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sleepwalker

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Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 26.10.2020
Die Wahnsinnige
Hennig von Lange, Alexa

Die Wahnsinnige


ausgezeichnet

Mehr als ein halbes Jahrtausend ist die Geschichte von Johanna I. von Kastilien, genannt „Johanna die Wahnsinnige“ schon alt, die Alexa Hennig von Lange im gleichnamigen Buch erzählt. Aber das Buch ist keine Biografie der „Königin von Kastilien und León und der westindischen Inseln und des Festlandes am Ozean“ sondern vielmehr eine fiktive Erzählung aus einem kleinen Teil des langen Lebens der Regentin. Und ich fand die Geschichte trotz ihres Alters immer noch aktuell und konnte mich im Charakter der Hauptfigur in einigem wiederfinden.
„Das kastilische Volk ist nun nach all deinen Wutanfällen in großer Sorge, du könntest den Irrsinn deiner Großmutter geerbt haben“, sagt Philip der Schöne, Johannas Mann zu ihr. Was aber war tatsächlich der Irrsinn, an und unter dem sie litt? War sie wahnsinnig? Die Antwort auf diese Frage gibt der Roman nicht wirklich, allerdings bot er mir viel Stoff zum Nachdenken. Bislang war Johanna I. von Kastilien oder Johanna die Wahnsinnige mir völlig unbekannt. Jetzt habe ich sie als eine starke, unbeugsame Frau kennengelernt, die ihrer Zeit weit voraus war.
Sie versuchte früh, sich zu emanzipieren, ließ sich von niemandem etwas befehlen und lehnte sehr viele der damaligen Gepflogenheiten ab. „Sie war eine Frau ohne Mann. Keine Witwe. Keine unglückliche Geliebte. Auch keine Tochter, die überhaupt erst etwas wert war, wenn sie endlich von ihrer Mutter anerkannt wurde. Sie musste aufhören, auf etwas zu hoffen, das sich in ihrem Leben niemals einstellen würde: Liebe von ihrem Mann. Anerkennung von ihrer Mutter.“ – diese Sätze charakterisieren die Frau sehr gut und zeichnen ein deutliches Bild ihres Lebens. Einerseits des Strebens danach, als Mensch wahrgenommen und anerkannt zu werden. Andererseits weiß Johanna (zumindest der Buch-Charakter) aber auch genau, dass sie eben dies durch ihre Art (sie weigert sich unter anderem zu beten und zu beichten) nicht erreichen können wird. Dieser Zwiespalt ist im Buch sehr deutlich spürbar und hat mich sehr nachdenklich gemacht. Immer wieder bekam ich das Gefühl, sie sei nicht wahnsinnig, sondern wahnsinnig wütend, wahnsinnig traurig und alles in allem verzweifelt, gefangen zwischen einem Mann, den sie liebt (der sie aber immer wieder betrügt), den Kindern, die sie liebt (denen sie es aber nicht immer zeigen kann) und der Mutter, von der sie selbst immer nur geliebt, aber auch geachtet und geschätzt werden möchte.
Johanna erreichte einen Teil ihrer Ziele nur dadurch, dass sie ihre Ideale aufgab, also nicht die Welt veränderte, sondern sich selbst. Sie lebte viele Jahre nicht nur in einer Art inneren Gefangenschaft, sondern auch physisch eingekerkert. Dadurch ist das Buch weder eine Biografie noch ein historischer Roman, sondern eine sensible Betrachtung einer interessanten Frau, die aus den falschen Gründen in die Geschichte eingegangen ist – sie war nicht wahnsinnig, wenn auch vermutlich psychisch nicht ganz gesund. Die Buch-Figur Johanna und ihre Vorstellungen vom Leben passten einfach nicht in die Zeit, in der sie lebte. Für mich, ganz unabhängig von historischer Richtigkeit, ein starkes Buch, sprachlich gut und flüssig zu lesen, 5 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2020
Markus Kavka über Depeche Mode / KiWi Musikbibliothek Bd.9
Kavka, Markus

