschaft eindrucksvoll beleuchtet. Dabei kommen die Leser:innen nicht umhin, sich immer wieder mit der Motivation Naumanns auseinanderzusetzen, der bestrebt ist, die nationalsozialistischen Ideen in eine neue Zeit hinüberzuretten – ein Unterfangen, das bis ins politische Gefüge der 1950er Jahre reicht. Auch seine Verhaftung kann die rechte Hand des Teufels nicht ausbremsen und es ist erschreckennd zu lesen, wie weit verzweigt die alten Netzwerke in der Nachkriegszeit sind, um hier an einer Schraube zu drehen und dort wieder mit einer blütenweißen Weste und einem passenden Persilschein die - wirtschaftlichen und politischen - Geschicke der jungen Bundesrepublik zu lenken.

Das Samenkorn der hirnverbrannten Ideologien ist - einmal ausgesät - immer eine Handbreit mit Erde bedeckt und wartet nur darauf, wieder im Verbogenen zu keinem. Das Zitat/die Mahnung von Kirkpatrick auf Seite 531 brennt sich regerlecht ein, stimmt nachdenklich und fordert die Lesenden dazu auf, das aktuelle tagespolitische Geschehen zu hinterfragen:

Naumanns Geschichte ist eine Mahnung und "..enthält eine Lehre für die Zukunft. Es wäre töricht, anzunehmen, dass der Nazismus unter keinen Umständen, und auch nicht in anderer Form, im modernen Deutschland wiederstehen könnte".

Das Buch ist ein Weckruf, eine Mahnung und ein Statement zugleich: Nie wieder ist jetzt!

Bewertung vom 02.04.2025
Die Schlange von Sirmione
Archan, Isabella

Die Schlange von Sirmione


weniger gut

Fad

Edwina Teufel ist zu einer Auszeit am Gardasee "verpflichtet" worden, denn so, wie sie bisher ihre Arbeit verrichtet und ihren Alltag geplant hat, kann und darf es nicht weitergehen. Wutausbrüche pflastern ihren Weg und damit soll endgültig Schluss sein. So ganz ohne Beschäftigun will ihr La Dolce Vita allerdings nicht gelingen und sie vertreibt sich die Zeit im Fundbüro von Sirmione. Noch ahnt sie nicht, dass die Begegnung mit einem eher seltsam anmutenden Kunden ihre Ruhe stark beeinträchtigen wird....


Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich das Cover des Buches gesehen habe. Der Gardasee als Sehnsuchtsort wird zugleicht Tatort und genau das hat mich gereizt. Ich mag es nämlich, wenn die Schattenseiten von touristisch erschlossenen Gebieten in Krimis zum Vorschein kommen und mir zeigen, dass hinter der schönen Fassade auch dunkle Seelen wohnen.

Die ersten Seiten bieten auch genau das, was ich erwartet habe. Eine eher unkonventionelle Ermittlerin in Zwangspause, die nicht wirklich aus ihrer Haut kann und lieber selbst alles in die Hand nehmen möchte, als andere für sie machen zu lassen. Jedoch wird die Art von Edwina Teufel nach und nach immer anstrengener und enervierender, da sie die unschöne Angewohnheit hat, sich wie ein Tauchsieder in alles hineinzuhängen, ungefragt ihren Kommentare abzugeben und Menschen in ihrem direkten Umfeld entweder nicht ausreden zu lassen oder gar ihre Gefühle mit Füßen zu treten.

Der Fall an und für sich weist schon mit der Art der Tötung recht früh auf den Täter hin und auch das Motiv ist so alt wie die Menschheit - so lesen die Krimi- und Gardasee-Fans nicht wirklich viel Neues. Die Handlung plätschert im Großen und Ganzen vor sich hin, es tauchen mal mehr, mal weniger Bösewichte auf den Seiten auf und Edwina wirbelt immer mehr Staub auf.

