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Piecewartenoch

Bewertungen

Insgesamt 89 Bewertungen
Bewertung vom 16.05.2023
Babel
Kuang, R. F.

Babel


gut

Robin Swift ist kein gewöhnlicher junger Student an der Oxforder Universität: Als Kind aus der chinesischen Region Kanton von dem britischen Professor für Übersetzung Mr Lovell nach London gebracht, darf er nun am renommierten Institut Babel studieren und sich in dem magischen Silberwerken probieren. Doch zu welchem Preis? Die Fassade der Idylle bröckelt und ein Sturm zieht auf.
Puhhh, erst einmal kurz Luft holen. „Babel“ von R. F. Kuang macht es einem nicht leicht – aus mehreren Gründen. Es fällt mir unheimlich schwer, mich in meiner Bewertung festzulegen, weil das Buch so ambivalent ist. Ich finde es zum einen in vielen Aspekten sehr gut und gelungen, zum anderen in diesen oder jenen Punkten (stark) kritisierbar.
Erst einmal liebe ich das Genre: Historical Fantasy wird in meinen Augen zu selten Beachtung geschenkt und gibt es zu wenig. Ein Hoch also auf die Genrewahl der Autorin. Zusammen mit dem detailverliebten Beschreibungen und dem World Building wurde das Setting der Geschichte direkt zu einem Highlight für mich in diesem Buch.
Auch der fachliche Aspekt in Bezug auf Sprache und Geschichte gefiel mir ausgesprochen gut. Da ich mich generell viel mit Sprache auseinandersetze, war das Thema der Übersetzung besonders interessant für mich. Das viele Wissen, das sicherlich mit einem hohen Rechercheaufwand seitens der Autorin verbunden war, wird organisch in die Geschichte eingebaut, sodass ich mich in solchen Momenten nie gelangweilt habe. Dieser Seite von „Babel“ verlieht dem Buch zusätzlich Substanz.
Diese Substanz fehlt nämlich wesentlich bei der Handlung, die meiner Meinung nach nur teilweise geglückt ist. Mein größter Kritikpunkt am gesamten Buch sind die vielen Längen: Wenn die Geschichte endlich an Fahrt aufnimmt und durch einen Looping rauscht, wird statt die Geschwindigkeit zu halten direkt wieder auf die Bremse getreten – und zwar nicht nur für eine kleine Weile, sondern für eine gefühlte Ewigkeit. Ich liebe den detaillierten Erzählstil der Autorin und auch die vielen „Montagen“ des Freundeskreises habe ich genossen, aber leider verliert sich die Geschichte in dem ständigen Stop-and-go. Selbst im finalen Akt stellt sich eine gewisse Langweile ein.
Das Magiesystem möchte ich an dieser Stelle auch erwähnen: An sich wird es erklärt, aber wirklich schlüssig und eingängig empfand ich es nicht. Es ist schwer zu beschreiben, weil ich die Idee, dass Übersetzungen magische Kräfte auslösen und diese für den Wohlstand der ohnehin Wohlhabenden missbraucht werden, genial finde, aber die Silberbarren als Magieträger sich immer merkwürdig und anorganisch angefühlt haben. Dadurch bin ich mit dem magischen Aspekt der Geschichte eher nur lauwarm geworden.
Trotz dessen lässt es sich nicht leugnen, dass „Babel“ mit unvorhersehbaren, überrumpelnden Wendungen daherkommt und weiß, zu überraschen. Eine weitere Stärke des Buches sind die interessanten Figuren und deren Beziehungen zueinander. Nur leider war Robin als Protagonist für mich eher weniger gelungen: Ich konnte mit ihm mitfiebern, aber ans Herz gewachsen ist er mir nicht. Im letzten Drittel macht er eine starke Entwicklung durch, doch leider fühlt sich diese sehr abrupt an, weil sein innerer Prozess kaum beschrieben wird. Abgesehen davon hat Kuang einen wunderschönen Schreibstil, der perfekt zu dieser Geschichte passt und qualitätvoll und kreativ wirkt.
Doch ebenfalls überzeugend sind die unterschiedlichen Themen, die Kuang anspricht – Rassismus, Sexismus, Kolonialismus, etc. – und damit sowohl über die Vergangenheit wie auch Gegenwart reflektiert. Sie schafft es immer wieder, der Leserschaft Denkanstöße zu geben, um über sich und ihre Umwelt nachzudenken.
Letztendlich fühlt sich das Buch in meinen Augen einfach zu lang an. Ich bin mir sicher, dass man mit zweihundert Seiten weniger es immer noch geschafft hätte, das zu erzählen, was die Autorin uns in über siebenhundert erzählt hat. Aber „Babel“ ist nichtsdestotrotz in vielerlei Hinsicht ein beeindruckendes und lesenswertes Buch, das definitiv für viel Gesprächsstoff sorgt und mit Diskussionspotenzial aufwartet. Alleine das Inception-Gefühl beim Lesen der deutschen Übersetzung eines Buch, in dem es um das Dilemma des Übersetzens geht, ist es wert ;)

