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haberlei
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Wien
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 341 Bewertungen
Bewertung vom 09.06.2022
Bildergestöber
Knospe, Bernd Richard

Bildergestöber


ausgezeichnet

Vier Generationen einer deutschen Familie

„Bildergestöber“ von Bernd Richard Knospe ist die persönliche Familienchronik des Autors, basierend auf u.a. Tagebucheintragungen, Erzählungen und eigenen Erlebnissen. Nicht alles ist belegt, ist Fakt, manches entspringt der Fantasie des Autors, fließt jedoch alles harmonisch ineinander.

Das Cover vermittelt schon einen ersten Eindruck. Man nehme eine Schachtel alter Fotos und stöbere darin. Jedes Foto weckt Erinnerungen, an lustige Feste, interessante Begegnungen, vergessen Geglaubtes. Wie einzelne Puzzleteilchen. Dadurch, dass die Geschichte dieser Familie nicht chronologisch sondern nach thematischen Aspekten erzählt wird, werden gewisse Parallelen, sich von Generation zu Generation wiederholende Ereignisse verdeutlicht und können Vergleiche zwischen den Handlungsweisen einst und jetzt gezogen werden.

Das erste, das man sieht, wenn man das Buch aufschlägt, ist eine lange Personenliste – die Familie. Eine äußerst nützliche Liste. Wie oft habe ich zurückgeblättert, meist um zu überprüfen, wie alt der- oder diejenige zum jeweiligen Zeitpunkt gerade war.

Das Buch ist in 25 Kapitel bzw. Themen unterteilt und innerhalb der Kapitel in Abschnitte, die nicht nur mit Orts- und Zeitangaben versehen sind, sondern auch mit den Namen der jeweiligen Hauptpersonen. Der Schreibstil ist flüssig, die Beschreibungen sind anschaulich, die Charaktere wirken lebendig.

Von Kapitel zu Kapitel wurden mir die Familienmitglieder vertrauter, jeder Rückblick, jede Anekdote offenbarte neue Aspekte, neue Wesenszüge, rundete die Charaktere mehr und mehr ab, machte verständlicher, wie die Lebensumstände und die Zeit, in der sie lebten, die Menschen prägten. Im Mittelpunkt stehen vier vorwiegend dominante, eigenwillige, auch willensstarke Frauen, die zum Teil ohne männliche Unterstützung zurechtkommen mussten. Nicht nur die Frauen, auch die Männer, selbst die Kinder mussten sich durchs Leben kämpfen, hatten Kriegszeiten, Flucht, Krankheiten, Verluste und Niederlagen zu ertragen, durften aber auch Liebesglück, sportliche Erfolge, fröhliche Feste und nach dem Krieg den wirtschaftlichen Aufschwung erleben.

So nebenbei ziehen rund 100 Jahre Zeitgeschichte an einem vorbei. Der Zeithorizont spannt sich vom Jahr 1912, als die Urgroßmutter sich als junges Mädchen erstmals verliebte, bis in die Gegenwart, in der der Autor mit seiner Schwester die Familienfotos durchschaut. Wenn man, wie ich, ein Kind der 50er Jahre ist, sind es vor allem die 50er bis 80er Jahre, die man ähnlich erlebt hat. Die Kindheit, als man noch kein eigenes Telefon hatte, kein Fernsehgerät, in beengten Wohnverhältnissen lebte. Die Teenagerzeit mit Minimode und langen Haaren, als die „wilde“ Musik aufkam. Die erste Liebe. Heirat. Interessant, wie sehr mich diese Geschichte einer fremden Familie dazu animierte, mich mit dem eigenen Leben zu beschäftigen. Letztlich bedauerte ich es, dass ich von meinen Vorfahren extrem wenig weiß. Und jetzt ist es zu spät. Die, die ich befragen hätte können, leben nicht mehr.

Für mich war „Bildergestöber“ nach „Urlaub, bis der Arzt kommt“, einem humorvollen Reisebericht, und „Abgründige Wahrheit“, einem spannenden Thriller, das dritte Buch des Autors, wobei man die drei Romane thematisch nicht vergleichen kann. "Bildergestöber" ist nicht nur das persönlichste Buch des Autors, sondern es ist auch jenes Buch, das einen als Leser am meisten persönlich berührt. Es geht letztlich nicht nur um irgendwelche Menschen, die irgendwann gelebt und eben etwas Erzählenswertes erlebt haben. Dieser Roman spiegelt – aus der Sicht einer ganz normalen deutschen Durchschnittsfamilie - eine ganze Epoche wider, bei vor allem älteren Lesern sogar einen Großteil ihres eigenen Lebens, weckt Erinnerungen bzw. regt an, die eigenen Wurzeln zu hinterfragen.

