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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1369 Bewertungen
Bewertung vom 16.05.2021
Die Inselhebamme
Jacobsen, Emma

Die Inselhebamme


gut

"Das Leben ist eine Reise. Nimm nicht zu viel Gepäck mit." (Billy Idol)
Ihren Beruf als Hebamme füllt Nela Westhues mit viel Liebe und Leidenschaft aus, allerdings fühlt sie sich dem immer größer werdenden Druck in der Münchner Klinik nicht mehr gewachsen. Auch ihre gerade in die Brüche gegangene Beziehung zehrt an ihren Kräften, so dass die ärztlich verordnete Auszeit gerade recht kommt und Nela auf ihrer Heimatinsel Norderney zurückbringt. Kaum im Elternhaus eingetroffen, merkt Nela, dass ihr so manche Last von der Seele fällt. Allerdings fallen Nela auch so einige Veränderungen auf, vor allem bei Oma Alma, denn die vergisst immer mehr. Jugendfreund Thore bringt so manche bittersüße Erinnerung an die Oberfläche, ebenso bringt die neue Bekanntschaft mit Simon die Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Fliegen. Zusätzlich denkt Nela über ein eigenes Geburtshaus auf Norderney nach. Wird sie nach München zurückkehren, oder setzt sie ihre Pläne in die Tat um?
Emma Jacobsen hat mit „Die Inselhebamme“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der allein schon mit den Inselbeschreibungen das Urlaubsfeeling in das Herz des Lesers bringt. Schnell kann sich der Leser von dem flüssigen, farbenfrohen und gefühlvollen Erzählstil gedanklich davontragen lassen, um an der Seite von Nela zu landen und einige ereignisreiche Tage mit ihr zu verbringen. Ihre Situation in der Klinik ist ebenso nachvollziehbar wie ihre Flucht aus München nach Norderney, denn Nela steht an einem Wendepunkt, wo sie entscheiden muss, wie es mit ihr zukünftig weitergehen soll. Aber auch in der eigenen Familie gibt es so einige Baustellen, die angegangen werden müssen, zumal es sich so anfühlt, als hätten die engsten Verwandten schon lange nicht mehr miteinander geredet oder sich umeinander gekümmert. Dafür gewinnt die Oberflächlichkeit die Oberhand, in dem sie sozialen Medien an Wichtigkeit gewinnen, bis man damit richtig fett auf die Nase fällt und plötzlich allein dasteht. Die zwischenmenschlichen Beziehungen hat die Autorin sehr schön ins Bild gesetzt, allerdings geht aufgrund der Vielzahl an Themen Neles eigene Zukunftsplanung irgendwie unter, zu sehr liegt die Konzentration auf anderen Problemlösungen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und holen den Leser mit ihren menschlichen Ecken und Kanten schnell in ihre Mitte, der ihnen auf den Fersen folgt und ihr Schicksal hautnah mitverfolgt. Nela ist eine freundliche und warmherzige Frau, die vor einigen weitreichenden Weichenstellungen in ihrem Leben steht. Die zu treffenden Entscheidungen verunsichern sie und lassen sie unentschlossen wirken. Oma Alma ist eine alte Dame, die nicht nur immer vergesslicher wird, sondern vor allem dem Alkohol gern zuspricht, was sie allerdings ganz gut zu verbergen weiß oder ihrem nächsten Umfeld nicht auffällt. Schwester Tini wirkt sehr naiv und weltfremd, vor allem im Umgang mit den sozialen Medien. Wer sich mit Wölfen bettet, der muss sich über Flöhe nicht wundern! Aber auch Thore, Finja, Simon und weitere Protagonisten mischen die Handlung etwas auf.
„Die Inselhebamme“ ruft eine gewisse Urlaubsstimmung hervor, jedoch plätschert die Handlung mehr oder weniger vor sich hin. Es fehlt an Spannungs- und Überraschungsmomenten, um die Handlung für den Leser interessant zu gestalten. So ist es nur ein netter Schmöker für die Sonnenliege oder den Strandkorb, aber ohne bleibenden Mehrwert. Eingeschränkte Leseempfehlung!

6 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2021
Verwegen / Die Rebellinnen von Oxford Bd.1
Dunmore, Evie

