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leserattebremen
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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2016
HELIX - Sie werden uns ersetzen
Elsberg, Marc

HELIX - Sie werden uns ersetzen


ausgezeichnet

Nach dem Tod des US-Außenministers auf einer Münchener Konferenz wird bei seiner Obduktion eine seltsame Veränderung am Herzen festgestellt, die auf Bioterrorismus hindeutet. Gleichzeitig wird in Afrika einer Art superresistenter Mais entdeckt, in Indien hochgradig weiterentwickelte Ziegen. In den USA versuchen Helen und Greg schon lange ein Kind zu bekommen. Als sie sich für künstliche Befruchtung entscheiden, bekommen sie das Angebot, die genetischen Anlagen ihres Kindes zu verbessern. Irgendjemand scheint weiter zu sein bei der Manipulation von Genen, als bisher bekannt war, doch wer und wie hängst das alles zusammen? Jessica Roberts leitet die Task Force, die den Mord am Außenminister aufklären soll und muss das Puzzle langsam zusammensetzen.
Mit „Helix“ ist Marc Elsberg ein herausragender und spannender Thriller gelungen, der sich problemlos mit seinem Bestseller „Blackout“ messen kann. Obwohl das Thema sehr kompliziert ist, schafft Elsberg es, dem Leser die Problematik der Genmanipulation und Genforschung auf leichte Art nahezubringen und stellt gleichzeitig die großen moralischen Fragen. Wenn man so weit ist, solche bahnbrechenden Dinge entwickeln kann, wer soll dann Zugang dazu haben? Was ist dann noch Gerechtigkeit und welche Menschen sind dann noch die „wahren“ Menschen, wenn es moderne und optimierte Kinder mit herausragenden Fähigkeiten und schneller fortschreitender Entwicklung gibt? Was genau definiert denn eigentlich ein Kind? Ist es nur das Alter in Jahren oder auch sein Entwicklungsstand? All diese Fragen verpackt Elsberg in eine unfassbar spannende und mitreißende Story mit Charakteren, die es einem nicht immer einfach machen. Doch Elsberg lässt kein einfach Urteil zu, er macht es dem Leser nicht leicht und teilt sein Personal in gut und schlecht ein. Die Forscher macht er gerade nicht zu Frankenstein- Erschaffern, sondern lässt auch ihre Perspektive sprechen und ihre Argumente für die geschafften Entwicklungen ihren Raum haben.
Obwohl die beschriebenen Entwicklungen für uns gerade noch wie Zukunftsmusik scheinen, sind die damit verbundenen Fragen hochaktuell und nicht zu unterschätzen. Unser Menschenbild könnte sich in der Zukunft dramatisch verändern und die Frage bleibt, was wir als Grundlagen empfinden, auf denen unser Zusammenleben basieren sollte. Schon heute haben wenige Produzenten die Kontrolle über einen Großteil der Nahrungsmittelproduktion, wie die vergangene Übernahmedebatte um Monsanto durch Bayer gezeigt hat. Schafft die Weiterentwicklung von Nahrungsmitteln mit Genmanipulation nun mehr Gerechtigkeit durch mehr Nahrung oder mehr Ungerechtigkeit, indem nicht jeder Zugang zu weiterentwickeltem und produktiverem Saatgut hat? All diese Fragen reißen das Problem zumindest an, wenn sie es auch nicht allumfassend beschreiben können.
Marc Elsberg schafft es, all diese Probleme realistisch zu beschreiben, ohne eine trockene Abhandlung vorzulegen. Er hebt die Debatte auf eine fiktionale Ebene, die es dem Leser leicht macht, die Problematik zu verstehen, ohne ihm vorgefertigte moralische Lösungen zu präsentieren. Für mich war „Helix“ ein absolut außergewöhnlicher Thriller, den ich nicht mehr aus der Hand legen konnte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2016
Die Toten
Kracht, Christian

