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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 09.04.2020
Reisedepeschen aus Bolivien und Peru
McCann, Jennifer

Reisedepeschen aus Bolivien und Peru


sehr gut

"Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen."

In der Tat, das stellt Autorin Jennifer McCann in ihrem spannenden Reisebericht durch zwei südamerikanische Länder unter Beweis. Und wie sie erzählt ist faszinierend: gleichermaßen kurzweilig wie tiefsinnig. Es finden sich tief bewegende Schilderungen, etwa über die unmenschlichen, Leib und Leben gefährdenden Bedingungen, die in den Minen im bolivianischen Potosí herrschen. Dann wieder lässt uns die Autorin an bizarren, skurrilen Begegnungen teilhaben, wie der mit einer Bläsercombo, die inmitten einer Salzwüste "Don´t let me be misunderstood" anstimmt.

Die persönlichen Begegnungen und Erlebnisse sind sehr vielfältig, auch in ihrer Beschreibung. Manches hätte ich mir ein wenig ausführlicher gewünscht, teils waren die Hintergrundinfos recht spärlich, etwa zur peruanischen Terrororganisation "Leuchtender Pfad".

Positiv hervorheben möchte ich den sehr reflektieren Stil McCanns. "Immer wenn ich mich in der Welt bewege, interpretiere ich. Ich glaube, es gibt niemanden, der die Grenze zwischen Fiktion und Realität zweifelsfrei erkennen kann." Dieses Zitat Jennifers zeigt, dass sie sich ihrer bewertenden Rolle als Reisende sehr bewusst ist und sie verantwortungsvoll damit umgeht.

Die Ausstattung der Reisedepeschen lässt kaum zu wünschen übrig: Zahlreiche hochwertige Farbfotografien illustrieren das Erlebte, der Anhang erklärt landestypische Begriffe. Lediglich die geografischen Karten, in denen die Reiseroute verzeichnet ist, könnten noch verbessert werden; hier habe ich einige der bereisten Orte vermisst.

Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch mit vielen Denkanstößen. Und in Zeiten der Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie kann es das Fernweh etwas stillen, indem sich der Leser wenigstens bei der Lektüre in unbekannte Gefilde begeben kann.

Bewertung vom 21.02.2020
Die Liebe einer Tochter
Moggach, Deborah

Die Liebe einer Tochter


sehr gut

Ja, das ist ein Roman nach meinem Geschmack: Autorin Deborah Moggach, dem ein oder anderen vielleicht bekannt durch ihren Roman "These Foolisht Things", der in seiner Verfilmung unter dem Namen "The Best Exotic Marigold Hotel" zum Kassenschlager avancierte, hat auch hier wieder eine äußerst facettenreiche Story zu Papier gebracht.

Sie erzählt die Familiengeschichte des ehemaligen Hochschulprofessors James und seiner beiden erwachsenen Kinder Robert und Phoebe. Diese sind heilfroh, als sie mit Mandy eine Pflegerin für den doch schon sehr gebrechlichen Vater finden, die auch von ihm akzeptiert wird. Doch nach kurzer Zeit wächst das Misstrauen bei den Kindern - ist Mandy nur hinter dem Erbe her?

Die Story ist wirklich tiefsinnig und bietet einige gut gemachte Twists, die mich völlig überrascht haben. Es geht um Erwachsene, die sich lange nicht von Verletzungen frei machen können, die sie in ihrer Kindheit erlitten haben, um Geschwisterrivalität bis ins hohe Alter, Egoismus und nicht zuletzt um Familiengeheimnisse.

Für uns deutsche Leser eher etwas ungewöhnlich ist die Thematik der britischen Klassenunterschiede und damit verbundener Snobismus der Upper Class, aber die Autorin transportiert dies durchaus verständlich.

