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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 26.01.2020
Klimaschutz aus dem Hahn
Agaç, Senol

Klimaschutz aus dem Hahn


sehr gut

Autor Şenol Ağaçs Appell an seine Leser ist einfach und gut verständlich: Verzichtet auf Wasser (und Softdrinks) in Flaschen und trinkt stattdessen Leitungswasser.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Leitungswasser ist wesentlich billiger, schont die Umwelt (kein Transport, kein Verpackungsmüll) und viel Wasser zu trinken ist gesund.

Das kleine Büchlein ist sehr ansprechend gestaltet, viele farbige Zeichnungen lockern den Text auf, Ağaç schreibt verständlich und humorvoll.

Das Hardcover hat ein praktisches Lesebändchen und eignet sich aufgrund des handlichen Formats sehr gut als Lektüre für unterwegs. Das Quellenverzeichnis untermauert angegebene Fakten und Sachverhalte, doch fällt die Zuordnung etwas schwer, da keine Angabe zu den entsprechenden Kapiteln gemacht wird, sondern die Quellen einfach im Anhang aufgelistet werden. Auch die Art und Weise der Quellenangabe ist etwas knapp und entspricht nicht immer wissenschaftlichen Standards.

Was mich auch ein klein wenig gestört hat ist, dass keinerlei Angaben zur Vita des Autors gemacht werden. Şenol Ağaç schreibt des öfteren von seinen Seminaren, was mich zu eigener Recherche veranlasste. Ich wollte einfach wissen, in welchem Bereich er - außer als Autor - tätig ist. Und siehe da: Er ist Inhaber der RefillWater2Go und außerdem bei Smart Beverages tätig, hat also in seinem Beruf mit den leitungsgebundenen Wasserspendern zu tun, die er im vorliegenden Buch empfiehlt. Das ist ja an sich nichts Ehrenrühriges, im Gegenteil. Aber wieso wird verschwiegen, dass der Autor in diesem Bereich Experte ist, das würde doch eher für seine Fachkompetenz sprechen?! So bleibt der leise Verdacht, dass hier Werbung für Wasserspender in den Deckmantel des Klimaschutzes gehüllt wurde.

Dennoch, selbst wenn es sich um Werbung handelt, ist es immer noch Werbung für eine gute Sache (und schließlich werden weder Produkte noch Firmen genannt). Ich teile die Ansicht, dass wir mehr Leitungswasser trinken sollten. Das Buch gibt dazu gute Denk- und Handlungsanstöße, und daher gibt es von mir vier Sterne.

Bewertung vom 26.01.2020
Opernführer für Einsteiger
Solfaghari, Jasmin

Opernführer für Einsteiger


ausgezeichnet

Als Neuling in der großen und manchmal Ehrfurcht gebietenden Welt der Oper sprach mich dieses kleine handliche Büchlein sehr an. Ich erhoffte mir eine gut verständliche und unterhaltsame Einführung in diese Kunstgattung.

Was soll ich sagen - meine Erwartungen wurden weit übertroffen! Nicht nur dass Jasmin Solfaghari die Handlung von drei ausgewählten Opern (darunter der 16stündige Wagner-Marathon "Der Ring des Nibelungen"!) frisch, frech und wirklich witzig zusammenfasst. Nein, sie wirft noch einmal einen ganz eigenen Blick auf die Stücke, indem sie das Augenmerk auch auf eher ungewohnte Aspekte richtet, z.B. Flora, Fauna, verzehrte Getränke oder Herausforderungen an die Bühne. Zudem teilt die erfolgreiche Opernregisseurin ihr Insider-Wissen mit ihren Lesern: Wie bringt man Feuer auf die Bühne, was trinken die Opernsänger während der Aufführung oder wie funktioniert der Kostümwechsel.

Das alles würde schon für ein wirklich unterhaltsames und informatives Sachbuch rund um die Welt der Oper reichen. Doch der wirkliche Clou kommt erst im letzten Teil: Hier hat David Saam die Kapitel über die drei vorgestellten Opern ins Fränkische übersetzt. Kleine Kostprobe gefällig? Bitteschön - "der Freischüddz auf ann Bligg: Wie könnt mer in an Säddla alles zammfassn? A Schießbrüfung endscheided, obsd reif zerm Heiern bisd oddä ned."

Ich bekam beim Lesen das Schmunzeln gar nicht mehr aus dem Gesicht und kann folgendem Zitat von Christian Morgenstern nur aus ganzem Herzen zustimmen: "Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache an."