Ein Buch, das ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 02.06.2022
Kleingeldaffäre
Hammerl, Elfriede

Kleingeldaffäre


ausgezeichnet

Single, weiblich, in den besten Jahren

Seit Jahren bin ich eine begeisterte Leserin der Kolumnen in der Zeitschrift Profil von Elfriede Hammerl, im Vorjahr stieß ich dann auf ihr Buch „Das muss gesagt werden“, eine Sammlung der besten Kolumnen; meine Neugierde auf ihre anderen Bücher war geweckt. Meine Wahl fiel nun auf „Kleingeldaffäre“.

Klappentext:
Eine Frau hat einen Liebhaber. Der ist verheiratet und wird das auch bleiben – denn er ist nur durch Heirat reich geworden. Da er nicht gut im Besorgen von Geschenken ist, schenkt er seiner Geliebten Geld, damit sie sich selbst etwas Nettes kaufen kann. Nötig hat sie es nicht, sie ist eine gut situierte, geschiedene Frau in den besten Jahren, hat erwachsene Kinder, viele Freunde und Erfolg im Beruf. Kurzum, sie ist eine unabhängige, selbstbewusste Frau. Sollte man meinen. In ihrem Inneren sieht es jedoch ganz anders aus … Scharfsinnig seziert die Ich-Erzählerin ihre tragikomischen Irrungen in Liebesdingen und reflektiert dabei die Regeln des Begehrens und Begehrtwerdens.

Das Taschenbuch erschien 2011. Auf rund 150 Seiten eröffnet sich einem die Gedankenwelt einer - wie es so schön heißt – Frau in den besten Jahren, die einerseits ihr selbstbestimmtes Leben, ihren beruflichen Erfolg und ihre Single-Freiheit genießt und auch nicht missen will, keinesfalls gegen ein durchschnittliches bürgerliches Leben eintauschen möchte, aber andererseits doch bei aller Anerkennung doch auch Selbstzweifel hat, mit dem Älterwerden hadert und mit Zukunftsängsten kämpft. Wie schreibt sie so treffend: „Alt zu werden ist eine Gemeinheit, wenngleich die einzige Alternative zu einem frühen Tod … kaum noch Zukunft, immer mehr Zeitgenossen dahin … die Schutzhülle zwischen mir und der Ewigkeit wird ständig dünner“.

Ich fand die Ansichten der Protagonistin sehr interessant, ihren Blickwinkel auf das Leben, ihre Einschätzung der Männerwelt, war überrascht über manch Selbstkritisches, aber auch darüber, dass auch das Leben attraktiver und erfolgreicher Frauen manchmal unrund läuft. Insbesondere, wie schwierig es für eine intellektuell und erotisch anspruchsvolle, reife Frau ist, noch einen passenden Partner zu finden. Selbst wenn man sich nicht mit ihr identifizieren kann, mit wechselnden Liebhabern und kurze Affären, so finden sich in dem Buch auch viele Gedanken, die jede Frau mit zunehmendem Alter hat, wenn sie anfängt, sich mit jüngeren Frauen zu vergleichen.

Elfriede Hammerls Schreibstil begeistert mich immer wieder, diese locker-humorvolle Art, in der sie alles auf den Punkt bringt. Ich vermute, dass viel Autobiografisches in diesem Buch steckt. Die Charaktere sind anschaulich dargestellt, aus dem Leben gegriffen, ihre Emotionen und Handlungsweisen gut nachvollziehbar.

„Kleingeldaffäre“ ist unterhaltsam, mit manch einer Weisheit über die Liebe, das Leben und das Älterwerden gespickt. Die eine oder andere Aussage konnte ich auch auf mich beziehen, wie z.B. „Ich liebe ihn nicht als vermeintlich perfekten Menschen, ich sehe seine Fehler, aber sie verleiden ihn mir nicht, DAS ist Liebe.“ Mir hat’s wirklich gut gefallen, ich empfehle es gerne weiter, vor allem Frauen in den besten Jahren!