Die Erzählung ist sehr unterhaltsam, die Sprache teils etwas derb, aber ich mag den typisch britischen bissigen Humor, der immer wieder durchkommt. Häufige Perspektivwechsel lassen keine Langeweile aufkommen. Besonders hervorheben möchte ich die sehr gelungenen Charakterstudien. Jeder der Protagonisten ist für Überraschungen gut, und es gibt wirkliche Entwicklungen innerhalb der Geschichte.

Ein einziger kleiner Kritikpunkt ist für mich das doch etwas zu weichgespülte Ende, das war in meinen Augen nicht rundum glaubhaft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2020
#DieSichtderDinge
Kowalewicz, Alia;Wunram, Nicole

#DieSichtderDinge


weniger gut

Tierische Erzählperspektiven kennt man inzwischen reichlich, nicht zuletzt aus unzähligen Katzen-Krimis. Nicole Wunrams Kurzgeschichten lockten mich dennoch, da sie nicht nur ungewöhnliche tierische Protagonisten zu Wort kommen lässt, wie etwa eine Ratte auf der Mülldeponie, sondern auch aus Sicht von Gegenständen erzählt. Ich war sehr gespannt, wie etwa ein Kieselstein die Welt "erlebt", oder was ein Handfeger, ein Schuh oder ein Schmuckstück zu erzählen haben. Denn ich blicke gern über meinen eigenen Tellerrand, und eine andere Sichtweise einzunehmen, kann in großem Maß helfen, mehr Toleranz und Verständnis für andere zu entwickeln.

Ich schlug diese Sammlung von 50 Kurzgeschichten (genauer gesagt: 48 Geschichten und zwei Gedichten) also höchst neugierig und vielleicht mit etwas zu viel Erwartung auf. Und wurde prompt enttäuscht: Zum einen gibt es etliche Geschichten, die gar keine ungewöhnliche Erzählperspektive bieten. Wenn dann noch belangloser Inhalt hinzukommt, fühle ich mich schnell gelangweilt. So wird etwa detailliert und langatmig beschrieben, wie eine Mutter mit ihrer Tochter kocht, nur um die anschließende Reise einer Nudel vom Tellerrand über den Mülleimer zur Deponie einzuleiten. Eine andere Geschichte von nicht einmal einer Seite handelt von der Übernachtung eines Paares auf seinem Balkon mitten in der Stadt. Das könnte eine interessante Geschichte ergeben, hat es aber leider nicht. Weder erfährt der Leser, was die Beiden in der Nacht gesehen oder gehört haben, noch bekommt man einen Einblick in die Gefühle der Protagonisten, schade.

Eine Handvoll Geschichten sticht positiv hervor, etwa "Krankheit als Lebensabschnitt", in der gute Momentaufnahmen aus dem Leben eines Dementen geschildert werden. Auch "Zuckerwürfel" und nicht zuletzt "Der alberne Wind" haben mich hervorragend unterhalten und wirklich zum Nachdenken gebracht. Hier zeigt sich Unerwartetes und Witziges, der Plot entwickelt sich trotz der kurzen Erzählform - so hätte ich mir das von allen Geschichten gewünscht.

Auch sprachlich ist das Büchlein recht anspruchslos. Es wirkt auf mich fast wie eine Sammlung von Schulaufsätzen. Das muss nicht zwingend schlecht sein, ich lese nur eben gerne Texte, die stilistisch komplexer sind. Außerdem hat das Korrektorat leider einige Fehler übersehen.

Sehr gut gefallen haben mir hingegen die kleinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die die Texte kreativ und mit einem Augenzwinkern illustrieren. Eine besondere Erwähnung verdient auch die Schriftart für die Überschriften, in der der rechte Schenkel des großen "W"s als Federkiel dargestellt wird. Ein sehr hübsches Detail!

Als Kinderbuch, speziell zum Vorlesen, scheint mir diese kleine Sammlung besser geeignet denn als Lektüre für Erwachsene, zumal einige Geschichten am Anfang wie ein Rätsel aufgebaut sind, bei dem die jungen Leser raten können, von welchem Gegenstand die Rede ist.