Bewertung vom 07.05.2023
Das grüne Königreich
Funke, Cornelia;Hartung, Tammi

Das grüne Königreich


sehr gut

Caspia ist nicht nur ein wunderschöner Name, sondern auch ein sympathisches Mädchen und die Protagonistin von „Das grüne Königreich“. In der Geschichte muss Caspia ärgerlicherweise die Sommerferien statt auf ihrem geliebten Land in der Großstadt verbringen. Dabei lernt sie in Brooklyn nicht nur viele neue Menschen kennen, die zu Freunden werden, sondern findet mysteriöse, alte Briefe, in denen es um verrätselte Pflanzen geht. Ob Caspia vielleicht sogar Wurzeln schlägt und die Rätsel lösen kann?
„Das grüne Königreich“ von Cornelia Funke und Tammi Hartung ist einfach ein weitere wunderschönes Kinderbuch, das voller guter Werte steckt und dabei den Spaß nicht vergisst. Die Gestaltung von Franziska Blinde ist definitiv ein Augenschmaus und Highlight des Buches. Anfangs war ich etwas skeptisch, da auf den ersten Seiten sehr viel sehr schnell erzählt wird, aber nach und nach fand ich mich in der Geschichte ein und bemerkte wie bezaubernd nicht nur die vielen sympathischen und unterschiedlichen Figuren sind, sondern auch der grandiose, aber etwas ambivalente Schreibstil. Ein wenig zu mäkeln habe ich leider an dieser Stelle, da manche Dialoge etwas hölzern wirkten, aber es wiederrum so wundervoll ausformulierten Passagen gab, die man sich am liebsten an die Wand hängen wöllte. Aber Brooklyn als Handlungsort kam gut zur Geltung, sodass man sich direkt wohl fühlt in Caspias Wohnung, dem Gewürzladen oder Botanischen Garten. Jetzt habe ich richtig Lust auch mal einem botanischen Garten einen Besuch abzustatten und mich mehr mit Pflanzen, vor allem heimischen, auseinanderzusetzen. Denn dieses Interesse zu wecken, schafft das Buch sehr schnell. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Geschichte super Kinder motivieren kann, mehr auf die grünen Geschöpfe vor ihren Füßen zu achten und sich für diese zu interessieren. Die Rezepte im Anhang sind ebenfalls eine ganz phantastische Idee und passende Ergänzung. Wäre ja blöd, die ganze Zeit von Essen zu lesen und dann nicht auch die Möglichkeit zu haben, zu schlemmen.
Das Kinderbuch hat es geschafft mich in seinen Bahn zu ziehen und zu begeistern. Insbesondere die wunderschönen Illustrationen lassen das Buch zu einer Perle im Regal werden. Eindeutig eine Leseempfehlung. Cornelia Funke hat es mal wieder geschafft, eine liebevolle, relevante Geschichte zu erzählen und mich mehr Fan als ohnehin schon werden lassen.

