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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 14.03.2018
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


gut

Eine fantasievolle Wortreise

Elias Vorpahl erzählt in diesem Werk eine Geschichte über einen alten Mann, der zur Feder greift und eine fantastische Geschichte über eine Welt der Worte schreibt. Protagonist Wort hat Ärger mit seinem Vater und haut von zu Hause ab. Auf seiner Reise lernt er die Welt der Worte kennen und macht zahlreiche Erfahrungen.

Vergleichbar einer Fabel besitzen die Worte menschliche Eigenschaften und die Reise kann als Entwicklungsprozess eines Heranwachsenden interpretiert werden. Das Wort ist auf der Suche nach seinem Sinn und in diesem Sinne sind auf der Tour zahlreiche Weisheiten eingestreut. Die Geschichte ist unterhaltsam, aber auch ein wenig naiv.

Bewertung vom 06.03.2018
Der unerhörte Wunsch des Monsieur Dinsky
Didierlaurent, Jean-Paul

Der unerhörte Wunsch des Monsieur Dinsky


sehr gut

Roman über die Liebe zum Leben

Was macht ein Thanatopraktiker? Protagonist Ambroise Lanier präpariert Leichen für die Aufbahrung. Er möchte Menschen ihre Würde bewahren und das ist seine Motivation für diesen nicht alltäglichen Beruf. Eine Freundin findet er mit dieser ungewöhnlichen Tätigkeit nicht. Er liebt seinen Beruf, aber dieser macht einsam.

Auch Manelle Flandin liegt die Würde der Menschen am Herzen. Sie ist Altenpflegerin bei einem ambulanten Pflegedienst. Nicht alle Senioren sind umgänglich, aber manche ältere Menschen hat sie in ihr Herz geschlossen. Einer dieser zu betreuenden Senioren ist Monsieur Dinsky, ein liebevoller älterer Herr.

Eine schwerwiegende Diagnose verändert das Leben von Monsieur Dinsky. Ein spezieller Wunsch führt die Protagonisten zusammen. Sie begeben sich auf eine längere Reise. Zur Reisebegleitung gehört auch Ambroises Oma Beth, eine eigenwillige Frau. Auffallend ist die positive Grundhaltung der Protagonisten.

Autor Didierlaurent begegnet den Menschen mit Respekt. Es ist schon eine Kunst, auf Basis extravaganter, teilweise niederschmetternder Rahmendaten eine unterhaltsame, humorvolle und lebensbejahende Geschichte zu schreiben. Insofern handelt es sich bei diesem Roman um ein modernes Märchen bzw. um eine Hommage auf das Leben.

Bewertung vom 04.03.2018
Vier fürs Klima
Pinzler, Petra;Wessel, Günther

Vier fürs Klima


sehr gut

Klimaschutz im Alltag

„Ach nee, ihr [Petra und Günther] schreibt ein Buch, das den Leuten ein schlechtes Gewissen machen soll? So ein Pamphlet, das wieder mal die kleinen Leute gängelt und die großen Umweltsünder vergisst?“ (172)

An der Aussage von Petras und Günthers Freunden wird deutlich, dass die Herausforderung nicht nur darin besteht, etwas für den Klimaschutz zu tun, sondern auch darin, als Klimaschützer gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Wie sieht ein umweltbewusstes Leben im Zeitalter des Klimawandels aus? Eine vierköpfige Familie reduziert für ein Jahr ihren CO2-Verbrauch. Welche Maßnahmen sind wirkungsvoll und wie weit kann man gehen, wenn das Leben lebenswert bleiben soll?

Die Protagonisten sind Vater Günther, Mutter Petra und ihre Kinder Jakob (16 J.) und Franziska (13 J.). Der Bericht enthält zahlreiche Analysen über CO2-Werte und ist humorvoll und ansprechend aufbereitet.

Das Buch ist nach Monaten strukturiert und jahreszeitlich bedingte Themen sind entsprechend eingefügt. Zum Inhalt gehören u.a. Mobilität, Nahrungsmittel, häuslicher Energieverbrauch, Urlaub und Hobbys.