Wer keine großen literarischen Ansprüche stellt, sondern einfach ein paar nette kleine Geschichten für zwischendurch sucht, wird vermutlich gut unterhalten, mir war das leider zu wenig.

Bewertung vom 19.02.2020
Sieben Arten den Sari zu binden (eBook, ePUB)
Radeva, Todora

Sieben Arten den Sari zu binden (eBook, ePUB)


gut

Todora Radeva schreibt in 19 Kurzgeschichten über die Liebe zwischen Mann und Frau.

Es geht um den Beginn und das Ende einer Beziehung, über Zufälle, Leidenschaft und Gewohnheit, Freiheitsdrang und Abhängigkeit. Auch wenn die Erzählperspektive wechselt, im Mittelpunkt der Betrachtungen steht immer eine Frau.

Die Storys sind gut gemacht, sowohl sprachlich als auch was die Ideen angeht. Und doch reicht es nur für eine mittlere Bewertung. Denn zu oft blieb ich - auch nach wiederholter Lektüre einer Geschichte - nur ratlos zurück. Manches kam über eine seltsame, verworrene Momentaufnahme nicht hinaus. Anderes erinnerte an platte Küchenpsychologie ("wenn ..., dann liebst du ihn") Vielleicht war ich aber auch einfach nicht in der Stimmung für so viel Schwere. Denn fast alle der geschilderten Beziehungen sind unglücklich, scheitern, die Protagonistinnen sind unsicher, werden ausgenutzt, führen hinters Licht oder sind untreu. Über allem liegt eine gewisse Schwere, manchmal mit einem Hauch von Mystik.

Im Gegensatz zu der Ankündigung auf der hinteren Umschlagseite konnte ich leider nur wenig Schilderungen der bulgarischen Kultur entdecken, die meisten Geschichten könnten auch in einem anderen europäischen Land spielen. Und gerade das war meine Hoffnung gewesen: mehr über typische Lebensumstände und Traditionen Bulgariens zu erfahren.

Ein weiterer, wenn auch kleiner, Kritikpunkt betrifft das Papier: Es ist relativ holzig und rau. Da ich ein sehr haptischer Mensch bin, habe ich das Buch einfach nicht gerne angefasst.

Fazit: Eine recht schwermütige Betrachtung der Liebe, eine Handvoll wirklich guter Shortstorys, insgesamt aber eher durchwachsen.

Bewertung vom 17.02.2020
Wie die Schweine
Bazterrica, Agustina

Wie die Schweine


ausgezeichnet

Die Argentinierin Agustina Bazterrica zeichnet eine erschreckende Zukunft. Erschreckend grausam und unmenschlich und zugleich dennoch erschreckend vorstellbar: Ein Virus macht Rind, Schwein, Geflügel & co. ungenießbar für den menschlichen Verzehr, und so muss "Spezialfleisch" her - Menschen, die gezüchtet werden, um als Speise auf dem Teller anderer Menschen zu landen.

Thematisch ist dies fürwahr keine leichte Kost, und doch entwickelt die Geschichte eine große Sogwirkung. Einerseits führt uns Bazterrica die Brutalität unserer heutigen Massentierhaltung vor Augen, denn die von ihr geschilderten Szenen in den Schlachthöfen sind größtenteils real, nur eben mit Schweinen und Rindern statt mit menschlichem Schlachtvieh.

Andererseits zeigt die Autorin geschickt auf, wie totalitäre Regime anhand von Sprachvorgaben Menschen entmenschlichen und dadurch Verbrechen zunächst denkbarer und schließlich gesellschaftlich akzeptabel werden. Moralisch-ethische Grenzen werden überschritten - wie etwa aktuell auch in Tschechien, wo Buchläden das antisemitische Kinderbuch "Der Giftpilz" wieder vertreiben, in dem Juden als giftige Gewächse verunglimpft werden.

