Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
nil_liest
Wohnort: 
Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 790 Bewertungen
Bewertung vom 05.03.2023
Zwischen Welten
Zeh, Juli;Urban, Simon

Zwischen Welten


weniger gut

Zeitgeistroman?

Es hieß ein „moderner Briefroman“, sprich ein Buch voller Emails und Textnachrichten, die sich die beiden Protagonisten hin und her schreiben. Oder sollte ich eher schreiben „durch den Äther an den Kopf werfen“? Das sind Stefan und Theresa, einst kennen und schätzen gelernt haben die beiden sich in ihrem Germanistikstudium. Nun mit Anfang 40 nehmen sie ihren Diskutierfaden wieder auf, aber Theresa ist mittlerweile Michbäuerin auf dem Brandenburger Land und Stefan leitet das Kulturresort einer Hamburger Zeitung. Gegensätzlicher könnten die Alltage nicht aussehen. Stefan in der städtischen elitären Blase und Theresa zum Teil in Existenznot auf dem Land.
Dieses Buch hat mich einiges an Kraft gekostet und hat mich persönlich leider weniger begeistert als ich erhofft habe. Ich bin ein großer Fan von Juli Zeh, war es immer und bleibe es auch, aber diese Streitschrift war nicht das, was ich mir erhofft hatte von einer fiktionalen Auseinandersetzung zur aktuellen Unkultur des Debattierens.
Es hat mich regelrecht angestrengt, die vielen Diskurse nochmals zu Durchleben, die wir ohnehin schon auf unsägliche Art im Alltag der letzten 2 Jahre durchmachten. Klar alles wichtig, aber sehr repetitiv, dass nun noch mal in teils sehr unschönen Mails/Testnachrichten herumgeschleudert zu lesen. Alle gesellschaftlichen Themen sind drin, ein Zeitgeist vorhanden, aber kein Mehrwert aus meiner Sicht, wenn Klimapolitik Rassismus, der Ukrainekrieg und alle anderen beherrschenden Themen wiedergekäut werden.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2023
Knochensuppe (Band 1)
Kim, Youngtak

Knochensuppe (Band 1)


ausgezeichnet

Asiatische Zeitreise

Wir schreiben zu Beginn der Geschichte das Jahr 2064 in Buhsan, Südkorea. Lee Uhwan, der im Laufe des Romans nur noch Uhwan genannt wird, ist ein armer Schlucker. Aufgewachsen im Waisenhaus und danach immer als Küchenhilfe arbeitend, soll er nun für seinen Boss in die Vergangenheit reisen und das Rezept einer Knochensuppe ausfindig machen mit den dazugehörigen Beinscheiben. Denn echtes Fleisch wie wir es kennen, gibt es dann nicht mehr.
Uhwan überlebt die Reise in die Vergangenheit in das Jahr 2019 und macht sich auf die Suche nach dem Rezept. Nun, dass ist nur ein Teilstrang der erzählten Geschichte. Es gibt auch noch einen kuriosen Mord und dieser hängt wiederum mit dem Sohn des Suppenküchenbesitzer zusammen wo Uhwan landet.
Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Der Roman ist zwar eine Mischung aus Sci-Fi, Krimi und Thriller, aber es wird doch ganz leise, typisch koreanisch, erzählt. Manches Mal ist der Satzbau etwas behäbig und von konstruierter Stärke, aber ich finde das auch reizvoll. Kim Young-Tak hat hier ein zweiteiliges Debüt vorgelegt, denn dieses Buch ‚Der Mörder aus der Zukunft‘ erzählt „nur“ die Suche nach der Suppe und wie Uhwan seine elternlose Kindheit zum ersten Mal so recht reflektiert. Mit dem zweiten Teil wird die Geschichte dann hoffentlich vervollständigt, das wäre dann ‚Die Nacht, in der zwölf Menschen verschwanden‘.