Einen kleinen Verbesserungsvorschlag fürs Layout hätte ich allerdings noch: Für Leser, die des Fränkischen nicht zu 100 Prozent mächtig sind, wäre es hilfreich, die hochdeutschen und die fränkischen Kapitel auf je einer Doppelseite gegenüber zu stellen, so wie das bei vielen zweisprachigen Büchern üblich ist. Dann kann man Formulierungen schnell und ohne viel Hin- und Herblättern vergleichen.

Fazit: Ein sehr gelungenes und humorvolles Büchlein, nicht nur für Operneinsteiger, sondern für alle Liebhaber dieser Musikgattung und der fränkischen Mundart.

Bewertung vom 26.01.2020
Die Tränen von Triest
Maxian, Beate

Die Tränen von Triest


sehr gut

Die österreichische Bestsellerautorin Beate Maxian verwebt in ihrem jüngsten Roman gleich drei Familiengeschichten zu einem sehr kurzweiligen und spannenden Plot.

Die 33jährige Johanna, gerade erst von ihrem Freund abserviert, wird von ihrem Großvater gebeten, sich in Triest auf Spurensuche nach dessem Vater zu begeben. Seine Mutter hatte ihn immer im Unklaren über die Identität seines Erzeugers gelassen.

Maxian nimmt ihre Leser mit auf eine höchst interessante Reise in die Vergangenheit. Sie schreibt gefühlvoll und mit viel Liebe zum Detail, wodurch man sich sehr gut in die geschilderten Szenen hineinversetzen kann. Besonders gelungen ist der Handlungsstrang während des ersten Weltkriegs, eindringlich zeigt die Autorin hier, wie die Grauen der Gefechte und deren Folgen Lebensträume zerplatzen ließ. Wie unzählige Menschen daran zerbrachen, andere wiederum dennoch ihren Weg zum Glück fanden.

Einen Stern Abzug gibt es von mir allerdings für die Tendenz zu einer allzu heilen Welt im Erzählstrang der Gegenwart. "Mr. Right" ist einfach makellos, schön, charmant und natürlich auch noch wohlhabend, und dass sich die Protagonistin gerade mal eine Woche nach dem ihr langjähriger Freund mit ihr Schluss gemacht hat Hals über Kopf erneut verliebt, scheint mir auch nicht ganz realistisch.

Aber sei´s drum - "Die Tränen in Triest" ist dennoch eine sehr unterhaltsame Lektüre, gut recherchiert, spannend geschrieben, empfehlenswert!

Bewertung vom 23.01.2020
Neuschnee
Foley, Lucy

Neuschnee


gut

Lucy Foley kann hervorragend schreiben, das hat sie mit "Die leuchtenden Tage am Bosporus" unter Beweis gestellt.

Doch "Neuschnee" hat mich leider enttäuscht. Dies mag zum einen daran liegen, dass das Cover einen Thriller verspricht. Demzufolge hatte ich einen durchweg hohen Spannungsbogen erwartet, ich wollte mich beim Lesen gruseln, ich hatte gehofft, das Buch kaum mehr zur Seite legen zu wollen, weil mich die Story so fesseln würde. Dies ist leider nur im letzten Viertel passiert. Der größte Teil des Plots ist eher langweilig, die Geschichte plätschert so vor sich hin.

Dabei ist die Erzählform durchaus interessant. Foley schreibt aus der Sicht von fünf der insgesamt elf Protagonisten: ein Freundeskreis aus neun Personen, die Silvester auf einer abgelegenen Berghütte verbringen, sowie zwei Angestellte der Logde. Die Kapitel sind abwechselnd aus Sicht von drei weiblichen Gästen, der Verwalterin und des Wildhüters geschrieben, wobei interessanterweise die vier Protagonistinnen als Ich-Erzählerinnen auftreten, oft in auktorialer Perspektive und mit vielen Rückblenden. Hingegen ist der einzige männliche Erzähler, der Wildhüter, personal, hier verwendet die Autorin die Er-Perspektive.

Die Erzählung erstreckt sich über vier Tage, vom 30. Dezember bis zum 2. Januar, wobei die Story nicht chronologisch entwickelt wird, sondern die Kapitel im Kalender vor und zurück springen. Es wird viel Zeit darauf verwendet, die Charaktere der Protagonisten zu zeigen und das Beziehungsgeflecht der Freunde untereinander darzustellen. Die Abgeschiedenheit der Lodge in den schottischen Highlands bietet die ideale Kulisse für einen gruseligen Mord. Doch leider gelingt es Foley nicht, dieses Potenzial auszuschöpfen. Ich habe mich so gut wie nie gegruselt, die Geschichte wirkt eher wie ein Cosy Krimi als ein Thriller.