Außerordentlich gut gelungen ist auch das Cover : Wie ein Stück abgepacktes Fleisch in der Kühltheke des Supermarkts kommt das Paperback daher. Titel und Autorin sind wie in ein Etikett eingedruckt, hier ist alles stimmig bis ins kleinste Detail, einschließlich der realen Gewichtsangabe des Buches, seines Preises und des "100 % Mensch"-Piktogramms.

Fazit: große Literatur, die ganz große Fragen aufwirft und Alltägliches in neuem Licht erscheinen lässt. Unbedingt lesen!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2020
Lebensbilder (eBook, ePUB)
Kerick, Vera

Lebensbilder (eBook, ePUB)


sehr gut

Kunsthistorikerin Vera Kerick merkt man in ihrem zweiten Roman die Liebe zur Malerei auf jeder Seite an. Protagonistin Lilly hat von ihrem Vater eine besondere Beziehung zur Kunst geerbt. Und sie interessiert sich nicht nur von Kindesbeinen an dafür, sondern sie hat eine besondere Gabe: Sie assoziiert innerhalb von Sekunden ihr bekannte Kunstwerke mit Menschen aus ihrem Umfeld.

Dies ist eine sehr originelle Idee, die die Geschichte ein gutes Stück weit trägt. Allerdings dürfte Lesern, die nicht beruflich mit Kunst zu tun haben oder die zumindest oft ins Museum gehen, die Beschreibung der Bilder kaum ausreichen, um sie sich gut vorstellen zu können. Hier wären Abbildungen eine hervorragende Ergänzung zum Text, aber das ist vermutlich an den Lizenzgebühren und/oder den Kosten für einen hochwertigen Farbdruck gescheitert. Nun, so muss man sich eben mit Online-Recherche behelfen.

Neben dem starken Kunstbezug lebt der Roman davon, dass er Beziehungen hinterfragt. Es geht um Lillys Beziehung zu ihrem Vater, zu ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem (Ex-)Freund. Ein großes Thema ist dabei, wie ehrlich wir zu denen sein sollen, die wir lieben. Muss man einander alles sagen, auch wenn es verletzt?

Die Story ist abwechslungsreich erzählt und führt nach Paris, Chicago, Amsterdam und Hamburg. Die Autorin variiert die Erzählperspektive, die auktoriale Hauptperspektive ist durch Tagebucheinträge der Protagonistin unterbrochen. Wer schöne Metaphern mag, wird an einigen Stellen fündig werden.

Zwei kleine Kritikpunkte habe ich: Zum einen gibt es einige Fehler im Schriftsatz; "Schusterjungen" und "Hurenkinder" (alleinstehende Zeilen bzw. Wörter) sind dem Lesefluss einfach nicht förderlich. Zum anderen war mir das Ende einen Tick zu weichgespült.

Dennoch: eine schöne Erzählung, die in die Tiefe geht, Leseempfehlung!

Bewertung vom 04.02.2020
Der junge Falke / Schwert und Krone Bd.2
Ebert, Sabine

Der junge Falke / Schwert und Krone Bd.2


sehr gut

Teil zwei der "Schwert und Krone"-Saga ist in meinen Augen besser gelungen als der erste Band. Vielleicht hat es geholfen, dass mir einige der Figuren bereits bekannt waren, jedenfalls konnte ich mich deutlich besser in der Geschichte zurecht finden.

Und dennoch muss ich gestehen, dass ich immer noch weit davon entfernt bin, die Story dieses Romans (und somit ein Stück deutscher Geschichte) auch nur ansatzweise nacherzählen zu können. Dazu ist sie für mich einfach zu komplex, vielleicht habe ich auch zu wenig Hintergrundwissen, und die Vielzahl der Protagonisten ist zu verwirrend: Auch hier konnte ich die vielen Friedrichs, Heinrichs und Konrads nicht immer auseinanderhalten.