Bewertung vom 31.05.2022
Blutzeilen
Franz, Franziska

Blutzeilen


ausgezeichnet

Wenn ein Krimiautor zum Mörder wird

„Blutzeilen“, ein Frankfurt-Krimi aus der Feder von Franziska Franz, war mein erstes Buch von dieser Autorin, sicher nicht das letzte.

Klappentext:
Nach einer Lesung in der Alten Oper verschwindet der Bestseller-Autor Mike Mikkels spurlos. Kurze Zeit später erhält seine Ehefrau Mirjam einen Drohbrief: Ihr Mann wird sterben, wenn sie die Polizei einschaltet. Um Mike zu schützen, belügt Mirjam die Polizei und stellt selbst Nachforschungen an. Bald überschlagen sich die Ereignisse und es kommt zu einer Tragödie …

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind kurz, mit Zeit- und Ortsangaben versehen, was ich stets sehr schätze, weil dies gut verdeutlicht, über welchen Zeitraum sich die Ermittlungen hinziehen. Das Buch erschien 2022; da die Handlung im Sommer 2018 spielt, ist Corona daher kein Thema.

Der stetige Wechsel zwischen den agierenden Personen sowie die Schilderung der Ereignisse sowohl aus Täter- als auch aus Ermittlersicht, gestalten die Handlung abwechslungsreich. Nicht nur dadurch steigert sich die Spannung bis zum dramatischen Showdown, sondern auch durch die Fülle von Verdachtsmomenten gegen fast jeden im Umfeld des entführten Autors. Man hat von Kapitel zu Kapitel einen anderen als Täter im Visier, kann exzellent miträtseln – und dann entpuppt sich jener als der Böse, den man selber überhaupt nicht verdächtigt hat.

Die Charaktere fand ich gut gezeichnet, wirken authentisch, lebendig - die unter Erfolgsdruck stehenden Autoren und Verlagsleute ebenso wie das sympathische, gut aufeinander eingespielte Ermittler-Duo.

Ich habe das Buch innerhalb weniger Tage verschlungen, habe es stets nur ungern wieder zur Seite gelegt. Mein Interesse an weiteren Krimis von Franziska Franz wurde geweckt. Ich würde mir auch Fortsetzungen mit dem Team Scharf & Burschi wünschen.

Bewertung vom 31.05.2022
SPROTTENBLUT - Wagner & Anderson ermitteln in Kiel
Herbst, Zhara

SPROTTENBLUT - Wagner & Anderson ermitteln in Kiel


sehr gut

Mordermittlung unter Beziehungsstress

Bei „Sprottenblut“ handelt es sich um den Debutroman von Zhara Herbst, den Auftakt zu einer neuen Krimiserie.

Klappentext:
Ein Mord und zwei Ermittler, die weit mehr verbindet, als der Fall:
Kriminaloberkommissar Pieter Anderson ist ein wahrer Meister im Verdrängen – bis im Kieler Schrevenpark die Leiche einer Frau gefunden wird und er dort auf Elisabeth Wagner trifft. Die unnahbare neue Kollegin ahnt nicht, dass sie Pieter mit den Geistern einer tragischen Vergangenheit konfrontiert. Sie will nur eins: sich wie gewohnt in ihre Arbeit stürzen, um der Einsamkeit ihrer vier Wände zu entgehen. Gemeinsam untersuchen die zwei ungleichen Ermittler eine Mordserie, die unerwartet ihrer beider Biographien betrifft, ihr Leben in Gefahr und völlig durcheinander bringt.

Das rund 500 Seiten umfassende Buch ist in 7 Kapitel bzw. 91 Abschnitte gegliedert, ohne Ort- oder Zeitangaben; letztlich hatte ich den Überblick verloren, über welchen Zeitraum sich die Ermittlungen erstreckten. Erschienen ist der Roman 2021, die Handlung des Krimis spielt in der nicht näher bestimmten Gegenwart, Corona ist somit kein Thema.

