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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 17.02.2018
Das Prinzip Selbstverantwortung
Sprenger, Reinhard K.

Das Prinzip Selbstverantwortung


ausgezeichnet

Aufforderung zum Perspektivwechsel

In seinem Klassiker "Mythos Motivation" ("Alle Motivierung zerstört die Motivation") [1] demaskiert Reinhard K. Sprenger Beeinflussungstechniken und verändert damit die Sicht auf die Arbeitswelt. In "Das Prinzip Selbstverantwortung" beschreibt er die Grundlagen dieser Sicht und setzt auf Eigeninitiative und Selbstverantwortung ("Macht hat, wer macht." (16)).

Das Buch gliedert sich in drei Teile. Zu Beginn benennt Sprenger Missstände in Unternehmen. Dazu zählen Unzuständigkeiten, Entlastungsversuche und archaische Führungsstrukturen. Sein Gegenentwurf besteht darin, selbst in die Verantwortung zu gehen. Das impliziert ein freiwilliges, engagiertes und kreatives Handeln. Wie ist das zu erreichen?

Sprenger definiert im ersten Hauptteil die philosophische Basis für das „Prinzip Selbstverantwortung“, welche stark vom Konstruktivismus geprägt ist. Wir haben uns freiwillig für die Situation entschieden, in der wir uns heute befinden. Das zu erkennen erfordert einen Perspektivwechsel. Infolgedessen können wir uns auch freiwillig für das engagieren, was wir wollen.

Der Konstruktivismus erhebt die Subjektivität aller Erfahrung und allen Wissens zum Leitsatz. Im Sinne des Konstruktivismus gibt es keine Objektivität und keine Wahrheit. Der Absolutismus wird ersetzt durch einen Relativismus. Der Mensch ist verantwortlich für seine eigene Wirklichkeit. Subjektivität und Nützlichkeit sind zielführender als Objektivität und Wahrheit.

Im zweiten Hauptteil thematisiert Sprenger, wie dieser Perspektivwechsel erreicht werden kann. Wer schon einmal in seinem eigenen Umfeld Thesen aus diesem Buch diskutiert hat, weiß, wie schwierig das ist. Zu den Thesen zählen „Führung ist Beziehung“ (162), „Selbstverantwortung ist eine Einstellung“ (171), „Wer ein Problem hat, hat auch immer eine Lösung“ (178), um nur Beispiele zu benennen.

Sprenger rüttelt auf, stellt infrage und provoziert. Das Buch ist ausgesprochen anregend und enthält nützliche Thesen, die weit über das Berufsleben hinausgehen, wie Sprenger selbst in seinem späteren Buch „Die Entscheidung liegt bei Dir!“ [2] deutlich macht. Ob Menschen zur Selbstverantwortung fähig sind, ist umstritten. Letztlich ist Selbstverantwortung Voraussetzung für Freiheit.

[1] Reinhard K. Sprenger: Mythos Motivation, Seite 69
[2] Reinhard K. Sprenger: Die Entscheidung liegt bei Dir!

Bewertung vom 11.02.2018
Innenansichten eines Artgenossen
Ditfurth, Hoimar von

Innenansichten eines Artgenossen


ausgezeichnet

Hoimar von Ditfurth (HvD), bekannter Wissenschaftspublizist und Moderator naturwissenschaftlicher Sendungen, legt hier seine persönliche Bilanz vor. Die Geschichte seines Lebens beginnt am 15. Oktober 1921 in Charlottenburg als "Ankunft aus dem Nichts". (8) Bei diesem Buch handelt es sich nicht um eine herunter geschriebene Chronologie wichtiger Ereignisse seines Werdegangs, sondern um eine selbstkritische Autobiografie.

Sein Bezug zur Evolutionstheorie und ihrer philosophischen Bedeutung wird bereits im ersten Kapitel erkennbar, wenn er deutlich macht, dass geistige Freiheit durch das biologische Fundament begrenzt wird. Dabei handele es sich nicht um Biologismus, sondern um die angemessene Berücksichtigung des Einflusses hierarchisch angeordneter Seinsebenen. Damit beugt HvD einer ideologischen Blickverengung vor.

