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Juti
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Insgesamt 746 Bewertungen
Bewertung vom 24.10.2022
Deutsche Familien
Reinhardt, Volker (Hrsg.)

Deutsche Familien


gut

schwieriges Sammelsurium

Es ist selten, dass ich ein Buch mit dem letzten Kapitel anfange. Aber als Heidelberger muss ich ja über die Wittelsbacher Bescheid wissen. Doch damit sind gleich zwei Probleme zu nennen:
1. Es gibt weder bei den Wittelsbachern noch bei anderen Familien einen Stammbaum, der die Verwandtschaftsbeziehungen auf einen Blick zeigt.
2. Die Anordnung der Familien verläuft alphabetisch und unterschiedet nicht zwischen Adlig und Bürgerlich.

Dann habe ich über die Hohenzollern vor kurzem und über die Weizsäcker vor längerem bereits ein Buch gelesen, so dass ich diese Kapitel nur überflogen habe. Mein Eindruck ist aber, dass die Autoren kritische Distanz vermissen lassen. („Die Hohenzollern und die Nazis“ ist ein eigenes Buch und „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth behandelt die Frage, ob Weizsäcker als Botschafter im Vatikan nicht mehr Juden hätte retten können.)

Im Vorwort wiederum wird nur erwähnt, dass das Haus Sachsen-Coburg und Gotha in Bulgarien ein Comeback erlebt habe (8), was zum googeln zwingt. Nur kurz genannt wird auch die Gelehrtenfamilie Gmelin aus Tübingen (11).

Hinzu kommt, dass ich die preußischen Familien wie die Bismarcks und Moltkes nicht schätze und die Mommsens und Warburgs erst gar nicht richtig kenne (letztere ist eine Hamburger Bänkerdynastie, das ist aber auch alles.)

Bleiben noch die industriellen Familien Krupp, über die ich viel lernte (wie den Besitz des Schlosses Blühnbach bei Salzburg (87)) und Thyssen sowie die Künstlerfamilien Mann und Wagner, deren Kapitel zu den Höhepunkten des Werkes gehören.


Ohne die Thurn und Taxis zu erwähnen, macht meine Kritik deutlich, dass eine mittlere Note angemessen wäre, also 3 Sterne.

Bewertung vom 20.10.2022
Zusammenkunft
Brown, Natasha

Zusammenkunft


weniger gut

schwieriges Buch

Die Runde bei Lesenswert war sich nicht einig. Gratulation an Ijoma Mangold, der die Mängel am besten auf den Punkt brachte.

Die Erzählung, die ich nicht Roman nennen würde, wirkte auf mich wie ein Werk einer diskriminierten Amerikanerin. Leerstellen waren insofern gut, dass ich das Büchlein schnell gelesenen habe. Viel behalten habe ich aber nicht, die Beschreibung von Abbildung, die man nicht sieht, sind mir noch in Erinnerung.


Da ich das schnelle Ende erlebt habe, gibt es nach meinen Kriterien 2 Sterne.

Bewertung vom 11.10.2022
Babettes Gastmahl
Blixen, Tania

Babettes Gastmahl


sehr gut

ein Wintermärchen

Wir befinden uns in Nordnorwegen bei zwei Schwestern, Martine und Phlippa, die von ihrem Vater, dem Propst der Gemeinde, nach den Reformatoren Luther und Melanchton benannt wurden. Die Schwester werden mit ihren Verehrern nicht warm, doch einer von ihnen sendet aus Paris das Hausmädchen Babette.

Die nur 62 Seite lange Novelle erhält eine Wendung, als Babette bei der Lotterie gewinnt. Anstatt die Einöde zu verlassen, veranstaltet sie ein Fest für die tief verschneite Gemeinde, bei dem nicht das exquisite Essen, sondern die Gäste im Mittelpunkt stehen. Sie lassen sich das gute Essen nicht anmerken.

