Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
nil_liest
Wohnort: 
Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 726 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2022
Jans Weg
Danielewicz, Dorota

Jans Weg


ausgezeichnet

Kein Mitleid – nur die ungeschminkte Wahrheit

Dorota Danielewicz ist eine bekannte Journalistin des RBB, viele Jahre war sie dort als Rundfunkjournalistin tätig. Jans Weg ist nicht ihr erstes Buch, aber sicherlich das persönlichste. Die Autorin gibt uns einen sehr intimen Einblick in ihr Privatleben, was es heißt Mutter eines behinderten Kindes zu sein. Es immer zu bleiben. Denn Jan, ihr Sohn, der 1993 geboren wurde, leidet an einer seltenen Stoffwechselkrankheit, der Galaktosialidose (auch Goldberg-Syndrom genannt). Eine Krankheit, die das Nervensystem angreift und somit stark in die Motorik eingreift und vieles mehr. Jan spricht nicht mehr und ist so gut wie Bewegungsunfähig.
Das Buch ist intensiv, aber verdaubar. Doroa Danielewicz verabreicht uns ihren Alltag, ihre Lasten und Themen Häppchenweise in sehr kurzen Kapiteln auf knapp 200 Seiten. Sie zieht den Vorhang der zur Seite und lässt uns hinein um zu beobachten, um zu verstehen und zu reflektieren. Sie ist nicht auf Mitleid aus, ganz und gar nicht, aber sie möchte Transparenz schaffen was es heißt Elternteil eines Kindes zu sein, dass nie selbstständig sein wird, dass immer auf Hilfe angewiesen ist und um das sich all die Sorgen drehen. Sie transportiert all die Emotionen, die mit dem Leben einhergehen, die Herausforderungen, die sie an ihre Grenzen bringt.
Die Lektüre ist keine leichte und sie hallt nach. Ein wichtiger Text der uns demütig stimmen sollte, wie gut es einem geht, wenn der eigene Körper und der unsere Liebsten gesund ist. Ein gut geschriebener Text, der uns abholt, einlädt und mitnimmt. Ein Text, der würdigt wie viel Mut und Kraft es braucht sich so aufopfernd zum einen Menschen zu kümmern.
Fazit: Ein Buch das die eigenen Prioritäten in Frage stellt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2022
Taube und Wildente
Mosebach, Martin

Taube und Wildente


sehr gut

Ein ironischer Abstieg der gehobenen Bürgerlichkeit

Ein Roman der wahrlich sprachlich formvollendet ist. Ein Werk, dass Freude bereitet beim Lesen der Formulierung. Der Inhalt fast zweitrangig, wenn man Martin Mosebach zur Hand nimmt. Was er gut macht sind Charaktere zu formulieren, sie lebendig werden zu lassen und dann in einem gesellschaftlichen Rahmen zu drapieren. Das macht er exzellent. Nur das große Ganze des Romans ist an der ein und anderen Stelle verzogen Aber das ist zu vernachlässigen, denn es ist eine Freude hier der Oberschicht beim Fallen zuzuschauen. Das deutsche Wort Schadenfreude passt äußerst trefflich.
Wir lernen die Erbin Majorie kennen, deren Vater De Kesel noch aus Kolonialzeiten viel Geld mit einem kongolesischen Bergwerk verdiente. Daraus ergab sich für sie ein sehr komfortables Leben mit Sommerresidenz in der Provence und einer Winterwohnung in Frankfurt am Main. Ihr Ehemann Ruprecht Dalandt genießt auch das Leben, aber wie seine Frau eher außerhalb der Ehe. Das Personal, wird unsäglich behandelt. Eine Szenerie an der ich nicht teilhaben wollen würde. An allen Ecken und Enden kracht es im moralischen Gebälk dieses Romans.
Es sei nur so viel verraten, dass Geld und Wohlstand endlich sind für diese reiche Familie und das Gemälde von Otto Schloderer „Taube und Wildente“ hier eine Schlüsselrolle einnimmt. Ohnehin ist der Roman gefüllt mit Kunstverstand.
Fazit: Ein Abstieg der oberen 10,000 herrlich beschrieben und literarisch umgesetzt.