Durch den locker-flüssige Schreibstil fliegt man nur so durch die Seiten, zudem liest sich der Großdruck sehr angenehm. Die zahlreichen Dialoge geben einem das Gefühl mitten im Geschehen zu sein. Es gibt zwar keine sehr detaillierten Beschreibungen, dennoch gewinnt man vom Umfeld der Protagonisten ein anschauliches Bild. Die einzelnen Charaktere sind authentisch, wirken sehr lebendig, mit all ihren Ängsten, Gefühlen, Ecken und Kanten. Dass die Autorin Psychotherapeutin von Beruf ist, offenbart sich insbesondere im Charakter von Pieters Freund Tom, von Beruf Psychiater, und dessen Aussagen.

Obwohl das Buch als „Küstenkrimi“ bezeichnet wird und die Mordserie die Basis der Handlung bildet, lag in meinen Augen dennoch der Schwerpunkt des Romans in der schwierigen sich entwickelnden Beziehung zwischen Pieter und Elisabeth, Vergangenheit muss bewältigt, Missverständnisse geklärt und Vertrauen gefasst werden. Dadurch mutiert der Kriminalfall fast mehr zum roten Faden. Die Mordfälle werden in Kiel verübt, so manch besuchenswertes Plätzchen wird erwähnt, letztlich hat sich das bei mir nicht wirklich eingeprägt, Küstenflair habe ich nicht verspürt.

Der Spannungsbogen hielt sich auf gutem Niveau, wenn auch der Beziehungsstory meinem Empfinden nach zuviel Raum gegeben wurde. Immer wieder gab es neue Erkenntnisse, neue Verdächtige, überraschende Wendungen und gefährliche Situationen – reichlich Stoff für eigene Thesen und zum Miträtseln.

Mir hat das Buch im Großen und Ganzen gut gefallen, würde mir aber wünschen - da mich das langwierige Hin und Her in der Liebesgeschichte etwas nervte -, dass in Folgebänden die Krimihandlung gegenüber dem Privatleben des Ermittler-Duos mehr in den Vordergrund tritt. Gerne empfehle ich das Buch mit 4 von 5 Punkten.

Bewertung vom 28.05.2022
Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)
Dubois, Julie

Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Familiengeheimnisse

„Kalte Blüten“ von Julie Dubois, der zweite Band mit Kommissarin Marie Mercier im Mittelpunkt, ist ein Wohlfühlkrimi, der Spannung mit viel französischem Flair verbindet

Worum geht es?
Marie Mercier ist nicht mehr nach Paris zurückgekehrt, sondern hat sich endgültig in Saint-André-du-Périgord niedergelassen und die Leitung des hiesigen Kommissariats übernommen, sehr zum Missfallen jenes Kollegen, der sich Hoffnung auf den Posten gemacht hat. Auch als bei Bauarbeiten für eine neue Ölmühle ein menschlicher Schädel freigelegt wird und Marie Menschen befragen muss, die sie von jung an kennt, gestalten sich die Ermittlungen mühsam. Die Besitzer des Hofes, die Mitglieder der Familie Barthes, verhalten sich wenig kooperativ.

Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft, reich an Lokalkolorit. Die Autorin vermittelt reizvolle Stimmungsbilder der Landschaft, anschauliche Schilderungen des dörflichen Treibens. Die Kapitel sind angenehm kurz, verfügen über Zeit- und Ortsangaben. Das Buch erschien 2022, die Handlung spielt in der Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt.

Da ich Band 1 kannte, war ich sofort wieder heimisch im Périgord, in Maries Umfeld. Doch auch Quereinsteiger finden sicher rasch in die Geschichte. Will man jedoch die Entwicklung der Protagonisten mit verfolgen, sollte man zuvor „Trüffelgold“ lesen.

Die Charaktere wirken authentisch, nicht nur die liebenswerten rund um Marie, auch die schwierige, eigenbrötlerische Familie Barthes, Maries Kollegen und die Dorfbewohner wirken lebendig, es kristallisieren sich immer mehr Eigenheiten und Wesenszüge heraus.

Angenehm unblutig, aber nichtsdestotrotz spannend entwickelt sich die Handlung, zahlreiche Verdächtige regen die Fantasie des Lesers an, so manche Spur führt in die Irre. Man hat reichlich Möglichkeit mit zu rätseln, ahnt zwar manches und wird dennoch letzten Endes völlig überrascht.

„Kalte Blüten“ hat mir ausgezeichnet gefallen, und zwar nicht nur der Kriminalfall an sich. Die französische Atmosphäre, die Lust auf eine Reise macht, die sympathischen Protagonisten, Maries harmonisches Familienleben und so manch humorvolle Szene vervollständigten den Lesegenuss und machten Lust auf weitere Fälle mit Marie Mercier.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.05.2022
Imago Dei
Marmulla, Rüdiger

Imago Dei


ausgezeichnet

Mächtig, ewig jung und unsterblich !?