So ist die Auflösung des Falles nicht wirklichg überraschend und das Ende fast schon eine Wohltat. Einzig die wunderschönen Landschaftsbeschreibungen der Gegend um den Gardasee, der Duft der Bouganvilleen und der Geschmack von Oliven und gutem Wein können das Flair vermitteln, das so einzigartig am Lago di Garda ist und ihn zum Sehnsuchtsort macht.

Schade ;(

Bewertung vom 01.04.2025
Um jeden Preis
Lind, Hera

Um jeden Preis


sehr gut

Familie. Wir haben vielleicht nicht alles, was wir wollen, aber zusammen sind wir alles, was wir brauchen.

Lydia hat als junges Mädchen die Schrecken des Krieges miterleben müssen - Hunger,Heimatlosigkeit, Vertreibung und Zwangsarbeit prägen ihre Lebensgeschichte. Doch Lydia erfährt immer wieder, wie stark und bedingungslos Mutterliebe ist. Kraft und Halt findet die Famlie im Gebet, im Glauben und im Zusammenhalt, denn nur zusammen sind sie stark. Das gegebene Verspechen -Einer für alle, alle für einen - wird zu einer Art Mantra.....


Der neue Tatsachenroman von Hera Lind geht tief unter die Haut und ist gerade jetzt, da der Krieg in der Ukraine schon mehrere Jahre tobt, mit unglaublich vielen Schicksalen dort verknüpft. Die zugrundeliegenden Tagebucheinträge, Erinnerungen und Fotoalben geben einen Einblick in eine tragische Familiengeschichte, die erschüttert, bewegt und manchmal fast nicht zu ertragen ist.

Nicht nur, dass sich die klirrende Kälte und die eisigenTemperaturen in Sibirien beim Lesen in die Glieder fressen, sondern auch Hunger, Entbehrungen, Misshandlungen, Schikanen und andere menschenverachtende Handlungen treten die Würde der Familie mit Füßen. Lind schreibt unzensiert die Eindrücke für ihre Leser:innen auf und genau darin liegt sowohl die Stärke als auch der Schwackpunkt des Romans.

Vieles, was ungeschönt auf die Lesenden enprasselt, ist nur schwer zu ertragen und es kommt immer wieder die Frage auf, wieviel ein Mensch ertragen kann, bis der Wille und der Lebensmut bricht. Im Buch liefern sämtliche Figuren den Beweis, dass mit Mutterliebe und Gottvertrauen auch die schlimmste Situation durchzustehen ist. Von Lydia geht eine Herzenswärme und Güte aus, die sich nicht nur bei ihren Kinder wie ein schützender Mantel um sie legt, auch den Lesenden vermittelt sie das Gefühl, unter ihren Fittichen geschützt, geliebt und geborgen zu sein.

Die Odysee der Familie von der Ukraine über Russland, Lettland und die langersehnte Ausreise in die BRD ist eine mehr als aufwühlende und emotionale Lektüre. Sie beweist jedoch, dass familiärer Zusammenhalt in schweren Zeite das Einzige ist, was zählt.

Bewertung vom 31.03.2025
Revanche à la Provence
Heineke, Andreas

Revanche à la Provence


weniger gut

Seitenhieb auf Fast-Fashion und Hinweis auf Weltverbesserung

Gerade noch laufen die letzen Vorbeiretung für d a s Großereignis im Luberon - die Modewelt soll noch einmal Glanz, Glitzer und Genialität einatmen und dann wird sich der große Name des verstorbenen Modedesigner für immer vom Laufsteg verabschieden. Zwischen Puder, falschen Wimpern und Nähnadeln, Pumps und raschelnden Stoffen herrscht rege Geschäftigkeit und ausgrechnet das Topmodel ist spurlos verschwunden. Das ruft Pascal Chevrier auf den Plan und gemeinsam mit seiner Kollegin Audrey taucht der Dorfgendarm in die Welt hinter den Kulissen ein...


Ich muss gestehen, dass mich die beiden Sätze "Glamour tritt auf Grauen. Ein schonungsloser Blick hinter die glitzernde Fassade der Haute Couture" dermaßen angefixt haben, dass ich einfach nicht anders konnte, als zu diesem Buch zu greifen. Denn nichts ist verlogener, schnelllebiger und mit so viel Augenwischerei verbunden wie die vermeintlich glitzernde Welt der Mode .