Verwegen / Die Rebellinnen von Oxford Bd.1


sehr gut

Zwei wie Katz und Maus
1879. Der größte Traum der 25-jährigen Annabelle Archer erfüllt sich, als eine der ersten Frauen ein Stipendium für die Universität in Oxford ergattert zu haben. Dafür erwartet man von ihr, sich bei der Frauenbewegung tatkräftig zu betätigen und den einflussreichen Duke Sebastian Devereux als Unterstützer zu gewinnen, der ausgerechnet ganz andere politische Ansichten hat. Mit einer erschlichenen Einladung trifft Annabelle Sebastian auf seinem Landsitz zum ersten Mal, hat aber mit ihrer Mission keinen Erfolg. Allerdings ist es kaum zu leugnen, dass zwischen den beiden eine große Anziehung herrscht. Sebastian jedenfalls geht Annabelle nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn gesellschaftliche Standesunterschiede sowie die Politik sie um Welten trennen…
Evie Dunmore eröffnet mit ihrem unterhaltsamen historischen Roman „Die Rebellinnen von Oxford-Verwegen“ die Oxford Rebels Reihe, die sich neben Liebe und Romantik auch mit der damals immer größer werdenden Frauenbewegung beschäftigt, deren Kampf für Gleichberechtigung und Anerkennung dazu beigetragen hat, dass alte verkrustete Strukturen endlich aufgebrochen wurden. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einem Besuch in die viktorianische Zeit ein, um dort auf Annabelle zu treffen, die auf keinen Fall heiraten, sondern viel lieber ein selbstbestimmtes Leben führen möchte. Mit der Zusage des Studienplatzes scheint ihr Wunsch in Erfüllung zu gehen, wenn er auch mit Auflagen verbunden ist. Annabelle stammt aus einfachen Verhältnissen und ein Studium wäre ihr ohne Stipendium nie möglich gewesen. Durch Perspektivwechsel lernt der Leser nicht nur die Gefühls- und Gedankenwelt Annabelles kennen, sondern hat auch Einblick in die von Sebastian, der einer gehobenen Gesellschaftsschicht angehört und andere politische Interessen verfolgt als Annabelle. Mit spritzigen Dialogen und plastischen Beschreibungen schürt die Autorin das Feuer zwischen ihren so gegensätzlichen Protagonisten, die sich zwar gesellschaftspolitisch auf unterschiedlichem Parkett bewegen, zwischen denen jedoch eine große Anziehungskraft herrscht, die beide zu verdrängen suchen. Die Spannung wird dadurch immer weiter in die Höhe getrieben und als Leser fragt man sich, wie die zwei sämtliche Konventionen und gesellschaftlichen Hürden überwinden wollen, um vielleicht doch miteinander glücklich zu werden, da die Erwartungen gerade an Sebastian sehr hoch sind. Während der Lektüre läuft das Kopfkino auf Hochtouren und hält den Leser auf Trab.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten lebendig und facettenreich ausgestaltet, so dass der Leser sich gern an ihre Fersen heftet und mitfiebert. Annabelle ist eine energische junge Frau mit eigenem Kopf. Sie ist intelligent, nicht auf den Mund gefallen und weiß Chancen für sich zu nutzen. Manchmal schießt sie etwas über das Ziel hinaus, doch lässt sie sich von Rückschlägen nicht aufhalten. Sebastian gehört schon von Geburt an zur besseren Gesellschaft. Als Berater der Königin besitzt er ein gesundes Selbstbewusstsein und vor allem einigen Einfluss. Oftmals benimmt er sich wie ein arroganter Snob, an dem alles abprallt; ein Pragmatiker und kalt wie ein Fisch. Er besitzt Verantwortungsgefühl, kann aber durchaus gefährlich charmant sowie geheimnisvoll sein.
„Die Rebellinnen von Oxford-Verwegen“ ist ein richtig unterhaltsamer Schmöker, der neben einem gut verwebten historischen Hintergrund mit einer spannenden Geschichte sowie einer Liebesgeschichte überzeugen kann. Verdiente Leseempfehlung für eine kurzweilige Lektüre!

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2021
Elbstürme / Eine hanseatische Familiensaga Bd.2
Georg, Miriam