Doch auch wenn ich "Neuschnee" als Krimi einordne, habe ich noch Kritik: Zum einen wirkte der beschriebene Freundeskreis extrem oberflächlich und unreif auf mich, das passt nicht ganz zu Alter und Gesellschaftsschicht. Zum anderen bin ich über viele Klischees gestolpert, hier hätte ich mir doch eine reflektierte Betrachtung gewünscht.

Daher gibt es von mir eine mittlere Bewertung: kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 13.01.2020
A Stranger in the House
Lapena, Shari

A Stranger in the House


ausgezeichnet

Mit "A Stranger in the House" gelang der Kanadierin Shari Lapena bereits der zweite internationale Bestseller. Und das völlig zu Recht: So muss ein Top-Thriller für mich sein - atemberaubend, fesselnd, bis zur letzten Seite voller überraschender Wendungen.

Besonders hat mir gefallen, dass der Plot nahezu ohne reißerische Action-Szenen auskommt. Das Grauen stellt sich vielmehr gerade dadurch ein, dass die Story in gutbürgerlichem Milieu spielt, sie quasi jedem von uns passieren könnte.

Ein zentrales Thema ist dabei: Wie gut können wir einen Menschen je wirklich kennen, selbst wenn es sich um unseren Ehepartner handelt?

Reizvoll ist auch der Wechsel der Erzählperspektiven: Die Kapitel alternieren zwischen Sicht der beiden Protagonisten, mal lesen wir die Gedanken des Ehemanns Tom, dann wieder kommt seine Frau Karen zu Wort. Die Spannung ist durchweg hoch, ich konnte kaum etwas vorhersehen.

Daher: Meine unbedingte Leseempfehlung für alle Liebhaber intelligent geschriebenen Nervenkitzels!

Bewertung vom 13.01.2020
Meister der Täuschung / Schwert und Krone Bd.1
Ebert, Sabine

Meister der Täuschung / Schwert und Krone Bd.1


gut

Meine Erwartungen an den Auftakt dieser historischen MIttelalter-Saga waren groß. Wurde Autorin Sabine Ebert doch als deutsche Rebecca Gablé gefeiert und in einem Atemzug mit Bestsellerautor Ken Follet genannt.

Leider hält der vorliegende Roman diesen Vergleichen nicht stand. Und dabei war mein erster Eindruck sehr positiv: ein edler Einband mit Goldprägung und stilvoller Abbildung der Reichsinsignien, ein praktisches Lesebändchen, historische Karten und Stammtafeln der Protagonisten auf Vor- und Nachsatz, im Anhang ein Glossar mit mittelalterlichen Begriffen und eine Zeittafel - auf den ersten Blick machte die hochwertige Ausstattung große Lust aufs Lesen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigen sich Mängel: Im Glossar sind Begriffe durcheinander geraten, so dass nicht alle Schlagworte alphabetisch aufgelistet werden, und einige im Mittelalter gebräuchliche Worte werden leider gar nicht erläutert, z.B. Tasselscheiben oder Fehwerk.

Auch inhaltlich konnte mich dieser Roman nicht überzeugen. Ich schließe durch die Lektüre von Historienromanen gerne meine (zugegebenermaßen immer noch zahlreich vorhandenen) geschichtlichen Wissenslücken. Doch leider habe ich hier nicht viel dazu gelernt. Dazu war die Story viel zu komplex, die unzähligen Namensgleichheiten waren extrem verwirrend, trotz der Ahnentafeln und eigener Online-Recherche schwirrte mir ob der zahlreichen Konrads, Friedrichs, Heinrichs und Getruds der Kopf. Ich musste ständig hin- und herblättern und verlor dennoch immer wieder den Durchblick und teils auch die Lust am Lesen.

Spannung kam eher selten auf, die Geschichte ist eine Aufzählung von Intrigen und Kriegen, mehr dröger Geschichtsunterricht denn fesselnde Erzählung. Die Protagonisten werden detailliert beschrieben, was ihr Äußeres betrifft. Leider gilt dies nicht im gleichen Maß für deren charakterliche Entwicklung. So blieb es für mich denn auch nicht nachvollziehbar, wie schnell so mancher Herzog oder Graf schnell mal die politische Seite wechselte, und dies auch noch ohne schwerwiegende Konsequenzen befürchten zu müssen. Mal eben rechtzeitig auf die Knie fallen und um Verzeihung bitten, und schon konnte man sich der königlichen Gnade sicher sein; der Gnade des Königs, gegen den man eben noch ins Feld gezogen war!