Markus Kavka über Depeche Mode / KiWi Musikbibliothek Bd.9


sehr gut

Nachdem ich schon mehrere Bücher aus der KiWi Musikbibliothek gelesen habe, habe ich mich sehr auf und über dieses Buch gefreut. Allerdings lässt es mich etwas zwiegespalten zurück. Natürlich sollen die Autoren (in diesem Fall Markus Kavka) ihre persönliche Bindung zu den Musikern/der Band beschreiben. Das gelingt ihm in diesem Fall meiner Meinung nach aber nur so semi-gut.
Für mich ist es zwar sehr interessant, mehr über Depeche Mode, vor allem über Kavkas Liebling Martin Gore, zu erfahren, aber alles in allem war es für mich ein Hauch zu viel Kavka und viel zu wenig Depeche Mode.
Dennoch: es war gut geschrieben, flüssig zu lesen, ich habe hinterher meine alten Depeche Mode CDs (ja, so alt bin ich) rausgekramt und durchgehört – für mich also eine lohnende Lektüre und dafür vergebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2020
Antonia Baum über Eminem / KiWi Musikbibliothek Bd.8
Baum, Antonia

Antonia Baum über Eminem / KiWi Musikbibliothek Bd.8


sehr gut

Antonia Baum verbindet mit Eminem zugegebenerweise mehr als mich, denn seine Musik ist nicht ganz mein Fall – seine Persönlichkeit interessiert mich da schon eher. Deshalb habe ich mich auch sehr auf die Lektüre des Buchs „Antonia Baum über Eminem“ aus der KiWi Musikbibliothek gefreut. Allerdings muss ich sagen, dass sie es nicht geschafft hat, mir die Musik wirklich näherzubringen.
Was aber auf keinen Fall heißt, dass es ein schlechtes Buch ist, denn die innere Verbundenheit der Autorin mit Musik und Künstler war spürbar und durchaus interessant. Stilistisch liest sich das Buch für mich teilweise, als könnte es aus Eminems Feder stammen. Für Eminem-Fans ist das (leider wie alle Bücher der Reihe sehr kurze) Buch sicherlich Pflichtlektüre, für die, die es werden wollen, gibt es vermutlich bessere. Schließlich ist das Buch keine Biografie, soll und will es ja auch nicht sein.
Aber alles in allem fand ich das Buch sehr gut gelungen, interessant und gut und flüssig zu lesen. Die Interpretationen von Eminems Texten und deren Aussagen sind sehr individuell und schlüssig und haben mir zum Teil eine neue Sichtweise eröffnet. Von mir daher vier Sterne.

Bewertung vom 26.10.2020
Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6
Roslund, Anders

Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6


sehr gut

Spannend, vor allem der Anfang und der Schluss – zwischendrin ein paar Längen. Ich mag Krimis und ich liebe Skandinavien – also wähnte ich mich mit „Geburtstagskind” von Anders Roslund auf der sicheren Seite. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Buch ist ein vielschichtiger Krimi, V-Männer, Waffenhandel und Hinrichtungen sind nur einige der Themen, die darin vorkommen. Wirklich viel möchte ich zum Inhalt gar nicht sagen, da wäre vermutlich jedes Wort zu viel und jeder Satz ein Spoiler. Auf jeden Fall ist eines klar: das Buch ist voller Geheimnisse. Geheimnisse um einen 17 Jahre alten Mehrfachmord, den nur ein fünfjähriges Mädchen überlebte (damals das „Geburtstagskind“), einen Einbruch (scheinbar) ohne Beute, weitere Morde und natürlich das größte Geheimnis überhaupt: wie hängt das alles zusammen? Fast auf der allerletzten Seite findet alles in einem überraschenden aber sehr stimmigen Schluss seine Auflösung. Ich fand das Buch am Anfang unglaublich gut und packend, in der Mitte etwas schwächer und dann gegen Ende, als die Kapitel rasant mit einem Countdown über 72 Stunden überschrieben sind, wiederenorm spannend. Die Charaktere hervorragend ausgearbeitet und klar und gut beschrieben. Leider fehlten mir zu Kommissar Ewert Grens ein paar Hintergrund-Informationen, vor allem bezüglich seines Privatlebens, was vermutlich im ersten Teil der Reihe erklärt wird, den ich aber nicht kenne. Allerdings kann man das Buch problemlos auch ohne Vorkenntnisse verstehen und das tat meiner Lese-Freude wenig Abbruch. Weniger gut fand ich die Übersetzung, die nahm mir zum Teil wirklich den Spaß am Lesen und sie wird der tatsächlichen Qualität des Buchs leider auch nicht gerecht (ich habe dasselbe Buch auch in der dänischen Übersetzung gelesen, die ich an manchen Stellen wesentlich treffender fand). Für mich war es dennoch ein sehr gutes und spannendes Buch und ich vergebe daher 4 Sterne.

Bewertung vom 07.10.2020
Seelen unter dem Eis
Korten, Astrid

Seelen unter dem Eis


ausgezeichnet

„Mein größter Traum ist … dass ich nie zufrieden sein werde“ – diese Aussage kennzeichnet das Leben von Tom Döbbe, dem 40jährigen Hauptcharakter in Astrid Kortens neuem Werk „Seelen unter dem Eis“. Und jetzt sitzt er im Todestrakt, wartet auf seine Hinrichtung in einer Woche, sinniert auf Anraten eines Gefängniswärters über sein Leben nach. Er bringt seine Gedanken für die Nachwelt zu Papier, „denn Geheimnisse gedeihen nicht in der kalten schwarzen Erde.“. Tom war früher der Chef einer großen und erfolgreichen Werbeagentur und Dozent für kreatives Schreiben. Jetzt ist er nur noch eines: ein Mörder. Denn seine Geliebte Amal ist tot, nach seiner Hinrichtung wird seine Frau Helen sein nicht unbeträchtliches Vermögen erben – und er hat alles verloren, sogar sein Leben. Wie es dazu kam, zeichnet er in der Todeszelle auf.
„Seelen unter dem Eis“ ist das dritte Buch von Astrid Korten, das ich gelesen habe und unterscheidet sich von ihren anderen völlig (die anderen beiden Bücher waren reine Krimis). Zwar ist überall in diesem Buch eine unterschwellige Grundspannung vorhanden, vor allem ist es aber ein unglaublich tiefes Psychogramm, die Geschichte über den Absturz eines erfolgreichen und zielstrebigen Menschen, von einem, der gerne manipuliert und die Fäden in der Hand hat. Und dann gerät er mit seiner Studentin Amal an jemanden, der ein noch besserer Puppenspieler und Manipulator ist, als er selbst. Astrid Korten schafft eine gekonnte Mischung aus dem tatsächlichen Lebenslauf ihres Hauptcharakters, seinen Gedanken und den Geschehnissen, die dann zum Tod seiner Geliebten führten. Ein Buch voller Emotion und Manipulation, das mich nachhaltig bewegt hat.
Ein Abschnitt gegen Ende verwirrte mich allerdings. „Ich betrat Wilsons Zimmer und ging zu seinem Schreibtisch. Auf der rechten Seite lag der Holzkompass, mit dem er Zirkel auf die Tafel zeichnete.“ – wie man mit einem Kompass überhaupt etwas zeichnen kann, noch dazu Zirkel, weiß ich nicht. Später schreibt die Autorin mal was über Zirkel, mal über Kompass. Da ist meiner Meinung nach wohl etwas schiefgelaufen. Aber das ist die einzige Stelle, über die ich in dem ganzen Buch gestolpert bin.
In diesem Zusammenhang darf natürlich auch der allgemeine Aspekt der Todesstrafe nicht fehlen, so schreibt die Autorin über Hinrichtungen, speziell die durch die Todesspritze, den Sinn der Todesstrafe und selbstverständlich den ethischen Aspekt. Bis auf den oben genannten für mich völlig konfusen Abschnitt ist das Buch hervorragend geschrieben und wäre, wenn das Thema an sich nicht so schwere Kost wäre, sehr leicht und flüssig zu lesen. So aber musste ich es manchmal aus der Hand legen und tief durchatmen. Ein starkes und gutes Buch über ein schwieriges und großes Thema, von mir eine absolute Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 04.10.2020
Helle und der falsche Prophet / Kommissarin Helle Jespers Bd.3
Arendt, Judith

