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sleepwalker

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Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2020
Wenn das Schicksal anklopft, mach auf
Roger, Marie-Sabine

Wenn das Schicksal anklopft, mach auf


gut

„Wenn das Schicksal anklopft, mach auf“ – und brich ihm auf keinen Fall den Arm. So könnte man den Anfang der Freundschaft zwischen der 76jährigen Fleur und der 50 Jahre jüngeren Harmonie beschreiben. Fleur sucht für ihren Mops Mylord einen Hundesitter, Harmonie bewirbt sich für die Stelle und bekommt sie. Eine ganz normale Frauenfreundschaft. Möchte man meinen.
Ist es aber nicht. Denn die beiden Frauen in Marie-Sabine Rogers Buch könnten verschiedener nicht sein. Fleur hat eine soziale Phobie und eine Form von Agoraphobie, daher verlässt sie ihre Wohnung nur sehr selten, hauptsächlich, um zur Therapie zu gehen. Harmonie hat das Tourette-Syndrom. Ihr erstes Zusammentreffen gipfelt darin, dass Fleur Harmonie aus Versehen den Arm bricht. Ab diesem Moment sind die beiden auf eine interessante Art und Weise miteinander verbunden und es entwickelt sich eine Freundschaft, die über das Hunde-Sitten hinausgeht. Nach und nach werden die beiden einander immer wichtiger, vor allem Fleur findet in ihrem Leben einen Inhalt, der über ihren Arzt und ihren Hund hinausgeht.
Das Buch hat mich zugegebermaßen anfangs etwas verwirrt. Es wird in zwei Handlungssträngen erzählt: aus der Sicht von Fleur und aus der von Harmonie. Die beiden sind optisch nicht voneinander abgesetzt, die Eindrücke von Fleur kann man in der Hauptsache daran erkennen, dass sie Tagebuch führt und die Einträge datiert. Wenn man sich aber an Stil und Ausdruck gewöhnt hat, kann man die beiden Stränge ganz gut unterscheiden.
Die Sprache ist bildhaft, manchmal fast poetisch, dann wieder sachlich und karg, passend zu den Charakteren. An sich ist das Buch sehr flüssig geschrieben, worunter allerdings meiner Meinung nach der Tiefgang leidet. Manche Situationen sind skurril und lustig, andere machen nachdenklich, letzteres aber für mich zu wenig. Manchmal hatte ich das Gefühl, die beiden unter so unterschiedlichen Störungen leidenden Frauen wie in einer Freak-Show vorgeführt zu bekommen. Vor allem das Tourette-Syndrom ist so viel mehr als bellende Laute und Schimpfwörter. Und auch die Sozialphobie/Agoraphobie wird zugunsten der Freundschaftsgeschichte zu oberflächlich abgehandelt und die wahren Schwierigkeiten werden bei beiden Frauen nur angekratzt und kaum vertieft.
Manchmal ist das Buch mir auch zu flott erzählt. Vor allem das Leben von Harmonie läuft manchmal, als stünde sie unter Strom und renne wie ein Duracell-Hase durch die Welt (weshalb bei ihr oft auch keine Kommas in den Sätzen sind), während das von Fleur sich eher sehr behäbig und in Zeitlupe abspielt.
Schade. Die Idee, die hinter dem Buch steckt, finde ich ganz fabelhaft. Die besondere Freundschaft zwischen diesen beiden auf unterschiedliche Art sehr speziellen Frauen ist auch sehr gut beschrieben. Ihre Annäherung, ihr Aufeinander-Eingehen, alles sehr warmherzig und fast romantisch. Die relative Unbeschwertheit, die Harmonie in Fleurs Leben bringt, fand ich rührend. Die beiden finden einander, zu sich selbst und ein Stückweit ihren Weg ins Leben.
„Ihr Leben besteht aus lauter Vorsichtsmaßnahmen: nicht rausgehen, niemandem begegnen, nicht auffallen. Madame Suzain ist ein Angsthase, der von Wagemut träumt“ - gemeinsam wagen die beiden Abenteuer. Aber die wirklichen Probleme, mit denen die beiden zu kämpfen haben, kommen mir zu kurz und sind zum Teil fast verklärt, auf jeden Fall zu oberflächlich beschrieben. Daher ist es zwar ein schöner Frauen-Freundschaftsroman, geeignet für die Lektüre zwischendurch, mehr aber auch nicht. Auch anhand des Klappentextes habe ich mir mehr erwartet, daher von mir 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.07.2020
Bis die Zeit verschwimmt
Buchner, Svenja K.