„Imago Dei“ von Rüdiger Marmulla ist ein in der Zukunft spielender Thriller, mit dem der Autor beweist, dass dieses Genre auch ohne bluttriefende Grausamkeiten fesseln kann.

Worum geht es?
Nordamerika anno 2045. Pastor Tim erhält einen Hinweis, dass Menschen, die der Sekte Imago Dei angehören, manipuliert werden. Es werden Forschungen betrieben, die ewige Jugend und Unsterblichkeit verheißen, wobei Menschen für gefährliche Experimente missbraucht werden.

„Imago Dei“ war nicht mein erstes Buch von Rüdiger Marmulla. Ich kannte bislang nur die romantische Regensburg-Trilogie und war sehr neugierig auf einen Thriller aus seiner Feder. Und ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil.

Auch ohne den ersten Band zu kennen, kam ich problemlos in die Geschichte hinein und überblickte rasch den überschaubaren Personenkreis. Ich hatte nie den Eindruck, mir würden Informationen aus dem Vorgängerband fehlen. Das Buch ist problemlos eigenständig lesbar und verständlich.

Der Schreibstil ist einfach, schnörkellos, die kurzen, oft nur eine Seite langen Kapitel lesen sich flott und flüssig. Da fliegen die Seiten nur so dahin. Der Autor verzichtet auf detaillierte Beschreibungen des Umfelds, Stimmungsbilder und Darstellung starker Emotionen. Der Text ist im Präsens und vorwiegend im Dialog verfasst, wodurch es sich sehr lebendig anfühlt und man sich mitten im Geschehen wähnt.

Der Spannungsbogen zieht sich durch das gesamte Buch. Bereits der Prolog vermittelt ein ungutes Gefühl und je mehr man als Leser von Imago Dei und deren Machenschaften erfährt, desto mulmiger wird einem, man bangt um die Menschen, es wird umso spannender. Sehr eindrucksvoll und vorstellbar schildert der Autor die zukünftigen technischen bzw. medizinischen Möglichkeiten und Finessen – es sind nicht nur erstrebenswerte Zukunftsvisionen.

Die Handlung gestaltet sich durch Orts- und Szenenwechsel abwechslungsreich. Besonders beindruckend fand ich die Verflechtung der Handlung von Richard Wagners Oper „Der Ring der Nibelungen“ mit den wahnwitzigen Ideen des Sektenführers. Zudem steckt einiges technisches Knowhow und wissenschaftliche Recherche in dem Buch.

Die Charaktere sind anschaulich, wenn auch nicht tiefgründig dargestellt. Pastor Tim und sein Umfeld wirken durch ihre Hilfsbereitschaft, ihr geradliniges Wesen und Gläubigkeit authentisch, ebenso sind auch die machthungrigen Sektenführer überzeugend gezeichnet.

„Imago Dei“ ist ein fesselnder, aber wohltuend unblutiger Thriller, der mir spannende Lesestunden beschert und Lust auf weitere Abenteuer von Pastor Tim gemacht hat.

Bewertung vom 02.05.2022
Mörder Pointen
Lukas, Leo

Mörder Pointen


sehr gut

Ein etwas anderer Krimi - Spannung inklusive facettenreichem Lokalkolorit

„Mörder Pointen“, der zweite Kriminalroman aus der Feder von Leo Lukas spielt diesmal in seinem ureigensten Milieu, nämlich jenem der Kabarettisten.

Worum geht es?
Ein Serienmörder hat es auf Kabarettisten abgesehen. Chefinspektor Fux wird bei ihren Ermittlungen von Peter Szily, der sich in der Szene auskennt, unterstützt, und dessen Freund Bravo, der Auftragskiller, verfolgt seinerseits diverse Spuren, um sich selbst vom Verdacht zu befreien.

