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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2017
Die Töchter des Roten Flusses
Rösler, Beate

Die Töchter des Roten Flusses


gut

Tuyet wächst bei ihrem vietnamesischen Vater und ihrer deutschen Stiefmutter in Frankfurt auf, studiert Jura und ist eine erfolgreiche Anwältin. An ihre richtige Mutter und ihre große Schwester, die Deutschland verlassen haben, als sie noch sehr klein war, erinnert sie sich kaum und hat sich mit ihrem Leben arrangiert. Als ihre Stiefmutter jedoch an Krebs stirbt, hinterlässt sie Tuyet Briefe ihrer Mutter, die ein ganz neues Licht auf ihre Kindheit werfen. Tuyet versucht herauszufinden, was es mit ihrer leiblichen Mutter wirklich auf sich hat und warum sie sie damals in Deutschland zurückgelassen hat.
Beate Rösler hat mit „Die Töchter des Roten Flusses“ einen klassischen Roman über eine junge Frau geschrieben, die sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit macht. Tuyet ist dabei nicht immer nur sympathisch, sie ist unsicher, mit ihrem Leben unzufrieden und schlägt dabei manchmal wütend um sich, was besonders ihr Freund abbekommt. In Vietnam trifft sie schnell auf Menschen, die ihr helfen und sie mögen, was die Geschichte zügig vorantreibt und auch gut lesbar macht. Teilweise waren mir die Zufälle, die sie zu ihrem Ziel führen dann doch zu abwegig, damit die Geschichte noch glaubwürdig bleibt und die Charaktere abgesehen von Tuyet zu einseitig. Alle sind gute oder schlechte Menschen, was mich beim Lesen ein bisschen gestört hat, die Facetten in den Charakteren gehen mir zu sehr verloren. Die Story ist in sich aber recht schlüssig und der Schreibstil lässt sich gut lesen, so dass die Lektüre angenehm zügig dahinfließt.
Die Geschichte zu „Die Töchter des Roten Flusses“ ist nicht gerade neu, aber die Story ist schön umgesetzt und besonders die Bezüge zur Situation der Vietnamesen in der DDR fand ich sehr interessant. Alles in allem ein gut lesbares Buch, flüssig geschrieben und mit einer guten Hauptfigur.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2017
Nussschale
McEwan, Ian

Nussschale


ausgezeichnet

Ian McEwan schafft in seinem Roman „Nussschale“ einen ganz besonderen Erzähler. Ein ungeborenes Baby, zwei Wochen vor dem Geburtstermin, berichtet von seinen Beobachtungen. Und was es erlebt, ist wahrlich shakespearscher Stoff, seine Mutter verlässt seinen Vater um mit dessen Bruder zu leben. Ein perfider Mord wird vom Bruder geplant, um den lästigen Ehemann loszuwerden und ganz wie in „Hamlet“ die Witwe zur Frau zu nehmen. Ob und wie das ungeborene Kind auch die Rache ausführt, um Mutter und Onkel in den Untergang zu stürzen, sollte jedoch jeder Leser selbst herausfinden.
Der Autor hat mit seinem Roman eine außergewöhnliche und wie ich finde ungeheuer spannende Idee umgesetzt, indem er als Erzähler keinen Außenstehenden oder eine der handelnden Personen auswählt, sondern das Baby im Bauch seiner Mutter. Es ist wie ein unsichtbarer Beobachter und dennoch Beteiligter, ein Schachzug, der Ian McEwan großartig gelungen ist. Denn Mutter und Onkel nehmen die Schwangerschaft kaum war, das kommende Kind ist nur ein störender Faktor in ihrer Planung und soll möglichst schnell weggegeben werden. Der ausgiebige Alkoholkonsum der Mutter und das Essverhalten wirken, als wollte sie sich schon vor der Geburt an dem Kind für seine bloße Existenz rächen. Doch das Baby hört alles, versteht die Gespräche und berichtet dem Leser von allem, was geschieht und geplant wird. Das ist höchst unterhaltsam, manchmal spannend und witzig zugleich. Trotz der offensichtlichen Existenz eines umfangreichen Babybauchs ist es, als wäre er unsichtbar, nicht-existenz und vor allem irrelevant für alle weiteren Entscheidungen.
Mich hat Ian McEwans Roman „Nusschale“ einfach begeistert, er setzt ein bekanntes Thema so kreativ und einzigartig um, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann.