Elbstürme / Eine hanseatische Familiensaga Bd.2


ausgezeichnet

„Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen.“ (Vincent Van Gogh)
1890. Nach drei Jahren im englischen Liverpool kommt Reederstochter Lily mit Ehemann Henry von Cappeln und Tochter Hanna zurück in ihre Heimatstadt Hamburg, weil es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut geht. Ihre arrangierte Ehe ist eine Farce, denn Henry schreckt auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurück,. Noch immer trauert Lily ihrem geliebtem Jo hinterher, dem Vater von Hanna. Aber auch Jo Bolten hat Lilys Weggang nicht gut verkraftet, im Alkohol das Vergessen gesucht und für die Rechte der Hafenarbeiter gekämpft. Nun sinnt er auf Rache an Ludwig Oolkert, den er für sein ganzes Elend verantwortlich macht. Derweil legt der windige und geschäftstüchtige Oolkert wie ein Krake seine Hände auf die Karsten-Reederei. Doch Lily hat weder die Reederei noch Jo aufgegeben und fängt damit an, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht länger rumschubsen zu lassen, auch wenn die Gefahr besteht, dass Henry ihr Tochter Hanna wegnimmt…
Miriam Georg hat mit „Elbstürme“ genau den richtigen Titel für den Abschlussband ihrer historischen Familiensaga gefunden, denn diesmal geht es wirklich auf sämtlichen Schauplätzen stürmisch zu. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert antreten, um dort Lily und Jo wiederzutreffen und deren Schicksal mitzuverfolgen. Über wechselnde Perspektiven erlebt der Leser zum einen, wie Lily von ihrem Ehemann Henry gegängelt und unterschwellig immer wieder bedroht wird. Es gefällt ihm sie in einem goldenen Käfig zu halten, der Lily mehr und mehr die Luft zum Atmen nimmt. Aber auch die Rückkehr in den Hamburger Familienhaushalt ändert nichts an ihrer Situation, dort herrschen ebenfalls die alten konventionellen Vorstellungen, was sich für eine Frau schickt oder nicht. Zum anderen nimmt man Anteil an Jos Leben, der sich zwar aktiv für die Rechte der Arbeiter einsetzt, sich gleichzeitig jedoch auch an Oolkerts Opiumvorrat bedient, um seiner Familie ein halbwegs würdiges Leben zu ermöglichen. Neben dem engen Korsett von Lilys Leben lässt die Autorin die Armut und Verzweiflung der Bewohner des Gängeviertels sowie die Arbeitskämpfe und die Bemühungen der Frauenrechtlerinnen um Gleichberechtigung so lebendig wiederaufleben, so dass der Leser alles hautnah miterleben kann. Gleichzeitig hat sie ein Paket von Intrigen, Neid, Lügen und Geheimnissen geschnürt, die den Leser vor sich her und die Spannung immer weiter in die Höhe treiben, wobei das Ende eine Überraschung birgt, die so nicht zu erwarten war.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und lebendig in Szene gesetzt. Mit glaubwürdigen Ecken und Kanten können sie den Leser überzeugen, der regen Anteil an ihrem Schicksal nimmt und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Lily ist ein Kämpferherz, die einiges an Durchhaltevermögen und Geduld beweist, bis sie mutig und selbstbewusst ihre Frau steht. Henry ist ein widerlicher Kerl, der nur an sich denkt und es genießt, andere gewaltsam unter seiner Knute zu halten und damit sein eigenes Unvermögen zu kaschieren. Jo hat sich gehen lassen und seinen Frust im Alkohol ertränkt. Doch seine Leidenschaft für den Arbeitskampf und Gerechtigkeit sind ungebrochen. Lilys Bruder Franz ist genauso ein Scheusal wie Henry, der für ein Geheimnis seiner Frau das Leben zur Hölle macht. Aber auch Emma, Hanna, Charlie, Sylta und Mr. Huckabe tragen viel zum Unterhaltungswert der Handlung bei.
„Elbstürme“ fesselt mit einer spannenden und facettenreichen Familiengeschichte vor gut recherchiertem Hintergrund. Eine Zeitreise voller Abwechslung und Dramatik, dabei tiefgründig und vor allem sehr unterhaltsam. Absolute Leseempfehlung für ein Geschichte der Extraklasse! Einfach wunderbar!!!

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2021
Wiedersehen im Flanagans / Das Hotel unserer Träume Bd.2
Hellberg, Åsa