Der Schreibstil ist flüssig, die immer wieder eingeflochtenen typischen Wienerischen Ausdrücke, wie aufganseln, ausfratscheln oder jemanden häkerln, vermitteln wunderbar das Lokalkolorit, ebenso wie die Beschreibungen sehenswerter Plätze u.a. in Wien, Linz oder Graz, angefangen vom Böhmischen Prater über den Wurstelprater und die Liliputbahn bis zum Kalvarienberg, die Alte Donau oder die Jugendstil-Toilette am Graben, die Murinsel, den Grazer Uhrturm oder das Linzer Hafengelände. Darüber hinaus steckt viel Wissenswertes in dem Text, teils irrelevant für die Mordfall, teils irreführend - Historisches, Skurriles, Skandalöses aus österreichischer Politik und Wirtschaft.

Der Roman erschien 2022, die Pandemie wird leicht gestreift. Ungewöhnlich ist der Aufbau des Krimis, nämlich analog einer Minigolfanlage verfügt er über 18 Kapitel, betitelt jeweils mit der entsprechenden Bahn, ergänzt mit der Information über die von Profis dafür bevorzugten Bälle. Ein Witz pro Kapitel dient zur spaßigen Auflockerung, wissenserweiternd fand ich die verschiedenen Definitionen rund um das Wort Pointe.

Da ich auch Band 1 kenne, waren mir die handelnden Personen von Anfang an vertraut und ich kam auch problemlos in der Geschichte hinein. Ich kann mir aber vorstellen, dass Quereinsteiger die ungewöhnliche Beziehung zwischen Peter Szilly (Pez) und Bravo, immerhin ist er ein Auftragskiller, nicht sofort durchschauen. Positiv fiel mir auf, dass im Vergleich zum Vorgängerband diesmal den polizeilichen Ermittlungen mehr Raum gegeben wurde, inklusive Informationen über den österreichischen Polizeiapparat.

Die Handlung nimmt nur langsam Fahrt auf, die Ermittlungen gehen realitätsnah zäh voran. Die offiziellen Untersuchungen und Recherchen basieren nun einmal auf mühevoller Kleinarbeit. Hinzu kommt auch noch Kompetenzgerangel, weil der Fall Bundesländer übergreifend ist. Man tappt allgemein im Dunkeln, die Ermittler ebenso wie die Leserschaft. Miträtseln erweist sich als schwierig, mangelt es doch an Verdächtigen. Dadurch, dass Chefinspektorin Fux, Pez und Bravo kaum direkt kommunizieren und voneinander unabhängig agieren, ergeben sich drei abwechslungsreiche Handlungsstränge. Neben der Polizeiarbeit eröffnen Pez und Bravo einen Blick auf die österreichische Kabarettszene – es blieb wohl keine der namhaften Kabarettbühnen unerwähnt – und führen den Leser bis in die tiefe Wiener Unterwelt. Reales vermischt sich mit Fiktiven. Als sich erste Spuren verdichten, steigert sich die Spannung, die Protagonisten geraten in brenzlige Situationen, bis letztlich in einem dramatischen Showdown der wahre Täter gefasst wird und sich das wahre Motiv offenbart. Eine überraschende, aber schlüssige Lösung.

Die Charaktere der Protagonisten sowie wesentlicher Nebendarsteller sind anschaulich dargestellt, sie zeigen so manche Eigenart und Schwäche, sogar romantische Gefühle.

„Mörder Pointen“ (wie auch zuvor „Mörder Quoten“) sticht aus der Masse der Krimis dahingehend hervor, dass man abgesehen von der Mördersuche sehr viel an österreichischer Atmosphäre vermittelt bekommt. Gerne empfehle ich das Buch für jene, die einmal einen etwas anderen Krimi lesen möchten.

Bewertung vom 28.04.2022
DAS EULENTOR
Gruber, Andreas

DAS EULENTOR


ausgezeichnet

Wo das Grauen lauert

Der Name Andreas Gruber hat mich dazu animiert, mich an meinen ersten Mystery-Thriller zu wagen – „Das Eulentor“ hat mich dann gepackt wie noch kein Buch zuvor.

Das Buch erschien bereits 2008, allerdings nur mit der Kernhandlung, den Expeditionsjahren 1911 bis 1914, und wurde nunmehr vom Autor überarbeitet und u.a. um eine in der Gegenwart angesiedelte Rahmenhandlung ergänzt.