Bis die Zeit verschwimmt


sehr gut

„Wenn du erfährst, dass der Sinn deines Lebens nicht mehr existiert, spürst du erst einmal gar nichts.“ So geht es der 15jährigen Helene, denn ihre beste Freundin Cassie wurde bei einem Amoklauf getötet. Damit gerät Helenes komplettes Leben aus den Fugen und sie braucht lange, um sich mit Trauer, Verlust, Hass auf den Täter und ihren eigenen Schuldgefühlen auseinanderzusetzen und langsam wieder ins Leben zurück zu finden.
Erzählt wird die Geschichte in „Bis die Zeit verschwimmt“ von Svenja K. Buchner in Gegenwart und Vergangenheit aus Helenes Sicht. Sie nimmt den Leser mit auf ihre Entwicklungsreise, lässt ihn Trauer, Wut und Schmerz miterleben. Die Autorin ist Psychologin und geht mit den Themen Amoklauf, Trauer, Wut und Schuld sehr professionell um, schafft es aber, die Emotionen sehr klar zu zeigen. Die Charaktere sind kraftvoll und deutlich gezeichnet. Vor allem Cassie ist sehr präsent, sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart, die sie prägt, auch wenn sie physisch nicht mehr dabei ist.
Das Buch bietet inhaltlich keine leichte Lektüre, dazu ist das Thema „Amoklauf“ zu schwer und leider auch immer wieder zu aktuell. Die Masse an Gefühlen, die auf Helene einprasseln, sind mir zum Teil aber zu platt und zu plakativ aufgearbeitet. Insgesamt sind die Aktionen von Helene oft nicht rational nachvollziehbar – angesichts ihrer Situation vermutlich aber verständlich. Sie macht im Lauf der Geschichte sehr viel kaputt und tritt aus Egoismus reihum praktisch allen auf die Füße. Sie fordert ständig etwas ein. Rücksicht, Verständnis und Freundschaft – zu geben ist sie nicht wirklich bereit. Ich mag es, dass sie sich nicht um Konventionen schert, aber sie ist mir zu rücksichtslos. Daher konnte ich sie nicht sympathisch finden, auch wenn ich ihre Trauer verstehen kann. Mehr Mitgefühl hatte ich da mit ihrem Freund Erik und der Mutter von Cassie, die für mich wesentlich authentischer waren.
Ich finde es verständlich, dass sie versucht, sich an den Täter anzunähern, herauszufinden, warum er es getan hat. Aber sie trampelt auf den Gefühlen anderer (auch der Hinterbliebenen) herum und zum Teil konnte ich nur den Kopf schütteln. Nicht nur sie hat einen Verlust erlitten, sondern alle, mit denen sie zu tun hat – nicht zuletzt auch die Eltern des Amokläufers.
Dass sie die verwaiste Mutter einer Schülerin fragt, ob deren Vater eigentlich Unterhalt gezahlt hätte, fand ich nun doch zu taktlos und da es nichts mit der Tat zu tun hat, geht es geht sie schlicht nichts an und hat in der Geschichte konzeptionell auch nichts zu suchen. Seltsam ist auch ein Satz wie „»Was hast du so gemacht heute?«, frage ich und beiße in die Pizza, die unter Schinken und Käse vermutlich kaum noch atmen kann.“ – Pizza atmet nicht. An einer anderen Stelle verwechselt sie namentlich Jeremy (ein Opfer) und Peter (den Täter).
Die Handlung spielt sich auf mehreren Ebenen ab, in der Gegenwart und in der Vergangenheit, da sich Helene an gemeinsame Erlebnisse mit Cassie erinnert. Das Buch ist eine ganz guter Coming-of-Age-Roman. Sprachlich ist es gut zu lesen, der Stil ist flüssig und für die Zielgruppe angemessen, die stört sich vermutlich auch nicht an der plakativen Aufarbeitung und den Fehlern. Und wenn man eines aus dem Buch mitnehmen kann, dann, dass Trauern ein individueller Prozess ist und es kein „Richtig“ und kein „Falsch“ gibt. Er dauert Zeit und manchmal braucht man Hilfe. Tatsächlich kann ich auch den Wunsch „Auch wenn du es jetzt noch nicht glaubst – es wird ein gutes Jahr. Und es wird alles leichter“ so nicht unterschreiben. Es wird nicht leichter, es wird nur weniger schwer. Aber mit der Zeit haben auch diejenigen, die noch am Leben sind, ein Recht darauf, wieder glücklich zu sein, ohne die Verstorbenen „zu verraten“ oder „im Stich zu lassen“.
Aus Erwachsenensicht hätte ich wegen der Fehler für die gute Idee und die zum Teil sensible Umsetzung 3 Sterne gegeben, mein 15jähriges Ich hätte das Buch aber vermutlich besser gefunden, daher vergebe