Aufgewachsen in einer preußischen Offiziersfamilie, kommt für ihn nur ein geisteswissenschaftliches Gymnasium infrage. Dennoch findet er bereits in jungen Jahren Zugang zu den Naturwissenschaften. Auslöser sind ein altes Mikroskop, gefunden auf dem elterlichen Dachboden, und eine im gleichen Haus wohnenden Biologielehrerin, die sich Zeit nimmt für den jungen Hoimar. (63)

HvD beschreibt seine Jugend während des Nationalsozialismus. Dabei ist er ehrlich mit sich selbst, wenn es um das Schicksal seines begabten Klassenkameraden Wilhelm Stumpf geht (133) oder um den fehlenden Mut, sich dem aufkeimenden Rassismus entgegenzustellen. Er erläutert, wie es die Nazis geschafft haben, archaische Instinkte ihrer Mitmenschen zu wecken und die sie überlagernde Vernunft auszuschalten.

Astronomische Phänomene beschäftigen HvD schon in jungen Jahren und prägen auch seine schriftstellerische Arbeit. Wie klein der Schritt von der Astronomie zur Psychiatrie (sein Studienfach) ist, beschreibt HvD ausführlich. Er mündet in der Erkenntnis, dass wir nicht in der Welt leben, sondern in dem Bild, welches wir uns von der Welt machen. (246) Hier fließen Naturwissenschaft, Erkenntnistheorie und Psychiatrie zusammen.

HvDs Weg führt von der Würzburger Universitätsklinik über den Mannheimer Pharmakonzern Boehringer, wo er seine Liebe zum Schreiben entdeckt, hin in die freie Schriftstellerei. Dafür gibt er einen Managerposten in der Industrie auf. Seine populärwissenschaftlichen Bücher und Fernsehsendungen rechtfertigen diesen radikalen Schnitt.

Das Buch wäre unvollständig, wenn HvD nicht auch zur Ökologie Stellung beziehen würde. Das Verhalten der Menschheit gleiche einem "Tanz auf dem Vulkan". (390) Die Ignoranz der Politiker vergleicht HvD mit dem Kapitän der "Titanic", der nach dem Zusammenstoß mit dem Eisberg die Passagiere beruhigt und die Gefahr leugnet. (393)

HvD ist ein gläubiger Mensch, jedoch steht sein Glaube in Opposition zur Lehre der christlichen Kirche. Wenngleich die in der Bergpredigt propagierte Feindesliebe an die "Grenzen des Menschenmöglichen" (432) stößt, sei sie für das Überleben der Menschheit unabdingbar. Die Menschheit stehe nicht am Ende der kosmischen Evolution. Sie sei aber Teil dieser für menschliche Verhältnisse unvorstellbaren Entwicklung.

Bewertung vom 30.01.2018
Dimensionen des Lebens. Reportagen aus der Naturwissenschaft
Ditfurth, Hoimar von & Arzt, Volker

Dimensionen des Lebens. Reportagen aus der Naturwissenschaft


ausgezeichnet

Reportagen aus der Naturwissenschaft

In „Dimensionen des Lebens“ fasst Volker Arzt die Ergebnisse der ZDF-Reihe Querschnitt aus den 1970er Jahren auf Basis der Manuskripte und des Bildmaterials von Hoimar von Ditfurth, der die Sendungen seinerzeit vorbereitet und moderiert hat, zusammen. Die Sendungen dienten der naturwissenschaftlichen Aufklärung und waren sehr erfolgreich. Von Ditfurth wurde durch die Fernsehreihe und seine populärwissenschaftlichen Bücher einem breiten Publikum bekannt.

Die Themen sind vielfältig und überwiegend zeitlos. Über außerirdisches Leben wissen wir heute nicht mehr als wie vor vierzig Jahren. Entsprechendes gilt für Reisen in den Kosmos bzw. für Zeitreisen. Dennoch haben wir aktuell z.B. über den Mars aufgrund von Sonden genauere Kenntnisse als in den 1970er Jahren. Dagegen verfügen wir auch heute nicht über Raketenantriebe, die der Menschheit interstellare Reisen ermöglichen würden. Die Dimensionen des Raumes sind unüberwindbar.