Bewertung vom 18.12.2022
Du bist ein Gott, der mich sieht
Greim, Ulrike;Schneider, Andrea;Petzoldt, Tobias

Du bist ein Gott, der mich sieht


ausgezeichnet

Die Jahreslosung 2023

Wenn der Alltag vorbei rauscht und wenig Zeit bleibt um sich zu zentrieren, dann hilft auch schon mal der Griff zu Texten, die einen ruhen lassen, zur Ruhe kommen lassen und in denen man neue Kraft schöpft. Genau dafür konnte ich mit das schmale Bändchen ‚Du bist ein Gott, der mich sieht‘ aus dem edition chrismon Verlag nutzen. Es ist die Jahreslosung 2023, die drei sehr unterschiedliche Auto:innen in verschiedensten Texten erörtert und erspürt haben. Nicht ohne Grund steht als zweite Überschrift: Worte und Gedanken für ein ganzes Jahr.
Zum Auftakt ist die Bibelpassage von Hagar und Ismael (Genesis 16) abgedruckt in dem die Jahreslosung enthalten ist. Dann folgen kurze Texte, wie Briefe, Gedichte, Anekdoten, Gedanken und vieles andere von den drei Autor:innen: Ulrike Greim, Tobias Petzoldt und Andrea Schneider. Wirklich sehr kurzweilig und immer wieder zur Hand nehmbar, kein Band den man von Anfang bis Ende liest, das geht kreuz und quer, oft oder selten. Alles geht, nichts muss. Die Themenfelder erstrecken sich über eine bunte Auswahl die mit der Jahreslosung verbunden sind, wie „Sehnsüchte spüren“, das Herz öffnen, Nicht aufgeben, Unmögliches wagen, Du bist wertvoll, Auswege finden und verschiedene mehr.
Mich spricht dieses Buch auch noch an, weil es so wunderbar gut gestaltet und illustriert ist von Franziska Marielle Schatz. Wirklich eine wahre Freude hier in den Bildern zu versinken.
Fazit: Traut euch hier mal einen Blick hineinzuwerfen – es lohnt.

Bewertung vom 16.12.2022
Begegnungen mit Euklid - Wie die 'Elemente' die Welt veränderten
Wardhaugh, Benjamin

Begegnungen mit Euklid - Wie die 'Elemente' die Welt veränderten


ausgezeichnet

Nerdy, aber spannend

„Seit dreiundzwanzig Jahrhunderten verändern die Elemente die Welt.“ (S.9)
Wer Mathematikunterricht nicht als Belastung ansieht oder sah, gar Spaß am Rechnen und sauberen definieren hat, der wird schon so manches Mal über Euklid gestolpert sein. Der griechische Mathematiker hat im 3. Jahrhundert vor Christus mit „Elemente“ eine fast formvollendete Abhandlung über die Arithmetik und Geometrie geschrieben. Das Erstaunliche ist die Herangehensweise wie exakt er definierte. Dieses Buch war ungelogen knapp 2000 Jahre lang ein globaler Megaseller (vor allem nachdem es gedruckt werden konnte) und in der wissenschaftlichen Szene ist es unangefochten das Urprinzip des Definierens, Postulierens und Herleitung von Axiomen für die Mathematik und andere Fachbereiche.
Benjamin Wardhaugh hat mit „Begegnungen mit Euklid“ seine Begeisterung für die alte Schrift in Worte gefasst. Wer eine staubige Abhandlung über einen zu alten Text erwartet, wird enttäuscht. Der Brite Benjamin Wardhaugh studierte unter anderem Mathematik in Cambridge und lehrt mittlerweile in Oxford. Dem Buch merkt man die Faszination an, die er Euklid entgegenbringt.
Es wird nicht nur mathematisches erläutert, sondern auch die historischen Umstände und Orte der damaligen Zeit, wenn er uns Bagdad in Szene setzt oder wie Euklid aus welchen Umständen wo landet . Wardhaugh setzt damalige Gegebenheiten ins Verhältnis, wenn er zum Beispiel erläutert, dass die ohnehin schon spezielle Schrift auf Papyrus nur einer geringen Minderheit auf der Welt zugänglich war und verständlich bei der Menge an Analphabeten.
Wirklich toll, wie Benjamin Wardhaugh den Bogen inhaltlich und historisch über diese lange Zeitspanne hinbekommt. Nicht ohne Grund, dass er im Jahr 2020 für dieses Buch für den London Hellenic Prize nominiert war.
Fazit: Wer auch nur einen Hauch an Interesse an Mathematik und Geschichte hat, lest dieses Buch, es bereichert sehr!