Die Ansätze von Andreas Heineke sind auch gut angedacht, denn was heute "in" und Highfashion ist, ist morgen schon wieder "out" und ein Fall für die sogenannte Mottenkiste. Der Seitenhieb auf Fast-Fashion, Ausverkauf von ländlichen Gegenden, der Hype der Influender:innen und das unsinnige Verschwenden von Ressourcen könnte wirklich ein spannender Aufhänger sein, verliert aber immer mehr an Bodenhaftung und knickt schließlich komplett ein, als würde ein Model auf dem Laufsteg mit den Stilettos ausrutschen und den Halt unter den Füßen verlieren.

Es sind einfach zu viele Themen, zu viele Schauplätze und der fast schon belehrende Unterton, die das Buch zu einer lahmen Ente werden lassen. Charaktere, die für Selbstverständlichkeiten in den Himmel gehoben werden; Nichtigkeiten, die unnötig aufgebauscht werden und somit einer eventuell vorhandenen Spannung einfach das Licht ausdrehen. Der Blick hinter die Kulissen hätte aufregend, erhellend und auch skandalös sein können, erhält jedoch immer wieder einen schalen Beigeschmack, da sich der Autor nicht auf das Wesentliche konzentriert, sondern aus seiner Kleidertruhe immer wieder neue Fummel herauszeit, die eventuell noch kleidsam sein könnten.

Weniger wäre hier mehr gewesen und so bleibe ich enttäuscht zurück. Schade um das verschenkte Potenzial :(

Bewertung vom 31.03.2025
Für mich soll's rote Rosen regnen. Hildegard Knef
Schröder, Christian

Für mich soll's rote Rosen regnen. Hildegard Knef


ausgezeichnet

Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen - Hugo von Hofmannsthal

Christian Schröder verfasst auf gerade einmal 142 Seiten eine Biografe, die so ganz anders ist als all das, was es bisher über "die Knef" zu lesen gab. Er zeigt mit viel Einfühlungsvermögen die vielen Gesichter einer Frau, für die das Aufstehen aus den Trümmern, das Richten der Krone und dem damit verbundenen Neubeginn zum Lebensinhalt geworden ist.

Hildegard Knef wird zunächst von vielen verkannt, tritt aus den Schatten der Trümmer heraus und wird ein strahelnder Stern am Kinohimmel. Doch damit nicht genug, denn "die Knef" zeigt, dass sie anders ist als die weichgespülten 50er-Jahre-Heimatfilmdarsteller:innen und genau darin liegt ihre Genialität. Sie ist der Zeit immer einen Schritt voraus, ist emanzipiert ohne Feministin zu sein und lebt ein Leben, das zwar nicht immer auf der Überholspur stattfindet, dennoch von Glitzer und Glanz umgeben ist.

Schröder zeigt allerdings auch, dass auf der Erfolgsschiene des Lebens auch die Niederlagen und Rückschläge nicht lagne auf sich warten lassen und genau diese Tiefen sind es, die Hildegarf Knef nachhaltig formen. Sie macht weiter, wo andere einfach aufhören und erfindet sich damit immer wieder neu.

Triumphe, beruflicher und privater Natur, werden wiederkehrend von Niederlagen und Druststrecken eingeholt. Doch Knef verbittert nicht, sondern schafft den Schritt aus dem Dunkel zurück ins Licht. Schröder erzählt und vermittelt dabei das Gefühl, dass die Diva zu ihren Leser;innen spricht. Eine Hommage an die Schauspielerin und Künstlerin, bei der am Ende der Autor der Bitte der Knef nachommt und wirklich rote Rosen regnen lässt.

Grandios geschrieben - Chapeau !