Helle und der falsche Prophet / Kommissarin Helle Jespers Bd.3


sehr gut

Mit „Helle und der falsche Prophet“ hat Autorin Judith Arendt einen soliden Krimi abgeliefert. Obwohl es schon der dritte Teil um Kommissarin Helle Jespers von der Polizeistelle Skagen ist, konnte ich der Handlung problemlos folgen, Vorkenntnisse braucht man praktisch keine, und wenn doch, bringt einen die Autorin auf den Stand der Dinge. Die Handlung ist vielschichtig, daher möchte ich darauf nur wenig eingehen. Da ist auf der einen Seite Helle. Sie und ihr Mann Bengt leiden etwas am „Empty nest syndrome“ – die Kinder sind aus dem Haus und der Hund ist alt und hinfällig. Auf der anderen Seite sind da Nick und Jemi, die auf der Flucht sind. Unterwegs nehmen die beiden die Tramperin Merle mit. Und dann überschlagen sich die Dinge: Merle wird tot aufgefunden. Und über allem schwebt Hiob, der Chef einer obskuren Sekte.
Erst einmal vorneweg: ich fand das Buch spannend. Abgesehen von ein paar Fehlern (die Jyllands-Posten schreibt sich mit Bindestrich) und sprachlichen „Unebenheiten“ fand ich es auch sehr flüssig zu lesen („Im Waschraum öffnete er den Kaltwasserhahn und ließ sich das eiskalte Wasser über die Pulsadern laufen, so lange, bis das Schwindelgefühl und die Übelkeit einigermaßen verschwunden waren.“ Er ließ sich das Wasser höchstens über die Unterarme laufen, die Pulsadern liegen tiefer unter der Haut.). Der Spannungsbogen war sehr konstant. Nicht übermäßig hoch, ein handfester, bodenständiger Krimi eben. Ein Bisschen wie eine Fahrt auf einer Dänischen Autobahn mit Tempolimit. Die Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet, jeden stattet die Autorin mit einer Besonderheit aus. Allerdings konnte die Hauptfigur bei mir nicht wirklich punkten, ich fand Helle nicht sehr sympathisch und ihren Umgang mit anderen oft anstrengend und taktlos. Ihr Privates nimmt für meinen Geschmack auch ein bisschen viel Raum in dem Buch ein, zumal es nicht wirklich etwas zum Krimigeschehen beiträgt.
Schade fand ich auch, dass es sehr wenig Dänemarktypisches gab, höchstens die gängigen Klischees. Ja, jeder duzt jeden (dabei gibt es auch im Dänischen eine formelle Ansprache und nicht nur das „du“), die Handlung spielt an bekannten Dänischen Orten wie Skagen oder Kopenhagen – aber so grundsätzlich hätte das Buch fast überall auf der Welt spielen können. Die Geschichte an sich ist ganz sicher nicht neu und folgt dem bewährten Krimi-Rezept: Sekten von der Art der „Heiligen Flamme“ samt „Guru“ plus Liebesgeschichte, plus Leiche, plus Flucht, plus Ermittler mit eigenen Problemen gleich spannend. Der Schluss war stimmig und hat mich teilweise überrascht. Das Buch ist keine große Literatur aber gute Unterhaltung für Urlaub oder Feierabend mit nicht 100% ausgeschöpftem Potenzial und Luft nach oben. Von mir aber trotzdem 4 Sterne.