Sprachlich beherrscht Ebert ihr Handwerk. Allerdings gibt es etliche Dialoge, in denen die Figuren sich über Sachverhalte austauschen, die beiden Seiten hinlänglich bekannt sein müssen. Dies wirkt auf mich seltsam gekünstelt und dient wohl vor allem dazu, den Leser mit ihm unbekannten Informationen zu versorgen. Dies hätte man geschickter lösen können.

Fazit: Zu viel verwirrende Historie, zu wenig unterhaltsame Romanfiguren, mit denen man mitfiebern kann.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.01.2020
Reliquiae - Die Konstantinopel-Mission - Mittelalter-Roman über eine Reise quer durch Europa im Jahr 1193. Nachfolgeband von
Görg, Christoph

Reliquiae - Die Konstantinopel-Mission - Mittelalter-Roman über eine Reise quer durch Europa im Jahr 1193. Nachfolgeband von "Der Troubadour"


sehr gut

Mit "Reliquiae" legt der österreichische Autor Christoph Görg - im Haupterwerb ist er Steuerberater - den Folgeband zu "Troubadour" vor. Letzterer war ursprünglich gar nicht als Fortsetzungsroman geplant gewesen, doch nachdem sich dieser mehr als erfolgreich erwies, juckte es den Autor dann doch wieder in den Fingern und er schickte seinen Protagonisten Niki auf weitere Abenteuer.

Zu meiner großen Freude und Überraschung: Denn hatte mir Troubadour schon gut gefallen, so ist Reliquiae für meinen Geschmack noch eine Spur besser. Das mag auch daran liegen, dass ich diesmal schon ungefähr wusste, was mich erwarten würde. Nämlich kein klassischer historischer Roman, wie ihn (leider) das Cover ankündigt. Ja, der Plot spielt im Mittelalter, und die Geschichte behandelt auch klassisch mediävale Themen wie die Kreuzzüge und die Suche nach dem Heiligen Gral. Aber dieser Roman lässt sich nicht eindeutig einem Genre zuordnen. Er ist vielmehr eine bunte und sehr gelungene Melange aus Historienroman und Zeitreise, gewürzt mit einer deftigen Prise Humor und gespickt mit zahllosen Zitaten aus Film, Literatur und Musik. Nicht zu vergessen: Auch Liebhaber von Sexszenen und anzüglichen Sprüchen kommen auf ihre Kosten. (Bei überzeugten Femistinnen bin ich mir da nicht ganz so sicher ...)

Ich habe das Buch regelrecht verschlungen, trotz der über 500 Seiten kam nie Langeweile auf. Die Story ist spannend, sehr witzig und mit Liebe zum Detail erzählt. Görg gibt seinen Protagonisten erfreulich viele Facetten. Ihre Emotionen und Beweggründe stellt der Autor plausibel dar, die Szenerien sind wunderbar bildreich beschrieben.

Auch die Ausstattung des Hardcovers ist hochwertig: Auf Vor- und Nachsatz ermöglichen historische Karten Europas und Konstantinopels dem Leser gute Orientierung. Meine einzigen beiden (kleinen) Kritikpunkte sind ein paar sachliche Ungereimtheiten und etliche Druckfehler, hier hätten Lektorat und Autor noch ein wenig mehr Sorgfalt walten lassen können.

Davon abgesehen habe ich wirklich äußerst spannende und vergnügliche Lesestunden verbracht und nebenbei noch interessante Fakten über Reliquien gelernt. Ich warte schon jetzt ungeduldig auf den dritten Band!

Bewertung vom 30.12.2019
Die letzte Reise der Meerjungfrau
Gowar, Imogen Hermes

Die letzte Reise der Meerjungfrau


ausgezeichnet

So wie der Schutzumschlag, so ist auch die Erzählung, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt: glänzend, schillernd, verschnörkelt und zauberhaft, mit ganz eigener Ästhetik und Ausdruckskraft.

Imogen Hermes Gowar, Archäologin, Anthropologin und Kunsthistorikerin, ist mit diesem Roman ein zu Recht preisgekröntes Debüt als Schriftstellerin gelungen.