Bewertung vom 30.03.2025
Der irische Fremde
Moor, Matthias

Der irische Fremde


gut

Leider kein Thriller, der unter die Haut geht

Mary kehrt als Erwachsen zurück an den Ort ihrer Kindheit und stellt sich ihren Erinnerungen. Auch wenn diese mit dem Verlust ihrer Eltern gekoppelt sind, bedeutet für Mary das Auseinandersetzen mit der Vergangenheit, endlich Anworten auf ihre Fragen zu finden. Doch je länger sie sucht, desto mehr scheint jemand etwas dagegen zu haben, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Ein mysteriöser Unbekannter scheint eine bedeutende Rolle in diesem perfiden Spiel aus Lügen und Intrigen zu spielen....


Das atmopshärische Cover und der sehr gut geschriebende Klappentext haben mich dazu beweogen, dieses Buch zu lesen. Irland an sich ist schon eine faszinierende Kulisse und wenn es dann auch noch darum geht, mysteriöse Geheimnisse zu lösen, sind das eigetnlich die besten Zutaten für einen echten Pageturner.

Obwohl das Buch zeitgleich als Kriminalroman und intensiver Thriller beworben wird, fehlen viele typische Merkmale des Thriller-Genres. Die ständige Bedrohung und das Gefühl der Unsicherheit, die einen echten Thriller auszeichnen, bleiben aus. Stattdessen wird die Handlung mehr zu einem „Lobgesang“ auf den Konsum von Drogen und intensiven Sexszenen, wobei der Autor oft übertreibt und damit sein Buchs elbst ausbremst.

Das Verwirrspiel mit wechselnden Personen und deren unterschiedlichen Versionen der Ereignisse trägt zwar zur Spannung bei, kann jedoch auch dazu führen, dass der Überblick verloren geht. Mary als weibliche Hauptfigur bleibt in ihrem ganzen Denken und Handeln unverständlich und dadurch können die Lesenden sich nicht mir ihr identifizieren. Moor schafft es nicht, Marys Geschichte so zu gestalten, dass die Leser:innen das Hier und Jetzt vergessen und gemeinsam mit Mary die Flashbacks erleben, die bald nicht mehr unterscheiden kann, wer es gut mir ihr meint und wer nur darauf aus ist, ihr zu schaden.

Die Flashbacks und Erinnerungsfetzen sind ein guter Ansatzpunkt, jedoch versäumt der Autor es, genau diese kleinen Puzzlestücke so interssant zu gestalten, dass die Leserschaft dazu ermuntert wird, eigene Ermittlungen anzustrengen und aus den Hinweisen die Lösung zusammenzusetzen. Die Auflösung des Buches kommt dennoch überraschend, kann jedoch das Ruder nicht mehr herumreißen. Die Geschmäcker beim Lesen sind bekanntlich verschieden, und sicherlich wird „Der irische Fremde“ seine begeisterten Fans finden. Für meine persönliche Leseerfahrung vergebe ich daher neutrale drei Sterne.

Bewertung vom 29.03.2025
Ziemlich rätselhafte Morde
von Reiswitz, Stephanie

Ziemlich rätselhafte Morde


ausgezeichnet

Wer das Spiel "Cluedo" kennt, wird dieses Buch lieben

Rätsel-Fans aufgepasst, denn es gibt ein Mitmach-Buch, dass euch regelrecht vom Hocker fegen wird !

Stephanie von Reiswitz bringt mit "Ziemlich rätselhafte Morde" englischen Stil und Charme in eure Lesezimmer und lädt euch dazu ein, gemeinsam mit Medea Thorn, der genialsten Privatermittlerin seit Aghatha Christe, auf Spurensuche zu gehen, rästelhafte Ereignisse zu lösen und so den Tätern auf die Spur zu kommen.

Schon der raffiniert gestaltete Einband, der durch die Ausstanzung einen Blick durch das Schlüsselloch ermöglicht, erinnert an das beliebte Spiel „Cluedo“ und ist quasi die Eintrittskarte in die schaurig-schöne Welt, die sich auf den einzelnen Seiten durch die großformatigen Illustrationen mit viel Liebe zu düsteren Details für die Leser:innen zunächst noch versteckt hält.