Bewertung vom 02.10.2020
Die Tinktur des Todes / Die Morde von Edinburgh Bd.1
Parry, Ambrose

Die Tinktur des Todes / Die Morde von Edinburgh Bd.1


ausgezeichnet

Will Raven wird Famulus (also so etwas wie ein Arzt-Azubi) bei Dr. Simpson, einem der bekanntesten Geburtshelfer und Ärzte in Edinburgh. Will wird nicht nur von Simpson angelernt, er lebt auch im Haushalt des Arztes, was für ihn ein Glücksfall ist, denn er ist in großen Geldnöten. Hatte er sich doch für eine befreundete Prostituierte bei Geldverleihern Geld besorgt. Die junge Frau starb – und die Geldverleiher wollen ihr Geld zurück. Will bekommt also allerhand zu tun. Er wird in die Geheimnisse der Geburtshilfe eingeweiht und macht erste Gehversuche auf dem neuen Gebiet der Anästhesie, dazu ist er auf der Flucht vor den Geldeintreibern und versucht auch noch, den Tod seiner verstorbenen Freundin aufzuklären. Auch Dr. Simpsons Zimmermädchen und „Arzthelferin“ Sarah ermittelt, denn auch sie hat eine Freundin verloren. Und bei diesen Toden bleibt es nicht – es sterben weitere Frauen.
„Die Tinktur des Todes“ von Ambrose Parry ist eine solide Mischung aus Krimi und (medizin)historischem Roman. Die Spannung ist konstant vorhanden, aber eher subtil und unterschwellig. Das Autorenduo, das sich hinter dem Namen verbirgt, schafft es hervorragend, die Stimmung des viktorianischen Edinburghs einzufangen. Sowohl die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den ärmeren (und sehr armen) Schichten und den „besseren Kreisen“ kommen zum Ausdruck, als auch die Rolle von Mann und Frau, die aufkeimende Emanzipation und der beginnende Feminismus. Und natürlich darf in einem Roman über diese Zeit auch die Religion nicht fehlen.
Manchmal bekommt man als Leser das Gefühl, die Autoren verzetteln sich etwas und packen zu viele Themen in das Buch. Aber sie schaffen es meiner Meinung nach immer wieder, den Bogen zu schlagen und verlieren nie den roten Faden. Gut, der Kriminalfall gerät manchmal ein bisschen in den Hintergrund, denn die (fiktive) Geschichte der Anästhesie ist sehr dominant vorhanden. Dennoch ist es kein Geschichtsbuch, sondern ein sehr gelungener Roman, den ich sehr gerne gelesen habe. Manche Stellen fand ich ganz besonders gelungen, so zum Beispiel „Die Natur stellt uns zahlreiche nützliche Heilmittel bereit, aber die Chemie entlockt ihnen ihre Geheimnisse“, oder die Kritik an der Homöopathie „Die Lehre, Gleiches heile Gleiches, ergibt in meinen Augen wenig Sinn“.
Die Sprache passt meiner Meinung nach ganz hervorragend in die Zeit, in der die Geschichte spielt und gibt dem Ganzen eine besondere Note, ohne es in den Kitsch abrutschen zu lassen. Die Charaktere sind sauber ausgearbeitet und bildhaft beschrieben. Von mir für den (wie es scheint) ersten Teil der Serie um Will Raven 5 Sterne, ich freue mich jetzt schon auf eine Fortsetzung.