Die Toten


sehr gut

Der Schweizer Regisseur Nägeli nimmt uns in diesem Roman mit in die Filmwelt der 30er Jahre. Dort erlebt er sowohl das ungehemmte Leben mit Partys und Alkohol, aber auch die immer stärker werdende Abneigung gegen alles Jüdische, was besonders der Filmproduzent Hugenberg versinnbildlicht. Der schickt ihn nach Japan, wo er auf Masahiko Amakasu trifft, den der Leser auch bereits im ersten Teil des Romans näher kennengelernt hat. Er soll Nägeli eigentlich dabei unterstützen, den von Hugenberg gewünschten Propagandafilm oder, wie von Nägeli eigentlich geplant, einen deutsch-japanischen Gruselfilm zu drehen. Doch die Verwicklungen, die entstehen, bringen ganz andere Dinge hervor als geplant.
Christian Krachts Roman „Die Toten“ hat mich besonders durch die starke Sprache beeindruckt, die einen als Leser mitnimmt und im Kopf regelrecht Bilder zaubert. Das passt sehr gut, geht es in dem Buch doch um die Anfänge des Tonfilms und so liefert Kracht für seine Leser quasi gleich den Kinofilm im Kopf mit. Seine Figuren sind keine einfachen Persönlichkeiten sondern alle mit einer Vielzahl von Komplexen, Problemen und Störungen ausgestattet. Teilweise wirken seine Beschreibungen der Berliner Filmclique, in die Nägeli einmal hereingerät, fast wie eine klischierte Darstellung der frühen 30er Jahre, in die die goldenen Zwanziger mit ihrer Vergnügungssucht und scheinbaren Lasterhaftigkeit noch hereinspielen. Dabei bedient Kracht sich auch bei realen Personen an Namen und Biographien. So beschreibt er beispielsweise mit der Figur des Hugenberg niemand geringeren als den berühmten Verleger und zeitweiligen UFA-Chef Alfred Hugenberg, der später auch Wirtschaftsminister unter Hitler war.
Mit „Die Toten“ ist Christian Kracht ein herausragender Roman gelungen, der es schafft, sowohl die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Japan (den späteren Verbündeten im Zweiten Weltkrieg) deutlich zu machen, als auch den beginnenden Siegeszug des Films zu beschreiben. Die Charaktere stellt er dabei sehr prägnant dar und nimmt den Leser mit auf eine Reise, die er so schnell nicht vergessen wird. Man muss sicher auch im Nachhinein noch etwas über die Geschichte nachgrübeln und sie vielleicht auch das ein oder andere mal erneut lesen, um die feinen Zwischentöne von Kracht alle mitzunehmen und die vielen Blickwinkel mitzulesen, die in der wunderbaren Sprache verborgen sind. „Die Toten“ ist sicher kein unkompliziertes Buch, doch mir hat es ausgesprochen gut gefallen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.10.2016
Vorsätzlich verliebt
Mansell, Jill

Vorsätzlich verliebt


sehr gut

Nach der Trennung von ihrem Freund zieht Tilly kurzerhand aufs Dorf zu ihrer Freundin Erin. Dort findet sie schnell einen Job als Mädchen für alles bei Max und seiner Teenagertochter Lou, die sie beide sofort ins Herz schließt. Und auch Max’ Freund Jack ist nicht zu verachten, ein charmanter Frauenschwarm wie er im Buche steht. Doch Jack weiß um seine Wirkung und wechselt die Frauen öfter als andere ihre Unterwäsche. Und auch sonst leben in dem beschaulichen Örtchen zahlreiche kuriose und eigenwillige Persönlichkeiten, die Tilly und Erin das Leben nicht nur leichter machen.
Jill Mansells Roman „Vorsätzlich verliebt“ erfüllt wirklich alle Erwartungen an einen schönen Schmachtfetzen. Die Figuren sind durchweg sehr liebevoll beschrieben, sympathisch bis total verschroben, aber auf eine gewisse Weise alle sehr liebenswert. Neben der Hauptstory um Tilly und Jack lässt die Autorin auch alle Nebenfiguren ein eigenes und spannendes Leben führen und erzählt so viele kleine Geschichten am Rande, die einem die Figuren näher bringen und die Story sehr lebhaft machen. Dadurch ist die Lektüre eine große Freude und man gibt die Freunde, die man beim Lesen in den Personen gefunden hat, am Ende nur sehr ungern wieder her. Mansells Figuren sind keine leeren Hüllen, sie haben alle einen individuellen Charakter, der sie für die Geschichte unersetzlich macht. Das unterscheidet sie von vielen Liebesgeschichten, in den die Figuren nur Projektionsflächen für beliebige Klischees zu sein scheinen.
Ich kann „Vorsätzlich verliebt“ von Jill Mansell nur allen Fans von Liebesromanen an Herz legen, die Geschichte ist sehr schön und die Charaktere bis in die kleinste Nebenfigur durchdacht. Wer auf der Suche nach leichter Unterhaltung ist, die nicht zu klischeehaft daherkommt, ist hier auf jeden Fall richtig.