Bewertung vom 07.05.2023
Baddog und Goodboy
Olschi

Baddog und Goodboy


ausgezeichnet

Für Hundefans ein Muss
Baddog möchte eigentlich nur Unruhe stiften, aber leider funkt ihm immer wieder der Superheld Goodboy dazwischen und missinterpretiert seine Randale als Akte des Guten. Das nervt, also sucht der Dackel nach einem anderen Weg, um als Bösewicht wahrgenommen zu werden und Angst unter den Menschen zu schüren.
„Baddoy und Goodboy“ ist das Debütwerk der Mangaka Olschi und ein Einzelband, der mit Überraschungen aufwartet. Dass dieser Manga das Debüt von Olschi ist, ist für mich fast nicht begreiflich, weil es einfach völlig rund ist und damit qualitativ sehr hochwertig wirkt. Neben dem genialen und komischen Konzept Hunde in Comichelden- und Bösewichtkostüme zu stecken, kann der Manga mit viel Tiefgang auftrumpfen, sowohl auf der thematischen als auch emotionalen Ebene. So wird Misshandlung von Tieren und Einsamkeit, aber auch Freundschaft, Vertrauen und Fürsorge behandelt – und das auf eine unaufdringliche, authentische Art und Weise. Doch trotz schwereren Themen ist der Manga unheimlich witzig mit einem tollen Humor. Und die Handlung ist auch besonders spannend. Lobend erwähnen möchte ich auch die vielen Bonus- und Farbseiten, die ganz wundervoll sind. Aber am allerallerbesten sind die Hunde, insbesondere der Dackel Baddog hat sich in mein Herz geschlichen. Der Zeichenstil hat sicher Entwicklungspotenzial, aber die Tierzeichnungen sind extrem gut gelungen. Ich bin sehr gespannt, mit welchen Werken uns Olschi noch überraschen wird, und hoffentlich wird der Manga ganz viel Aufmerksamkeit und Liebe bekommen – denn verdient hat der das auf jeden Fall.

Bewertung vom 23.04.2023
Rokki & Rolli
Leppänen, Pete

Rokki & Rolli


sehr gut

Rokki ist ein junger Hase, der noch zur Schule geht, aber davon träumt mit seiner Streichholzkistengitarre auf der Bühne zu rocken. In dem Traum darf natürlich seine beste Freundin Rolli, die kleine Eule mit der tollsten Stimme ganz Grünhains, nicht fehlen. Kein Wunder, dass die beiden die Gelegenheit am Schopf packen, als die berühmte Rockband Die Verfluchten Möwen in die Kleinstadt kommt und noch eine Vorband sucht.

"Rokki und Rolli" von Pete Leppänen ist ein zuckersüßes Kinderbuch, in dem Kinder viel über die Welt der Musik lernen können. Passend zu dem Musikerjagon gibt es auch ein kleines Glossar am Ende des Buches, falls man mal nicht weiß, was ein Roadie ist. Der Schreibstil ist ebenfalls ein gelungener Mix aus leicht verständlich und thematisch passend kreativ mit lustigen Formulierungen. Nur ab und zu klang ein Satz etwas hölzern. Aber die Geschichte hat einen angenehmen, schnellen Lesefluss, so dass man durch die Seiten fliegt. Die Handlung an sich ist eher generisch aufgebaut, aber Kinder werden sich daran nicht stören. Besonders haben es mir die Illustrationen angetan - die waren für mich das ungeschlagene Highlight, mit viel Liebe zum Detail! Einfach zum Anbeißen. Man möchte direkt hineinspringen und Teil von Grünhain werden. In meinen Augen eignet sich das Buch einfach wunderbar zum Vorlesen oder zum Selbstlesen für Kinder mit lustigen, spannenden und mutigen Momenten. Tierisch genial. Definitiv eine Empfehlung.