Bewertung vom 24.09.2020
Serpentinen
Bjerg, Bov

Serpentinen


weniger gut

Bedrückende Atmosphäre. Konzept: ja, roter Faden: nein.
Vor der Lektüre von „Serpentinen“ kannte ich den Autor Bov Bjerg nicht. Da sein Buch aber teilweise auf der Schwäbischen Alb (der Heimat des Autors) spielt, Depressionen und Selbstmord in meinem Leben schon eine große Rolle gespielt haben, hat mich das Buch sehr interessiert.
Die durchgehend düstere, nebulöse und nicht-greifbare Stimmung in dem Roman fand ich gewöhnungsbedürftig. Die unterschwellige Depression und die vielen unausgesprochenen Dinge ebenfalls. Aber die größten Probleme hatte ich mit der Sprache des Autors: abgehackt, fragmentiert und alles in allem für mich eher leserunfreundlich.
Das Buch hinterließ bei mir am Ende ein ziemlich großes Fragezeichen und einen eher schalen Nachgeschmack. Die Geschichte schlängelt sich serpentinengleich in alle möglichen Richtungen, um dann irgendwann wieder am eigentlichen Thema zu landen, von wo aus der Autor dann wieder abschweift. Einen roten Faden, der mich hätte fesseln können, konnte ich keinen finden. Depressionen, Familientragödien und Selbstmord(e) sind schwierige Themen, die der Autor für meinen Geschmack nicht wirklich gut aufarbeitet. Vielleicht fehlt mir das Vorwissen aus seinem Roman „Auerhaus“, um das Werk richtig einordnen zu können. Von mir leider keine Lese-Empfehlung, 2 Sterne.

Bewertung vom 23.09.2020
White Sleep - Unschuldig in den Tod / Holly Wakefield Bd.2
Griffin, Mark

White Sleep - Unschuldig in den Tod / Holly Wakefield Bd.2


ausgezeichnet

„Die Hölle selbst kann nicht so wüten wie ein verschmähter Soziopath.“ Dieser Satz fasst „White Sleep – Unschuldig in den Tod“ von Mark Griffin perfekt zusammen. Ausgehend von einem toten Jungen, der in einem Londoner Park gefunden wird, ermittelt das Duo aus DI William Bishop und der Profilerin Holly Wakefield. Die beiden waren mir aus dem ersten Teil „Dark Call“ schon bekannt. Und natürlich bleibt es nicht bei einem verschwundenen und getöteten Jungen, mehr möchte ich zur Geschichte an sich aber gar nicht verraten.
Nachdem ich den Vorgängerband schon kannte, habe ich mich sehr auf das Buch gefreut und ich wurde nicht enttäuscht. Aber dieses Buch kann man auf jeden Fall auch problemlos lesen, ohne Teil 1 zu kennen, die wenigen Kenntnisse, die man (mehr oder weniger) braucht, bekommt man im Laufe der Geschichte mit. Ich fand das Buch von der ersten Seite an spannend und gut geschrieben. Die beiden verschiedenen Handlungsstränge aus Ermittler- und Täterseite machten die Geschichte interessant und luden zum Knobeln und Mit-Ermitteln ein. Vor allem, dass der Täter generell nur als „der Mann“ bezeichnet wird, steigerte bei mir die Spannung enorm.
Die Charaktere sind bildhaft gezeichnet und ich fand sowohl Holly als auch DI Bishop wieder gelungen beschrieben und in all ihren Eigenheiten und Eigenarten sympathisch und authentisch. Auch der psychopatische aber extrem schlaue Täter ist gut beschrieben. Der Schreibstil des Autors ist flüssig und gut zu lesen, auch die Übersetzung ist sehr gelungen. Einzig die Stelle „Ein Anruf aus dem Krankenhaus – eine kurze Mitteilung, dass alles so weit in Ordnung sei und in ihrem Blut bislang weder HIV- noch Hepatitis-C-Antikörper festgestellt wurden“ – die Blutuntersuchung fand etwa vier Stunden nach Hollys Kontakt mit einer Spritze statt. Natürlich gibt es da noch keine Antikörper, bis die feststellbar sind, vergehen Wochen. Der Spannungsbogen war für mich fast konstant hoch, in der Mitte sind ein paar eher unspannende Längen, aber das wird durch ein extrem rasantes Finale mit einem eher überraschenden (aber durchaus schlüssigen) Schluss wieder wettgemacht. Alles in allem hat Mark Griffin mit dem Buch einen würdigen Nachfolger zum ersten Teil abgeliefert, den ich nur allzu gern weiterempfehle. Von mir daher 5 Sterne.