Wiedersehen im Flanagans / Das Hotel unserer Träume Bd.2


weniger gut

Blieb weit hinter den Erwartungen zurück
1982 London. Wieder einmal lädt das Luxushotel Flanagans zum Jahreswechsel zu einer pompösen Party ein. Die illustre prominente Gästeschar gibt sich die Klinke in die Hand, um den Besitzerinnen der Nobelherberge, Emma und Elinor für ihre unermüdliche Arbeit Tribut zu zollen. Hinter der schimmernden Fassade allerdings sieht es düster aus. Das Privatleben der beiden Hoteleigentümerinnen ist ein Scherbenhaufen. Ihre Ehen bestehen nur noch auf dem Papier und ihre Töchter entfremden sich immer mehr von ihren Müttern. Ein altes, gut gehütetes Geheimnis droht, zusätzlich an die Oberfläche zu gelangen. Wird es die enge Arbeitsbeziehung und Freundschaft von Emma und Elinor zum Einsturz bringen?
Asa Hellberg gewährt dem Leser mit „Wiedersehen im Flanagans“, dem zweiten Band seiner historischen Hotelserie, auf den Tag genau 23 Jahre später erneut Zutritt in das Nobelhotel, um sich dort niederzulassen und die aufkommenden Ereignisse aus erster Hand mitzuerleben. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil macht es dem Leser leicht, sich auf Zeitreise zu begeben. Obwohl Emma und Elinor schon im ersten Band auf dem Parkett erschienen sind, haben sie nun die Hauptrollen inne, nachdem die ehemalige Chefin des Flanagans Linda Lansing den Posten geräumt hat. Sie läuft dem Leser zwar noch ab und an durchs Bild, spielt aber keine tragende Rolle mehr. Wechselnde Perspektiven machen die Handlung kurzweilig, die Beschreibungen des Hotels sind bildreich und erlauben während der Lektüre eine Art von Kopfkino. Doch dem Autor gelingt es diesmal nicht, den Leser restlos von seiner Geschichte zu überzeugen aufgrund der Oberflächlichkeit der Geschichte. Es fehlt an Abwechslung und Spannung, fast alles ist vorhersehbar, sodass der Leser eher durch die Seiten huscht, als von der Handlung gefesselt zu sein. Die Geschichte konzentriert sich diesmal weniger auf das Hotelgeschehen, sondern vielmehr auf das Privatleben der beiden Besitzerinnen, was viele Parallelen aufweist und nach einiger Zeit recht eintönig wirkt. Im Vergleich zum Vorgängerband schneidet dieses Buch um Längen schlechter ab und bietet nicht das Lesevergnügen, das man sich davon versprochen hat. Vielmehr wirkt es wie rasch aufs Papier gebannt, ohne ein richtiges Konzept zu haben, weshalb die Geschichte nach wenigen Seiten eher wie ein Groschenroman wirkt.
Auch die Charaktere sind eher oberflächlich gestaltet, besitzen kein Esprit, mit dem sie den Leser einfangen können. So ist dieser eher ein Mitläufer und Beobachter, der ohne jegliches Gefühlsaufkommen die Szenerie betrachtet. Elinor ist ebenso wie Emma mit dem Hotel verheiratet und gebärden sich entsprechend als Karrierefrauen. Beide verbringen deutlich mehr Zeit mit Geschäftlichem als mit ihren Familien, so sollte es nicht wundern, dass die Ehen den Bach runtergehen und sie sich ihren eigenen Kindern entfremdet haben. Elinors Tochter hat eigene Vorstellungen von ihrem Leben und will der Fuchtel der Mutter entfliehen. Emmas Tochter Frankie hat sich mit ihrer Mutter nichts mehr zu sagen, sie handelt kopflos, viel zu emotional und will partout ihren Willen durchdrücken. Die Ehemänner Sebastian und Alexander spielen hier nur Nebenrollen, sind aber eindeutig eher die Sympathieträger der Geschichte.
„Wiedersehen im Flanagans“ lohnt sich diesmal leider nicht. Nicht nur der zeitliche Sprung und der Wechsel der Hauptprotagonisten sind gelungen, auch die Geschichte selbst lässt das gewisse Flair vermissen, das der Vorgänger zu bieten hatte. Eine oberflächliche Geschichte, die wenig mit dem Hotel, dafür viel mit dem vertrackten Privatleben der Besitzerinnen zu tun hat. Wenig spannend und abwechslungsreich, dafür gibt es leider keine Empfehlung!

5 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2021
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
Huerta, Máxim