Bewertung vom 15.12.2022
Nachleben
Gurnah, Abdulrazak

Nachleben


ausgezeichnet

Fremdherrschaft über Ostafrika

Was für ein sympathischer Mann der Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah ist! Ich habe ihn in diesem Jahr auf der Buchmesse (2022) zweimal erleben dürfen und er hat mich tief beeindruckt. Der dritte Roman ist nun auch auf Deutsch erschienen: Nachleben. Eva Bonné hat ihn vortrefflich übersetzt und alle Feinheiten gemeistert!
Erzählt in klassischer Manier nimmt uns Gurnah mit auf eine Reise in die Vergangenheit und arbeitet die koloniale Besetzung Ostafrikas auf, besonders eine Gegend die sich heute in Tansania befindet. Eine Region aus der Gurnah selbst stammt. ‚ Nachleben‘ legt sein Augenmerkt auf die deutsche koloniale Besetzung von 1885 bis 1918 mit dem Umbruch während des 1. Weltkrieges und die folgende britische Verwaltung.
Gurnah entwirft ein Panorama an Geschichten, die erst lose wirken, aber alle ineinandergreifen. Vom jungen Mann Iilyas, der sich den Askari anschließt und mit den Deutschen kämpft. Er verschwindet und wird Jahre später in Deutschland aufgespürt. Er lässt eine Schwester zurück, die bei Khalifa unterkommt, einem indischstämmigen Banker. Und dann ist da noch eine wichtige Figur: Hamza, ein bildhübscher Junge, den sich ein deutscher Offizier als Assistent krallt.
Gurnah beschreibt und bildet ab, er urteilt nicht und gibt keine Meinungen wieder. Eine sanfte Art der Erzählung die eine vielschichte Art der Betrachtung zulässt. Der Blickwinkel der lokalen Unterjochten, es ist aus der Sicht der Afrikaner geschrieben. Es wird die ambivalente Grundeinstellung der kolonialen Mächte deutlich. Einerseits bringen sie Bildung, andererseits verheizen sie das Volk in ihren Kriegen.
Mich hat der Roman stark bereichert, war mir die Kolonialherrschaft der Deutschen in Ostafrika nicht so präsent und vor allem die Askari kein Begriff. Hervorragend erzählt und anregend sich mit den historischen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 14.12.2022
Tage voller Zorn / Leo Koski Bd.1
Oskari, Tuomas

Tage voller Zorn / Leo Koski Bd.1


ausgezeichnet

Aktueller könnte ein Krimi in der aktuellen Lage kaum sein!

Finnland. Dezember, 2027. Die Lage hat sich nach Jahren der Entfremdung in der Bevölkerung zugespitzt. Die Mittelschicht ist nahezu ausradiert. Die Reichen machen sich die Taschen noch voller und reißen die Macht an sich. Ihnen gegenüber stehen die Armen und Linken der Gesellschaft. Eine explosive Mischung auf dem politischen Parkett. Und mittendrin der noch recht frisch ins Amt gewählte Ministerpräsident Leo Koski, der Sammlungspartei unter einer recht-bürgerlichen Koalition. Schnell wird der Leserschaft klar: Leo Koski ist nur eine Marionette der Reichen, die ihn auf den Stuhl gehoben haben, da sie im Grunde die Fänden in der Hand halten – ein Geheimbund. Die Lage eskaliert. Leo Koski wendet sich gegen seine Unterstützer und will das Land retten und muss sich nun entscheiden wie es weitergeht. Ihm gegenüber steht die charismatische Linkenanführerin Emma Erola. Dann gibt es noch Pontus Ebeling, den reichste Mann Finnlands und Leo Koskis Freund und engem Förderer aus alten Zeiten. Natürlich wird auch irgendwann die Zeit knapp und Leo Koski bleiben 24 Stunden um zu handeln.
Dieses hochgelobte Debüt stammt aus der Feder des finnischen Politik- und Wirtschaftsjournalists Tuomas Niskakangas, der den Thriller unter dem Pseudonym Tuomas Oskari veröffentlichte. Im Original Roihu, wurde der Thriller hochgelobt und in Finnland auch mit Preisen versehen. Ich finde, dass man durchaus merkt, dass hier ein Journalist schreibt, der einen engeren Zugang zum politischen Geschehen hat und die Innenansichten äußerst genau kennt. Der Autor verarbeitet ein sich anbahnendes Szenario was brandaktuell ist, obwohl Tuomas Niskakangas 6 Jahre an dem Buch schrieb! Er malt nicht nur den Teufel an die Wand, er hat auch Theorien und Ideen wie man die Situation verbessern könnte. Dieses Zusammenspiel aus hochdynamischem Plot und theoretischer Auseinandersetzung dieser verfahrenden Situation macht den Thriller nicht nur spannend, sondern auch sehr erhellend.
Das Buch selbst, wenn man zum echten Buch greift, ist etwas grell gestaltet. Ich finde es ganz gelungen mit dem bunten Buchschnitt.
Fazit: Finnische politische Spannungsliteratur vom Feinsten! Wirklich lesenswert und wahnsinnig aktuell für die Lage in der Europa momentan steckt!