Die Autoren erläutern den Werdegang einer Sonne, beschreiben die Eiszeit, erläutern den Einfallsreichtum der Pflanzen und versetzen die Leser beim Thema Mimikry in Staunen. Auf der anderen Seite gibt es DDT in der westlichen Welt nicht mehr und der einstige Großrechner ILLIAC IV spielt nur noch in den Annalen der Computertechnik eine Rolle. Über die Hirnforschung wissen wir heute mehr als vor vierzig Jahren, dennoch könnten wir keinen Schaltplan des Gehirns konstruieren.

Die Autoren beschäftigen sich mit den Sinnesorganen und dem Gehirn und machen an Beispielen deutlich, warum wir anfällig sind für optische Täuschungen. Sie thematisieren die brisante Frage, inwieweit Begabungsunterschiede anerzogen oder ererbt sind. Das Gehirn oder genauer gesagt das Bewusstsein bleibt trotz großer Fortschritte bei den physiko-chemischen Analysen rätselhaft. Die Frage des letzten Kapitels „Was ist Leben?“ hat schon den Physiker Erwin Schrödinger in seinem gleichnamigen Klassiker fasziniert.

Das Buch ist übersichtlich gestaltet, enthält anschauliche Bilder und am Ende der Kapitel jeweils Zusammenfassungen. Trotz des Alters sind die Beiträge lesenswert. Eine Rückschau spiegelt auch immer den jeweiligen Zeitgeist wieder. Das Buch bietet einen guten Einstieg in die Themen, sollte aber nicht die einzige Informationsquelle bleiben. Die Ausführungen entsprechen zwar nicht dem aktuellen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung, dennoch werden sie durch Zeitablauf nicht unrichtig.

Bewertung vom 27.01.2018
Origin / Robert Langdon Bd.5
Brown, Dan

Origin / Robert Langdon Bd.5


sehr gut

Das Alpha und das Omega

Dan Brown behandelt in Origin, wie schon der Titel andeutet, elementare Fragen der Menschheit, dazu zählen die Fragen nach deren Ursprung (Woher kommen wir?) und deren Ziel (Wohin gehen wir?). Die Antworten rütteln am Selbstverständnis des Menschseins und versetzen die Vertreter der Religionen in Aufruhr. Im Kern geht es um das Spannungsfeld Naturwissenschaft versus Religion.

Origin ist nicht der typische Thriller mit pausenlosen Verfolgungsjagden und permanenter Lebensgefahr. Dafür ist Origin philosophischer als seine Vorgänger. Es entsteht der Eindruck, dass der Autor selbst einen Reifungsprozess durchgemacht hat und sich auf den Kern des Menschseins fokussiert. Wie im Roman fiktiv dargestellt, würden sich auch in der realen Welt viele Millionen Menschen von den Antworten fesseln lassen.

Robert Langdon, bekannter Professor für Symbologie, wirkt, wie auch schon in früheren Romanen, ein wenig farblos. Charakterstudien gehören nicht zu den Stärken von Autor Brown. Diese Schwäche wird durch Ausflüge in Wissenschaft, Religion und Kunstgeschichte ausgeglichen. Origin ist mehr als ein Thriller. Ausführliche Beschreibungen der Schauplätze und Hintergründe gehören bei Brown einfach dazu.

Das spanische Königshaus erscheint absurd und unglaubwürdig. Was ist Thronfolger Julián für ein Mensch? Gut das es da die vielen Sicherheitskräfte gibt, die echt wirken und durch den Autor in den Vordergrund gerückt wurden. Mein Highlight in Origin ist aber Edmond Kirschs Vertreter der Künstlichen Intelligenz Winston. Er wirkt beruhigend, ist humorvoll, ja er hat menschliche Züge. Sein Einsatz lässt manchen Protagonisten verblassen.

Es geht in Origin weniger darum Codes unter Zeitdruck und Lebensgefahr zu knacken, obwohl auch das notwendig wird, sondern der Spannungsbogen wird durch die Erwartung auf die Antworten auf die Urfragen der Menschheit aufrecht erhalten. Und das Besondere besteht darin, dass diese Antworten nicht nur theoretisch reflektiert werden, sondern der Roman als ein Ausblick auf diese Antworten verstanden werden kann.