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta


ausgezeichnet

"Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will." (Henri Matisse)
Der 74-jährige Dominique Brulé besitzt den kleinen Blumenladen „L’Étoile Manquante“ mitten im Pariser Stadtteil Saint-Germain. Obwohl von der Schönheit der Pflanzen umgeben und von freundlicher Stammkundschaft regelmäßig frequentiert, fühlt sich Dominique im Herzen einsam. Auch die beiden älteren spanischen Freundinnen Doña Mercedes und Doña Tilde, die sich ebenfalls allein fühlen, können diese Einsamkeit durch ihre täglichen Besuche nicht lindern. Um diesen Zustand zu ändern, stellt Dominique die 23-jährige Spanierin Violeta Gadea als Verkäuferin ein. Schon bald bringt Violeta nicht nur frischen Wind in den Blumenladen, sondern vor allem in das Leben von allen anderen…
Maxim Huerta hat mit „Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta“ einen warmherzigen und poetischen Roman vorgelegt, der den Leser mit wenigen Worten in eine warme Decke hüllt, ihn in die Stadt der Liebe entführt und mitten in eine einsame Zweckgemeinschaft platziert, um dort die Ereignisse hautnah mitzuerleben. Mit flüssigem, gefühlvollem und empathischen Erzählstil schafft der Autor eine zauberhafte Atmosphäre, die den Leser vom ersten Moment an einfängt und ihn bis zum Ende nicht mehr loslässt. Schon der kleine Blumenladen vermittelt durch die Beschreibungen eine Oase der Ruhe, aber auch der Einsamkeit. Hier beim alten Dominique geben sich die Stammgäste die Klinke in die Hand, halten ein Schwätzchen, öffnen sich ein wenig beim Gespräch und nehmen ein wenig der heimeligen Atmosphäre und den liebevollen Gesten mit in ihren restlichen Tag. Durch die Sichtweise von Dominique erlebt der Leser, wie dieser selbst noch immer um seine seit Jahren verstorbene Frau Julie trauert, aber auch die älteren spanischen Damen Mercedes und Tilde, die seit über 40 Jahren in Paris leben, haben insgeheim ihre Päckchen zu tragen. Mit Violeta kommt die Jugend zurück in die Herzen der Alten, sie bringt nicht nur Energie in den Laden. Tiefgründig und mit vielen Lebensweisheiten lässt Huerta den Leser in die Seelen seiner Protagonisten blicken, lässt ihn ihre Einsamkeit, ihre Ängste, Geheimnisse und kleinen Hoffnungen erkennen, aber auch die Bande der Freundschaft, die sie miteinander teilen. Sorgsam verwebt Huerta die Leben seiner Protagonisten miteinander, zeigt die Veränderungen von ihnen auf, die mit dem Auftauchen Violetas langsam in ihrem Leben stattfinden.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, wirken wie aus dem realen Leben gegriffen und können den Leser sofort von sich überzeugen, der sich nur zu gern unter sie mischt und ihren Geschichten lauscht, während erst eine gewisse Melancholie in der Luft liegt, die nach und nach der Hoffnung Platz macht. Dominique ist ein liebevoller, charmanter älterer Herr, der neben Vergesslichkeit vor allem unter dem Tod seiner Frau leidet. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Menschen mit seinen Blumen etwas Glück mit auf den Weg zu geben. Wie er mit den Pflanzen umgeht, ist einfach herzerwärmend. Mercedes ist aufgrund der Erfahrungen mit ihrem Ehemann eine verbitterte Frau, die mit dem Leben hadert, Tilde dagegen wirkt eher resolut und etwas schroff. Beide eint die Einsamkeit, die ihren Alltag grau einfärbt, der nur im Blumenladen etwas Farbe bekommt. Violeta ist wie eine frische Brise: offen, freundlich, sie strahlt Optimismus aus und verteilt diesen großzügig auch auf andere.
„Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta“ verzaubert und öffnet Herzen. Ein Buch voller Poesie und Lebensweisheit, das man noch lange im Gedächtnis behalten wird. Absolute Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2021
Falscher Glanz / Die Kaffeehaus-Saga Bd.2
Lacrosse, Marie

Falscher Glanz / Die Kaffeehaus-Saga Bd.2


ausgezeichnet

"Es ist nicht alles Gold, was glänzt." (F. Hebbel)
Nachdem ihre Freundin Mary Vetsera durch die Hand von Kronprinz Rudolf gestorben ist, dessen Geliebte sie war, soll Sophie von Werdenfels zum Schweigen gebracht werden. Ihr bleibt leider nichts anderes übrig, als dem Ruf des Kaiserlichen Hofes zu folgen und eine Anstellung als Hofdame von Kaiserin Elisbeth „Sisi“ anzunehmen. Ihre Arbeit im Kaffeehaus ihres Onkels Stefan Danzer muss sie schweren Herzens aufgeben. Das Leben bei Hofe ist für Sophie kein Vergnügen, denn dort ist sie Intrigen und Missgunst ausgesetzt, vor allem Gräfin Marie Festetics macht ihr das Leben zur Hölle. Das Verhältnis zu Elisabeth jedoch verändert sich und lässt Sophie oftmals zu ihrer Vertrauten werden. In all der Zeit bei Hofe sieht Sophie ihre große Liebe Richard von Löwenstein nur sehr selten, denn dieser ist als Regimentsermittler ständig auf Reisen, um Missstände ans Tageslicht zu bringen. Gleichzeitig kommt seine Reiserei einer Flucht gleich, denn er will seine Verlobte Amalie von Thurnau um keinen Preis heiraten. Auch Sophie gerät in das Visier eines älteren ungarischen Adligen, der ihr den Hof macht und alsbald um ihre Hand anhält. Die traurige Nachricht über die schwere Erkrankung ihres Onkels Stefan treibt Sophie vom Hof zurück ins Kaffeehaus…
Marie Lacrosse hat mit „Das Kaffeehaus-Falscher Glanz“ den zweiten Band ihrer Kaffeehaus-Trilogie vorgelegt, der an akribisch recherchiertem historischem Hintergrundwissen sowie die Verflechtung von wahren Begebenheiten mit fiktiver Handlung dem ersten Teil in Nichts nachsteht. Die Autorin ist eine Meisterin, was unterhaltsame und gleichzeitig lehrreiche Lektüre angeht. Sie kombiniert dies mit einem flüssigen, farbenprächtigen und gefühlvollen Erzählstil, der den Leser sofort für sich gewinnt und in die Vergangenheit katapultiert. Über wechselnde Perspektiven und einer Zeitspanne von 1889 bis 1891 darf der Leser Sophie an den kaiserlichen Hof folgen, um dort die Welt des Adels und der Politik zu erleben und die Konfrontation mit eifersüchtigen und intriganten Hofbewohner zu ertragen. Auch in Begleitung von Richard von Löwenherz erlebt man allerlei mit, besucht die unterschiedlichsten Armeeabteilungen und deckt dortige Missstände auf, aber vor allem folgt man Richards Gefühls- und Gedankenwelt. Nebenbei informiert die Autorin den Leser über die damaligen gesellschaftlichen Zustände in der österreichischen Monarchie, wo Arbeitskutscher streiken, das Volk große Armut leidet, während andere sich die Taschen füllen, während die Trauer um den Tod des Kronprinzen das Leben bei Hofe für Lähmungserscheinungen sorgt und vor allem Elisabeths Gemüt zu schaffen macht. Alles verpackt die Autorin so fesselnd, dass der Leser durch eine Gefühlsachterbahn rauscht, während er durch die Seiten fliegt.
Die Charaktere haben eine Weiterentwicklung durchgemacht und sind liebevoll und glaubwürdig in Szene gesetzt. Der Leser hat sie bereits in Herz geschlossen und verfolgt voller Neugier die Ereignisse, während er mitfiebert, hofft und bangt. Sophie ist eine freundliche und ehrliche Frau, immer hilfsbereit und fürsorglich. Sie ist zurückhaltend, denn sie weiß nicht, wem sie wirklich bei Hofe trauen kann. Richards Wankelmut kostet ihn diesmal einige Sympathiepunkte, denn die Art und Weise, wie er mit Sophie und Amalie umgeht, zeugt nicht gerade von Entschlussfreudigkeit. Graf Lajosz Szaley ist ein widerlicher alter Bock, der Sophie in große Gefahr bringen könnte. Grafin Marie von Festetics intrigiert gegen Sophie, da sie ihre eigenen Felle schwimmen sieht. Sisi trauert um ihren Sohn, ist depressiv und launisch, wenn nicht sogar extrem zerrissen. Aber auch Sophies Familie sowie die von Mary Vetsera spielen eine Rolle in dieser wundervollen Geschichte.
Der Titel „Falscher Glanz“ beschreibt die Handlung um Sophie und Richard auf den Punkt genau. Der Roman besticht mit hautnah miterlebbarer Geschichte und einer spannenden Geschichte, die von Anfang bis Ende fesselt. Absolute Lesee