Bewertung vom 06.07.2020
Dänische Schuld / Gitte Madsen Bd.2
Gronover, Frida

Dänische Schuld / Gitte Madsen Bd.2


weniger gut

„Dänische Schuld“ von Frida Gronover ist schon der zweite Band um die Bestatterin Gitte Madsen. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen, hatte aber keinerlei Probleme, die Geschichte zu verstehen. Die wichtigsten Einzelheiten greift die Autorin noch einmal auf, da bleibt keiner im Regen stehen. Das Buch spielt in Dänemark, genauergesagt in Marielyst, einem Ferienort auf der Insel Falster. Ich mag Dänemark und die Dänen, ich kann leidlich gut Dänisch – für mich schien das Buch wie ein Volltreffer, stellte sich dann aber eher wie ein mittelguter Griff in die Kiste mittelmäßiger Krimis heraus.
Die Geschichte an sich klingt sehr spannend: Gitte Madsen sitzt in einem Restaurant, als neben ihr ein Mann stirbt. Schnell stellt sich heraus, dass es nicht das Pilzgericht war, sondern eine Zyankalivergiftung, also vermutlich Mord. Und das ist nicht das erste Mal, dass Gitte mit einem unnatürlichen Todesfall konfrontiert wird, auch im ersten Teil war sie Zeugin in einem Mordfall. Der Rest des Buchs plätschert zwischen Gittes Privatleben (aufgeteilt in eine Liebesgeschichte und ihre private Suche nach ihrem seit 18 Jahren verschwundenen Vater) und der Aufklärung des eigentlichen Falls dahin.
Die Personen in diesem Krimi sind, ebenso wie die Umgebung gut dargestellt. Gitte ist mir persönlich zu spontan, manchmal sogar sprunghaft. Aber sie ist eine mutige und beharrliche Frau, das imponierte mir dann doch. Ein paar Dänische Eigenheiten (oder das, was sie dafür hält), hat die Autorin mehr oder weniger gekonnt eingeflochten. Beispielsweise der Kampf der niederländischen Nachbarn mit der Tür zu ihrem Ferienhaus. Hierbei muss man die Türklinke nicht nach unten drücken, sondern nach oben – das ist nicht nur in Dänemark so, bei unserem Ferienhaus in Holland ist es genauso.
Und auch sonst zeichnet sich das Buch nicht durch übermäßig gründliche Recherche aus. Es sind schlich zu viele Fehler darin, um es als gut geschrieben bezeichnen zu können. Die Sprache an sich ist alltagsnah, keine Kraftausdrücke, keine Schimpfwörter – so weit so gut. Aber so ganz sattelfest scheint die Autorin weder in der deutschen noch in der dänischen Sprache zu sein und auch das Lektorat hätte hier etwas sorgfältiger sein können. „Tarteletter med höns og asparges“ ist beispielsweise falsch geschrieben: høns (also: das Huhn) schreibt man nicht mit „ö“, im Dänischen gibt es kein „ö“, sondern im Schwedischen. „Es gibt Spezialanfertigungen, bei denen du mit der Hand Gas gibst, bremst oder den Blinker setzt.“- in jedem Auto, das ich bislang gefahren habe, setzte man den Blinker mit der Hand. Und die Mehrzahl von „Schubladen“ ist ganz sicher nicht „Schubläden“ („Die Schubläden waren halb herausgezogen“). Biskuit („Jetzt stand sie auf und brachte die Biskuits in die Küche“) ist kein Gebäck, sondern eine Teig-Art. Es gibt Biskuit-Teilchen, Biskuittorten und –kuchen, Biskuitrollen und so weiter, und das englische „biscuit“, also den Keks. Was die Autorin genau meint, weiß ich nicht. Ebenso konnte ich in keinem meiner dänischen Kochbücher „Haselnussbrühe“ finden, höchstens für Haselnuss-Suppe („Sie wählten beide den frittierten Blumenkohl mit einer Haselnussbrühe und als Hauptgericht gegrilltes Schwein mit neuen Zwiebeln und Knoblauchpüree“).
Die Idee zur Geschichte an sich ist richtig gut, denn eine Bestatterin als Hobby-Detektivin gibt es nicht allzu oft. Die Umsetzung ist mir zu platt und zu Hobby-Autorenhaft aufgemacht. Der Schluss hat mich sehr überrascht, der ist der Autorin wirklich gelungen. Da der Rest des Buchs weniger gelungen ist, bekommt es von mir 2 Sterne.

Bewertung vom 06.07.2020
Bald sind wir wieder zu Hause
Bab Bonde, Jessica

Bald sind wir wieder zu Hause


ausgezeichnet

„Bald sind wir wieder zu Hause“ von Jessica Bab Bonde war die erste Graphic Novel, die ich jemals gelesen habe. Wobei – gelesen ist dabei fast der falsche Ausdruck. Die Qualität des Buchs besticht viel mehr durch die comicartigen Zeichnungen von Peter Bergting, als durch den Text, der eher Sprechblasen-ähnlich in die Bilder eingearbeitet ist. Anhand der Geschichten von sechs Jugendlichen beschreibt die Autorin die (zum Teil schleichenden) Veränderungen in der Zeit nach 1933.
Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emerich und Elisabeth heißen die Protagonisten des Buchs. Hinter jedem Namen stehen eine Geschichte und ein Schicksal. „Sie alle haben Eltern, Geschwister, beste Freunde, Häuser, Kleidung und Lieblingssachen verloren. Mehr oder weniger ihr ganzes Leben. Wie konnte das passieren? Könnte uns das auch passieren? Dir und mir?“ Die Autorin glaubt, dass das „sogar ganz leicht geschehen könnte“. Und ich auch. Deshalb finde ich das Buch unglaublich wichtig. Nicht nur für Jugendliche, sondern für jeden.
So sammelt sie die Geschichten von Überlebenden, die als Kinder und Jugendliche Ghettos und verschiedene Lager überlebten und in Schweden eine neue Heimat fanden. Sie stammen aus Polen, Ungarn oder Rumänien, alle sind real, man kann sie im Internet finden. Inzwischen sind sie über 80 Jahre alt. Sie erzählen in knappen, nüchternen Worten von unbeschreiblicher Gewalt, geben den erschreckend düsteren Bildern einen noch erschreckenderen und düstereren Anstrich. Das Buch ist kurz, aber es hat es in sich.
Die sechs Personen stehen stellvertretend für die Überlebenden – sie haben bis auf ihr Leben so gut wie alles verloren. Einige von ihnen haben in den vergangenen Jahren Vorträge über ihre Erlebnisse gehalten, damit keiner den Holocaust leugnen kann – vergeblich. Holocaustleugner gibt es immer noch.
Das Buch ist in all seiner Grausamkeit ein gutes und wichtiges Buch, solche Bücher braucht es, um die Geschichte nicht zu wiederholen, denn leider sind wir (und nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas) auf dem besten Weg dazu, dies zu tun. Ich könnte es mir als Klassenlektüre gut vorstellen, denn niemand sollte es alleine lesen. Das Buch bietet so unendlich viel Gesprächspotential und schafft so viel Gesprächsbedarf. Ich bin erwachsen und es hat mich tief aufgewühlt – wie geht es dann erst jugendlichen Lesern? Und dennoch: von mir eine ganz klare uneingeschränkte Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2020
Still ruhen die Toten
Caine, Rachel