Bewertung vom 18.03.2023
Das Geheimnis des Duke
Neeb, Stefanie

Das Geheimnis des Duke


sehr gut

Ungewöhnlich, aber immer mehr im Kommen sind Escape-Bücher, die, wenn man gerade keinen Mitspieler findet, auch super alleine spielen kann. Im Fall von „Das Geheimnis des Duke“ begeben wir uns ins altehrwürdige England Anfang des 19. Jahrhunderts: Charlet bleibt keine andere Wahl als den älteren Zwilling der Godwins Arthur zu heiraten, um ihre Familie vor dem Ruin zu retten. Doch ihr Herz hat sie an den sieben Minuten jüngeren Jasper vor vielen Jahren verloren. Der ist aber auf einmal kalt und abweisend zu Charlet. Werden sie trotzdem gemeinsam die plötzlich auftauchenden Rätsel lösen, das Geheimnis, das ihnen dargeboten wird, lüften und vielleicht ihre Liebe wiederfinden?


Als Erstes springt einem förmlich die wundervolle Gestaltung ins Auge: zauberhafte Zeichnungen, eine satte Farbpalette mit vielen Pastelltönen, die perfekt passen, reichgestaltete Collagen, die ganz wunderbar, aber auf ihre eigene Art und Weise das Setting illustrieren. So versinkt man direkt im Buch. Die Handlung ist auch bezaubernd, aber aufgrund der Kürze bleiben die Charaktere doch etwas oberflächlich. Trotz dessen ist Charlet eine sympathische Protagonistin. Ihr Gegenpart Jasper macht ebenfalls eine tolle Figurenentwicklung durch. Und die Liebesgeschichte konnte mich ebenso überzeugen. In den meisten Fällen machen die Rätsel Spaß, doch ein paar wenige schienen mir doch recht wenig intuitiv, sodass ich oft mit Fragezeichen über dem Kopf dasaß. Um so schöner ist es, dass man bei diesem Buch in keine Sackgasse rennen kann, sondern es immer einen Weg weitergibt. Sehr clever, denn so kommt kein Frust auf, wenn man mal nicht weiterweiß. Etwas zu kritteln habe ich am Schreibstil, der aufgrund von ungewöhnlichem Satzbau teils zu hölzern wirkt und den Lesefluss etwas stört.


Letztendlich ist der Escape-Roman ein kurzweiliges, interaktives Leseerlebnis mit viel Rätselspaß. Als Geschenk für Leseratten oder Bridgerton-Fans perfekt!

Bewertung vom 16.03.2023
Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2
Burton, Jessie

Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2


ausgezeichnet

Thea ist unglücklich immerzu nur Schweigen von ihrer Familie zu hören, wenn sie nach ihrer verstorbenen Mutter fragt, und fühlt sich von den Straßen Amsterdams eingeengt. Einzig die gelegentlichen Ausflüge ins Theater bieten ihr einen Hoffnungsschimmer, denn dort trifft sie sich heimlich mit dem Bühnenmaler Walter. Aber ihre Tante Nella hat andere Pläne mit ihrer Nichte, um die Familie vor Armut und Schande zu retten.
Jessie Burton bringt nach einigen Jahren eine Fortsetzung zu ihrem fantastischen Debütroman „Die Magie der kleinen Dinge“ heraus. Und bis ich sie in die Hände bekam, wusste ich gar nicht, dass ich sie brauchte. Aus Spoilergründen aber erst einmal der Hinweis, dass die Geschichte in „Das Haus an der Herengracht“ bis auf einen großen Zeitsprung von fast zwei Jahrzehnten nahtlos weitergeht. Es wird kaum bis eigentlich gar nichts aus dem ersten Teil wiederholt oder zusammengefasst. Daher der unbedingte Rat, vorher „Die Magie der kleinen Dinge“ zu lesen. Das macht das Leseerlebnis dieses Buchs auch wesentlich besser, denn zu meiner Freude treffen wir wieder auf altbekannte und geliebte Figuren. Insbesondere mit Nella, der Protagonistin aus dem ersten Band, konnte ich mich wieder wunderbar identifizieren und mich in sie hineinfühlen. Zu Beginn hatte ich Angst die Geschichte nur aus Theas Perspektive zu erleben, doch die Autorin macht es genau richtig, in dem sie uns in alle Köpfe der Protagonisten schauen lässt. Für mich stach neben einer spannenden Handlung, die anfangs etwas braucht, um ins Rollen zu kommen, vor allem die Figurengestaltung und der Schreibstil heraus. Die Figuren, die Burton mit ihren sorgfältig gewählten Worten erschafft, fühlen sich so nahbar und organisch an. Als hätten sie schon immer existiert, so vielschichtig, mehrdimensional vermittelt die Autorin sie und ihre innere Gefühlswelt. Aber insbesondere der Schreibstil war ein voller Genuss, der für mich das Setting des Amsterdams im Jahr 1705 sich vollkommen lebendig hat anfühlen lassen. Und somit ist „Das Haus an der Herengracht“ definitiv ein Highlight, das heraussticht und an das ich noch lange werde denken müssen. Eine absolute Leseempfehlung für Freunde von ungewöhnlichen Historischen Romanen.