Bewertung vom 16.01.2017
Die Perlenfrauen
Agnew, Katie

Die Perlenfrauen


ausgezeichnet

Sophia ist die Enkelin der berühmten Schauspielerin Tilly Beaumont und macht sonst eher als Partygirl in der Londoner High Society von sich reden. Der Kontakt zu den Eltern ist deswegen abgerissen, ihre gefühlte große Liebe hat sie verlassen. Da nimmt ihre Großmutter aus dem Krankenhaus Kontakt zu ihr auf, sie soll die verschwundene Perlenkette wiederfinden, die Tilly einst von ihrem Vater zum Geburtstag bekam. Die Perlen bedeuten alles für die sterbende Frau und so lässt Sophia sich überreden, sich auf die Suche zu machen. Gleichzeitig beginnt damit die Lüftung des einen oder anderen Familiengeheimnisses.
Katie Agnew hat mit „Die Perlenfrauen“ einen sehr warmherzigen und gleichzeitig spannenden Roman über drei Generationen von Frauen und ihre Schicksale geschrieben. Man erfährt gleich zu Anfang viel über das Leben von Tilly Beaumont und ihrer Enkelin Sophia, doch nur Stück für Stück schließt sich die Kette und es wird klar, welche Rolle das Leben von Sophias Mutter Alice für die ganze Geschichte spielt. Die Vergangenheit der Perlen führt die Leser dabei bis ins Japan der 20er bis 40er Jahre ebenso wie nach New York in der Gegenwart, wo sowohl sympathische als auch abscheuliche Figuren auf sie warten. Trotz ihrer Widersprüchlichkeiten hat die Autorin mit Sophia und Tilly zwei sympathische Hauptfiguren geschaffen, die einem ans Herz wachsen. Bei den Charakteren muss besonders Sophias bester Freund Hugo herausgehoben werden, der zunächst wie ein langweiliger Partyboy wirkt, sich aber als wirklicher Freund herausstellt, der nur das Beste für seine Mitmenschen will und Sophia hilft, wo er kann. Das fand ich besonders sympathisch, hat die beiden bisher doch eher ihr oberflächliches Leben verbunden.
„Die Perlenfrauen“ von Katie Agnew ist ein wunderbares, liebevoll geschriebenes Buch, das einen vollständig in eine andere Welt eintauchen lässt. Mich hat es beim Lesen einfach begeistert und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen.

Bewertung vom 12.01.2017
Das Haus in der Nebelgasse
Goga, Susanne

Das Haus in der Nebelgasse


sehr gut

London im Jahr 1900: Die junge Lehrerin Mathilda Gray unterrichtet an einer Mädchenschule und versucht, ihren Schülerinnen mehr beizubringen, als brave Ehefrauen zu werden. Sie möchte, dass die Mädchen ihren Weg gehen und eigene Entscheidungen treffen. Als die begabteste Schülerin nach den Sommerferien plötzlich nicht an die Schule zurückkehrt und ihr dann noch einen verschlüsselten Hinweis auf einer Postkarte aus Italien schickt, macht Mathilda sich daran, das Geheimnis um die junge Laura und ihren attraktiven Vormund, der sie aus der Schule genommen hat, zu lösen. Was hat es mit dem Kästchen auf sich, dass Laura in ihrem Zimmer in der Schule versteckt hatte und das schon über 200 Jahre ein Geheimnis zu verbergen scheint?
Susanne Goga hat mit „Das Haus in der Nebelgasse“ einen äußerst spannenden und gut recherchierten historischen Roman vorgelegt. Mit der jungen Mathilda Gray und dem Universitätsprofessor Flemming, der ihr hilft, sind ihr zwei sehr sympathische Hauptfiguren gelungen, die einen als Leser bewegen und auf eine spannende Reise mitnehmen. Besonders gut gefallen hat mir auch Mathildas Vermieterin, eine starke und eigensinnige Frau, die ihr Geld mit dem Schreiben von Groschenromanen verdient und die Leser immer wieder an ihren Ideen teilhaben lässt. Man muss diese Frau einfach mögen, etwas anderes macht einem die Autorin fast unmöglich.
Sehr spannend ist zudem, wie Goga dem Wissenschaftler Flemming immer wieder Details zur Vergangenheit Londons in den Mund legt und die die Geschichte so noch anschaulicher macht. Die Suche nach dem Geheimnis steht dabei die ganze Zeit im Mittelpunkt, es gibt keine unnötigen Nebenhandlungen, die von der Story ablenken, alles ist sehr fokussiert, was ein sehr fließendes Lesevergnügen garantiert.
Mir hat Susanne Gogas Roman „Das Haus in der Nebelgasse“ ausgesprochen gut gefallen, er ist sehr gut recherchiert und bringt einem viele spannende Details zur Geschichte Londons näher. Dabei sind die Hauptfiguren sehr gut beschrieben und nehmen den Leser mit in ihre Geschichte. Von mir gibt es eine Empfehlung für diesen Roman, es lohnt sich auf jeden Fall ihn zu lesen.