Das Thema Klimaschutz ist brisant und betrifft uns alle. Es ist leicht, die Probleme klein zu reden. Bei dem Psychologen Per Espen Stoknes kann man unter dem Stichwort „Kognitive Dissonanz“ nachlesen, warum das so ist. (181)

Fazit: „Er [der persönlicher Verzicht] allein wird zwar das Klima nicht retten. Aber das ist eben genau das Problem bei jedem unserer vielen kleinen Schritte. Die wirken nur, wenn viele es ähnlich machen.“ (199)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2018
Der Zerfall der Demokratie
Mounk, Yascha

Der Zerfall der Demokratie


gut

Demokratie in der Krise

Yascha Mounk, Politikwissenschaftler und Dozent an der Harvard University in Cambridge, beschreibt in diesem Buch die derzeit erkennbare Krise der liberalen Demokratie und welche Gefahren für die Freiheit des Einzelnen damit verknüpft sind, er analysiert die Ursachen der Krise und schlägt Gegenmaßnahmen vor.

Um Mounks Ausführungen angemessen folgen zu können, ist es notwendig, sich auf seine Terminologie einzulassen, die er im ersten Teil erläutert. Auf den Punkt gebracht handelt es sich bei einer liberalen Demokratie um ein politisches System, welches sowohl die Menschenrechte schützt als auch den Willen des Volkes in Politik umsetzt. (38)

Der Begriff Populist ist unscharf und muss aus dem Text abgeleitet werden. Das ist nicht widerspruchsfrei möglich. In der Einleitung wird Populisten zugestanden „zutiefst demokratisch“ zu sein (17), später heißt es, dass Populisten behaupten, „sie alleine verkörperten den Volkswillen“. (44)

Ein zweiter unscharfer Punkt deutet sich in der Einleitung an, wenn Mounk unterstellt, dass viele Wähler nicht nur mit den Parteien und den Politikern unzufrieden sind, sondern das politische System, die liberale Demokratie, infrage stellen. (8) Diese These ist gewagt und lässt sich nicht allein mit der Wahl unliebsamer Politiker belegen.

Die führenden Köpfe des politischen Establishments müssen sich kritisch fragen, welche Fehler sie selbst gemacht haben. Jedenfalls ist zweifelhaft, dass die Bürger mehrheitlich ihre Verfassung infrage stellen. Hat nicht der Zulauf zu Populisten damit zu tun, dass die Menschen den Eindruck haben, die etablierten Parteien regieren am Volk vorbei?

Lehrreich sind die Ausführungen zum undemokratischen Liberalismus. Mounk erläutert die Vor- und Nachteile unabhängiger Institutionen. „Das Ende der Rassentrennung etwa wurde nicht dank des Willens des amerikanischen Volkes, sondern dank ihrer Institution herbeigeführt, die sich über diesen Willen hinwegsetzen konnte.“ (86)

Zu den Hauptgründen für die Krise zählt der Autor die sozialen Medien (zweite Revolution nach der Druckerpresse), wirtschaftliche Ängste (Kindern geht es nicht mehr wirtschaftlich besser als ihren Eltern) und Identitätsängste (Überfremdung). Im Kern dreht sich alles um Zukunftsängste und dem Misstrauen vieler Menschen gegenüber Politikern.

Mounk erläutert Gegenmittel, wie die Krise eingedämmt werden kann. Seine Argumentationen wirken phasenweise einseitig. Es mangelt etablierten Politikern an der Fähigkeit oder dem Willen, die Probleme zu lösen. Zu den Werten einer liberalen Demokratie gibt es keine ernsthafte Alternative.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2018
Einsamkeit - die unerkannte Krankheit
Spitzer, Manfred

Einsamkeit - die unerkannte Krankheit


sehr gut

Einsamkeit – eine vernachlässigte Krankheit

Manfred Spitzer bringt das Thema im Vorwort auf den Punkt: „Einsamkeit ist nicht „nur“ ein Symptom, d.h. ein Krankheitszeichen, sondern sie ist selbst eine Krankheit!“ (9) Es gibt eine Korrelation zwischen der Krankheit Einsamkeit und dem Individualismus. Beides nimmt signifikant zu.

Psychiater Spitzer unterscheidet zwischen „Einsamkeit“ als subjektivem Erleben und „sozialer Isolation“ als objektiv messbarer Größe. (23) Man kann sich einsam fühlen, obwohl man in einer intakten Familie lebt und umgekehrt suchen manche Menschen Einsamkeit und fühlen sich dabei wohl.

Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialen (z.B. aufgrund erlebter Einsamkeit) und körperlichen Schmerzen gibt; sie haben eine gemeinsame neurobiologische Grundlage. (68) Aus evolutionärer Sicht haben Schmerzen eine wichtige Funktion für das Überleben. (61)

Einsamkeit ist ansteckend, wie auch Emotionen und Verhaltensweisen. Spitzer bezieht sich dabei auf den Arzt und Sozialpsychologen Gustave Le Bon [1] sowie auf neuere Studien zum Thema. Und das Fatale ist: „Menschen mit wenig Freunden ... neigen dazu, mit der Zeit immer einsamer zu werden“. (90)

Akute Vereinsamung löst Stress aus und Stress kann krank machen, insbesondere wenn er chronisch auftritt. Die gleichen körperlichen Reaktionen, die bei akutem Stress sinnvoll sind, wie das Hochregeln von Blutdruck sowie das Abschalten kurzfristig unwichtiger Körperfunktionen (z.B. Verdauung), führen bei dauerhafter Belastung zu Krankheiten.

Hilft das Internet gegen Einsamkeit? Mit den Auswirkungen digitaler Medien auf Verhalten und Gesundheit hat sich Spitzer ausführlich in seinem Buch Cyberkrank [2] beschäftigt. Digitale Medien können depressiv und einsam machen. Zudem droht eine Verminderung der Empathie. (122) Der direkte Kontakt zu Menschen ist durch nichts zu ersetzen.

Einsamkeit erhöht nachweislich das Risiko für Infektionskrankheiten, für hohen Blutdruck, für Herzinfarkt, für eine Schwächung des Immunsystems und für psychische Erkrankungen. Damit zählt Einsamkeit zu den Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Alkohol oder Bewegungsmangel.

Wenn Einsamkeit eine Krankheit ist, stellt sich die Frage, wie Betroffene wirksam behandelt und aus dem Abwärtsstrudel herausgeführt werden können. Neben einer Psychotherapie schlägt Spitzer verschiedene Verhaltensänderungen vor. „Geben macht glücklich“ (201) erkennt Spitzer und steht damit in Einklang mit Stefan Klein in [3].

Rationale Erkenntnis führt nicht automatisch zur Verhaltensänderung. Auch Helfen hat positive Seiten, aber nicht nur. Abhängig von individuellen Umständen kann Helfen auch als Belastung empfunden werden. Dass Musizieren, Singen und Tanzen hilft, klingt trivial. Die spannende Frage lautet, wie bewegt man einsame bzw. depressive Menschen dazu?

Hier liegen die Schwächen des Buches. Spitzer analysiert das Thema umfassend anhand zahlreicher Studien und macht Vorschläge zur Behandlung, die im Wesentlichen auf Verhaltensänderungen beruhen. Genau das schaffen Betroffene meist nicht aus eigener Kraft. Das ist so, als ob man dem Drogensüchtigen sagt, nimm keine Drogen mehr.

[1] Gustave Le Bon: Psychologie der Massen
[2] Manfred Spitzer: Cyberkrank
[3] Stefan Klein: Die Glücksformel

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2018
Er ist wieder da
Vermes, Timur

Er ist wieder da


weniger gut

Eine moderne Eulenspiegelei

Im Kern handelt es sich bei diesem Roman um eine Parodie auf unsere Mediengesellschaft. Autor Timur Vermes instrumentalisiert Hitler, um der modernen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Was Quote bringt ist gut. Und das gilt im doppelten Sinne sowohl für die fiktive Romanwelt als auch für die Realität. Durch die Selbstbezüglichkeit handelt es sich um eine moderne Eulenspiegelei.

Hitler wirkt, auch wenn er pausenlos rechtslastige Sprüche und Reden von sich gibt, verfremdet. Seine realen Eigenschaften werden parodistisch aufgearbeitet. Der Einstieg in die Geschichte ist gelungen, jedoch plätschert sie nach dem ersten Viertel ohne wirkliche Höhepunkte dahin und wirkt ein wenig farblos. Hitlers absurde Vorstellungen treffen auf unkritische Medien und ein konsumorientiertes Publikum. Es geht um moralische Grenzen der Medien und um Verführung. Sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg ist „Er ist wieder da“ ein gewagter Versuch einer Polit-Comedy.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2018
Gott schläft in Masuren
Kirst, Hans H

Gott schläft in Masuren


ausgezeichnet

Ein Meister der Erzählkunst

Hans Hellmut Kirst schreibt über seine ostpreußische Heimat und über den aufkeimenden Nationalsozialismus, den er in seiner Jugendzeit kennen gelernt hat. Handlungsort ist das masurische Dorf Maulen. In diesem von seinen Traditionen geprägten Dorf gibt es einen unaufgeklärten Todesfall, über den niemand sprechen will. Es handelt sich um den Raufbold und Säufer Materna. Gendarm Thiele wird nach Maulen versetzt, um den Todesfall aufzuklären und staatliche Ordnung in das Dorf zu bringen. In Maulen herrscht fast uneingeschränkt der Gutsbesitzer Leberecht und Ortsrecht steht über Landesrecht. Die Menschen sind es gewohnt, ihre Probleme selbst zu lösen.

