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Juti
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Bewertungen

Insgesamt 746 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2022
Eine ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch

Eine ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch


schlecht

Grimms Wörterbuchauszug

Was an der Auswahl "ungemein eigenwillig" ist, konnte sich mir nicht erschließen. Dass sich eine Sprache im Laufe der Jahrhunderte ändert, versteht sich von selbst. Dass eine solche Auswahl mehr leisten muss als nur eine Auszug aus dem Wörterbuch eigentlich auch. Aber denkste!

Nach einer guten Stunde legte ich das Buch aus der Hand und weniger als 1 Stern geht leider nicht.

Bewertung vom 05.09.2022
Alexander von Humboldt
Daum, Andreas W.

Alexander von Humboldt


ausgezeichnet

schöne Einführung

Nach Andrea Wulf habe ich nun mit Vergnügen die zweite Humboldt-Biografie gelesen. Das dünne Bändchen eignete sich gut für den Zug mit dem 9-Euro Ticket.

Vieles war mir zwar schon bekannt, aber Details wie das Eingraben von Humboldt und Bopland in Südamerika gegen Moskitos hatte ich dann doch vergessen.

Dieses Buch will nur einen Überblick bieten und das leistet es auch. 5 Sterne

Bewertung vom 27.08.2022
Heimreisen
Maurer, Golo

Heimreisen


gut

Goethes Italienreise als Selbstentdeckung

Ich bin kein Goethe-Experte, sondern ich interessiere mich für Reisen. Neu für mich war, dass Goethe erst im vierten Anlauf bis nach Italien reiste, zweimal war er vorher auf dem Gotthard, dann gilt: „Goethe kam nur bis Heidelberg.“ (24, als in den Weimarer Fürst nicht in Frankfurt abholte)

Doch scheint es mir, dass der Autor Goethe nicht in den Mittelpunkt stellen wollte, sondern die Auswirkungen seiner Reise auf die Nachwelt. „Goethe hatte als Letzter den Vorteil, nicht auf den Spuren Goethes reisen zu müssen“, schreibt er selbst-kritisierend seine Weisheit auf S.110.

Mit dem besprochenen Gedicht „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,“ (265) öffnet er den Raum für ironische Dichtung wie diese:
„Kennst du das Land, wo die Kartoffeln blühn,
Wo dürre Ochsen krumme Furchen ziehn,
Wo Magd und Bauer aus derselben Schüssel fressen?
Da ist das Land der dummen Hessen.“ (269)

Dass er Herder als Nachfolger behandelt, ok. Dass der goethekritische Nicolai mit dem schönen Satz zitiert wird: „Venedig nahm sich aus wie eine größere Stadt am Horizont einer Ebene, etwa wie Leipzig oder Breslau.“ (299), auch ok.

Danach wird die Auswahl aber willkürlich und mir bleibt nur dass Zitat von Curtius: „Florenz ist schön, aber nicht groß. Interessant, nicht überwältigend. Das Quattrocento ist süß, innig – aber kindlich. Keine Kunst höchsten Ranges.“ (364) Selbst Thomas Mann und Ingeborg Bachmann, also jeder, der mal in Rom gewesen ist und ein Buch geschrieben, wird erwähnt.


„Sehenswürdig ist, was andere schon gesehen hatten.“ (461) ist eine Definition des Autors. Seltsam, denn lesenswert ist nicht alles, was andere gelesen haben. Dieses Buch hat dank dden für mich neuen Themen und den guten Zitaten 3 Sterne verdient. Wie aber drei Literaturwissenschaftler in Rom von den Nazis verfolgt werden, ist ein neues Thema und deswegen gibt es auch nicht mehr.

Bewertung vom 22.08.2022
Rot (Hunger)
Varatharajah, Senthuran

Rot (Hunger)


schlecht

Falsch gelegen

Oft stimme ich mit Denis Scheck überein. Bei diesem Büchlein aber nicht. Es ist kein Meisterwerk.

Das Beste an diesem nur 115 Seiten langen Bändchen ist, dass es dank zahlreicher Zitate erst auf S.14 beginnt und dass zwischen Kapitel A und B 6 Seiten leer sind, zwei davon rot.

Ich hatte noch die Hoffnung, dass ich im zweiten Kapitel einen roten Faden finden würde, doch als dies auch nicht geschah, war S.80 die letzte, die ich las.

Zweifellos darf ein Autor Wörter auseinanderschneiden, keine Trennungsstriche verwenden und mit einzelnen Buchstaben eine neue Zeile beginnen, doch der Leserin bereitet dies mehr Mühe. Den Aufwand könnt ihr euch sparen, auch wenn das Thema des Kannibalen von Rotenburg sicher irgendwann in einem guten Roman verarbeitet wird. 1 Stern

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.08.2022
Die Taube
Süskind, Patrick

Die Taube


ausgezeichnet

überzeugende Novelle

Hanna Engelmeier dürfte es gewesen sein, die in ihrem Buch „Trost“ auf dieses Bändchen hinwies. Und das zu recht.