Aber ich wurde gut unterhalten und habe definitiv eine Menge dazu gelernt, sowohl über geschichtliche Zusammenhänge, mir völlig Neues wie etwa die Wendenkreuzzüge als auch über Lebensumstände und Alltag der Adligen wie auch der Handwerker und Bauern im Mittelalter.

Etwas gelangweilt haben mich die wiederholten Beschreibungen von Gewändern der adligen Damen und der Speisen am Hofe - diese Schilderungen finden sich fast wortwörtlich bereits im ersten Band ; etwas Abwechslung in der Wortwahl wäre hier schön gewesen. Auch blieb so mancher Protagonist etwas flach, ich konnte mir nicht jeden Charakter wirklich gut vorstellen.

Dafür ist diesmal viel Spannung geboten, ich fieberte sowohl mit den Kreuzrittern, als auch mit den in der Heimat Zurückgebliebenen mit.

Die Ausstattung dieses schmuckvollen Hardcovers lässt kaum zu wünschen übrig. Historische Karten, Personenverzeichnis und Zeittafel erleichtern die Orientierung. Die Stammtafeln der Herrschergeschlechter sind wohl eher etwas für historisch Bewanderte, ich habe mich darin nicht zurecht gefunden. Das Glossar mit historischen Begriffen ist leider - wie bereits im ersten Band - nicht durchweg alphabetisch sortiert, es gibt Begriffe mit "G" vor und nach denen mit "F". Auch fehlen einige historische Schlagwörter, die heutzutage nicht mehr gebräuchlich sind, wie z.B. die Trippen.

Aber das sind definitiv Kleinigkeiten - ich freue mich bereits auf Band 3!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2020
Alle Tage, die wir leben
Hansen, Dagmar

Alle Tage, die wir leben


weniger gut

Dieser Roman liest sich schnell und flüssig, wer leichte Unterhaltung sucht, wird hier bestens bedient.

Ich hatte jedoch eine Erzählung erwartet, die mehr in die Tiefe geht, die das Potenzial der Geschichte auch ausschöpft. Und leider wurde ich enttäuscht. Die Wandlung der Protagonistin von einer unsicheren knapp 60jährigen Alleinstehenden zur lebensbejahenden Best-Agerin konnte ich so nicht nachvollziehen. Eben hält sie noch Zwiesprache mit dem vor Jahrzehnten verstorbenen Gatten und ist davon überzeugt, in ihrem Alter nie mehr einen Partner zu finden, um dann - ACHTUNG SPOILER - auf einmal eine psychische Kehrtwende hinzulegen und nur noch "im Hier und Jetzt" zu leben.

Auch mit der zweiten Hauptperson, einer Art ladylikem Lotti-Huber-Verschnitt, tat ich mich etwas schwer: Denn dieser Charakter wird durchweg positiv gezeichnet, obwohl die alte Dame nicht gerade als moralisches Vorbild dienen kann - schon wieder SPOILERALARM - hat sie doch ihre Schwester bestohlen und belogen, ihrer Tochter die Wahrheit über ihren Vater verschwiegen, und eine demente ehemalige Freundin bezeichnet sie in deren Anwesenheit als tote Hülle.

Die ganze Geschichte wird dann noch mit einer gehörigen Portion zuckersüßen Kitsches überzogen. Kostprobe? Gerne, hier die Beschreibung eines Party-Buffets: " ... ihre Muffins kuschelten sich an die Platte mit meinen Blätterteigtaschen." Das ist nichts, was ich gerne lese, nicht mal, wenn ich für anspruchsvollere Literatur zu müde bin, sorry.

Von mir daher keine Leseempfehlung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2020
Die Tankstelle am Ende des Dorfs
Mytting, Lars

Die Tankstelle am Ende des Dorfs


sehr gut

Nachdem ich Myttings jüngsten Roman, "Die Glocke im See", geradezu verschlungen hatte, waren meine Erwartungen an sein Erstlingswerk groß gewesen.