Bewertung vom 29.01.2023
Script of Love - Mit jedem deiner Blicke / Shape of Love Bd.2
Neumeier, Marina

Script of Love - Mit jedem deiner Blicke / Shape of Love Bd.2


gut

Eigentlich möchte Sofia nie wieder auf ihren Ex-Freund Orlando, der sie vor fünf Jahren ohne ein Wort verlassen hat, treffen. Doch jetzt ist er aus Los Angeles zurück in Venedig, um einen Film zu drehen und wieder Kontakt mit seiner Familie aufzunehmen. Wutentbrannt versucht Sofia ihm aus dem Weg zu gehen, doch dann bekommt sie das Angebot, an Orlandos Seite die weibliche Hauptrolle zu spielen. Kann Sofia die Vergangenheit, die sie zurückhält, überwinden oder nicht?
Die Autorin Marina Neumeier verfolge ich schon seit einer Weile. Sowohl ihre Zeitreise-Trilogie als auch „Shape of Love“ konnten mir die Schuhe ausziehen und mich völlig überzeugen. Daher war ich mir so sicher, dass die Autorin mein Safe Space für Bücher, die meinem Geschmack entsprechen, ist. Nur leider wurde ich von „Script of Love“ sehr enttäuscht.
Das Buch bekommt noch drei Sterne, weil: das Setting fantastisch ist und die Figuren auch bezaubernd sind. Ich liebe die ganze Truppe aus Cleo, Alessandro, Sofia, Orlando, Livia und Luca. Mich konnte in diesem Buch vor allem Orlandos Geschichte von Anfang an mitreißen. Und den Schreibstil möchte ich natürlich nicht unerwähnt lassen, denn wenn Marina Neumeier ein was kann, dann ist das phänomenal gut schreiben. Ihre Art zu schreiben ist kreativ, witzig, nicht zu pathetisch und kommt auch nicht pseudo-poetisch rüber. Zudem waren die letz-ten hundert Seiten extrem spannend bis zum Schluss.
Aber leider konnte mich die Handlung gar nicht überzeugen, denn der Klappentext suggerier-te mir, dass die Liebesgeschichte WÄHREND eines Filmdrehs stattfindet und nicht DAVOR. Ich habe mir schon ausgemalt, wie Sofia und Orlando professionell sein und ein verliebtes Paar spielen müssen, während eine romantische Szene z.B. bei Sonnenuntergang auf dem Markusplatz gedreht wird und sie während des Schauspielerns merken, dass da immer noch ein Funke zwischen den beiden ist bzw. sie sich fragen, ob hinter der Fassade der Rolle auch noch wahre Gefühl beim jeweils anderen schlummern. Wie man vielleicht merkt, habe ich mich extrem auf den Filmdreh-Teil gefreut, ich war mir zu hundert und fünfzig Prozent sicher, dass dieser im Buch auftaucht. Ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht ich war, als ich gecheckt habe, dass der nie Teil des Plans war. In meinen Augen wäre der Filmdreh der perfekte Rahmen für die Geschichte gewesen, man hätte so viel erzählen können, und auch wenn die Probleme der Figuren interessant und wichtig sind, fühlt sich dieses Buch irgendwie leer an. Ich habe das Gefühl, dass es sich in netten, aber irrelevanten Dialogen, Szenen und wiederkehrenden inneren Monologen verliert. Es war sehr viel Potenzial da, aber leider scheitert es an der Umsetzung. Und bitte glaubt mir, ich wollte dieses Buch lieben und dass ich es nicht tue, schmerzt niemanden mehr als mich selbst.
Trotz dessen freue ich mich exorbitant auf den dritten Band der Reihe! Ich kann es kaum erwarten, ihn zu lesen und hoffe, dieser überzeugt mich wieder.