Mit dem Gastmahl ist der Gewinn verbraucht, was Babette nicht stört, weil sie eine Künstlerin ist.
Erst dann habe ich gemerkt, dass auf die Novelle 6 Seiten Anmerkungen folgen, die aber viele Bibelstellen erklärt, die ich auch so kannte. Aber bei den französischen Gerichten haben sie geholfen.
Den Anmerkungen folgt ein gut lesbares Nachwort, wobei ich nicht weiß, ob ich es nicht besser vorher gelesen hätte.


Auch wenn einige von Weltliteratur schwärmen, bekommt das Büchlein von mir 4 Sterne, weil der unbedingte Anlass fehlt, das Werk zu lesen. Es ist aber nette Unterhaltung für ein bis zwei Tage.

Bewertung vom 06.10.2022
Die Raststätte
Werner, Florian

Die Raststätte


sehr gut

Allumfassende Reportage

Nichts zum Thema „Raststätte“ lässt dieses Buch aus. Der zuständige Autobahnpolizist wird ebenso befragt, wie der Franchisenehmer, der Flaschensammler, der Truckfahrer oder der Biologe, auch wenn die mehrseitige Auflistung aller Pflanzenarten dann doch etwas langatmig ist.

Auch politisch wird nichts ausgespart, wie die Privatisierung in „Tank & Rast“, die dazu führte das Deutschlands älteste Raststätte, Rodaborn in Thüringen; Bratwürste durch den Zaun verkaufen musste und auch das wurde ihr gerichtlich untersagt. Auch die stillen Örtchen mit Gutscheinen für die Raststätte von "Sanifair" dürfen nicht fehlen.

Sprachlich greift der Autor auch in die Vollen und erfindet das Wort „Inkompetenzkompensationskompetenz“ (90).

All das spricht für die Bestnote. Doch mich stört, dass das Buch den Mythos nährt, dass Hitler die erste Autobahn gebaut habe (es war Konrad Adenauer, die Autobahn Köln-Bonn). Zwar wird im letzten Teil die AVUS als erste geschildert, aber ihre Benutzung war gebührenpflichtig. Ein kurzer Blick in Wikipedia hätte genügt, so gibt es mit größtem Bedauern nur 4 Sterne.

Bewertung vom 02.10.2022
Yoga
Carrère, Emmanuel

Yoga


gut

bis zur Hälfte gut

Von einem Buch „Yoga“ erwartet der Leser von Carrère, dass er sich im Selbstversuch mit Yoga beschäftigt und ähnlich wie in seinem mich vollkommen überzeugenden Buch „Das Reich Gottes“ die Selbstwahrnehmung mit seinen Leserinnen teilt. Dies gelingt bis Seite 156, wo ein „junger Typ“ mitteilt, dass er beim Meditieren immer an „Titten!“ denken muss.

Danach erfahren wir, dass der Autor wegen einer bipolaren Störung meditieren wollte. Dabei musste ich an Thomas Mette denken und sein Buch ist besser. Denn der Trip nach Bagdad, um den Blutkoran zu finden, ist zu weit hergeholt und die Flüchtlingsgeschichte nicht neu, zumal er korrekt darauf hinweist, dass der Migrant weiß, dass er Erzählungen hinzudichten muss, um in Europa Asyl zu erhalten.

Erst auf S.304 kehrt er zur Definition von Meditation zurück, nachdem er auf S.171 einen unbekannten Mystiker zitiert hat: „Gott schaut mit seinen Augen der Barmherzigkeit nicht den an, der du bist, sondern den, der du sein wolltest.“
„Machen Sie gar nichts: Nur so kann Veränderung eintreten“ lässt er auf S.187 einen Therapeuten sagen und definiert dies als Meditation wie „still und unbewegt dazusitzen“ , „den Gedankenstrudel beobachte[n], ohne sich davon mitreißen zu lassen“, „sich von seiner Identität zu lösen“ (alles 304), „ins Innere des eigenen Ichs einzutauchen“, „alles anzunehmen, was auftaucht“, „lernen, nichts zu bewerten“ und „loszulassen, nichts mehr zu erwarten, nichts mehr zu tun zu versuchen.“ (alles 305)

Diese verkürzte Definition ist Ergebnis einer geplanten 10tätigen Schweigemeditation ohne Abendessen, die der Autor aber abbrechen musste, weil ein Bekannter bei den Anschlägen auf „Charlie Hebido“ stirbt. Dabei fallen immer wieder nette Zitate: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen!“ (62)