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2021
Auszeit Deutschland
Schlüter, Alexandra

Auszeit Deutschland


ausgezeichnet

"Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause." (Elizabeth Barrett Browning)
Gerade in diesen Zeiten des bereits Wochen andauernden Lockdowns möchten die Menschen raus aus ihren vier Wänden, sehnen sich nach Urlaub und kleinen Fluchten, wo sie Kraft und Zuversicht tanken können, um weiter durchzuhalten und den Mut nicht zu verlieren. Da kommt das Buch „Auszeit Deutschland“ von Alexandra Schlüter gerade recht, denn sie bietet darin eine wunderbare Auswahl an Ausflügen und Kurztrips innerhalb Deutschlands, wo man entweder für die eigene Region, aber auch für entferntere Ziele fündig wird. Neben besonders ausgewählten Zielen bietet die Autorin zu jedem Abschnitt auch eigene Tipps, Anmerkungen und eigene Erfahrungen, um den Leser zu unterhalten.
Schon die Aufteilung des Buches in „Auf in den Norden“, „Durch die Mitte“ und „Ab in den Süden“ macht es dem Leser leicht, eine Auswahl zu treffen. Begleitet wird dies durch eine Deutschlandkarte, die nach diesen drei Regionen farblich unterteilt ist.
Freunde des Nordens können sich zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg/Berlin und Mecklenburg-Vorpommern entscheiden, wo sie die Wahl haben, entweder die Hallig Langeness zu besuchen, oder soll es doch lieber der Spreewald oder die Fischbecker Heide bei Hamburg sein? Ob es sich um eine Wanderung, eine Rad- oder eine Kanutour handelt, die Möglichkeiten sind vielfältig und liebevoll ausgesucht und variieren zwischen eintägigen Erlebnistouren und mehrtägigen Auszeiten, um die Natur zu erleben und sich dabei zu regernieren.
Wer in der Mitte Deutschlands zuhause ist, der möchte vielleicht Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Sachsen den Vorzug geben. Hier hat man die Qual der Wahl zwischen dem Harz, der Rhön, dem Erzgebirge, die Oberlausitz oder den Odenwald. Sehr zu empfehlen ist z. B. die Rheintour von Burg zu Burg, wo man auf den Spuren des Mittelalters wandeln kann.
Im Süden warten die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Rheinland-Pfalz mit ihren regionalen Schönheiten auf. Besuche in der wunderschönen Vulkaneifel, Rheingold, ins Altmühltal, Allgäu, dem Chiemsee oder dem Berchtesgadener Land lassen mit ihrer atemberaubenden Schönheit die Probleme des Alltags für einige Zeit vergessen. Auch der Donauradweg sollte unbedingt mal abgefahren werden, neben der sportlichen Betätigung nimmt man die herrliche Landschaft in sich auf und deckt sich mit schönen Erinnerungen ein.
Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube an Möglichkeiten, sich selbst mit einer Auszeit zu belohnen, die Natur neu zu entdecken und Kraft zu tanken. Wir haben schon einige dieser Ausflüge unternommen und können diesen wunderbaren Ideengeber wärmstens empfehlen, um das eigene Land neu zu entdecken!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2021
Als ich einmal in den Canal Grande fiel
Reski, Petra