Tröstet es nicht, wenn ein gestandener Franzose aus der Bahn geworfen wird, weil eine Taube den Weg aus seiner Haustür versperrt. Er schafft es dennoch pünktlich zur Arbeit, weil er auf sein Frühstück verzichtet.
Seine Arbeit wiederum ist ein Bull Shit Job. Er ist Wachmann in einer Bank, hat aber nicht anderes zu tun als im Hin- und Herlaufen das Ansehen der Bank zu erhöhen und bei der Abfahrt der Direktoren zu salutieren – ein echter Lakai also.

Ausgerechnet an diesem Taubentag verpasst er die Direktoren und reißt sich an der Bank eines Clochards auch noch seine gute Arbeitshose auf. Die Schneiderin, die er kennt, könnte das reparieren, aber erst in drei Wochen. Wir erleben förmlich wie Jonathan innerhalb eines Tages auf die schiefe Bahn gerät und im Hotel übernachtet.


Das Ende wird nicht verraten, schließlich soll noch etwa Spannung bleiben. Angesichts von nur genau 100 kleinen Seiten kann ich jedem empfehlen, sich maximal 2 Tage Zeit zu nehmen. 5 Sterne

Bewertung vom 21.08.2022
Sortiermaschinen
Mau, Steffen

Sortiermaschinen


weniger gut

Im Westen nichts Neues

Eigentlich bin ich reingefallen auf ein Synonym. Sortiermaschinen ist nämlich nur ein anderes Wort für Grenze, also die Funktion einer Grenze.
Während nämlich innerhalb eines gewissen Raumes wie Schengen die Grenzen abgebaut wurden, wird außerhalb wie bei Trump mit Mexico von neuen Mauern geträumt. Da man im Mittelmeer keine Mauern errichten kann, fängt die europäische Grenzkontrolle schon im Niger in der Oasenstadt Agadir an. Das war wir vom Buch „Türsteher Europas“ aber bereits bekannt.

Das Beste an diesem Aufsatz ist die Abbildung 2 auf S.56. Dort werden Grenzen in die fünf Kategorien „Niemandsland“, „Grenzstein“, „Kontrolliert“, „Barriere“ und „fortifizierte Grenze“ eingeteilt.
Während es das Niemandsland in Europa gar nicht gibt, sondern der Grenzstein und die kontrollierte Grenze überwiegt, kennt man in Afrika und Amerika den Grenzstein nicht. Auch hier überwiegt wie in Asien „kontrolliert“. In Asien gibt es aber eine relativ große Anzahl der letzten beiden Kategorien.


Der Rest bot nur hin und wieder Neues, so dass ich nicht mehr als 2 Sterne rausrücken will. Das Büchlein war in der Shortlist irgendeines Preises. Ich verstehe, dass es zum Gewinn nicht gereicht hat.

Bewertung vom 18.08.2022
Vati
Helfer, Monika

Vati


ausgezeichnet

beeindruckende Familiengeschichte

Endlich habe ich das letzte Buch der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2021 gelesen – in meinen Augen das beste. Das einzige Manko ist, dass es Helfers vorherigen Buch „die Bagege“ sehr ähnlich ist.

Es wird aber diesmal keine Außenseiterfamilie eines Dorfes behandelt, sondern der kriegsversehrte kluge Vater, der mit nur noch einem Bein ein Erholungsheim für Kriegsinvaliden auf einem Berg in Österreich leitet. Natürlich spielen auch die Mutter, die dem Vater die Heiratsfrage abnimmt und die Geschwister der Ich-Erzählerin eine Rolle, aber eben nur eine Nebenrolle.

Zentrales Element des Buches ist die Bibliothek des Hauses, die ein Professor für seinen Sohn eingerichtet hat, der als Mehrfachinvalide Sondergast des Heimes ist. Als die Besitzer des Heimes, ein Verein aus Tübingen, das Haus im Sommer wirtschaftlich als Hotel nutzen wollen, verschwendet die Bibliothek nur Platz und Vati muss seine geliebten Bücher evakuieren, weiß aber nicht, dass der Professor jedes einzelne Buch im Testament aufgelistet hat. Als das herauskommt und er als Dieb dasteht will er sich umbringen.

Dieses ist aber nur ein Teil des Buches, nicht erzählt habe ich von der Krebserkrankungen der Mutter und den vielen Onkel und Tanten. Das Werk endet, wie es sich für eine Biografie gehört, mit dem Tod des Vaters.