Es ist ein Roman über sich entwickelnde Freundschaften, über Hass, Intrigen und Pflichtbewusstsein. Die Protagonisten verändern sich, abhängig von den äußeren Umständen. Zu diesen Umständen zählt der Nationalsozialismus. Je mehr die fest gefügte Ordnung ins Wanken gerät, umso mehr verändern sich die Menschen und die Beziehungen zwischen den Menschen. Kirst überzeugt mit der Darstellung der Charaktere und der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Die Leser erhalten einen ungeschminkten Einblick in ein Dorfleben während der NS-Zeit. Über Ostpreußen liegt ein Schatten, der Unheilvolles ankündigt. Und nur wenige Menschen erkennen ihn.

Bewertung vom 26.02.2018
Im Anfang war der Wasserstoff
Ditfurth, Hoimar von

Im Anfang war der Wasserstoff


ausgezeichnet

Die Entwicklungsgeschichte des Universums vom Urknall bis zum Homo sapiens

Gibt es in unserer Welt Geist ohne Gehirn? Damit ist nicht „ein die Natur transzendierender ordnender Geist“ (15) gemeint, sondern eher die Beschreibung von in der Welt von Anfang an erkennbarer Eigenschaften wie „Lernfähigkeit, das Sammeln von Erfahrungen, Phantasie, tastendes Probieren, spontaner Einfall und ähnliche(r) Kategorien“. (15)

Die Reise beginnt vor ca. 13 Milliarden Jahren mit einer kosmischen Explosion und sie endet voraussichtlich nach ca. 80 Milliarden Jahren, wobei niemand weiß, ob das Ende nicht wieder einen Neuanfang nach sich zieht. Wir befinden uns aktuell in der Frühphase der Entwicklung des Universums. Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth (HvD) zeichnet die Geschichte anhand wichtiger Entdeckungen nach, wozu auch der Nachweis der kosmischen Hintergrundstrahlung durch Penzias und Wilson im Jahr 1965 gehört. (19)

HvD erläutert Theorien zur Entstehung der Planeten. Die Indizien sprechen dafür, dass die Erde „auf kaltem Wege“ (68) durch die Konzentration interstellarer Staubmassen entstanden ist. Vulkanismus verursachte die Weltmeere sowie eine Atmosphäre aus gasförmigen Substanzen. Es gab mehrere Atmosphären und HvD beschreibt die besondere Rolle des Sauerstoffs bei der Entwicklung des Lebens. „Der Sauerstoff in der heutigen Atmosphäre machte eine Wiederholung dieser Phase der Evolution des Lebendigen [Ur-Zeugung] ein für allemal unmöglich.“ (75)

Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? HvD stellt die Experimente von Stanley Miller vor, der in einem mit den chemischen Stoffen der Uratmosphäre gefüllten Glaskolben und unter Zuführung elektrischer Energie, Aminosäuren und damit Bausteine des Lebens entstehen ließ. (120) Er unterstreicht, dass es keine starre Grenze zwischen unbelebter und belebter Materie gibt. (136) Anhand von Untersuchungen am Enzym Cytochrom c wird nicht nur die Verwandtschaft aller biologischer Spezies belegt (172), sondern auch der Zeitpunkt der biologischen Trennung (175).

HvD spannt den Bogen von den Molekülen über die Einzeller bis hin zu den Mehrzellern. Mit den Mehrzellern tauchte die Sterblichkeit auf, denn Einzeller altern nicht und sterben nicht aus inneren Ursachen (262), zudem erfolgte eine Arbeitsteilung auf Zellebene (264), die sich als erfolgreiches Überlebensprinzip bewährte. Warum Lebewesen eines Tages den Sprung vom Wasser aufs Land unternommen haben, ist nicht bekannt, Fakt ist, dass das Land, zunächst als Kaltblüter, später als Warmblüter, erfolgreich als Lebensraum erschlossen wurde. Am (vorläufigen) Ende dieser Entwicklung steht der Mensch.

In der Anatomie und in den Funktionen des menschlichen Gehirns sind die Entwicklungsstufen der Evolution erkennbar. Die Evolution hat Spuren hinterlassen, wozu auch programmierte Verhaltensweisen (Instinkte) gehören, die beim Menschen durch die Vernunft (nicht immer erfolgreich) überlagert werden. Die Zusammenhänge hat HvD ausführlich in seinem Buch „Der Geist fiel nicht vom Himmel“ dargestellt. Welche Richtung die Evolution künftig einschlagen wird, ist nicht prognostizierbar. Insofern ist HvDs „galaktischer Überorganismus“ als Zukunftsvision zu verstehen.