Als ich einmal in den Canal Grande fiel


ausgezeichnet

"Es gibt zwei Arten von Städten: alle anderen und Venedig." (Henry James)
Für jemanden, der lange Zeit in der geheimnisvollen Lagunenstadt Venedig verbracht hat, kommt Petra Reskis Buch „Als ich einmal in den Canale Grande fiel“ einem Tatsachenroman gleich. Die Autorin ist seit fast 30 Jahren Bewohnerin der italienischen „Diva“ und weiß nicht nur um die Schönheiten der Stadt, sondern vor allem um die großen Probleme und Zerstörung, die durch Immobilienspekulationen, korrupte Stadtväter oder Kreuzfahrttourismus immer mehr an Fahrt aufgenommen haben und den Einwohnern das Leben immer schwerer machen. Umso schöner ist ihre Art, dem Leser ihre Faszination und Liebe für Venedig sowie deren Bewohner nahe zu bringen.
Wer Venedig einmal besucht hat, wird der Schönheit und der Magie dieser Stadt schnell erliegen, solange er sich etwas Märchenhaftes im Herzen bewahrt hat. Reski schildert mit flüssigem, farbenprächtigem Erzählstil, nimmt den Leser an die Hand und schlendert mit ihm über die zahlreichen Brücken, durch verwunschene Gassen und lässt ihn durchs Schlüsselloch so manches zauberhaft anmutendes Gebäude sehen, um die andere Seite der Fassade zu erblicken. Wo früher alte Venezianer lebten, die durch hohe Mieten vertrieben wurden, ziehen nun im Tagestakt Touristen in die alten Gemäuer, wo sie über einen Feriendomizilanbieter eine Unterkunft angemietet haben. Auch die typischen kleinen italienischen Läden, die Fisch, Käse, Schinken oder allerlei andere traditionelle Waren anbieten, verschwinden immer mehr aus dem Stadtbild, um Platz zu machen für Designerstores oder Ramschläden, die nur noch weit entfernt mit der Tradition der Stadt oder des Landes zu tun haben. Es ist das schnelle Geld, das lockt, wenn die Kreuzfahrtschiffe fast mitten in der Stadt anlegen und die Touristen wie Heuschrecken in die Stadt einfallen, um in kurzer Zeit ganz Venedig zu vereinnahmen. Das Seufzen und Aufatmen der Bewohner ist regelrecht im Leserkopf zu vernehmen, wenn die riesigen Meeresschiffe mit ihrer Fracht die Stadt wieder verlassen. Dabei ist es völlig unverständlich, dass den Riesenschiffen die Zufahrt bis fast in die Stadt hinein überhaupt gestattet ist, denn durch ihr Gewicht höhlen sie die Lagunen aus und beschädigen die Bausubstanz erheblich, aber auch die Umweltbelastung und –verschmutzung ist erheblich. Aber der schnöde Mammon hat schon immer alle Ratten aus ihren Löchern gelockt, so ist es auch mit den korrupten Politikern, die dafür alles tun würden und so ihre Stadt zu zerstören. Da ist es besonders wichtig, dass es Bürgerinitiativen gibt, die sich den Kampf gegen all dieses Ungemach auf die Fahne geschrieben haben. Sie kämpfen nicht nur gegen die Hochwasserschäden, sondern vor allem dafür, dass ihre geliebte, wunderschöne, verwunschene Stadt auch weiterhin die ihre bleibt.
Doch bei all den momentanen Schwierigkeiten ist Venedig immer noch ein Sehnsuchtsort, an dem viele heiraten, einmal den mystischen Karneval im Nebel miterleben oder einfach mit einer Gondel an den vielen prächtigen Palazzi vorbei durch die Lagunen fahren wollen, vielleicht sogar auf dem Canal Grande – in den die Autorin wirklich hineingefallen ist. Man möchte am liebsten hinterherspringen!
Wer Venedig liebt, reist nicht mit dem Kreuzschiff an und bringt der Stadt sowie den Bewohnern den nötigen Respekt entgegen, um dort unbeschwert die Schönheit und Grandezza der alten Lagunenschönheit zu genießen. Reski hat Recht – das geht uns alle an und mehr Achtsamkeit ist wünschenswert, um dieses städtische Kleinod zu erhalten.
Absolut wertvolle Lektüre mit verdienter Empfehlung!!!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2021
Das Mädchen im Nordwind
Baldvinsson, Karin