Bewertung vom 26.02.2023
Das Geheimnis der Schokomagie / Schokomagie Bd.1
Allnoch, Mareike

Das Geheimnis der Schokomagie / Schokomagie Bd.1


ausgezeichnet

Wie „Emily in Paris“ für Kinder

Ach, herrlich die Kombination aus Schokolade und Paris! Was will man mehr?! Also in ‚Das Geheimnis der Schokomagie‘ geht es um die 14jährige Mila, die kurz vor dem Tod ihrer Großmutter erfährt, dass sie von ihr eine Gabe erbt: das Duftsehen! Denn jedes Mal, wenn Mila Schokolade riecht, sieht sie etwas vorher. Wahnsinn das alleine schon und nun kommt noch ein Schüleraustausch mit der Klasse nach Paris hinzu und Mila hat den Jackpot: den Sohn des Präsidenten Louis.
Es kommt leider zu Komplikationen und Chaos – oder zum Glück sonst wäre es nicht so spannend und man würde nicht ständig weiterlesen wollen! Denn Mareike Allnoch schreibt sehr sehr unterhaltsam und wirklich gelungen für Leseratten ab 10 Jahren. Ja, sicherlich eher was für Mädchen, aber sei es drum!
Zum Glück muss sie die Anschuldigungen die sie erwartet nicht alleine durchleben, ihre beste Freundin Liz und auch Louis stehen ihr bei.
Mareike Allnoch hat tolle Figuren erschaffen mit denen man gerne die Zeit zwischen den Seiten verbringt!
Mit knapp 250 eng bedruckten Seiten ist dieses Buch definitiv ab 10 Jahren geeignet, aber schon eher was für Vielleserinnen in dem Alter. Bilder gibt es - mal abgesehen von den Croissants die ab und zu einen Absatz ankündigen - nicht wirklich, aber Kopfkino geht in dem Alter ja schon bestens!
Wir wünschen sehr viel Lesevergnügen mit Mila und hoffen inständig, dass es hier weitergeht! Uns hat es sehr gut gefallen.
Schokolade, Paris, Chaos und Spannung – eine gute Mischung um bestens unterhalten zu werden.

Bewertung vom 26.02.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


ausgezeichnet

Ein norwegischer Bestseller

Wenn ein Buch wochenlang auf der norwegischen Bestsellerliste steht, dann muss ich da auch mal die Nase reinstecken und es hat sich gelohnt! Eine wirklich gelungene Geschichte hat uns Trude Teige mit ‚Als Großmutter im Regen tanzte!‘ beschert.
Ich finde es wahnsinnig spannend nicht immer nur aus deutscher Perspektive die Vergangenheitsbewältigung des zweiten Weltkrieges in fiktiver Verarbeitung zu lesen sondern auch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Und den bekommen wir hier mit Juni und ihrer verstorbenen Großmutter.
Juni flieht vor der Gewalt ihres Ehemannes in das geerbte Haus ihrer Großmutter Tekla nachdem ihre Mutter Lilla auch verstarb. Dort beginnt sie in den alten Unterlagen und Fotos zu kramen und entdeckt ein für sie unbekanntes Kapitel ihrer Familiengeschichte. Denn Oma Tekla war im zweiten Weltkrieg in einen Besatzungssoldaten Otto verliebt. Dem folgte sie sogar nach Deutschland und fand sich im Nachkriegsdeutschland wieder. Juni begibt sich auf Spurensuche und wir als Leser:innen kommen mit. Bis nach Demmin und dem Massensuizid folgen wir.
Der Roman ist aus meiner Sicht extrem gut recherchiert und wunderbar geschrieben. Dieses Thema der Norwegerinnen, die mit deutschen Besatzungssoldaten in Liebensbeziehungen steckten war mir nie so bekannt, aber klar. Wo Menschen aufeinandertreffen, spielt der Pass keine Rolle mehr. Es wird aufgearbeitet wie Traumata und Wunden über Generationen auch die Enkel noch belasten und wie ein Schmerz so lange im Familienverbund anhält.
Was als lockerer Titel daher kommt, ist eine tiefergreifende gute Geschichte. Ich mochte das Buch!

Bewertung vom 26.02.2023
Lichte Tage
Winman, Sarah

Lichte Tage


sehr gut

Liebe und Verlust

‚Lichte Tage‘ ist ein Roman, der uns die Themen Liebe und Verlust fest verzahnt in den Fokus bringen lässt. Nicht nur den Verlust einzelner Personen um die getrauert wird, auch um Lebensentscheidungen, die einen anderen Weg hätte entstehen lassen. Der Verlust von verpassten Chancen. Sehr empathisch beschreibt die Autorin Sarah Winman in ihrem dritten Roman, der im Original den Titel ‚Tin Man‘ trägt, die drei Protagonisten. Zum einen ist das Ellis, ein Schlosser, der durch den frühen Tod der Mutter nicht den Traum des Künstlers leben konnte und in Oxford blieb. Dann seine Frau Annie und sein bester Freund Michael. Alle stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander, dass Sarah Winman gekonnt beleuchtet.
Ich bin sehr angetan von ihrer Schreibkunst und wie sie das Thema Erinnerungen und Aufarbeitung der Vergangenheit hier als zentrales Thema bearbeitet.