Worum geht es?
1911 bricht eine Expedition auf, um Spitzbergen kartographisch zu erkunden. Nicht nur Kälte und widrige Wetterverhältnisse setzen dem Team unter der Leitung von Alexander Berger zu. Sie entdecken einen weit in die Tiefe führenden, mysterlösen Schacht …

Über 100 Jahre später macht sich eine junge Frau, Neele Tujunen, zur Forschungsstation auf Spitzberger auf, sie will mehr über Alexander Bergers seinerzeitige Expedition in Erfahrung bringen.

Die Handlung fesselt ab der ersten Seite. Man befindet sich sofort mitten im Geschehen. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, die Kapitel kurz. Das Buch gliedert sich in 12 Abschnitte, wobei sich die in der Gegenwart spielenden mit jenen aus der Vergangenheit abwechseln.

Neeles Erlebnisse werden in Erzählform geschildert, Alexander Berger berichtet in Ich-Form, wodurch man die Ereignisse, seine Eindrücke und Emotionen besonders lebendig und mitreißend empfindet. Das unfassbare Grauen, das all jene erfasst, die das Geheimnis des Schachtes ergründen wollen, kriecht regelrecht zwischen den Zeilen hervor und verursacht Gänsehaut. Die düstere Atmosphäre, aber auch die Widrigkeiten der Eis- und Schneehölle sind so anschaulich beschrieben, dass man sich mitten unter den Expeditionsteilnehmern oder tief unten im Schacht wähnt. Faszinierend und sehr interessant fand ich auch all die detaillierten technischen und physikalischen Erklärungen, deren Plausibilität ich zwar nicht nachvollziehen konnte, die mir jedoch durchaus glaubhaft erschienen.

Die Spannung ließ nie nach. Kaum atmete man auf, passierte wieder etwas Unerwartetes, etwas Erschreckendes, etwas Grauenhaftes. Das Tempo der Handlung steigerte sich gegen Ende des Buches in Form verkürzter Kapitel. Fiese Cliffhanger ließen einen das Buch überhaupt nicht mehr aus der Hand legen.

Die verschiedenen Charaktere sind ausgezeichnet dargestellt, zeigen Stärken und Schwächen. Insbesondere Alexander Berger entwickelt sich vom jungen Abenteurer zu einem verantwortungsbewussten Forschungsleiter.
„Das Eulentor“ war mein erstes Buch von Andreas Gruber und hat mich schwer begeistert. Nun muss ich endlich auch beginnen, seine Thriller-Reihen zu lesen.

Dieses Buch empfehle ich gerne weiter – wenn auch nicht unbedingt als Einschlaflektüre.

Bewertung vom 27.04.2022
Einmal kurz die Welt retten
Brandis, Katja; Schmitz, Ingrid; Aurass, Dieter; Troi, Heidi; März, Mari; Kölpin, Regine; Biltgen, Raoul; Zentel, Janet; Nielsen, Eva; Schleheck, Regina; Neuwirth, Günter; Kleindl, Reinhard; Kramlovsky, Beatrix; Thomas, Alex; Laub, Uwe; Wimmer, Barbara; Schmid, Claudia

Einmal kurz die Welt retten


ausgezeichnet

SOS - Erde in Gefahr!

Bei „Einmal kurz die Welt retten“ handelt es sich um eine Anthropologie rund um das Thema Nachhaltigkeit und Ressourcenverschwendung. Herausgeberin des Buches ist Jennifer B. Wind.

23 namhafte Autor*innen zeigen in 24 Kurzgeschichten zu 12 Themen primär düstere Visionen vom Leben auf unserer Erde, wenn nicht - eher heute als morgen - tiefgreifende, weltumspannende Maßnahmen gesetzt werden.

Dieses Buch lässt einen nicht unberührt. Noch dazu spielen all diese beklemmenden Zukunftsszenarien bereits Mitte des 21. Jahrhunderts, in fast greifbarer Nähe, durchaus erlebbar für uns und unserer Kinder. Für mich war dies keine Lektüre, die ich so in einem Zug hätte auslesen können. Das lag nicht am Schreibstil, sondern an dem Inhalt der Geschichten. Ja, all diese schrecklichen, gruseligen oder makabren Visionen entsprangen der Fantasie, doch wenn man genauer darüber nachdenkt, sind die meisten Szenarien im Kern durchaus schon heutzutage ein Thema, mancherorts bereits ein Problem, wie Wasserknappheit, das Schmelzen des Eises in Grönland oder an den Polen, Erderwärmung, Dürrekatastrophen oder Überbevölkerung. Doch der Großteil der Weltbevölkerung nimmt die den Weiterbestand der Erde bedrohenden Einflüsse nicht ernst, lebt mehr oder minder gedankenlos vor sich hin. Wenn nicht bald massiv gegengesteuert wird, wird dies verheerende Folgen für die Menschheit haben, Folgen wie sie in diesem Buch nur zu anschaulich vor Augen geführt werden.