Bewertung vom 26.10.2016
Ein Bett in Cornwall (eBook, ePUB)
Zöbeli, Alexandra

Ein Bett in Cornwall (eBook, ePUB)


sehr gut

Als Sophie erfährt, dass ihr Mann mit dem Auto tödlich verunglückt ist, bricht für Sie eine Welt zusammen. Dann findet sie kurz vor der Beerdigung einen Brief in seinen Sachen, indem er ihr erklärt, dass er dabei war, sie zu verlassen und mit der Frau, die ebenfalls im Wagen saß, ein neues Leben beginnen wollte. Jetzt brennt bei Sophie regelrecht eine Sicherung durch. Sie wirft wütend ein paar Sachen und ihren Kater ins Auto und fährt einfach los, bloß weg. In Cornwall landet sie bei einem älteren Ehepaar, das sie nach einem kleinen Unfall aufnimmt und sie gleich für den Haushalt einstellt. Langsam erholt sich Sophie von dem Schock und beginnt, sich wieder um ihr eigenes Leben zu kümmern. Und dann ist da ja auch noch Lucas, der Sophies Gefühle durcheinander bringt.
„Ein Bett in Cornwall“ von Alexandra Zöbeli ist vom Aufbau sehr ähnlich wie auch ihre anderen Romane, aber es ist ein Konzept, das wieder aufgeht. Sophie ist eine sympathische, mit beiden Beinen auf der Erde stehende Hauptfigur, mit der man sich als Leser gleich identifizieren kann. Lucas ist zwar ein Charmeur, wie man ihn aus vielen Liebesromanen kennt, aber er ist dabei nett und hat das Herz am rechten Fleck, ebenso wie Mabel und ihr Mann, die Sophie in Cornwall aufnehmen. Die Geschichte ist sehr schwungvoll und dynamisch geschrieben und hat keine Längen, auch wenn alles recht vorhersehbar ist. Aber das ist bei einem Liebesroman nicht anders zu erwarten und ich empfand das deshalb als nicht wirklich störend.
Mir hat Alexandra Zöbelis „Ein Bett Cornwall“ als locker-leichte Urlaubslektüre sehr gut gefallen, es liest sich einfach und schnell und man kommt immer gut wieder in die Geschichte rein. Damit hat das Buch meine Erwartungen voll erfüllt, als kurzweilige Lektüre für zwischendurch kann ich es nur weiter empfehlen.

Bewertung vom 25.10.2016
Die störrische Braut
Tyler, Anne;Tyler, Anne

Die störrische Braut


ausgezeichnet

Kate ist Ende zwanzig, hat ein gescheitertes Studium aufzuweisen und lebt mit ihrem Vater und ihrer pubertierenden Schwester Bunny zusammen. Ihr Vater ist Wissenschaftler im Bereich Autoimmunerkrankungen und als sein Assistent, der Weißrusse Pjotr, die USA nach Ablauf des Visums wieder verlassen soll, reift in ihm ein Plan. Kate soll einfach Pjotr heiraten, dann kann der in den USA bleiben und für Kate ist auch eine Lösung gefunden. Doch so leicht macht Kate es ihm und Pjotr nicht, sie wehrt sich gegen den Plan der beiden.
Anne Tyler hat mit „Die störrische Braut“ eine wunderbar unterhaltsame und feinsinnige Neuauflage von Shakespeares Stoff „Der Widerspenstigen Zähmung“ geschaffen. Kate ist eine sehr eigenständige und moderne Frau und ihre Schwester entspricht so ziemlich dem amerikanischen Highschool-Teenager-Klischee. Doch Tyler lässt Kate eine viel stärkere Frau sein, als es Shakespeares Figur auf den ersten Blick war. Sie lässt sich nicht zwingen oder brechen, sie trifft eine sehr aktive und reflektierte Entscheidung. Am Ende lässt sie alle in einem wunderbaren, kurzen Monolog wissen, was sie bewogen hat, Pjotr zu heiraten und verweist damit all ihre Kritiker in die Schranken. Sie ist keineswegs die brave Tochter, die sich den Wünschen ihres Vaters fügt, sondern eine selbstbewusste Frau, die auch für sich in dieser Ehe eine gute Lösung und einen Neuanfang sieht.
Anne Tyler beschreibt die ganze Geschichte mit einer Menge Humor und Witz, die Lektüre ist sehr kurzweilig und macht einfach Freude. Dabei hat Tyler auch um die Hauptfiguren herum eine bunte Mischung an Nebenpersonal geschaffen, die der Story noch einen besonderen Unterhaltungswert geben. Ich kann jedem die Lektüre von Anne Tylers „Eine störrische Braut“ nur ans Herz legen, auch ohne Kenntnis des Originals von Shakespeare verschafft einem dieser Roman viel Spaß beim Lesen. Die moderne Version von „Der Widerspenstigen Zähmung“ ist Anne Tyler auf jeden Fall gelungen.