Bewertung vom 13.12.2022
Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum
Stehn, Malin

Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum


sehr gut

Silvester – Kick off für ein Drama
Gleich vorne weg: Aus meiner Sicht ist das kein „echter“ Thriller oder gar Krimi wie er angepriesen wird, auch den Klappentext fand ich leicht irreführend. Sprich, die hardcore Thriller- und Krimileser werden enttäuscht sein und Leser:innen, die zwar gerne spannend lesen, aber lieber in die Beziehungsabgründe schauen entgeht hier ein gutes Buch.
Silvester. Wieder mal im Kreise derjenigen, die man ohnehin schon zu lange kennt und mit denen einem nicht mehr so viel zu verbinden scheint wie noch vor Jahren, aber aus alter Gewohnheit feiern die drei Freundinnen: Nina, Lollo und Marlena zusammen und mit den Ehemännern. Ninas Tochter Smilla und Lollos Tochter Jennifer feiern bei Nina & Frederik zu Hause. Und dann am nächsten Morgen ist die vordergründige Tragödie passiert: die 17jährige Jennifer ist verschwunden. Die Suche beginnt und vieles bröckelt. Nicht nur die Emotionen um die Gesuchte und die Ängste der Eltern. Die Nerven liegen blank und es kommt noch viel mehr ans Licht.
Aus meiner Sicht stehen in diesem Roman, ich schreibe bewusst Roman, die Freundschaften, die gemeinsame Zeit, das Nichtgesagte, die Geheimnisse, die Lügen und die daraus entstandenen Kluften im Mittelpunkt. Die Spannung baut sich auf, aber sehr sehr langsam, da der Fokus in der Tat auf den doch sehr unsympathischen Charakteren liegt. Ein Kammerspiel. Natürlich gibt es eine überraschende Auflösung, aber eben nicht ein MEGA BANG und das Buch kommt auch ohne Blut aus! Ich brauchte keines und war mit meinem Beobachtungsposten über dieser Dynamik zufrieden.
Vor allem auch, weil die Autorin Malin Stehn einen einnehmenden Schreibstil hat und wir selbst beim Lesen von den Protagonisten genervt sind, was aus meiner Sicht gewollt war. Sie lässt reihum Lollo, Frederick und Nina aus der Ich-Perspektive zu Wort kommen. Eine oft angewendete Technik, die aber hier ihre Wirkung vollends entfaltet!

Bewertung vom 13.12.2022
Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


gut

Zwei starke Schwestern gehen ihren Weg

Helene Sommerfeld ist ein Pseudonym eines Berliner Autoren-Ehepaares, dass hier wieder mal einen Hit geschrieben hat. Es ist gerade mal im November 2022 erschienen und keine 4 Wochen später schon in der 3. Auflage! Aber, wundern tut es nicht. Denn „Die Töchter der Ärztin“ ist im Grunde die Fortführung der Trilogie „Die Ärztin“, die im rororo Verlag erschien. Ich muss wohl anmerken, dass dies das erste Buch von Helene Sommerfeld ist, dass ich lese und die andere Trilogie (noch) nicht kenne.
Nun also eine neue Reihe um die Töchter der Ärztin mit dem Auftaktband „Zeit der Sehnsucht“. Die beiden Halbschwestern, Henny uns Antonia (Toni genannt), könnten unterschiedlicher nicht sein, sind aber einander eng verbunden. Der Roman beginnt 1928. Henny ist dabei sich eine Existenz in Berlin als Ärztin aufzubauen, als Onkologin. Ihre analytische, zielstrebige und sehr arbeitssame Art unterscheidet sie sehr von ihrer Schwester. Toni will wieder zurück nach Afrika, ihrer Kindheit nachspüren und einfach weg aus Berlin. Das Leben in Afrika bürgt viele Herausforderungen für die junge Ärztin. Damit ist auch der Tenor des Romans gesetzt, denn es spielt an beiden Orten: Berlin und in Ostafrika.
Klar, die Story ist nicht sonderlich neu und schon in vielen Varianten geschrieben. Nun also Ärztinnen und eine ist in Afrika. Trotzdem hat das Lesen bereichert und Spaß gemacht, denn es ist locker leicht geschrieben und doch ist der Ernst in so vielen Lagen spürbar. Solche Bücher machen aus meiner Sicht Geschichte erlebbar. Besonders gelungen fand ich auch die Darstellung der Klassenunterschiede sei es in Berlin wie in Afrika. Je nach Blickwinkel sind erhebliche Unterschiede zu spüren. Mal ist Toni als Frau in Afrika unter Druck, mal ist es Henny, die sich mit der Upper Class in Berlin „herumschlagen“ muss.
Ich werde auf jeden Fall Band 2 ins Auge fassen der leider erst im Herbst 2023 erscheinen wird!