Abgesehen vom Inhalt, so lesen sich die Geschichten verschieden flüssig, einige gefielen mir besser andere weniger, was aber die generelle Aussage nicht schmälert.

„Einmal kurz die Welt retten“ sollte nicht nur jeder gelesen haben, sondern vor allem dann darüber nachdenken, was man selber tun kann, um ein kleines bisschen zur Rettung der Erde beizutragen.

Bewertung vom 24.04.2022
Liestaler Gold
Haller, Ina

Liestaler Gold


ausgezeichnet

Warum musste Josephine sterben?

„Liestaler Gold“ von Ina Haller, der vierte Band mit Samantha Kälin als Protagonistin, ist ein spannender Krimi, eingebettet in Schweizer Flair.

Worum geht es?
Samanthas Nachbarin Josephine wird brutal ermordet, ihr Haus wurde durchwühlt und verwüstet. Samantha und ihr Partner Joel helfen dem alten, gebrechlichen Vater der Ermordeten bei der Räumung. Dadurch gewinnen sie Einblick in Josephines widersprüchliches Leben, was Samanthas Neugier und Spürsinn weckt. Der Mordfall und Samanthas Privatleben verflechten sich zusehends. Sie wird immer mehr in den Fall hineingezogen und schließlich selbst zur Zielscheibe.

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge. Die Geschichte spielt in der nicht genau datierten Gegenwart in Liestal, der Hauptstadt des Schweizer Kantons Basel-Landschaft (Baselbiet). Das Buch erschien 2022, Corona bleibt unerwähnt. Die gut dosiert eingeflochtenen Schweizer Ausdrücke wie Stedtli, Törli oder Plättli sowie Brauchtum wie „Eierläset“ veranschaulichen das Lokalkolorit. Vom Sprachlichen her hat man keine Verständnisprobleme (behaupte ich als Wienerin). Notfalls kann man diese Wörter im Glossar nachschlagen.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Samantha, eine junge Frau mit indischer Herkunft, deren berufliches und privates Umfeld von dem Mordfall betroffen ist. Die polizeilichen Ermittlungen werden nur am Rand erwähnt.

Der brutale Mord im Prolog scheint zunächst in keinem Zusammenhang zum Mord an Samanthas Nachbarin zu stehen. In kleinen Dosen erfährt man immer mehr über die Ermordete, es kristallisieren sich Verdächtige heraus, widersprüchliche Aussagen verwirren, Spuren verlaufen im Sand. Samanthas Privatleben gerät durcheinander. Sie weiß nicht mehr, wem sie trauen darf und wem nicht. Man kann zwar wunderbar eigene Theorien entwickeln, mitraten, doch es gibt immer wieder neue Wendungen und unerwartete Zusammenhänge. Somit sinkt der Spannungsgrad nie ab, im Gegenteil, er steigert sich noch im finalen Showdown. Letztlich klärt sich der Fall schlüssig und zufriedenstellend.

Grundsätzlich bin ich als Quereinsteigerin in die Geschichte gut hineingekommen, doch was die Charaktere anbelangt, insbesondere jenen der Hauptaktivistin Samantha, so zeigte sich auch hier, dass in Folgebände logischerweise die Entwicklung und die Vorgeschichte nicht detailliert wiederholt, sondern höchstens angedeutet werden kann. Somit blieben für mich Fragen offen, wie z.B. wieso die junge Inderin als Kind von Schweizern adoptiert wurde, wie sie ihre indische Familie fand, usw. Nichtsdestotrotz fand ich Samantha nicht nur bloß sympathisch, sondern konnte sehr wohl ihre kulturelle Problematik nachvollziehen. Ich verspüre jedenfalls das Bedürfnis, sie noch besser kennenzulernen, daher werde ich die Vorgängerbände wohl nachlesen.

„Liestaler Gold“ ist ein spannender Kriminalroman mit einem komplexen Handlungsaufbau, der Lust auf mehr aus der Feder der Autorin macht.