Bewertung vom 24.10.2016
Wie alle anderen
Burnside, John

Wie alle anderen


weniger gut

Der Ich-Erzähler in John Burnsides Roman „Wie alle anderen“ kommt aus einer Suchtklinik und muss sein Leben in den Griff kriegen. Er beschließt, das friedliche Vorstadtleben zu suchen, um endlich zur Ruhe zu kommen. Doch schnell stellt er fest, dass es gar nicht einfach ist, ein normales Leben zu führen und „normal“ in diesem Zusammenhang ein eher dehnbarer Begriff ist. Denn auch hinter den ganzen Vorstadthäuschen spielen sich Dramen ab, die er sich so nie hätte vorstellen können. So verfällt er weiter dem Alkohol und muss feststellen, dass er genauso geworden ist, wie er eigentlich nicht sein wollte, nämlich wie sein eigener Vater.
Der Erzähler in dem Roman nimmt einen mit in sein Leben, das wie ein regelrechter Trip wirkt, nach Glück kommt Verzweiflung, Selbstzerstörung durch Alkohol und neue Liebe und Zuversicht. Teilweise fällt es schwer, ihm zu dabei folgen an und man ist nie sicher, an welcher Stelle in seinem Leben man sich gerade bewegt. Ist er jetzt Jugendlicher oder ist es die Gegenwart, erinnert er sich nur oder erlebt er gerade etwas. Dadurch fällt es beim Lesen nicht leicht, die Handlung wirklich nachzuvollziehen und wenn schon nicht Sympathie, so doch irgendein Gefühl für ihn als Protagonisten aufzubringen. Für mich blieb die Hauptfigur während der ganzen Handlung sehr farblos und ich konnte zu ihm und der ganzen Geschichte keine Beziehung aufbauen. Keine Figur des Romans konnte mich berühren oder wirklich ansprechen, so dass das Buch für mich eine sehr trockene und zähe Leseerfahrung war.
Ich habe John Burnsides „Wie alle anderen“ als keine angenehme, sondern eher belanglose und etwas wirre Lektüre wahrgenommen, die mir wenig Freude gemacht hat. Mir hat die Grundidee sehr gut gefallen, mit der Umsetzung konnte mich der Autor jedoch leider nicht fesseln.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2016
Die Welt im Rücken
Melle, Thomas

Die Welt im Rücken


ausgezeichnet

Der Erzähler in Thomas Melles Roman „Die Welt im Rücken“ beschreibt sein Leben mit bipolarer Störung. Bekannter ist die Krankheit als manische Depression und so empfindet es auch der Erzähler als den passenderen Begriff. Manische Phasen, die bei ihm bis zu einem Jahr oder länger dauern könne, wechseln sich ab mit tiefen Depressionen ab, die ihn quasi handlungsunfähig machen. Immer tiefer rutscht er ab und kann Hilfe nur schwer akzeptieren.
Der Autor Thomas Melle leidet selbst an der bipolaren Störung und auch wenn das Buch als Roman veröffentlicht wird, ist wohl vieles davon schlicht eigene Erfahrung. Dennoch habe ich das Buch als Roman, als -zumindest teilweise- Fiktion gelesen und mich hat es wirklich begeistert. Melle begeistert mit seiner Sprache, er reißt einen als Leser vollkommen mit, man kann sich von den Erfahrungen des Erzählers nicht mehr lösen und ist unmittelbar mit betroffen. All dies schafft er, ohne auf die simple Sensationslust zu setzen, es hat vielmehr etwas geradezu therapeutisches, dem Krankheitsverlauf zu folgen. Ob es für diese Geschichte und für diesen beschriebenen Menschen ein wirklich gutes Ende geben kann, lässt sich für mich nicht sagen. Es ist auch nicht unbedingt Sympathie für den Erzähler, die die Geschichte so nahe an einen heranbringt, es ist vielmehr die direkte und teilweise verstörende Sprache des Autors Melle, die einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt.
Thomas Melles „Die Welt im Rücken“ ist ein herausragendes Stück Literatur, das es meiner Meinung nach vollkommen zu Recht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Es ist so nah und unmittelbar, dass es einen auch nach Ende der Lektüre nicht loslassen will, es muss etwas sacken und man braucht etwas Zeit, das Gelesene zu verarbeiten und zu verstehen. Doch meiner Meinung nach ist dieses Buch einfach großartig, bewegend, mitreißend und sollte unbedingt viele Leser finden.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.