Still ruhen die Toten


gut

Gwen Proctor kämpft an mehreren Fronten. Einerseits muss sie ihre eigene Familie beschützen, die in dem Ort, in dem sie leben, nicht willkommen ist. Ein berüchtigter Drogenclan will sie lieber früher als später loswerden. Sie, ihr Lebensgefährte Sam und ihre beiden Kinder Lanny und Connor werden beschimpft, bedroht und schikaniert. Der Grund dafür liegt in den Vorgängerbänden: Gwen war mit einem Serienkiller verheiratet und niemand glaubt ihr, dass sie von dessen Untaten nichts wusste. Andererseits muss Gwen als Detektivin in einem komplizierten alten Fall ermitteln, denn vor mehreren Jahren verschwand ein junger Student. Seine letzten Spuren führen zu einer dubiosen Religionsgemeinschaft.
„Still ruhen die Toten“ ist schon der vierte Teil der „Stillhouse Lake Reihe“ von Rachel Caine. Ich kenne die Vorgänger nicht und tat mich anfangs ziemlich schwer, in die Geschichte hineinzufinden und die Charaktere einordnen zu können. Die Bücher bauen aufeinander auf und mir fehlte vieles an Hintergrundwissen über die Hauptcharaktere und die Geschichte an sich. Zwar wird einiges im Verlauf des Buchs aufgegriffen und man bekommt einen Überblick über das Verpasste, aber manchmal hatte ich doch das Gefühl, dass mir zu viel fehlt, um es wirklich gut finden zu können. Außerdem macht das Widerkäuen von Fakten aus anderen Teilen die Geschichte etwas mühsam zu lesen und stört teilweise schlicht den Lesefluss.
Das Buch fängt sehr spannend und mit einem Paukenschlag an, danach verliert es aber ziemlich an Schwung und plätschert vor sich hin. Die Geschichte von Gwen und ihrer Familie machen einen Großteil des Buchs aus, der eigentliche „Fall“, der des verschwundenen Studenten wird nur zögerlich und sehr spät wieder richtig aufgenommen.
An sich ist das Buch nicht schlecht. Die verschiedenen Handlungs-Ebenen machen es vielseitig und vielschichtig erzählt, die Kapitel sind durchnummeriert und mit dem Namen der jeweiligen Person überschrieben, aus deren Sicht erzählt wird. Die psychologische Komponente, vor allem Gwens Kinder betreffend, ist nicht uninteressant und gut beschrieben, die beiden sind die Charaktere, die mir am sympathischsten waren. Auch Themen wie religiöse Gemeinschaften, toxisches Patriarchat, ewiggestrig-verklärtes Gedankengut („Frauen sind das unterlegene Geschlecht“) werden ansprechend bearbeitet. Interessant fand ich auch, dass Gwens verstorbener Ehemann die Schwester ihres aktuellen Lebensgefährten getötet hat – eine gewagte Konstellation. Alles in allem ist das Buch aber ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt: mal rasant spannend und voller Überraschungen, mal langatmig und langweilig. Eine konstante Spannung kommt erst gegen Schluss auf, der in einem furiosen Finale gipfelt.
Sprachlich ist das Buch angenehm zu lesen, es beinhaltet wenige Kraftausdrücke und Schimpfwörter, allerdings mag ich persönlich nicht, wenn in einem auf Deutsch übersetzten Buch immer wieder von den „Cops“ die Rede ist, statt von „den Polizisten“ oder „der Polizei“, dafür aber auf das Wort „mobben“ zugunsten von „schikanieren“ verzichtet wird. Die Kommata sind auch nicht immer an der richtigen Stelle gesetzt, da wurde ein bisschen geschludert. Wie das Buch im Vergleich zu seinen Vorgängern in der Serie ist, kann ich nicht beurteilen. Ich fühlte mich in der Hauptsache spannend unterhalten. Es ist kein überragendes Buch, aber lesbar. Daher von mir 3 Sterne.