Bewertung vom 20.01.2018
Die Geschichte der Welt
Frie, Ewald

Die Geschichte der Welt


sehr gut

Die Eroberung der Welt

„Es gibt nicht die eine für alle Menschen geltende Geschichte des Fortschritts oder der Modernisierung.“ (452) Das ist zweifelsohne richtig. Daher erzählt der Historiker Ewald Frie die Weltgeschichte nicht aus der gewohnten europäischen Sicht, sondern punktuell aus Sicht verschiedener Metropolen und Kulturen. Bei dieser Betrachtung kommt Europa nicht gut weg. Kritik am Imperialismus und an der Kolonialisierung der Welt ist mehr als berechtigt.

Das Buch gliedert sich in 20 Kapitel, in denen 20 Geschichten über die Entwicklung der Menschheit erzählt werden. Die Handlungsorte verteilen sich auf den gesamten Globus, der zeitliche Rahmen deckt die gesamte Menschheitsgeschichte ab, wobei der Autor betont, dass es von vielen Kulturen keine Überlieferungen gibt. Es gibt Verbindungen zwischen den einzelnen Geschichten und Parallelen im menschlichen Verhalten werden erkennbar.

So wie James Cook im ersten Kapitel die Welt entdeckt, entdecken die Leser ungewohnte Perspektiven auf die Weltgeschichte. Ob die Intellektuellen Europas fremde Kulturen als prinzipiell gleichwertig wahrgenommen haben (29), erscheint im Hinblick auf die realen Eroberungsfeldzüge und Religionskriege zweifelhaft. Dennoch ist die Geschichte der Menschheit nicht nur eine Geschichte der Konfrontation, sondern auch der Kooperation.

Der Autor stellt hoch entwickelte Kulturen vor, die in üblichen Geschichtsbüchern nicht erwähnt werden. Das gilt z.B. für Chang'an in China, das Moche-Tal in Südamerika oder für Kilwa in Ostafrika. Afrikanische Geschäftsleute waren harte Verhandlungspartner, wie der Autor deutlich macht. (240) Dennoch haben sie mittelfristig gegenüber europäischen Eroberern kapituliert. Parallelen sind bei den Azteken und Inkas erkennbar, die sich trotz personeller Überlegenheit nicht gegen die Spanier wehren konnten.

Das Buch ist leicht verständlich, macht die Leser neugierig und eröffnet neue Perspektiven. Im Hinblick auf die Eroberungsgeschichte der Menschheit wundert es, dass 1972 die interplanetarische Sonde Pionier 10 ins All geschossen wurde mit Informationen über unser Sonnensystem und über die Menschheit. Glaubt wirklich jemand, dass uns Außerirdische wohl gesonnen wären? Müsste nicht eher erwartet werden, dass sich die Kolonialisierung in interstellarer Dimension wiederholt?

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.01.2018
Fräulein Smillas Gespür für Schnee
Høeg, Peter

Fräulein Smillas Gespür für Schnee


gut

Eiskalter Krimi

Smilla Qaavigaaq Jaspersen, geboren in Qaanaaq, Nordgrönland, 37 Jahre alt, ist die Tochter einer grönländischen Robbenfängerin und eines dänischen Arztes. Sie ist in Grönland und Dänemark aufgewachsen und lebt als Wissenschaftlerin in Kopenhagen. Ihre besondere Vorliebe gehört dem Schnee in allen seinen Ausprägungen. Daher hat sie an mehreren Expeditionen nach Grönland teilgenommen. Ihre Erfahrungen mit dem Schnee bilden, wie schon der Titel andeutet, den Kern des Buches.

Smilla ist sozial auffällig und der Polizei bekannt. Ihre Eltern sind geschieden und ihre Mutter früh gestorben. Sie gilt als unangepasst und ruppig, wurde mehrfach von Schulen verwiesen, ist politisch aktiv und wurde mehrfach inhaftiert. Ihre sensiblen Seiten werden deutlich beim Umgang mit dem Jungen Jesaja. Als dieser vom Dach eines Lagerhauses stürzt und tödlich verletzt wird, macht sie es sich zur Aufgabe, den Fall aufzuklären. Sie glaubt der Staatsanwaltschaft nicht, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben soll.