Bewertung vom 26.02.2023
In blaukalter Tiefe
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe


ausgezeichnet

Eine gelungene Auszeit oder ein tödliches Unterfangen?

Kristina Hauff hat sich dem Meer und den Naturgewalten in diesem Roman genauso gewidmet wie den Gewalten, die in uns Menschen toben und brodeln. Es geht um einen Segeltörn, den der Rechtsanwalt Andreas und seine Frau Carolin initiieren. Eingeladen ist Daniel, der ein junger Sozi, den Andreas zu seinem Nachfolger aufbauen, mit seiner Freundin Tanja. Der fünfte im Bunde ist der undurchsichtige Eric, der Skipper des Bootes. Eine traumhafte Landschaft in den Schärengärten vor Schwedens Küste bildet die Szenerie. So idyllisch wie es sein kann, so aufbrausend kann die Natur hier zurückschlagen. Und genau so kommt es, innerlich wie äußerlich kommt es auf dem Boot zum äußersten. Andreas testet Daniel auf seine Stressresilienz, Carolin macht sich an Eric heran, da es in der Ehe kriselt. Und dann wird es auch noch lebensbedrohlich, weil ein Sturm aufzieht. Verheerend.
Grandios hat Kristina Hauff hier in ‚In blaukalter Tiefe‘ einen bühnenreifen Roman geschrieben. Die Enge auf dem Boot ist Fluch und Segen zugleich, die Natur tut ihr übriges. Der Text zieht einen hinein wie das Wasser zu Boden, das sogartige des Romans ist gelungen. Die Autorin beschreibt ihre Crew auch so spannend mit ihren Dynamiken innerhalb der Gruppe, da kommen Beziehungen und deren Abgründe zu Tage.
Spannend auch zu erfahren, dass die Autorin nicht gerne alleine ist beim Schreiben und so gerne in die Staatsbibliothek fährt um dort ihre Texte unter lernenden Studenten zu schreiben.
Eine absolute Leseempfehlung!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2023
Serious Shit
Knobloch, Marlene

Serious Shit


sehr gut

Die zähnefletschende Gegenwart

Dieses 100seitige Essay von Marlene Knobloch beschreibt den Wandel einer geistigen Haltung der heutigen 30jährigen, denn „Schleichend klopft das Weltgeschehen an unser Bewusstsein“ (S 39).
Eine Generation, die in einer heilen Welt aufwuchst, keine großen geschichtlichen Ereignisse erlebte, ist nun mit der Realität vor ihrer Haustür konfrontiert. Aber nein, das Weltgeschehen war auch nicht so leicht und unbeschwert wie viele es in Mitteleuropa wahrgenommen haben, es hat sie nur leider nicht erreicht vor lautem Hyperindividualismus.

“Beziehungen haben an Bedeutung verloren. Und ich glaube, damit auch unsere Beziehung zum Weltgeschehen. Beides gehört zusammen: die Herz- und die Welteinsamkeit.” (S 42)

Marlene Knobloch schreibt eindringlich und überzeugend gut. Mir gefällt mir Schreibstil ungemein. Eine hohe journalistische Qualität die zugleich aber Raum für literarische Sätze lässt.

Sie komprimiert in diesem doch recht kurzen Text was die jungen Menschen umtreibt, was sie antreibt und was sie von den Generationen vor ihnen unterscheidet.

„Die meisten glauben, dass es der eigenen Generation schlechter gehen wird als der der Eltern. Die Zukunft ist für uns kein Versprechen, sondern eine Zumutung.“ (S. 14)

Fazit: Mich hat dieses Essay ungemein bereichert, bin ich doch um einiges älter und konnte nun dieses Gefühl einer jungen Generation reflektiert in mein Bewusstsein laden.