Bewertung vom 26.11.2022
Die Lady und der Lord Magier / True Crown Bd.1
Atwater, Olivia

Die Lady und der Lord Magier / True Crown Bd.1


sehr gut

Dora wird in jungen Jahren von einem Elfen die Hälfte ihrer Seele gestohlen. Seitdem empfindet sie weder Angst und Furcht noch Freude und eckt damit in der hohen Gesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts in England immer wieder an. Ihre einzige Chance auf Heilung scheint der Lord Magier zu sein, der aber selbst einen äußerst schlechten Ruf genießt und nichts Gutes bedeutet.

„True Crown – Die Lady und der Lord Magier“ ist der erste Band der neuen Historical-Romantasy-Trilogie von Olivia Atwater. Als kleine Vorwarnung: Die Geschichte ist in sich abgeschlossen. Es wird demnach keinen Cliffhanger geben, sondern mit neuen Protagonisten eine neue Geschichte im nächsten Band erzählt.
Als allererstes möchte ich den fabelhaften Genremix zur Sprache bringen: Dank Bridgerton gibt es zurzeit sowieso ein Revival des Historical Romance-Genre, was ich absolut unterstütze und feiere. Aber natürlich ist auch Historical Fantasy ein immer stärker aufkommendes Genre. Und nun beides in Kombination kann nur gut werden.
Und was soll ich sagen: „True Crown“ ist fantastisch. Für mich hat das Buch einen extrem hohen Unterhaltungsfaktor, was vor allem durch die vorzüglichen Charaktere kommt. Dora ist zunächst nicht die typische Protagonistin und ich muss zugeben, dass ich anfangs Schwierigkeiten hatte, aber mit der Zeit konnte ich mich besser in Dora hineinfühlen. Und spätestens als Albert und Elias auftauchten, war mein Herz vergeben. Die Wortgeplänkel zwischen den Figuren sind herrlich zu lesen und machen richtig Spaß. Auf diese Weise kommen einem die Charaktere auch näher und fühlen sich natürlich und sympathisch an. Die Chemie dieses Dreiergespanns war für mich definitiv ein Highlight. Ebenfalls gelungen ist die Liebesgeschichte zwischen Dora und Elias, dem Lord Magier. Besonders positiv kristallisierte sich in meinen Augen der Schreibstil der Autorin heraus: Sie findet eine erstaunlich gute Balance zwischen einer flüssigen und lockeren sowie gleichzeitig stilistisch zu der Zeit des 19. Jahrhunderts passenden Sprache. So schlägt Olivia Atwater zwei Fliegen mit einer Klappe: Man fließt nicht nur förmlich durch die Seiten, sondern es kommt auch eine authentische Atmosphäre auf.
Leider habe ich aber auch ein wenig zu kritteln: Zum einen hat mir persönlich das World Building etwas gefehlt, es gibt einfach zu wenige Beschreibungen von (Stadt-)Landschaft, Architektur, Kleidung etc., geschweige denn der Elfenwelt. Mir reicht es dann doch nicht, nur zu lesen, dass Dora ein weißes Kleid trägt, Elias ein graues Hemd und der Ballsaal groß ist. Außerdem empfand ich den Epilog als einen fürchterlichen Ausklang: Für mich wurden viel zu schnell viel zu viele Dinge noch husch husch erzählt, damit die Geschichte auch bloß vollständig rund wird, ohne dass das nötig wäre. Stattdessen hat mich der Epilog, der zum Ende hin immer vager wird, letztendlich nur noch verwirrt, sodass ein kleiner, seltsamer Nachgeschmack bei mir entstand.
Trotz der Kritik überwiegt für mich aber der Spaß beim Lesen. Ich habe trotz kleiner Mängel eine wundervolle, unterhaltsame Zeit mit Dora, Albert und Elias verbracht und bin unheimlich gespannt auf die nächste Fantasy-Regence-Romance-Geschichte, die uns Olivia Atwater erzählen möchte.