Sie nimmt uns mit auf eine Reise ins London des späten 18. Jahrhunderts. Kaufmann Jonah Hancock kommt - wie der Untertitel bereits ankündigt - quasi über Nacht zu Reichtum und Ruhm. Der sensationelle Erwerb einer unglaublichen Rarität, einer echten Meerjungfrau, ändert sein Leben schlagartig. Und auch er selbst verändert sich, er wird vom eigenbrötlerischen ewigen Junggesellen zum späten Ehemann, mit dem wachsenden Besitz wachsen auch die Begehrlichkeiten.

Gowar ist ein beeindruckender Genremix gelungen, das Buch ist ein Gesellschafts- und Historienroman über das viktorianische London, sie entwickelt großartige Psychogramme ihrer Protagonisten, die Geschichte ist ein Sittengemälde, gewürzt mit einem Schuss Mystik. Es geht um große Themen, um Leidenschaft und Liebe, Träume, Enttäuschungen und immer wieder: um das Streben nach mehr.

Die Autorin spielt ihre schriftstellerische Klaviatur virtuos. Oftmals entstehen leise, zarte Töne, dann wieder setzt sie zu einem gewaltigen Fortissimo an, das einen völlig in die geschilderte Szenerie eintauchen lässt. Ich hatte einen wirklich sinnlichen Lesegenuss, sah förmlich einen Film ablaufen und schmeckte und roch Beschriebenes.

Einen kreativen Einfall stellen kurze mit der Grafik einer Jakobsmuschel gekennzeichnete Einschübe dar, die Gedanken der Meerjungfrau wiedergeben, in ganz eigener Sprache. Überhaupt ist die Sprache eine der ganz großen Stärken dieses Romans. Gowar schreibt, als wäre sie vor gut zweihundert Jahren aufgewachsen, man taucht auch dadurch wunderbar in die Epoche der Handlung ein.

Für mich eines der Lesehighlights 2019!

Bewertung vom 30.12.2019
Kriegt das Papa, oder kann das weg?
Prüfer, Tillmann

Kriegt das Papa, oder kann das weg?


ausgezeichnet

Autor Tillmann Prüfer ist Chefredakteur des ZEITmagazins, in dem auch seine wöchentliche Kolumne "Prüfers Töchter" erscheint.

Nun hat er also sein erstes Buch über den Alltag mit seinen vier Töchtern verfasst. Wobei - Alltag trifft es bei Luna, der Ältesten, nicht mehr ganz genau, denn sie lebt bereits in einer WG. Dennoch kommt sie hinreichend zu Wort, ebenso wie (in absteigendem Alter) Lotta, Greta und Juli, das Nesthäkchen.

Prüfer erzählt in kurzen Anekdoten, wie stark sein Leben von seinen Töchtern beeinflusst wird - auch wenn aus Julis Sicht meist Papa der Bestimmer ist ... Ich habe das Buch regelrecht verschlungen und mich dabei köstlich amüsiert, etwa wenn sich die Zacken der abgerissenen "Haare" der Playmobil-Figuren schmerzhaft in Prüfers Fußsohlen graben. Oder wenn er einen Kindergeburtstag unter erschwerten Bedingungen zu managen hat, da sich einige Mütter von eingeladenen Kindern kurzerhand auf dem Prüferschen Sofa niederlassen und die Aktivitäten von dort beobachten und (nicht immer wohlwollend) kommentieren.

Sprachlich ist das Ganze sehr gelungen, wie nicht anders zu erwarten beherrscht Prüfer als Redakteur sein Handwerk. Besonders gefallen hat mir, dass neben der vorherrschenden unterhaltsamen und heiteren Erzählweise durchaus auch nachdenkliche und tiefsinnige Töne anklingen. So zum Beispiel wenn Tillmann im Hinblick auf seine älteste Tochter befürchtet, von der jungen Erwachsenen bald nicht mehr als Vater gebraucht zu werden.

Die Ausstattung des kleinen Hardcovers ist solide, ein Lesebändchen eine praktische Ergänzung.

Mein Fazit: Wer Axel Hackes "Der kleine Erziehungsberater" mag, wird Prüfers "Kriegt das Papa, oder kann das weg?" lieben.

P.S.: Wer sich einen optischen Eindruck der vier Protagonistinnen verschaffen möchte, dem lege ich das ZEITmagazin ans Herz. Hier findet sich zu Prüfers Kolumne jeweils ein wunderschön illustriertes Porträt von Juli, Greta, Lotta und Luna, im wöchentlichen Wechsel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.