Bewertung vom 11.01.2017
Das Strunz-Low-Carb-Kochbuch
Strunz, Ulrich

Das Strunz-Low-Carb-Kochbuch


sehr gut

Der Trend „Low Carb“ lässt nicht nach und Dr. Strunz ist inzwischen ein bekannter Name für dieses Thema. In seinem neuen Buch wird noch einmal kurzweilig erklärt, worum es bei Low Carb geht, wie gesunde Ernährungsalternativen aussehen können und es gibt gleich zahlreiche Rezepte mit an die Hand, die Lust aufs Ausprobieren machen.
Besonders positiv fällt als erstes die graphische Gestaltung auf, das Buch vermittelt sehr modern und farbenfroh das Basiswissen zu gesunder Ernährung. So kommt gar nicht erst das Gefühl auf, sich jetzt mit langweiligen wissenschaftlichen Fakten beschäftigen zu müssen und die Umsetzung im Informationsteil ist dann auch sehr einfach nachvollziehbar, trotzdem bekommt man alle wichtigen Informationen.
Der Kochbuchteil ist auch sehr schön gestaltet, die Gerichte auf den Fotos sehen alle sehr ansprechend aus und die von mir ausprobierten Rezepte waren auch alle sehr lecker und einfach zuzubereiten. Ich hätte mir lediglich gewünscht, dass mit einem Logo gleich deutlich gemacht wird, welche Rezepte vegetarisch oder vegan sind. Man braucht selten ausgefallene Zutaten, die danach im Vorratsschrank verschwinden und nie wieder gebraucht werden, was ich sehr positiv finde. Mein einziger Kritikpunkt ist, und das ist vielleicht ein sehr persönliches Empfinden, das Empfehlen von Eiweißpulver für die Ernährung. Ein Buch, dass für sich in Anspruch nimmt, gesunde Ernährung zu vermitteln, sollte hierfür nicht künstliche Zusatzstoffe bewerben, sondern Gerichte empfehlen, die dem Körper die benötigten Stoffe geben, ohne künstlich ergänzen zu müssen.
Zusammenfassend ist „Das Strunz-Low-Carb-Kochbuch“ ein interessantes Buch mit tollen Rezepten für alle, die sich für gesunde Ernährung interessieren und Rezepte suchen, für die man nicht den ganzen Tag in der Küche verbringen muss. Besonders die Suppenrezepte haben mir sehr gut gefallen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.01.2017
Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2
Ferrante, Elena

Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2


ausgezeichnet

Die Geschichte von Lenù und Lila geht weiter. Während im ersten Buch noch ihre Kinder- und Jugendjahre im Mittelpunkt standen, sind sie jetzt eindeutig erwachsen geworden. Doch die Entfernung der beiden, die sich schon angedeutet hatte, wird mit dem Alter immer tiefgreifender. Die Ehe, in die Lila sich gestürzt hat, ist keineswegs glücklich und so versucht sie immer wieder, aus der Enge der Beziehung auszubrechen, Grenzen zu überschreiten und Freiräume zu schaffen. Das bringt ihren Mann nur immer mehr gegen sie auf, was Lenù ängstlich zur Kenntnis nimmt, ohne einschreiten zu können. Sie hat ein völlig anderes Leben, geht zum Gymnasium und macht ihr Abitur, aber verliebt sich auch und testet sich aus. Der Wettkampf der beiden geht trotz der Freundschaft weiter und dabei geht es dieses unter anderem auch um einen Mann im Leben der Freundinnen.
Elena Ferrante beschreibt in „Die Geschichte eines neuen Namens“ das Leben im Süditalien der 60er Jahre und stellt der fleißigen, strebsamen Schülerin Lenù mit Lila einen regelrechten Gegenentwurf gegenüber, der sie ständig ermahnt, fleißig zu sein und ein anders Leben zu erreichen. Gleichzeitig bleibt Lila der Fixpunkt für sie, der sie unweigerlich anzieht und auch immer in den Rione zurückzieht. Selbst in Zeiten, in denen sie ihr aus dem Weg geht und die beiden nicht miteinander sprechen, kann sie den ständigen Vergleich mit Lila nicht fallen lassen und misst alle ihre Handlungen an Lilas möglichen Urteil. Gleichzeitig muss diese in ihrer Ehe einen großen Kampf auskämpfen und sucht einen neuen Platz im Leben. Diese Geschichten erzählt Ferrante so aufrichtig und nah, dass man als Leser jede Distanz zu den Figuren verliert und sich fast in der Geschichte aufzulösen droht. Man fühlt mit ihnen, lebt mit ihnen und gleichzeitig sind ihre Leben so weit weg von der Welt, in der wir heute leben. Nur 50 Jahre trennen uns voneinander, doch Lenù und Lila zeigen uns, was heute für alle Frauen möglich ist und wieviel junge Frauen wie sie für uns heute erkämpft haben.
Nachdem ich den ersten Band „Meine geniale Freundin“ noch mit einer leichten Skepsis gelesen habe, hat mich jetzt auch endlich das Ferrante Fever gepackt. Dieses Buch ist ein großartiges Portrait einer Freundschaft und einer ganzen Epoche. Es bleibt am Ende sehr spannend, wie das Leben der beiden im dritten Band weitergeht, der zum Glück schon im Mai 2017 erscheint.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2017
Cheers
Suter, Martin