Bewertung vom 07.11.2022
Der letzte Bär
Gold, Hannah

Der letzte Bär


sehr gut

April und ihr Vater reisen auf die Bäreninsel im nördlichen Polarkreis, damit der Wetterwis-senschaftler dort seine Forschungen fortsetzen kann. Doch völlig vertieft in seine Arbeiten muss das elfjährige Mädchen die menschenverlassene, verschneite Insel alleine erkunden – bis sie auf den letzten Eisbären trifft, der aufgrund des schmelzenden Eises auf der Insel gefan-gen ist. April steht nun ein Sommer voller tierischer Abenteuer bevor.
Die Geschichte, die Hannah Gold in ihrem Buch „Der letzte Bär“ erzählt, ist trotz der eisigen Temperaturen auf der Bäreninsel voller Wärme und fühlt sich wie eine kuschlige, bärenstarke Umarmung an. Dabei setzt die Autorin auf Einfachheit, statt ganz viel zu erzählen, beschränkt sie die Geschichte auf zwei Konflikte, erzählt diese aber gekonnt aus, so dass beim Leser viele Gefühle und Emotionen aufgewirbelt werden. Zum einen merken wir, dass die Beziehung zwischen Vater und Tochter definitiv Verbesserungsbedarf hat, zum anderen braucht Bär dringend Hilfe, genauso wie die einsame April. Auch gibt es nur wenige Schauplätze und Fi-guren, doch genau diese simple Struktur gibt der Geschichte Raum sich zu entfalten und et-was zu erzählen, was im Kopf bleibt. Ebenso wundervoll sind die Illustrationen von Levi Pin-fold, die sehr zu der Atmosphäre der Insel beitragen. Das Buch eignet sich super, um Kinder an Themen wie die Klimakrise und die Probleme, die damit vor allem für die Tierwelt einher-gehen, heranzuführen. Besonders gefallen haben mir die zusätzlichen Informationen im An-hang.
„Der letzte Bär“ ist ein tolles Kinderbuch fürs Vorlesen, aber auch Selbstlesen sowohl für Klein als auch Groß. Eine absolute Empfehlung!

Bewertung vom 30.10.2022
They Who Guard The Night / Night Shadow Bd.1
Cardea, Laura