Bewertung vom 19.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


gut

Ein Augenblick und was er langfristig zerstört

Heidi Furre nimmt in ihrem Roman „Macht“ eine Vergewaltigung in den Mittelpunkt. Aber nicht der Akt selbst wird thematisiert, sondern die Spätfolgen, wie ergeht es einer Frau, die lange lange nach der Tat scheinbar ein normales und glückliches Leben führt? Welche Momente sind schlimm und wo ist das aufgebaute Trauma noch spürbar.
Mir hat das Buch sehr zugesetzt, auch wenn ich nicht annähernd solche Erfahrungen gemacht habe. Eine Lektüre, die einen zwar um eine fiktive Erfahrung reicher macht, aber mit einem unguten Gefühl im Bauch zurücklässt, denn es gibt viele solche Frauen wie die Protagonistin.
Daher sehr gut, dass die Autorin Heidi Furre sich dem Thema fiktiv stellt und es in aller unserer Mitten holt. Das Totschweigen und Verdrängen müssen ein Ende haben und auch das Freisprechen der Täter. Daher ein hartes, aber wichtiges Buch!

Bewertung vom 19.02.2023
Roxy
Bülow, Johann von

Roxy


sehr gut

Angst vor Schmerz, Angst vor dem Tod

Wer hätte das gedacht, er kann nicht nur super gut schauspielern, er kann auch schreiben! Johann von Bülow debütiert mit ‚Roxy‘ und gibt uns tolle 332 Seiten!
Es geht um zwei Männer, die eine tiefe Freundschaft verbindet. Das sind Marc und Roy, eigentlich Robert. Leider zwingt das ungute Ereignis des Todes von Roy Marc dazu in seine Heimat München zurückzukehren um auf dessen Beerdigung zu gehen. Und so sinniert Marc über deren Freundschaft und auch über die Rivalität um Carolin. In Rückblenden wird das Erlebte für uns sichtbar. Sehr filmszenisch erzählt, aber ich habe nichts anderes aus der Feder eines Schauspielers erwartet.
Titelgebend ist eine Edeldisco in der sich die beiden herumtreiben und ihnen in jungen Jahren die Welt zu Füßen liegt, aber leider ist zwar Roy mit Geld gesegnet, aber auch mit Angst und kann sich nicht frei fühlen im großen Bad der Möglichkeiten.
Im Grunde geht es um Facetten verschiedener Lieben zu Menschen, das was uns zusammenhält. Wahnsinnig feinfühlig und aufwühlend ist der Text geschrieben. Auch wenn nicht alles ausgeschrieben dort steht, ein paar Leerstellen müssen wir Leser:innen selbst füllen und uns der Geschichte hingeben. Letztendlich lehrt es uns das Wesentliche im Leben zu huldigen.
Fazit: Ein tolles Freundschaftsbuch, dass uns München der 80er zurück gibt.

Bewertung vom 16.02.2023
Das Geheimnis der Frau Purpur / Detektiv Parzival Po Bd.1
Troll

Das Geheimnis der Frau Purpur / Detektiv Parzival Po Bd.1


ausgezeichnet

Die Sache mal umgedreht

Wie kommt man nur auf die Idee einer Comicfigur das Gesicht eines Pos zu verpassen? Das muss doch als Idee bei einem spaßigen Umtrunk passiert sein…Aber ein riesen Hit in Japan seit es erstmals dort 2015 erschien. Es gibt mittlerweile auch mehr Bände, die auch bei uns erscheinen werden. Der erste Band ist ‚Detektiv Parzival Po – Das Geheimnis der Frau Purpur‘.
Mein Sohn fand es unheimlich lustig und siehe da, er hat das Buch auch gleich gelesen und verrätselt. Denn es ist nicht nur ein witziges Buch für Erstleser durch die vielen Illustrationen und dem wenigen großen Text, es beinhaltet auch ein paar Stellen zum Miträtseln. Keine Sorge, die Lösungen finden sich hinten. ;0)
Der Süßkartoffelkuchen-liebende Detektiv Parzival Po ist natürlich nicht alleine unterwegs, stets an seiner Seite weiß er den Hamster Brown bei sich, der ihn unterstützt die vielen Ungereimtheiten zu lösen.
Troll ist ein Duo aus der Autorin Yoko Tanaka und dem Zeichner Masahide Fukasawa. Passend übersetzt aus dem Japanischen ist das Ganze von Nana Umino.
Wirklich sehr gut geeignet für Erstleser, die kurioses schätzen und die knapp 90 Seiten sind auch schnell gelesen und liefern ein Erfolgserlebnis!