Nicht nur von seinem Hardcoreseminar erzählt der Franzose, auch wie er in Genf während einer Meditation mit einer Frau im siebten Himmel schwebt (82f). Schulz von Thun kennt er aber nicht, sonst würde er sich über das Ich anstatt du nicht beschweren (103) und fragt, ob Sex nicht wahrer sei als Meditation (109). So bin ich wieder in der Mitte des Buches mit: „Alles, was wirklich ist, ist per Definition wahr, aber manche Wahrnehmungen der Wirklichkeit haben einen höheren Wahrheitsgehalt als andere“. (154)


Für den ersten Teil 5, für den zweiten Teil 1 Stern, macht 3 Sterne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2022
Limonow
Carrère, Emmanuel

Limonow


gut

bis zur Hälfte gut

Von einem Buch „Yoga“ erwartet der Leser von Carrère, dass er sich im Selbstversuch mit Yoga beschäftigt und ähnlich wie in seinem mich vollkommen überzeugenden Buch „Das Reich Gottes“ die Selbstwahrnehmung mit seinen Leserinnen teilt. Dies gelingt bis Seite 156, wo ein „junger Typ“ mitteilt, dass er beim Meditieren immer an „Titten!“ denken muss.

Danach erfahren wir, dass der Autor wegen einer bipolaren Störung meditieren wollte. Dabei musste ich an Thomas Mette denken und sein Buch ist besser. Denn der Trip nach Bagdad, um den Blutkoran zu finden, ist zu weit hergeholt und die Flüchtlingsgeschichte nicht neu, zumal er korrekt darauf hinweist, dass der Migrant weiß, dass er Erzählungen hinzudichten muss, um in Europa Asyl zu erhalten.

Erst auf S.304 kehrt er zur Definition von Meditation zurück, nachdem er auf S.171 einen unbekannten Mystiker zitiert hat: „Gott schaut mit seinen Augen der Barmherzigkeit nicht den an, der du bist, sondern den, der du sein wolltest.“
„Machen Sie gar nichts: Nur so kann Veränderung eintreten“ lässt er auf S.187 einen Therapeuten sagen und definiert dies als Meditation wie „still und unbewegt dazusitzen“ , „den Gedankenstrudel beobachte[n], ohne sich davon mitreißen zu lassen“, „sich von seiner Identität zu lösen“ (alles 304), „ins Innere des eigenen Ichs einzutauchen“, „alles anzunehmen, was auftaucht“, „lernen, nichts zu bewerten“ und „loszulassen, nichts mehr zu erwarten, nichts mehr zu tun zu versuchen.“ (alles 305)

Diese verkürzte Definition ist Ergebnis einer geplanten 10tätigen Schweigemeditation ohne Abendessen, die der Autor aber abbrechen musste, weil ein Bekannter bei den Anschlägen auf „Charlie Hebido“ stirbt. Dabei fallen immer wieder nette Zitate: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen!“ (62)

Nicht nur von seinem Hardcoreseminar erzählt der Franzose, auch wie er in Genf während einer Meditation mit einer Frau im siebten Himmel schwebt (82f). Schulz von Thun kennt er aber nicht, sonst würde er sich über das Ich anstatt du nicht beschweren (103) und fragt, ob Sex nicht wahrer sei als Meditation (109). So bin ich wieder in der Mitte des Buches mit: „Alles, was wirklich ist, ist per Definition wahr, aber manche Wahrnehmungen der Wirklichkeit haben einen höheren Wahrheitsgehalt als andere“. (154)


Für den ersten Teil 5, für den zweiten Teil 1 Stern, macht 3 Sterne.

Bewertung vom 30.09.2022
Deutsche Erinnerungsorte
Francois, Etienne / Schulze, Hagen (Hrsg.)

Deutsche Erinnerungsorte


gut

anderes Erinnern

Ich hätte dieses Buch gerne als Reiseführer gelesen. Doch fällt dies schwer, wenn das Thema Reformation heißt. Eigentlich hätte man das Kapitel auch Martin Luther nennen können. Dann bleibt als Reiseziel Wittenberg, war ich aber schon 2017.