They Who Guard The Night / Night Shadow Bd.1


gut

Odette streift Nacht für Nacht durch die Gassen Paris‘, um für ihre siebenköpfige Familie sorgen zu können. Doch ihr Leben ändert sich, als sie auf den charmanten, gutaussehenden Großunternehmerssohn Eugène trifft und sich in ihr eine Kraft Bahn schlägt, die die Nacht zum Leuchten bringt oder sie in Dunkelheit hüllt. Daraufhin erfährt sie von Eugène, dass es die Bruderschaft der Nachtschwärmer gibt, in der jeder Schattenkräfte besitzt, und der be-drohliche Orden der Nyx sie vernichten will. Nun muss Odette kämpfen, für ihre Familie, für sich und für ihre Liebe.
Auf „They Who Guard The Night” habe ich mich schon seit Anfang des Jahres gefreut, da ich „Splitter aus Silber und Eis“ von Laura Cardea fantastisch fand und das Setting Paris zur Jahrhundertwende genau meinen Geschmack trifft.
Wenn Laura Cardea etwas schafft, dann ist es dieses Setting auf eine magische, einzigartige Art und Weise in den Köpfen der Leser auferstehen zu lassen. Paris im Jahr 1900 kommt un-heimlich gut zur Geltung. Es kommt sehr authentisch daher, sodass ich mich aufgehoben fühl-te, weil man merkt, dass die Autorin intensiv recherchiert hat. So kommt die richtige Atmo-sphäre schnell auf. Dazu trägt natürlich ein oft sehr schöner, fast schon poetischer Schreibstil bei, der ganz wundervolle Bilder im Kopf entstehen lässt. Doch leider ist der Schreibstil in meinen Augen ein zwei schneidiges Schwert, denn so schön, so repetitiv ist er auch. Beson-ders zum Ende hin hat mich massiv gestört, dass ein Gedanke in drei Sätzen ausgedrückt wurde, die alle dasselbe aussagten, aber einer völlig gereicht hätte. Ebenso wiederholend sind Odettes Gedankengänge, wodurch sie mir zunehmend unsympathischer wurde. Statt einer Entwicklung fällt Odette immer wieder in alte Muster zurück, in dem sie an sich selber und ihrem Handeln zweifelt, statt für sich und ihre Entscheidungen einzustehen. Genauso repetitiv ist auch die Handlung im letzten Drittel, ein ewiges Konfrontation-mit-dem-Gegner und Flie-hen. Ungelogen passiert viermal hintereinander vom Prinzip her dasselbe. Das war letztlich sehr ermüdend, unter anderem auch weil keine wirkliche Spannung aufkommt. Mich konnte aber auch die Liebesgeschichte nicht überzeugen: Ich habe nichts gegen Slow Burn, im Ge-genteil, ich liebe es, aber im Falle von Odette und Eugène lässt uns Laura Cardea viel, viel, viel zu lange am Harken hängen. Das ist noch ganz nett am Anfang, aber nach 470 (!) Seiten ist mir das, was wir bekommen, einfach zu wenig. Die Essenz dieser Liebesgeschichte besteht nur aus Misskommunikation und jungen Erwachsenen, die sich nicht getrauen, sich ihre Liebe einzugestehen bzw. darüber zu reden. Und wenn die beiden doch mal kurz davorstehen, sich zu überwinden, lässt die Autorin sie nicht in Ruhe, sondern schickt jemanden vorbei, der sie stört – und das wiederholt. Trotz dessen gibt es durchaus einige süße Szenen, die mein Herz erwärmt haben. Die Charaktere sind aber auch eher ein Hit or Miss: Bei Odette hatte ich das Gefühl, dass wir sie nicht wirklich kennengelernt haben. Bis auf ihre Liebe zu ihrer Familie fällt mir kein weiterer Charakterzug ein. Ich liebe meine Familie auch, aber das reicht mir lei-der nicht, um mich mit ihr identifizieren zu können. Auch Odettes Familie ist mir nicht wirk-lich ans Herz gewachsen, dafür haben wir einfach zu wenig Zeit mit ihnen verbracht. Jedoch gibt es zwei Charaktere, die einen großen Pluspunkt für das Buch erkämpfen: Louise und Eugène. Beide fühlen sich facettenreich und sympathisch an und stehlen der Protagonistin definitiv die Show. Die beiden Figuren habe ich sehr ins Herz geschlossen.
Zusammengefasst kann ich sagen, dass mir die erste Hälfte der Geschichte extrem gut gefallen hat. Ich war mit Herz und Seele bei der Sache, habe mit den Figuren mitgefiebert und mich von dem faszinierenden Setting bezaubern lassen. Ich musste ganz viele Zitate und Szenen markieren, die ich sehr mochte. Ich war so begeistert, dass ich sogar eine Pinnwand auf Pinte-rest erstellt habe. Nur schwächelt die Geschichte im zweiten Teil deutlich durch die unter-schiedlichen Wiederholungen in Text und Handlung. Hätte man das Buch auf vierhundert Seiten eingekürzt, hätte es vielleicht besser funktioniert. Leider war das Leseerlebnis für mich eher ernüchternd und auch etwas enttäuschend, da ich mich unglaublich auf dieses Buch ge-freut hatte.
Aber Geschmäcker sind verschieden und vielleicht gefällt es euch besser.