Das Mädchen im Nordwind


ausgezeichnet

"Es ist leicht zu verachten, Sohn, aber verstehen ist viel besser." (Matthias Claudius)
2019 Island. Die 34-jährige Tischlerin Sofie Berger befindet sich nach Jobverlust und einem Schicksalsschlag in einer Beziehungskrise, die sie dazu nutzt, ein Work & Travel-Angebot anzunehmen, um in Island nicht nur ein Haus zu renovieren, sondern auch eine Auszeit zu nehmen, damit sie ihre Gedanken ordnen kann. Schon kurz nach ihrer Ankunft in dem renovierungsbedürftigen Haus macht sie nicht nur die Bekanntschaft mit dem attraktiven, wenn auch mundfaulen Isländer Björkvin, der mit ihr eine unfreiwillige WG eingeht, sondern sie findet in einem antiken Schreibtisch ein altes Tagebuch, das für einen Hannes bestimmt ist. Darin berichtet die deutsche jüdische Kaufmannstochter Luise ab 1936 von ihrem Leben in Lüneburg, den immer schlimmer werdenden Repressalien durch die Nazis und die große Liebe zu dem Freund ihres Bruders Heini, dem Isländer Jónas. Die Geschichte von Luise hält Sofie dermaßen gefangen, dass sie entschlossen ist, den Erben des Tagebuchs zu finden…
Karin Baldvinsson hat mit „Das Mädchen im Nordwind“ einen sehr unterhaltsamen und berührenden Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur auf eine Zeitreise in das düsterste Kapitel deutscher Geschichte schickt, sondern auch mit zwei Liebesgeschichten zu punkten weiß. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil schlägt den Leser sofort in seinen Bann und fesselt ihn bis zum finalen Schluss. Wechselnde Zeitebenen ermöglichen es dem Leser, mal die Gegenwart um Sofie mitzuerleben und Island zu erkunden, mal die Vergangenheit durch die Augen von Luise zu sehen. Die Diskrepanz zwischen den beiden Zeitebenen ist gewaltig. Während Sofie aus freien Stücken nach Island kommt, um dort zu arbeiten und Land und Leute kennenzulernen, bleibt Luise nichts anderes übrig, als vor den Nazis zu fliehen und ihr ungeborenes Kind in Sicherheit zu bringen, während sie ihre Eltern in einem Judenhassenden Deutschland zurücklassen muss. Gleichsam tragen beide Frauen an ihrem Schicksal und versuchen alles, um eine neue Zukunft zu haben. Die Autorin hat die beiden Handlungsstränge wunderbar miteinander verwoben, so dass der Leser sich kaum von der Geschichte lösen kann. Der Spannungslevel steigt immer weiter an und insgeheim rätselt man darüber, warum der isländische Familienzweig von Luise so schlecht auf sie zu sprechen ist nach allem, was man nach und nach von ihr erfährt. Neben dem gesellschaftlichen Leben in Island und den schönen Landschaftsbeschreibungen ist es vor allem der immer bösartig werdende Umgang der Nazis mit den Juden, der den Leser in Atem hält und ihn durch eine Achterbahn der Gefühle jagt.
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt, wirken mit ihren menschlichen Eigenschaften sehr realistisch und authentisch, so dass der Leser sich gern unter sie mischt und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Sofie ist eine sympathische Zeitgenossin, offen, selbstbewusst, handwerklich geschickt und mit einer guten Prise Neugier gesegnet, die ihr so manche Tür öffnet, sie aber auch vor Hindernisse stellt. Sie muss einen Schicksalsschlag verdauen und den Blick in eine freundliche Zukunft finden. Björkvin ist nicht nur einsilbig und ein liebevoller Vater, sondern verschließt ebenfalls seine Gefühle in sich, da er noch an etwas zu knabbern hat.
Luise hat ihren eigenen Kopf, ist fleißig, hilfsbereit und liebt ihre Familie über alles. Bruder Heini vergeht vor Liebeskummer und sieht keinen anderen Ausweg als die Immigration ins Ausland. Jónas ist ein liebevoller und treuer Mann, der für Luise alles zu tun bereit ist, nur um mit ihr zusammen zu sein.
„Das Mädchen im Nordwind“ fesselt mit zwei wunderbar verwobenen Zeitebenen, in denen Familie, Liebe und Geheimnisse eine große Rolle spielen. Ebenso versteht es die Autorin, den Leser auf einen interessanten Kurztrip in die raue Schönheit Islands zu katapultieren, um dort eine kurzweilig Auszeit zu genießen. Absolute Leseempfehlung für eine Gesch

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.