Bewertung vom 03.07.2020
Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2
Horst, Jørn Lier

Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2


sehr gut

Im Haus des kürzlich verstorbenen norwegischen Politikers Bernhard Clausen findet ein Vertrauter des Toten in dessen Hütte Devisen im Gegenwert von 80 Millionen norwegischen Kronen. Wie kam der ehemalige Gesundheits- und Außenminister zu so viel Geld, noch dazu in ausländischen Währungen wie Dollar und Euro? Um diese Frage soll sich William Wisting in seinem zweiten Fall kümmern. Und kaum hat er zusammen mit einem Kollegen das Geld aus der Hütte geholt, geht diese in Flammen auf - Brandstiftung. Wie bereits im ersten Teil der Wisting-Reihe sind auch dieses Mal Kriminaltechniker Mortensen und Wistings Tochter Line mit von der Partie, um das Puzzlespiel (den Fall) zu lösen.
Über die Ermittlungen und den Fall selbst will ich gar nicht viel sagen, das beinhaltet so viel Spannung, die ich hier nicht verderben möchte. Nur eines ist sehr schnell klar: es ist kein Geld, das ursprünglich der Partei gehörte. Aber stammt es aus einem Banküberfall? Oder sonstigen dunklen Geschäften? Dennoch geraten Wisting und seine Helfer zwischen die Mühlsteine aus Polizeiarbeit und Parteipolitik und müssen einige lose Enden zu einem stimmigen Schluss verbinden, dazu kommt nämlich noch der Cold Case eines Anglers, der just an dem Tag verschwand, an dem ein Flugzeug ausgeraubt und eine Menge Geld gestohlen wurde. Und was hat es mit einem ominösen Manuskript zu tun, an dem der verstorbene Politiker angeblich gearbeitet hat?
Wie so oft ist es durchaus möglich, den zweiten Teil einer Serie unabhängig vom ersten zu lesen, man vermisst aber vielleicht die eine oder andere Information. Deshalb ist es auch hier ratsam, den Vorgänger „Wisting und der Tag der Vermissten“ von Jørn Lier Horst zu lesen. Wisting, vor allem aber seine Tochter Line, hatte ich sehr schnell ins Herz geschlossen. Die Charaktere sind bis auf die beiden ziemlich blass. Sie sind die einzigen Figuren mit etwas Tiefgang und greifbarer und dreidimensionaler als alle anderen, denn sie sind auch die einzigen, die so etwas wie ein Privatleben haben. Wistings ruhige, kompetente und sachliche Art und seine unaufgeregte Ausstrahlung mochte ich sehr, denn sie prägen den Krimi stark. Das ganze Buch liest sich wie eine Mischung aus Polizeibericht und Roman, aus Zeitungsartikel und Krimi und bleibt bis zum (für mich überraschenden) Schluss spannend. Die Aufklärung des Falls fand ich schlüssig aber für mich kam die Lösung dann doch etwas überraschend.
Das Buch ist flüssig zu lesen, die Sprache ist alltagsnah und sachlich, nicht übermäßig metaphorisch oder blumig, eher schlicht, die Sätze einfach gebaut. Dafür verzichtet der Autor dankenswerterweise komplett auf Kraftausdrücke – man merkt deutlich, dass da ein gesetzterer Kommissar am Werk ist, der sich auszudrücken weiß. Es gibt auch weder brutale Szenen noch irgendwelche übertriebenen High-Tech-Ermittlungsmethoden. Handfeste Polizeiarbeit – ein solider, handwerklich guter Krimi mit subtil aufgebauter Spannung, nicht mehr und nicht weniger. Für mich war die Spannung eher unterschwellig, aber dennoch stetig spürbar – wie ein ungutes Gefühl im Magen. Manches ist eventuell nicht ganz logisch: Line lädt für ihre Tochter ein E-Book herunter – das Kind ist 2 Jahre alt, eventuell ein Hörbuch oder hat es ihr jemand vorgelesen? Aber das ist von mir zugegebenermaßen ziemlich kleinlich und abgesehen davon habe ich an dem Buch nichts zu meckern.
Da die Geschichte sehr viele mehr oder minder wichtige Charaktere hat (alle mit norwegischen Namen), tat ich mich ein bisschen schwer, sie auseinander zu halten. Ein paar Mal musste ich auch zurückblättern und neu ansetzen, das Buch (er)fordert auf jeden Fall die volle Konzentration. Und der Leser weiß meistens genauso viel wie die Ermittler, wenn auch manchmal ein bisschen weniger als Line, die ihre Ergebnisse oft noch eine Weile für sich behält. Man fühlt sich fast selbst wie ein Teil des Teams. Man fiebert mit, sucht selbst nach Lösungen, was das Buch sehr lebendig macht. Von mir für die solide Unterhaltung solide 4