Damit ist der Rahmen abgesteckt für einen Kriminalroman mit psychologischer Tiefe und grotesken Zügen. Ich-Erzählerin Smilla verfolgt hartnäckig alle Spuren, die der Aufklärung des Falles dienen können, gibt Einblick in ihre eigene Vergangenheit, in wissenschaftliche Themen und ihre besonderen Vorlieben. Ihr facettenreiches Leben und ihre nonkonformistische Art geben dem Roman die notwendige Würze. Smillas Verhalten ist grenzwertig und gleitet über ins Psychopatische.

So wie Smilla verschiedene Seiten ihrer Persönlichkeit zeigt und einer differenzierten Betrachtung bedarf, gilt das gleiche für die Handlungen im Roman selbst. Der phasenweise spannende Roman wirkt auch überzeichnet und konfus. Manche Abschnitte muss man mehrmals lesen, um jeweilige Sprünge nachvollziehen zu können. Neben psychologischer Tiefe besitzt der Roman unrealistische Elemente. Das gilt besonders für die Ereignisse auf der Kronos, wo sich der Leser ständig fragt, wer welche Motivation hat. Die Geschichte zieht sich in die Länge und das Ende bleibt irgendwie im Eis stecken.

Bewertung vom 09.01.2018
Kindersorgen
Schulte-Markwort, Michael

Kindersorgen


sehr gut

„Kindersorgen“ ist „kein kinder- und jugendpsychiatrisches Lehrbuch für Eltern, weil ich mich auf die Kindersicht und deren Verständnis und Deutung beschränke.“ (22) Michael Schulte-Markwort, Professor für Jugendpsychiatrie, grenzt im Vorwort ab, was seine Zielsetzung ist. Im Fokus steht die Erlebniswelt der Kinder.

Der Hauptteil des Buches besteht aus zwanzig Kapiteln, in denen jeweils ein Problemfeld anhand von Fallbeispielen und weitergehenden Erläuterungen behandelt wird. Insofern ist der Einstieg je nach Interessenlage in jedem Kapitel möglich. Die Erläuterungen sind verständlich. Das Buch sensibilisiert Erwachsene für Probleme der Kinder. Es ersetzt keine Psychotherapie.

Gleich im ersten Kapitel, in dem es um Aggressionen geht, erläutert Schulte-Markwort anhand des syrischen Flüchtlings Ahmed, in welcher psychischen Verfassung sich Jugendliche befinden, die einen Kriegsschauplatz verlassen und allein nach Westeuropa fliehen. Beides zusammen führt zu Traumatisierungen, die behandelt werden müssen.

Eine Ursache von Aggressionen kann Angst sein. Sie kommt aber auch in anderen Zusammenhängen vor. Letztlich ist aus dem Blickwinkel der Evolution Angst notwendig, um zu überleben. Der Autor erläutert, was Angststörungen sind, wie sie sich auswirken und welche Gegenmaßnahmen geboten sind.

In weiteren Kapiteln geht es um Depressionen, Tics, Schlafstörungen, Mobbing, Drogen, Magersucht und Pubertät, um nur Beispiele zu benennen. Der Aufbau der Kapitel ist wohl strukturiert. In die Erläuterungen fließen Märchen ein, die tiefenpsychologisch interpretiert, viel Aussagekraft besitzen und deutlich machen, dass die Probleme so alt sind, wie die Menschheit selbst.

Der Autor ist ein erfahrener Jugendpsychiater, er kennt aber auch seine persönlichen Grenzen, die er in die Erläuterungen einfließen lässt. Auch gibt es Problembereiche, die eine mehrjährige Therapie erfordern und gegen den Willen der Betroffenen nicht gelöst werden können.

Schulte-Markwort nimmt Kinder ernst. Er deckt in diesem Buch eine große Bandbreite ab und räumt mit Mythen auf wie z.B. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Nach eigener Aussage möchte er „Eltern darin unterstützen, ihr Kind und sich selbst besser zu verstehen.“ (314). Das ist ihm mit diesem Buch auch gelungen.

Bewertung vom 05.01.2018
Eine Billion Dollar
Eschbach, Andreas

Eine Billion Dollar


sehr gut

Kann Geld die Zukunft der Menschheit retten?