Die Tatorte sind mitunter sehr zum Gruseln, reichen vom verranzten Bistro über das gut sortiere Chemielabor bis hin zu Geheimverstecken im edlen Salon und faszinieren dank der üppigen Zeichnungen, die von Reiswitz für ihre Leser:innen zugänglich macht.

Die Herausforderung, die Hinweise nicht nur in den Texten, sondern auch in den Illustrationen zu finden, erfordert kreatives Denken und einen scharfen Blick, denn dieser bleibt oft und gerne an der üppigen Ausstattung hängen und lässt sich somit leicht ablenken. Es macht unglaublich viel Spaß, sich durch die charmant skurrilen Charaktere zu arbeiten und dabei das eigene Hirnskastel auf Trab zu bringen, um die eigenen detektivischen Fähigkeiten herauszukitzlen. Die Tipps zu jedem Rätsel sind hilfreich, ohne dabei zu viel zu verraten – genau das richtige Maß, um die Neugier zu wecken und den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten.

Wer das Spiel "Cluedo" kennt, wird dieses Buch lieben :)

Bewertung vom 29.03.2025
Über Stock und Mörderstein
Capellmann, Carla

Über Stock und Mörderstein


sehr gut

Und es läuft auf Schritt und Tritt ein echter Mörder in der Gruppe mit ?!

Der romantische Eifelsteig ist nicht nur das Ziel einer Wandergruppe, sondern auch Ellen Engels neuer Auftrag. Eine gehörnte Ehefrau schickt sie auf Schusters Rappen und somit auch auf die Fährte ihres untreuen Ehemannes. Doch als ausgrechnet dieser in den Tod stürzt, steht nicht nur Ellen vor der Frage, ob es Unfall oder Mord gewesen ist. Das Wandern ist des Mörders Lust ?


Carla Capellmann lässt ihre Leser:innen den Wanderrucksack packen, die Wanderschuhe schnüren und schickt sie gemeinsam mit einer doch eher sehr bunt gemischten Truppe in die romantische Eifel. Was zu Beginn noch wie eine gemütliche Wanderung unter Freunden aussieht, wird schon nach wenigen Kapiteln zum Schaulaufen der Eitelkeiten. Denn wer gemeinsam mit Gleichgesinnten über Stock und Stein wandert, lässt nicht nur die Sorgen hinter sich, sondern verliert auch nach und nach die Maske des Alltags, die mitunter recht sorgsam aufgesetzt ist.

Die Figuren sind sehr facattenreich angelegt und brüsten sich schon das ein oder andere Mal mit ihren privaten Erfolgen, überbieten sich gegenseitig mit tollen Erlebnisses und doch blitzt immer wieder ein dunkler Schatten auf. Ellen Engels schaut hinter die Fassaden und entdeckt, dass nicht alles so eitel Sonnenschein ist, wie zunächst vermutet.

Zwischen Diebesgut und Freundschaft bahnen sich nicht nur Neid, Missgunst und Heuchelei ihren Weg, auch die "Tücken" der Technik erweisen sich als äusserst hilfreich, um Geheimnisse zu lüften, Daten abzugreifen und diversen Spuren zu folgen. "Über Stock und Mörderstein" nimmt sich an manchen Stellen nicht ganz so ernst, kommt trotz Ermittlungsarbeit auch mal pfeifend und Augenzwinkernd um die Ecke und beweist, dass es nicht immer literweise Blut und grauenvolles Gemetzel braucht, um spannende Krimiunterhaltung in den Häden zu halten.

Die beigefügte Playlist schickt verscheidene Ohrwürmer auf die Reise und so pfeifen die Lesenden echte Gassenhauer wie "I'm Gonna Be (500 Miles), "Wildberry Lillet" oder "Time to wonder" während dem Lesen mit.