Bewertung vom 29.06.2020
Das Geheimnis der Madame Yin
Winters, Nathan

Das Geheimnis der Madame Yin


weniger gut

Da ich noch nie einen historischen Krimi gelesen hatte, habe ich mich auf „Das Geheimnis der Madame Yin“ von Nathan Winters gefreut.
Wir schreiben das Jahr 1877. Celeste Summersteen soll im Auftrag von Anette Roover deren 16jährige Nichte Dorothea auf dem Heimweg von Chicago nach London begleiten. Eigentlich ist Celeste Sekretärin in einer Detektei, würde aber lieber selbst ermitteln. Und da kommt der Auftrag genau richtig, denn sie soll außerdem im Mordfall von Estelle, einer engen Freundin von Dorothea, ermitteln. Ist die junge Frau auch in Gefahr? Schließlich war sie selbst opiumsüchtig. Sind die Kreise, in denen sie sich bewegte auch schuld am Tod ihrer Freundin? Und dann wird Madame Yin, Londons Opiumkönigin, tot aufgefunden. In ihrem Mund ist ein Stück Stoff und eine Haarlocke. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Morden? Die Ermittlungen übernimmt Inspector Robert Edwards von Scotland Yard. Zumindest so lange, bis sich Celeste in seine Arbeit einmischt.
Das Buch ist voller spannender (aber oft klischeehaft beschriebener) Gegensätze, unter anderem: Männer – Frauen, Amerika – Großbritannien, behütete Welt der wohlhabenden Bürgerschaft – kriminelles Milieu mit Drogen und Prostitution. Damit hat der Autor eine sehr spezielle Atmosphäre geschaffen.
Die Rolle der Frau, ganz besonders die von Frauen in (damals) Männerdomänen, arbeitet er sehr gekonnt heraus, auch arrangierte Ehen lässt er nicht aus („Dorothea muss sich endlich wie eine Dame benehmen und lernen, was eine gute Ehefrau zu tun hat. Ich habe ihr viel zu lange, zu viele Freiheiten gelassen .“) Besonders Celeste hat es als Frau nicht leicht, sich gegen die männlichen Polizisten zu behaupten, zudem kommt sie aus Amerika („Er sprach das Wort „Amerikaner“ aus, als wäre es eine ansteckende Krankheit“). Dazu übermächtiges Patriarchat, Kompetenzstreitigkeiten zwischen uniformierter Polizei und Scotland Yard, arrogante Ärzte und die damals beliebte Diagnose „Hysterie“ – eine explosive Mischung.
Inwieweit der historische Aspekt des Buchs korrekt ist, kann ich nicht beurteilen. Aus meiner laienhaften Sicht ist einiges allerdings sehr gut umgesetzt. Beispielsweise beschreibt der Autor die Umgebung und die Stimmung im London der damaligen Zeit sehr gut, die „Unterschicht“ spricht eine Art Slang, an die man sich erst gewöhnen muss während die Angehörigen der höheren Schichten sich teils sehr gewählt ausdrücken. Die Charaktere hat der Autor sehr gekonnt und facettenreich dargestellt. Celeste als selbstbewusste, emanzipierte Frau, die ihrer Zeit voraus ist, fand ich von der ersten Seite an sympathisch. Insgesamt fand ich die weiblichen Charaktere im Buch angenehmer als die männlichen.
Das Buch hat eine subtil aufgebaute, unterschwellige Spannung, gegen Ende wird die Spannungskurve steiler und insgesamt wird die Handlung etwa ab der Mitte, mit tieferem Eintauchen in die Ermittlungsarbeit, brutaler. Ein bisschen Sprach- und Wortwitz gibt dem ganzen etwas Würze und macht das Buch nett und unterhaltsam aber über weite Teile plätschert die Handlung eher dahin. Die Handlung selbst ist in zwei Strängen erzählt, einerseits die Ermittlungen von Celeste, andererseits die von Inspector Edwards, am Schluss und mehrere Morde später finden beide zusammen – leider weiß man als Leser schon sehr früh, wer der Täter ist und die Auflösung führt eher zu einem Kopfnicken und einem „ich wusste es!“ als zu einer Überraschung.
Sehr störend fand ich allerdings die Schreibfehler. („Celeste nahm es in den Schoss und betrachtete es.“ Schoß schreibt man nach wie vor mit ß. „Die Stimme erschrak ihn“ – nein, da wäre „erschreckte ihn“ auch laut Duden richtig.) Es ist aufgrund der Fehler sicher kein gutes Buch, manchmal liest es sich wie ein Übungsstück für den nächsten Teil (die Fortsetzung heißt „Der Zug aus Enfield“ und ist 2019 erschienen). Es ist aber auch kein schlechtes Buch – es ist leicht, teils aber auch seicht zu lesen. Von mir für die gute Idee und die mangelhafte Umsetzung 2 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2020
Dann bleiben wir eben zu Hause! / Online-Omi Bd.13
Bergmann, Renate