Nächstes Thema Reichstag. Hier war ich überrascht, dass die erste Stadt genannte Stadt Regensburg heißt, Berlin kommt erst später.
Dann folgt das Kapitel Weimar, also Goethe. Die Republik und Birkenau werden noch gestreift, das Bauhaus ganz vergessen.


Ja, dieses Werk ist kein Lesebuch, sondern ein Nachschlagewerk. Und da ist „Die deutsche Seele“ von Thea Dorn und Richard Wagner von der Aufmachung schöner und leichter lesbar. Weil dieses Werk aber älter ist, bekommt es von mir 3 Sterne.

Bewertung vom 16.09.2022
Über alte Wege
Deen, Mathijs

Über alte Wege


schlecht

Tabula rasa

Dem Kritiker der FAZ ist voll und ganz zuzustimmen. Nach zwei interessanten Kapiteln über Europastraßen geht es schnurstracks in die Steinzeit. Während die Fußspuren am Strand noch halbwegs interessant ausgegraben werden, spielen die Wege eine immer unwichtigere Rolle.

Wie eine Isländerin im Mittelalter nach Rom reist, wird nur noch am Rande behandeln. Viel lieber erzählt Deen von den Städten Utrecht und Köln. Das habe ich noch mitbekommen.

Im folgenden Kapitel, dem längsten im Buch, fragte ich mich dann, ob Weiterlesen noch sinnvoll ist. Ich hatte von Postkutschen, Fußgängern und schnellen Reitern geträumt, eventuell auch von Bertha Benz.


All das habe ich in diesem Buch nicht gefunden, jedenfalls nicht bis Seite 240, denn da gewann der Wunsch ein richtig gutes Buch zu lesen Überhand. Nach dem enttäuschenden Brexit-Buch von Morris wieder nur 1 Stern. Ich wollte reinen Tisch machen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2022
Geographie ist Schicksal
Morris, Ian

Geographie ist Schicksal


schlecht

falscher Stolz

Dieses opulente Werk ist zum Brexit erschienen. Schon auf der zweiten Seite seines Textes (im Buch S.8) schreibt Morris zu den anderen Bücher, die die Entwicklung nur bis Camerons Erklärung 2013, dem Eintritt Großbritanniens in die EWG 1973, in die 40er Jahre oder allerhöchstens ins 16. Jahrhundert zurückgehen: „Ich bin überzeugt, dass keiner diese Analysen wit genug zurückreicht.“

Und er untermauert seine Behauptung mit dem Churchill-Zitat: „Je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto weiter kann man in die Zukunft sehen.“
Auf S. 9 kündigt er folgerichtig an, die Beziehungen der Britiscvhen Inseln zu Europa in der Eiszeit untersuchen zu wollen. Das klingt für mich so satirisch, dass ich gleich beschloss, den Teil I, also 250 Seiten, auszulassen.
Ganz ausgelassen habe ich es dann doch nicht. Den banalen Satz Thatchers „Wir sind untrennbar mit Europa verbunden“ (S.33) habe ich noch gelesen. Mir reichte es aber, als der Autor diese Binsenweisheit noch als Thatchers Gesetz verkaufte.

Der Autor schreibt, dass Identität, Mobilität, Wohlstand, Sicherheit und Souveränität die wichtigsten Punkte bei der Brexitentscheidung waren. Doch die Geographie, die er erstaunlich als Technologie und Organisation definiert, verändert die Bedeutung der Werte.

Eigentlich baut Morris sein Buch an drei Karten auf:
1. die Hereford-Karte, eine mittelalterliche Karte mit Jerusalem als Mittelpunkt und den britischen Inseln als letzten Ort am Rand. Sie hatte bis 1497 bestand. Die Entdeckung Amerikas schuf eine neue Weltordnung, die in der
2. Mackinders Karte mit den britischen Inseln als Mittelpunkt zum Ausdruck kommen. Diese Karte auf S.19 enthält einen Kreis, der die Kugelform der Erde wohl verdeutlichen soll. Warum aber ganz Afrika oberhalb des Kreises liegt, der sonst eher dem Äquator gleich, wird nirgendwo erklärt.
3. bezieht sich der Autor auf die Karte des Geldes, die im 20. Jahrhundert auch China als Schwerpunkt aufweist. Eine historische Entwicklung dieser Geldkarte bleibt Morris aber schuldig. Es könnte ja sein – und ich meine es ist auch so – dass China schon immer wohlhabend war, nur in Europa hat es keiner mitbekommen.