Wie ich schon anfangs sagte, hätte ich von den Büchern der Shortlist dieses den Buchpreis verliehen. Ich habe aber nichts zu sagen und so sind es „nur“ 5 Sterne.


Zitat: Wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf. (Nestroy S.77)

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2022
Bullshit Jobs
Graeber, David

Bullshit Jobs


weniger gut

Bull Shit Buch über Bull Shit Jobs

In seinem Vorwort schreibt Graeber, das Buch sei aus einem Essay entstanden, den er zum Thema Bull Shit Jobs verfasst habe und auf denen er viele Zuschriften erhalten und ausgewertet habe. Ich wünschte, ich hätte diesen Essay gelesen. Dann wären mir die über 400 Seiten erspart geblieben.

Der Autor wiederholt sich über weite Strecken. Vor allem beschreibt er erst, was in seinen empfangenen Briefen steht, um sie dann wörtlich zu zitieren.

Ganz Wissenschaftler braucht er drei Definitionen, bis er endgültig weiß, was Bull Shit Jobs sind. Und dann macht er fünf Schubladen auf, in denen er diese Jobs reinsteckt.
1. Lakaie, damit andere wichtig sind
2. Schläger, also aggressive Menschen, die von anderen angestellt werden
3. Flickschuster, die nicht existierende Probleme lösen
4. Kästchenankreuzer, die nur etwas tun, um nicht nichts zu tun.
5. Aufgabenverteiler, die nur anderen Arbeit zuweisen
Diese Unterschiede mögen zutreffen, doch wenn er dann diskutiert welcher Bull Shit Job in welche Kategorie fällt, dann frage ich mich, ob die Kategorien nicht helfen sollen einen Überblick zu schaffen, anstatt die Bull Shit Arbeit, sie noch in die Kategorie einzuteilen.

Was mich auch stört, dass der Autor bei seinen Nachfrage von sich als David spricht anstatt einfach „ich“ zu schreiben.

Etwa nach der Hälfte des Buches fängt er an über die allgemeine Arbeitswelt zu diskutieren und endet bei bedingungslosen Grundeinkommen. Ich bin ein Fan dieser Idee, doch dafür wäre ein zweites, neues Buch besser geeignet.


Nur wegen des wichtigen Themas und weil ich mit großflächigem Lesen bis zum Ende durchgehalten habe, erhält das Werk noch einen zweiten, also 2 Sterne.

Bewertung vom 05.08.2022
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


sehr gut

Nationales Denken

Schlink muss man zu Gute halten, dass er in seinem neuen Buch verschiedene Themen verbindet. Als die Leserin anfangs denkt, dass mit Kaspar aus dem Westen und Birgit, einem Flüchtling aus dem Osten, eine deutsch- deutsche Liebesbeziehung beginnt, stirbt Birgit. Aus ihrem Nachlass erfahren wir ihre Lebensgeschichte.

Und so besteht der zweite aus der Suche nach der Tochter, die im rechten Milieu in Niedersachsen lebt. Auch sie hat eine Tochter, die Enkelin. Wie sie aufwächst und im rechten Gedankengebäude lebt, ist Teil des restlichen Romans. Kaspar nimmt eine Opposition dazu ein und fragt sich, wie weit er gehen darf, ohne die Beziehung zur Enkelin ganz zu verlieren.


Leider stellt mir der Autor zu viele Fragen, die beim Lesen ohnehin intuitiv aufkommen. Und ja der erhobene Zeigefinger hat gegen Ende eine Dauererektion. Dennoch gibt es zum Schluss interessante Wendungen und auch das interessante, gut recherchierte, Thema lassen 4 Sterne völlig berechtigt erscheinen.

Bewertung vom 29.07.2022
VERNICHTEN
Houellebecq, Michel

VERNICHTEN


gut

Gewohntes vom Skandalautor

Michel Houellebecq ist wohl schon eine Marke. Kein anderer beschreibt den Sex so freizügig. Doch wer ihn nicht zum ersten Mal liest, wird sich fragen, was er Neues zu bieten hat.

Natürlich geht es auch um Politik und das Frankreich immer mehr im europäischen Abendland verkommt. Doch bleibt dies ein Nebenschauplatz, auch wenn Hauptfigur Paul 2027 französischer Präsident werden will.

Das eigentliche Thema ist die Familie, der kranke Vater, der im Krankenhaus nicht von der Schwester gepflegt werden darf, weil sich die Gewerkschaft darüber beschwert. Das führt zu Lösungen, die ich nicht spoilern, will mit Folgen, die ich nicht verraten will. Am Ende landet selbst Paul im Krankenhaus, aber auch nicht verraten.


In den letzten Jahren habe ich alle Houellebecq-Bücher gelesen, im Sommer ist es auch ganz nett, doch diesmal fehlte es sehr an Handlung. Mehr als 3 Sterne wäre übertrieben.