Dann bleiben wir eben zu Hause! / Online-Omi Bd.13


sehr gut

Renate Bergmann kannte ich vorher schon aus dem Interweb, Texte jenseits der 280 Zeichen hatte ich von ihr allerdings noch nie gelesen. Deshalb habe ich mich auf „Dann bleiben wir eben zu Hause!“ sehr gefreut – und wurde nicht enttäuscht. Mehr als einmal musste ich beim Lesen laut lachen.
Natürlich ist das Büchlein (mehr ist es ja auch mit seinen nur 80 Seiten nicht) keine große Literatur – will es vermutlich auch nicht sein. Es ist launig geschrieben, hat einen gewissen Informationswert und an vielen Stellen hörte ich die Stimme meiner Großmutter im Hinterkopf. Ja, ich gebe zu, dass ich als social-media-Neuling wirklich zuerst dachte, es sei wirklich eine 82-Jährige (tatsächlich steckt hinter der Figur der Online-Omi Torsten Rohde), die da schreibt, denn viele der Sprüche von Frau Bergmann könnten von meiner 90-jährigen Oma stammen, wie beispielsweise „Ja, ich sage immer: »Einer Hausfrau geht nie die Arbeit aus.« Es gibt immer was zu putzen, zu reparieren oder aufzuräumen. Der Tag hat nie so viele Stunden, als dass eine Frau mit ihrem Tun fertig würde.“ So hat Frau Bergmann das schon in der Bräuteschule gelernt. Oma auch. Handlung hat das Buch praktisch keine, aber man kann trotzdem das eine oder andere daraus mitnehmen.
Frau Bergmann sinniert nämlich nicht nur über Quarantäne, Arbeit, Sport und Familienleben in Zeiten von Corona, teilt Seitenhiebe über die Sauberkeit in anderen Haushalten aus (da kann sie ja dank „Skeip“ auf dem Klappcomputer hineinschauen) und befasst sich mit gelangweilten Ehemänner wie Kurt, die, ebenso wie Kinder, beschäftigt sein wollen. Sie mokiert sich über Hamsterkäufe, gibt aber gute Tipps für sinnvolle Vorratshaltung, was in den Verbandkasten muss (Tipp am Rande: es heißt nicht Verbandskasten!), wie man „Ersatzhefe“ macht oder selbst Nudeln herstellt. Dazu kommen eine ganze Reihe Rezepte mit wenigen und einfachen Zutaten (für Kuchen, Arme Ritter oder Kartoffelsuppe).
Das Rad hat Frau Bergmann mit dem Buch nicht neu erfunden. Viele der Sprüche hat man inzwischen zigfach gehört oder gelesen. Dennoch fand ich das Buch erfrischend und für zwischendurch gut zu lesen. Der Stil ist eine Mischung aus flapsig und großmütterlich-weise, mit Wortwitz und denglischen Wortschöpfungen. Aber ein paar mehr Seiten wären schön gewesen, finden Se nicht auch, Frau Bergmann? Von mir taufrische und nicht eingetupperte 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.06.2020
Rattenflut / Kira Hallstein Bd.3
Gößling, Andreas

Rattenflut / Kira Hallstein Bd.3


weniger gut

„Rattenflut“ – der Titel hat mich neugierig gemacht. Der Klappentext klang ebenfalls vielversprechend, denn das Thema Kindesmissbrauch ist nicht erst seit dem Pädophilen-Ring von Lügde brandaktuell. Dazu sollte das Buch von Andreas Gößling ein „True-Crime-Thriller“ sein, was auch nicht alltäglich ist. Allerdings muss ich sagen, dass ich mir unter „True Crime Stories“ ein bisschen etwas anderes vorgestellt habe. In diesem Buch ist ein reales Verbrechen in einen komplett anderen Kontext versetzt worden. Die wahre Geschichte (die Missbrauchsfällt des britischen DJs Jimmy Savile) fand ab den 1960er Jahren unter anderem auf der Insel Jersey statt – der Autor lässt seine Geschichte im heutigen Berlin und auf einer indonesischen Insel spielen. Außerdem verknüpft er die Handlung (und den Menschenhandel, den er aufgreift) unter anderem mit der Colonia Dignidad. Das fand ich zwar interessant, ist für mich aber nicht 100% True Crime.
Und auch sonst hat das Buch mich enttäuscht. Ich bin ganz sicher nicht zimperlich, was brutale Szenen angeht. Daher war mein Problem weder das Thema, noch die Tatsache, dass das Buch schon der dritte und letzte Band einer Reihe ist. Mein Problem war schlicht die Sprache, derer sich der Autor bedient. Er verwendet für meinen Geschmack zu viele Kraftausdrücke (die ich hier gar nicht zitieren darf), dazu Beleidigungen und manchmal schlicht die falschen Wörter („Stattdessen pult er die Latexfingerlinge, die der Doktor ihm noch aufgedrängt hat, aus der sterilen Verpackung und zwängt seine Hände hinein“ – Das mit den Fingerlingen kommt mehrmals im Buch vor. Fingerlinge sind keine Handschuhe!). Dazu grammatikalische Fehler (es heißt beispielsweise nicht „Mangels öffentlichem Interesse“, sondern mangels öffentlichen Interesses). Da lassen Sorgfalt und Lektorat zu wünschen übrig.
Der Leser wird direkt in die Handlung geworfen, ein Kind wird äußerst brutal von einem Erwachsenen missbraucht. Der Autor schildert diese Tat in aller Grausamkeit, manches überlässt er aber auch der Fantasie des Lesers. In der Folge geht die Geschichte mit mehreren Handlungssträngen weiter, so wird sie unter anderem aus der Sicht des Täters und der Sicht der Ermittler erzählt. Gedankengänge und innerer Monolog sind oft kursiv abgesetzt. Manchmal scheint der Autor allerdings den roten Faden zu verlieren, die Beschreibungen sind zum Teil sehr konfus, dazu sind es enorm viele Charaktere und Schauplätze und selbst bei mehrmaligem Nachlesen fand ich ab und zu keinen schlüssigen Zusammenhang. Das machte das Lesen für mich sehr anstrengend und im Endeffekt sehr unbefriedigend. Da ist es sicher auch ein Nachteil, die anderen Bände der Reihe nicht zu kennen, denn einige der Personen sind daraus wohl schon bekannt. Und auch ein Teil der Handlung wird aus den Vorgängern weitergeführt. Für diejenigen, die die anderen Bücher nicht kennen, wird einiges erklärt, was das Lesen allerdings noch anstrengender macht. Bezüglich der Charaktere muss ich sagen, dass mir nicht ein einziger sympathisch war, nicht einmal auf der Seite der Ermittler ist für mich eine „Lichtgestalten“ vorhanden.
„Ratten“ haben in dem Buch sowohl tatsächlich als auch symbolisch eine große Bedeutung. Das erste Opfer sieht nach dem Missbrauch aus wie „von Ratten angefressen“, es tauchen echte und menschliche Ratten auf, denn ein zentrales Thema sind menschliche Abgründe, Perversionen und menschenverachtende Handlungen. Opfer, die später zu Tätern werden, Undercover-Ermittler, Menschenhandel, Missbrauch in geschützten Umgebungen, korrupte Ermittler und noch so vieles mehr, dass ich manchmal das Gefühl hatte, der Autor hat sich bei all den Themen übernommen.
Zwar ist das Buch in sich latent spannend aber für mich war es aber zu keiner Zeit wirklich packend. Schade. Ein brandaktuelles Thema, ein wichtiges Thema – aber nicht gut umgesetzt. Da wäre sehr viel mehr drin gewesen. Und eventuell sollte der Verlag über eine „Trigger-Warnung“ auf dem Cover nachdenken. Alles in allem von mir 2 Ste