Bewertung vom 22.09.2020
Kunst und Verbrechen (eBook, ePUB)
Koldehoff, Stefan; Timm, Tobias

Kunst und Verbrechen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Kunst und Verbrechen“ von Stefan Koldehoff und Tobias Timm ist ein interessantes Buch, sowohl über die Welt der Kunst, als auch über die Welt der Kunstfälschung und der Kunstdiebstähle. Was treibt Menschen an, Kunst zu stehlen, zu fälschen und gefälschte Kunst zu verkaufen und zu kaufen? Das Autorenduo geht diesen Fragen anhand von Beispielen nach.
Museumsdiebstähle (der Raub zweier Gemälde aus dem Munch-Museum in Oslo 2004, der Diebstahl der Mona Lisa Anfang des 20. Jahrhunderts oder der der 100-kg-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017) nennen die Verfasser ebenso, wie bekannte Fälschungen von Gemälden, Büchern oder Drucken und das Problem mit gefälschten Provenienzen. Insgesamt ist das Buch sehr facetten- und detailreich, manchmal spannend wie ein Krimi geschrieben, manchmal etwas trocken und spröde. Eine gute Mischung aus Hintergrundwissen und „true crime“-Geschichten.
Alles in allem scheint der Kunstmarkt zwar integer zu sein, aber schwarze Schafe gibt es immer. Natürlich sind letztere wesentlich interessanter für die breite Öffentlichkeit. Der Wert von Kunstwerken wird dadurch bestimmt, was jemand bereit ist, für sie zu bezahlen – und das sind teilweise unfassbar hohe Summen (250 Millionen Dollar für Paul Cézannes „Die Kartenspieler“, 300 Millionen Dollar für Paul Gauguins Bild „Nafea Faa Ipoipo“ (auf Deutsch: Wann heiratest du?) oder 450 Millionen Dollar für das Leonardo da Vinci zugeschriebene Christusbild „Salvator Mundi“, obwohl bei letzterem die Echtheit bis heute nicht bestätigt ist). Kritisch beleuchtet wird von den Autoren nicht nur die Räuber- und Fälscherseite im Kunsthandel, sondern selbstverständlich auch die Rolle der Auftraggeber, seien dies nun Diktatoren oder neureiche Industrielle, wobei man am Verdacht der Geldwäsche in diesem Zusammenhang nicht vorbeikommt.
Stilistisch ist das Buch trotz der eher journalistisch-deskriptiven Schreibe gut und flüssig zu lesen, es ist sauber und gründlich recherchiert und die Aufbereitung des Themas ist den Autoren sehr gut gelungen. Natürlich kommt man bei einem Buch dieser Art nicht ohne Fachbegriffe aus, daher ist es vermutlich eher für den interessierten und vorgebildeten Leser gedacht und geeignet. Ohne gewisse Vorkenntnisse (oder den Willen, selbst Fachbegriffe und „Insiderwissen“ zu recherchieren) wird man an diesem Buch wenig Freude haben. Da ich in der Oberstufe einen sehr guten Kunstlehrer hatte, sind mir die meisten Begriffe geläufig gewesen, ebenso hatte er damals schon mein Interesse an Kunst geweckt. Daher fand ich das Buch extrem interessant, teils sogar spannend und auf jeden Fall lesenswert. Von mir 5 Sterne.