Welche Möglichkeiten die Welt zu verändern hat ein in Wirtschaftsfragen unerfahrener Mensch, wenn er unerwartet ein riesiges Vermögen erbt? In dieser Situation befindet sich der New Yorker Pizza-Bote John Salvatore Fontanelli. Er erbt im Jahre 1995 aufgrund eines 500 Jahre alten Testaments die unglaubliche Summe von einer Billion Dollar. Das Erbe ist mit einer Prophezeiung verknüpft. Fontanelli solle der Menschheit die verlorene Zukunft wiedergeben.

Andreas Eschbach erweist sich als kreativer Autor, der nicht nur in der Lage ist, originelle Ideen zu entwickeln, sondern es auch versteht, diese in einen realitätsnahen Handlungsrahmen einzubetten. Dabei glänzt er mit Fachwissen zu Wirtschafts- und Finanzfragen. Insofern handelt es sich nicht nur um einen spannenden, sondern auch um einen lehrreichen Roman. Eschbach konstruiert eine fiktive Welt, in der reale Personen und Firmen vorkommen.

„Kein Staat und keine Gesellschaft hat ein Interesse an einer finanziell unabhängigen Bevölkerung.“ (311) „Im wirklichen Leben zählen nur Nahrungsmittel und Energie.“ (348) „Man droht nicht. Man sorgt nur dafür, dass dem anderen klar ist, was man tun könnte, und dann sagt man, was man von ihm will. Das genügt schon.“ (349) Der Roman ist mit Weisheiten gespickt. Die Leser lernen einiges über die Wirtschafts- und Finanzwelt, über Machtstrukturen und über die Motivation der Wirtschaftsführer.

Eschbach skizziert ausführlich die Veränderungen im persönlichen Umfeld Fontanellis, die der Reichtum mit sich bringt und betont charakterliche und gesellschaftliche Gegensätze. Das gilt im privaten Umfeld für die Beziehungen zur Familie und zu ehemaligen Freunden und im geschäftlichen Umfeld für das Verhältnis zu seinem dynamischen Geschäftsführer Malcom McCaine. Fontanellis Erfahrungen in den Armenvierteln von Mexico City öffnen ihm die Augen.

Protagonist Fontanelli wirkt gegenüber dem energiegeladenen McCaine und auch gegenüber den prinzipientreuen Rechtsanwälten der Familie Vacchi farb- und kraftlos. Er ist ein Getriebener, der große Mühe hat, seinen eigenen Weg zu finden. Wie kann die Zukunft für die Menschheit aussehen? Lässt sich diese berechnen? Aufschlussreich sind die Computersimulationen von Professor Collins. (649) Im Roman werden nicht alle Fragen beantwortet. Das kann den Leser ärgern oder auch als Hinweis auf eine offene Zukunft interpretiert werden.

Bewertung vom 04.01.2018
Philosophie - Abenteuer Denken
Law, Stephen

Philosophie - Abenteuer Denken


ausgezeichnet

Die Entscheidung liegt bei dir

Seit dem Erfolg von „Sofies Welt“ Anfang der 1990er Jahre haben leicht verständliche Bücher über philosophische Themen Hochkonjunktur. „Philosophie – Abenteuer Denken“ von dem englischen Philosophiedozenten Stephen Law ist ein solches Buch. Es ist thematisch und stilistisch so aufgebaut, dass insbesondere jugendliche Leserinnen und Leser angesprochen werden.

Während Jostein Gaarder sich ausführlich mit der Geschichte der Philosophie auseinandergesetzt hat, stehen bei Stephen Law zeitlose philosophische Fragen im Mittelpunkt, die er in einem aktuellen Kontext behandelt. So kommt im Hinblick auf die Computersimulation „Matrix“ das Thema „Realität“ nicht zu kurz. Hierzu gehören die Kapitel „Was ist real?“ und „Woher wissen wir, dass die Welt nicht virtuell ist?“, in denen zahlreiche spannende Gedankenexperimente beschrieben werden.

Die Phänomene „Ich“, „Geist“, „Moral“ und „Gott“ untersucht Law mit dem Ziel, die unterschiedlichen philosophischen Standpunkte zu verdeutlichen. Er baut Argumentationsketten auf, stellt diese gegenüber und möchte nach eigenem Verständnis dazu anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Diesem Anspruch wird er gerecht.