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.06.2020
Reinhold Würth
Timmerberg, Helge

Reinhold Würth


gut

Den Namen Würth kennt vermutlich fast jeder, den Menschen dahinter allerdings vermutlich auch sehr viele, denn Reinhold Wirth ist nicht dafür bekannt, die Öffentlichkeit zu scheuen. Zu seinem 85. Geburtstag erschien mit „Reinhold Würth. Der Herr der Schrauben“ eine neue Biografie, dieses Mal aus der Feder von Helge Timmerberg. Über den Inhalt ist nicht viel zu sagen. Den Werdegang von Reinhold Würth kann man im Internet nachlesen. Über diese Informationen hinaus kann der Autor auf Tagebücher und private Aufzeichnungen zurückgreifen, was der Geschichte ein bisschen „Fleisch auf die Rippen“ gibt. Außerdem kann er sie aus persönlichen Gesprächen, Eindrücken und Erfahrungen aus dem persönlichen Kontakt mit Reinhold Würth noch etwas unterfüttern.
Soweit, so gut. Herausgekommen ist dabei ein sehr gut lesbares, wenn auch ziemlich kurzes Buch. Über den Werdegang von Würth, sein Privatleben und den Aufstieg der Firma. Würths Werben um seine spätere Ehefrau, seine Erfahrungen als Pilot und auch die Entführung seines behinderten Sohnes und seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung werden erwähnt. Ich schreibe bewusst nicht „beleuchtet“, denn der Autor kennt nur ein einziges Licht in diesem Buch: das strahlende Flutlicht. Fast scheint es, als würde er unkritisch das schreiben, was ihm Würth „erlaubt“. Das macht das Buch zwar nicht zu einer schlechten Lektüre, aber hinterlässt einen schalen Beigeschmack und viele Fragen. Allerdings ist eines ganz klar: es ist ein Buch und kein investigativjournalistischer Artikel. In dem, was und wie er schreibt, ist der Autor hier viel freier.
Das Buch liest sich stellenweise ein bisschen wie ein Nachruf, wobei die beschriebene Person ja noch am Leben ist. Und alles in allem ist es eines ganz deutlich: ein Geburtstagsgeschenk an einen Menschen, den der Autor ganz offensichtlich bewundert. Und das Buch fängt richtig gut an. Launig, lustig und interessant. Und der Rest? Verkommt ziemlich schnell zu einer etwas hingeschludert anmutenden Mischung aus Lobpreisung und Bauchpinselei ohne viel Konzept und roten Faden. Schade. Gegen Ende wird das Buch langatmig, langweilig und zum Teil die Formulierungen mehr als blumig und ausschweifend. Über ein Jahr lang hat der Autor Reinhold Würth begleitet, konnte einen Blick in dessen Welt aus Privatflugzeugen, Schlössern, Autos, Kunstwerken und Yachten werfen und durfte sich in seinem Schatten ein bisschen sonnen.
Das Buch ist, wie gesagt, nicht schlecht, aber auch nicht gut. Es ist leicht zu lesen, Ton und Sprache sind (zumindest im ersten Teil) locker, launig und frisch, im zweiten Teil wird es dann sehr idealisierend und der Ton wird merklich sachlicher, kritische Untertöne fehlen gänzlich. Von mir für den starken Anfang und den platten Schluss daher in der Summe drei Sterne.