Bewertung vom 10.12.2022
Vilma zählt die Liebe rückwärts
Skretting, Gudrun

Vilma zählt die Liebe rückwärts


ausgezeichnet

Herzerwärmend und lustig zugleich

Die norwegische Autorin Gudrun Skretting ist vor diesem Roman durch ihre Kinderbücher bekannt geworden und von Hause aus Konzertpianistin. Kein Wunder also, dass ihre Hauptfigur Vilma Veierød so gelungen ist: eine Klavierlehrerin. 35, alleinstehen und in Oslo lebend, nimmt sie alle Widerlichkeiten der Welt sehr pragmatisch, aber auch verschroben. Denn sie versucht sich den Tod vom Hals zu halten indem sie vieles meidet: Menschen, ungesundes Essen und einfach alles Gefährliche. Aber dann steht eines Tages im Dezember ein Pfarrer und ein Pathologe vor ihrer Tür und vermeldet den Tot ihres Vaters – den sie bisher nicht kannte: Vilhelm Mozart Sandvik. Er starb auf dem Weg zu ihr mit 35 Briefen im Gepäck, die alle an Vilma adressiert sind! Und ab da regiert das Chaos und neue Lebensfreude in Vilmas Leben. Denn die beiden Herren mit der unfrohen Botschaft und noch einer ihrer sehr talentierten Klavierschüler bringen Schwung in die Bude.
Lasst euch von ‚Vilma zählt die Liebe rückwärts‘ mitreißen. Mir hat das Buch gut getan, eine wahre Lesefreude! Auch, wenn es nicht ein explizit weihnachtliches Buch ist, passt es ganz hervorragend in die Vorweihnachtszeit. Gudrun Skretting schreibt frisch und herzerwärmend schön ohne das es in einen kitschigen Ton abdriftet.

Bewertung vom 09.12.2022
Die Kunst des Verschwindens
Raabe, Melanie

Die Kunst des Verschwindens


ausgezeichnet

Seelenverwandte

Berlin, zwischen den Jahren, zwei Frauen treffen sich zufällig. Die Eine ein mega Weltstar, denn sie ist eine Schauspielerin aus Hollywood, die jeder kennt: Ellen. Die Andere eine nicht prominente Fotografin, deren Mutter bei einem Schiffsunglück ums Leben kann: Nico. Nico hat auch noch zu allem Übel„Kurt“, so nennt sie ihren Gehirntumor. Nun feiern die beiden Silvester und stellen vieles fest, wie das erstaunliche Zusammenfallen ihrer Geburtstage – gleicher Tag, gleiches Jahr! Wie eben Zwillinge ohne Verwandtschaft. Da wundert es nicht, dass der erste Arbeitstitel dieses Romans „Zwillinge“ hieß. Die beiden verbindet etwas. Wenn sie zusammen sind passiert Merkwürdiges. Beide hängen dem Gedanken nach, dass man das Leben der anderen leben könnte, hätten sie sich in der Vergangenheit jeweils für andere Lebenswege entschieden. Tja, und dann ist Ellen wie vom Erdboden verschwunden und Nico sucht natürlich.
Ich bin keine Thriller-Leserin und hatte daher diesen Roman nicht auf dem Schirm, aber was Melanie Raabe hier macht ist ein absoluter Genre-Mix. Es passt in keinerlei Schublade und genau aus diesem Grund so gut lesbar und überzeugend.
Eine Geschichte über Verbundenheit mit anderen, Freundschaft, wie Ruhm eine Belastung sein kann, was zählt wirklich im Leben, wie Endlich unser Dasein ist und wie man an den Punkt des Lebens kam an dem man gerade ist. Viele Themen werden eingebaut und angerissen. Auch der Umgang mit Frauen und die despektierliche Art der Social-Media-Kanäle. Alles drin und dazu noch spannend. Klar, auch ein Hauch von Surrealismus ist eingestreut, aber passt gut!
Mich hat dieser Roman bestens unterhalten!