Cheers


ausgezeichnet

Menschen sind seltsam und irgendwie berechenbar. So jedenfalls stellt es sich in Martin Suters Kolumnenband „Cheers. Feiern mit der Business Class“ dar. Hier berichtet er von misslungenen Weihnachtsfeiern, feucht-fröhlichen Affären und Bürotratsch, aber genauso von Karriereplänen und Aufstiegswünschen, die die Menschen zu den absurdesten Verhaltensweisen treiben.
All diese Geschichten beschreibt Suter mit einem unglaublichen psychologischen Feingefühl und einer Beobachtungsgabe für die menschlichen Verhaltensweisen, die dazu führen, dass auch der Leser sich das ein oder andere Mal ertappt fühlt. Hatte man nicht selbst auch schon mal so gedacht? Und wie absurd wirkt all das, wenn Suter es in Worte fasst und uns vorführt, wie die Menschen sich auf der Karriereleiter selber vorführen. Manche Geschichten erstrecken sich über mehrere Kolumnen, andere sind nur zwei Seiten lang und beide Varianten unterhalten einen beim Lesen ungemein. Suter durchschaut seine Figuren, dennoch hat man nie das Gefühl, dass er sie der Lächerlichkeit preisgibt, im Kleinen gibt er ihnen doch immer die Möglichkeit wieder in der Masse unterzutauchen und weiterzumachen, nachdem er sie für eine kurze Episode auf ein Podest gehoben hatte.
Martin Suters Kolumnensammlung „Cheers“ ist lustig, zynisch und mitreißend zugleich und eine sehr empfehlenswerte Lektüre über die Psychologie der Menschen und ihr Verhalten, wenn Arbeit und Privates plötzlich aufeinandertreffen.

Bewertung vom 05.01.2017
Das Land der roten Sonne
Verna, Harmony

Das Land der roten Sonne


gut

Australien Ende des 19. Jahrhunderts: Leonora und James wachsen beide in einem Waisenhaus auf, in der liebenden Obhut eines Priesters, der nur das Beste für seine Schützlinge will. Dennoch kann er nicht verhindern, dass die beiden auseinandergerissen werden. Leonora wächst den Rest ihrer Kinder-und Jugendjahre in den USA auf, wo sie einen wohlhabenden Minenbesitzer heiratet. James bleibt in Australien und versucht, sich als Farmer durchzuschlagen. Doch vergessen konnten sie einander nie und als sie erwachsen sind, stellt sich für sie die Frage, was sie bereits sind zu opfern, um zusammen sein zu können.
Harmony Vernas Roman „Das Land der roten Sonne“ ist ein teilweise etwas kitschiger, aber in sich runder und gut lesbarer Roman. Leider bietet er wenig Überraschendes und die Story ist recht vorhersehbar, das hat mich etwas enttäuscht. Doch die Geschichte lässt sich gut lesen, die Charaktere sind zwar etwas flach, aber man kann mit dem Hauptfiguren mitfühlen und nimmt an ihrer Geschichte Anteil. Der Schreibstil ist sehr flüssig, was eine unkomplizierte Lektüre ermöglicht.
Mir hat „Das Land der roten Sonne“ ganz gut gefallen, auch wenn ich es etwas zu einfach gestrickt fand. Auch auf die Figuren hätte man mehr Mühe verwenden können, sie bleiben sehr grob und eher klischeehafte Hüllen als echte Charaktere. Dennoch lohnt sich der Roman für alle, die auf der Suche nach einem leichten Liebesroman vor schöner Kulisse sind.