Der Inselverlag hat Lars Myttings Debütroman neu aufgelegt. "Hestekrefter", so das norwegische Original von 2006, war 2007 erstmals unter dem Titel "Fyksens Tankstelle" erschienen.

Ich muss gestehen, dass ich nicht sofort in die Geschichte hineingefunden habe. Zu fremd war das Setting: ein abgelegenes kleines Dorf in Norwegen, Protagonist Erik betreibt eine Tankstelle und ist ein leidenschaftlicher Autoschrauber. Nicht wirklich meine Welt. Und doch schafft es Mytting mit seiner ganz eigenen, atmosphärischen Erzählweise, dass ich mich auch diesmal auf die Geschichte einlassen konnte. Zugegebenermaßen hat das ein paar Kapitel gedauert, aber dann hatte mich auch dieser Roman.

Und ich wurde mit überraschenden Einsichten belohnt: Was Erik aus dem Tankverhalten seiner Kunden alles schließen kann. Dass es Menschen gibt, die zur Beruhigung Werkstattbücher amerikanischer Autos lesen. Oder auch, dass es nicht nur im afrikanischen Busch, sondern auch im geschilderten norwegischen Dorf noch regen Tauschhandel gibt - da wird der Zahnarzt schon mal mit Wildbret statt mit Bargeld entlohnt.

Die Geschichte hat einige Längen, sicher. Doch so sehr mich das in anderen Romanen stört, hier hat es irgendwie eine Berechtigung. Denn mal ehrlich, in dem Dorf ist nunmal einfach nichts los. Das wirklich spannende ist Eriks Gefühlsleben, sind seine Träume, sein Scheitern.

Es ist ein Roman der leisen Töne, der mir eine für mich bis dato völlig fremde Welt gezeigt hat.

Bewertung vom 04.02.2020
Sweet Sorrow
Nicholls, David

Sweet Sorrow


gut

Ohne Zweifel, Nicholls beherrscht sein Handwerk, sprachlich ist dieser Roman hervorragend.

Ich mochte besonders, wie Protagonist Charlie selbstironisch auf sich als heranwachsenden Teenager zurückblickt. Und auch die zahlreichen Anspielungen und Bezüge auf "Romeo und Julia" sind intelligent gemacht. Wobei ich vermutlich nur einen Bruchteil davon entdeckt bzw. verstanden habe, da es doch etliche Jahre zurückliegt, seit ich diese wohl bekannteste Tragödie Shakespeares gelesen habe.

Doch trotz der sprachlichen Brillanz hat mir "Sweet Sorrow" nicht gefallen. Das hohe sprachliche Niveau konnte mich einfach nicht über den Inhalt hinwegtrösten, der mich leider so gar nicht angesprochen hat: Charlie wächst in einem zerrütteten Elternhaus auf, nach der Trennung seiner Eltern muss er sich um seinen depressiven Vater kümmern. Der Junge ist kurz nach dem Schulabschluss völlig auf sich gestellt, bis er sich Hals über Kopf verliebt. Seine Angebetete macht zur Bedingung für weitere Treffen, dass sich Charlie einer Laientheatergruppe anschließt. Soweit die Rahmenhandlung.

Leider ziehen sich die Kapitel sehr in die Länge, ich habe mich seitenweise nur gelangweilt. Vielleicht bin ich in meiner Lebensphase einfach schon zu weit davon entfernt, mich für das Gefühlswirrwarr eines Heranwachsenden wirklich zu interessieren, mag sein. Jedenfalls habe ich weder neue Erkenntnisse gewonnen, noch überwiegend unterhaltsame Lesestunden verbracht.

Fazit: Man muss sich durch unglaubliche Längen kämpfen, um sich an einigen witzigen und spritzigen Abschnitten erfreuen zu dürfen.