Bewertung vom 28.03.2025
Die Cornwall-Saga
Vollkommer, Nicola

Die Cornwall-Saga


ausgezeichnet

Ein Buch zum Herz-über-Kopf-Verlieben

Bei Neuauflagen bin ich immer etwas skeptisch, jedoch liefert der Sammelband "Die Cornwall-Saga" von Nicola Vollkommers den besten Beweis dafür, dass ihre beiden Romane „Wie Möwen im Wind“ und „Die Rückkehr des Erben“ echte Herz-über-Kopf-Momente vereint. Der Blick durchs Schlüsselloch macht möglich, dass die Leser:innen ein Teil der Dienerschaft werden und gleichzeitig auch das Knistern von kostbaren Stoffen auf der Haut spüren, wenn der Perspektivwechsel vollzogen und die Welt der Adligen ihre Türen öffnet

Im ersten Teil begleiten wir die bezaubernde Charlotte, die zweite Tochter von Lord und Lady Greenwold, auf ihrem Weg durch eine Kindheit, die trotz elterlicher Ablehnung von Wärme und Zuneigung geprägt ist. Die Autorin schafft es mit ihrem einfühlsamen Schreibstil, Charlottes innere Kämpfe und Sehnsüchte so lebendig darzustellen, dass man als Leser:in mit ihr leidet und hofft. Besonders berührend ist die Beziehung zu ihrer Amme, die trotz ihrer eigenen Trauer Charlotte mit bedingungsloser Liebe umgibt. Diese emotionale Tiefe zieht sich durch das gesamte Buch und geht mitten ins Herz.

Der zweite Teil hält einen spannenden und gefährlichen Plo bereit, in dem ein habgieriger Verwandter den Anspruch auf das Greenwold-Anwesen erhebt. Die ständige Bedrohung, die sich über Charlottes neuem Leben und ihrer Familie ausbreitet, schwebt wie ein dunkler Schatten über allem und die Bedrohung sitzt wie eine kalte Hand im Nacken.Die Autorin verbindet die beiden Erzählstränge wie einen geflochten Zopf miteinander, sodass die Leserschaft die Entwicklungen beider Seiten mit Spannung verfolgt.

Die Beschreibungen der atemberaubenden Landschaft Cornwalls sind wie der Blick in ein imaginärens Landschaftkino. Vollkommner gelingt es, die Schönheit und die rauen Küsten des Landes so lebendig zu schildern, dass man beim Lesen das Gefühl hat, selbst durch die sanften Hügel und die stürmischen Klippen zu wandern. Diese idyllischen Bilder stehen im starken Kontrast zu den inneren Kämpfen und Konflikten der Protagonist:innen und bilden eine zusätzliche emotionale Verbindung zwischen Gelesenem und Gefühltem.

Besonders eindringlich sind die Themen von Misshandlung und psychologischem Druck, denen Charlotte ausgesetzt ist. Die Darstellung ihrer inneren Zerrissenheit und der verzweifelte Wunsch nach der Anerkennung ihrer Eltern sind so berührend, dass ich oft innehalten musste, um meine eigenen Emotionen zu ordnen - machmal ist der berühmte Kloß im Hals so präsent, dass sich die Gefühle erst einmal ihren Weg bahnen müssen, um weiterlesen zu können. Vollkommner schafft es, diese ernsten Themen mit einer solchen Sensibilität zu behandeln, dass man als Leser:in die Traurigkeit und den Kampf um Liebe und Akzeptanz hautnah mitfühlt und selbst durchlebt.

Im zweiten Teil, der sich mit der Erziehung von Charlottes Tochter Elinor beschäftigt, wird die Geschichte noch komplexer und fesselnder. Die Herausforderungen, die Elinor aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung und ihrer starken Persönlichkeit meistern muss, sind sowohl inspirierend als auch bewegend. Die Spannung, die durch die Bedrohung von außen entsteht, lässt die Leser:innen kaum Atem holen und sorgt dafür, dass ein regelrechter Lesesog entsteht.

Ein Sammelband, der nicht nur fesselnde Geschichten erzählt, sondern auch tiefgründige Themen behandelt, ein bisschen "Downton-Abbey-Feeling" verbreitet und die Höhen und eiefen des Lebens vor fantastischer Kulisse für die Lesenden bereit hält. Ein Buch, das denn Lesefrühling mit ganz vielen emotionalen Lesetunden bereichert.