Bewertung vom 03.01.2017
Die Frau auf der Treppe
Schlink, Bernhard

Die Frau auf der Treppe


sehr gut

Auf Geschäftsreise in Australien entdeckt ein deutscher Rechtsanwalt im Museum ein Bild wieder, das vor Jahrzehnten sein Leben veränderte, „Die Frau auf der Treppe“. Eben in diese Frau hatte er sich damals verliebt, wurde jedoch, wie auch ihr Ehemann und der Maler selbst, von ihr betrogen und benutzt. Jetzt treffen die vier nach langer Zeit wieder aufeinander und wieder beginnt ein ungleicher Kampf um die Aufmerksamkeit der portraitierten Frau.
Bernhard Schlink beschreibt in seinem Roman „Die Frau auf der Treppe“ den Wunsch nach einer Illusion. Nach Jahren wird die Hauptfigur wieder beherrscht vom Gedanken des „Was wäre wenn“, wenn er damals nicht auf die Frau hereingefallen wäre, wenn es doch funktioniert hätte, wenn sie beide einfach jemand anders gewesen wären. Das Bild ist dabei für ihn wie auch für die beiden anderen Männern ein Fixpunkt, der sie nicht loslässt. Von Irene, der Frau auf dem Bild, wie in Köder im Museum aufgehängt, kommen ihre Opfer brav herangeflogen und müssen, wie schon Jahre zuvor, wieder ihr Spielchen spielen. Sie hat die Macht und die Fäden in der Hand. Dies zu beobachten ist für den Leser äußerst spannend, kann er doch sein voyeuristisches Bedürfnis befriedigen und wie durch ein kleines Schlüsselloch in der Tür dabei zusehen, wie sich die älteren Herren lächerlich machen und mit sich spielen lassen. Doch während zwei schnell die Reißleine ziehen, bleibt einer bei Irene zurück. Ob er es doch noch schafft, sich in eine gleichberechtigte Position zu begeben oder weiter nur wie eine Marionette an langen Seilen agiert, müssen die Leser selbst herausfinden.
„Die Frau auf der Treppe“ von Bernhard Schlink hat mir außerordentlich gut gefallen, es ist zugleich amüsant und ernsthaft und zeigt uns, wie schnell ein Mensch sich, ob aus finanziellen oder emotionalen Gründen, selbst zum Spielball von Anderen macht. Man merkt dem Autor eine große Faszination von Menschen und ihren Abgründen an und eben das macht auch die Lektüre zu unterhaltsam. Daher kann ich diesen Roman nur allen weiterempfehlen, die Beobachter spielen und einen Blick durch dieses Schlüsselloch werfen wollen.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.12.2016
Augustus
Williams, John

Augustus


sehr gut

Als Julius Cäsar 44 v. Chr. ermordet wird, ist Gaius Octavius noch ein junger Mann und ein fast unbekannter Neffe des berühmten Julius Cäsar. Doch nach dessen Tod macht er sich auf den Weg aus Appollonia, wo er zur Ausbildung war, nach Rom, um dessen Erbe anzutreten. Bis er zum berühmten Kaiser Augustus werden soll, liegt da noch ein langer Weg vor ihm, der ihn auf viele Menschen treffen lässt, Freunde genauso wie Feinde.
John Williams beschreibt in seinem Roman „Augustus“ das Leben dieser faszinierenden Persönlichkeit nicht als fortlaufende Erzählung, sondern in Briefen und Tagebucheinträgen von Menschen, die ihn kennen oder von ihm gehört haben. Durch diese Berichte erfährt der Leser viel über Augustus, jedoch ausschließlich von Außen und nicht von Augustus selbst. Doch die völlig unterschiedliche Darstellung von Familie, Freunden und Feinden in diesen fiktiven Dokumenten zeigt sehr gut die Streitbarkeit und Widersprüchlichkeit der Figur des Kaiser Augustus. Und gleichzeitig macht dieser Stil das Besondere an diesem Roman aus, man möchte die Hauptfigur Augustus die ganze Zeit genauer fassen, doch bleibt er in den Dokumenten eben immer nur aus Sicht der anderen im Mittelpunkt. Erst ganz am Schluss lässt Williams Augustus zu Wort kommen und vieles noch einmal aus seiner Sicht zusammenfassen. Dies rundet den Roman perfekt ab und als Leser bleibt man so bis zum Schluss gefesselt bei der Lektüre.
Mir hat „Augustus“ von John Williams ausgesprochen gut gefallen, besonders die Idee, einen historischen Stoff als Briefroman mit fiktiven Dokumenten zu schaffen, fand ich großartig. Wer sich für tiefer gehende und ernsthafte historische Roman interessiert, ist bei John Williams Roman „Augustus“ garantiert an der richtigen Adresse.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.