HvD weicht schwierigen Fragen nicht aus und beschäftigt sich im Zuge seiner Ausführungen immer wieder mit Sinnfragen. So thematisiert er den Konflikt zwischen Theologie und Naturwissenschaft (134), relativiert den Zufall in der evolutiven Entwicklung (179), erläutert seine Vorstellungen von „Geist ohne Gehirn“ (238) und philosophiert über Tendenzen der Evolution (291). Natürlich hat sich die Naturwissenschaft, insbesondere die Mikrobiologie, weiterentwickelt. Das Buch ist wegen der verständlichen Gesamtschau dennoch lesenswert. HvD war auf unnachahmliche Weise in der Lage, isolierte Erkenntnisse der Spezialisten in einem interdisziplinären Gesamtzusammenhang darzustellen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.02.2018
Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen
Watzlawick, Paul

Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen


sehr gut

Die Versuchung der Gewissheit

„Nun also hatte er [Protagonist aus dem ersten Kapitel] sozusagen vom Baum der Erkenntnis gegessen, aber nur seine Unkenntnis erkannt.“ (14/15) Die Suche nach Gewissheit und Sicherheit führt in die Ungewissheit und Unsicherheit. Das Buch handelt von den Grenzen und Paradoxien unserer Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit und ist damit sowohl hinsichtlich des Titels als auch hinsichtlich des Inhalts ein typischer Watzlawick.

In zwölf Kapiteln stellt Paul Watzlawick verschiedene Perspektiven auf diese Grundproblematik vor. In Anlehnung an Goethe treibt den Menschen „eine Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft“. (42) In diesem Sinne müssen dem Leser bei der „Kettenreaktion des Guten“ (57) Zweifel aufkommen. Watzlawicks Ausführungen zur schönen digitalisierten Welt (71) klingen modern. „Was immer existiert, existiert in einer Quantität und kann daher gemessen werden.“ (77)

Das Buch besteht aus übersichtlichen Kapiteln, ist aber recht anspruchsvoll. In einem verständlichen Schreibstil wird unverständliches verkündet. Der Meister der Kommunikation und Paradoxie ist in seinem Element. Angereichert mit bewährter Ironie wird dem Leser zunächst der Boden unter den Füßen weggezogen, um ihn anschließend auf diesen zurückzuwerfen. Die „zeitlose Fülle des gegenwärtigen Augenblicks“ (128) ist dem Menschen nur selten vergönnt.

Bewertung vom 18.02.2018
Unser blauer Planet. Die Entwicklungsgeschichte der Erde.
Haber, Heinz

Unser blauer Planet. Die Entwicklungsgeschichte der Erde.


sehr gut

Die Entwicklung der Erde

Der Physiker und Astronom Heinz Haber wurde in den 1960er und 1970er Jahren bekannt durch seine naturwissenschaftlichen Fernsehsendungen und populärwissenschaftlichen Bücher. Sein Themenschwerpunkt lag in der Vermittlung von Grundlagen der Astronomie. Er verstand es, komplexe Zusammenhänge für ein breites Publikum verständlich aufzuarbeiten.

Das Buch gliedert sich in acht Kapitel. Die Palette reicht von der Entstehung der Erde, dem Ursprung der Atmosphäre, der Entwicklung des Klimas, der Entstehung des Lebens, bis hin zu Prognosen über die künftige Entwicklung des Planeten. Die Basis für das Buch bildet der Text einer Hörfunksendung zum gleichen Thema. Der Stoff wurde danach für eine gleichnamige Fernsehserie verarbeitet.

Das Buch ist von 1965 und entspricht inhaltlich nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Insbesondere gilt das für die Expansionstheorie zur Erklärung der Kontinentaldrift (Kapitel 3). Diese Theorie wird heute nicht mehr vertreten, stattdessen gelten Konvektionsströme im Erdmantel als Erklärung. Auch weiß man heute durch die Raumfahrt mehr über die Struktur und den Aufbau der Nachbarplaneten.

Insofern eignet sich das Buch aus heutiger nicht dazu, sich über den aktuellen Stand der Wissenschaft zu informieren. Es ist eher eine historische Betrachtung, die den Zeitgeist der 1960er Jahre widerspiegelt. Beispielhaft bleiben Aufbau und Struktur des Buches. „Unser blauer Planet“ dient als Blaupause für die Konzeption populärwissenschaftlicher Bücher.