Die Einleitung enthält auf S.25 noch eine vierte Karte, die belegen soll, dass nur Englands Südosten Europa zugewandt ist. Dass die Schotten mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt haben, widerspricht dieser These und wird mit keinem Wort erwähnt.

Ich wollte dem Buch noch eine Chance geben und begann das 6. Kapitel, in dem der Autor die Frühe Neuzeit unter dem Motto „was ich immer schon mal sagen wollte“ behandelt. Da ich kein England-Experte bin, war es nicht ganz uninteressant, aber als Wilhelm von Oranien „Wilhelm von Orange“ getauft wurde, hatte ich die Nase voll. Vorher wurde immer schon der katholische Teil Europas als „Europäische Union“ bezeichnet. Dabei wurde die Protestanten schlicht vergessen. Und dass es in Europa auch orthodoxe Christen gab und gibt, wird dem Autor erst einfallen, wenn er meinen Text liest. Von Union kann also nicht die Rede sein.


Nach meiner Wertung bekommt ein abgebrochenes Buch einen Stern, mehr hat das kluge Geschwafel auch nicht verdient.

Bewertung vom 14.09.2022
Die Hohenzollern und die Nazis
Malinowski , Stephan

Die Hohenzollern und die Nazis


ausgezeichnet

Nie und nimmer

Wenn die Rückgabe des Grundbesitzes der Hohenzollern diskutiert wird, kommt die Frage auf, ob die ehemalige Kaiserfamilie der Nazi- Herrschaft Vorschub geleistet habe. Und wer dieses Buch gelesen hat, wird zu dem Ergebnis kommen, dass die Bundesrepublik nie und nimmer den Hohenzollern ihren Besitz zurückgeben darf.

Das Verhalten von Kaiser und Kronprinz im Ersten Weltkrieg nicht an der Front zu fallen, sondern in den Niederlanden Asyl zu suchen kann ich nachvollziehen. Nachvollziehen kann ich auch, dass der Ex-Kronprinz nach seiner Rückkehr von er Wiederherstellung der Monarchie träumte. Doch der Autor legt plausibel dar, dass trotz Monarchiewillen in weiten Teilen der Bevölkerung weder der wankelmütige, frauenumwerbende Kronprinz noch sein Vater noch ein anderes Familienmitglied als Monarch in Frage kam.

Weit schlimmer ist aber, dass der Ex-Kronprinz als Mitglied der Stahlhelm-Bewegung sich um die Einheit der konservativen Bewegung bemühte und schon vor der Machtübernahme der Nazis sich mit Hakenkreuzen zeigte. Nie hatte die Hohenzollern-Familie eine Beziehung zur Weimarer Republik gefunden.

Als die Nazis während ihrer Regierung schnell dafür sorgten, dass ohne öffentliche Berichterstattung das Interesse am Ex-Königshaus sank, setzte auch kein Widerstand ein. Ebenso wenig schadete der Gewaltherrschaft, dass ein Enkel des letzten Kaisers an der Front fiel und auch die Beteiligung der Hohenzollern am Attentat des 20. Julis gehört in das Reich der Fabel.

Nach dem Krieg inszenierte sich die Familie weiter als zum Widerstand gehörig oder wie Historiker Clark als unbedeutend. Doch auch unzählige Gerichtsverfahren können den Autor Malinkowski nicht widerlegen.


Dieses Buch erhielt den Deutschen Sachbuchpreis 2022 und das völlig zu Recht. Da mich dieses Thema nur am Rande interessiert, fand ich es manchmal etwas zu ausführlich, aber das kann ich keinem Sachbuch vorwerfen, nein von Herzen 5 Sterne.