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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 271 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2023
Handwerkszeug zur RADIKALEN RESIGNATION 2.1 (eBook, ePUB)
Paternoster, Eva

Handwerkszeug zur RADIKALEN RESIGNATION 2.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nervenschonende und energiesparende Tipps von der Fachfrau
Ehrlich, bevor ich das Buch in der Hand hielt, konnte ich mir unter dem „Handwerkszeug zur Radikalen Resignation" so gar nichts vorstellen! Ich alte Frau war einfach nur neugierig! Nach dem intensiven Studium der kleinen Broschüre kann ich sagen, dass ich sehr beeindruckt bin. Oft entdeckte ich meine eigenen Gedanken, Empfindungen und Überlegungen, die ich mir im Laufe meines Lebens machte, wieder. Ich finde diesen Ratgeber äußerst nützlich für die Selbsttherapie und für die Balance im Leben. Ich wäre froh gewesen, so etwas in meinen jungen Jahren zur Hand gehabt zu haben. Sicher wäre mir das eine oder andere unangenehme Erlebnis erspart geblieben.

Eva Paternoster zeigt anhand einfacher alltäglicher Situationen wie sich jeder Mensch von nervigen Themen ablenken kann, wie negative Energie vermieden werden kann, wie es gelingt negative Emotionen beim Gegenüber zu lassen und vieles mehr. Sie beschreibt leicht verständlich die ABER- Methode, mit der man sich Ärger, Frust und Wut vom Hals hält oder zumindest diese unguten Empfindungen abschwächt. Eine Menge an praktischen Übungen machen deutlich, wie man es erreichen kann, um zur Ruhe zu kommen und eigene Entscheidungen zu treffen.

Mein Motto heißt: "Nicht reinsteigern oder resignieren, sondern handeln! Nicht passiv bleiben, sondern aktiv werden!" Allerdings nur, wenn es sich wirklich lohnt. Ansonsten bleibe ich heute (meistens!) gelassen.

Ich bin gern der Autorin und ihren anschaulichen Erklärungen gefolgt. Da die behandelten Themen jeden Menschen betreffen, kann ich allen diesen Ratgeber empfehlen.

Ich vergebe meine Höchstbewertung!

Anmerkung: Ich habe den Ratgeber als Buch gelesen, nicht als ebook.

Bewertung vom 03.04.2023
Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1
Raabe, Marc

Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1


ausgezeichnet

Folgenreiche Geheimnisse

Berlin kurz vor dem G20-Gipfel:
Der Tag beginnt mit einem krassen Ereignis. Im Berliner Berufsverkehr zu morgendlicher Stunde geschieht in unmittelbarer Nähe zur Siegessäule ein Verkehrsunfall. Der Fahrer eines Kleinlasters verschwindet daraufhin im dichten Schneetreiben und lässt auf der Ladefläche eine unbekleidete Tote zurück. Auf ihrem Leib steht rot geschrieben die private Adresse des Bundeskanzlers.
Der berühmt-berüchtigte BKA-Ermittler Artur (genannt Art) Mayer, gerade erst geschasst, wird ganz schnell zurückbeordert und gemeinsam mit der jungen Kommissaranwärterin Nele Tschaikowski mit der Aufklärung betraut. Noch wissen sie nicht, dass alles kein Zufall ist...

„Der Morgen“ ist sehr anschaulich und äußerst spannend geschrieben. Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet, haben ihre Ecken und Kanten. Sie sind authentisch. d.h. lebendig. Zunächst passt überhaupt nichts zusammen für mein Empfinden. Was haben die Rückblenden mit den Geschehnissen der Gegenwart und dann noch mit dem amtierenden Bundeskanzler zu tun? Es erscheint wie ein riesiges Rätsel. Die Verbindungen zu den Jugendlichen in die Vergangenheit bleiben lange Zeit undurchschaubar. Diese Menge an Geheimnissen! Nach und nach fallen die Ergebnisse der Ermittlungsarbeit und der Intuition von Artur wie Puzzlesteine an die richtigen Stellen. Aber erst gegen Ende der Geschichte ergibt sich der große Zusammenhang.
Art erscheint erst als unnahbar und mürrisch wie ein typischer Einzelgänger. Doch bald beginnt er sich in der Zusammenarbeit mit der jungen und taffen Nele zu öffnen. Er zeigt auch seine liebevolle, warmherzige Seite. Unter rauen Schale verbirgt sich ein empfindsamer Mann.
Ich freue mich schon auf den nächsten Band mit den beiden Ermittlern. Leider muss ich und alle anderen Fans des Genres da noch ein ganzes Jahr darauf warten. Ein Glück ist, dass diese rätselhafte Story am Ende ihre Aufklärung erfährt.

Der zweite Fall (Titel: Dämmerung) für Art Mayer und die Anfängerin Nele Tschaikowski erscheint im Frühjahr 2024.

Fazit:
Dieser Thriller erfüllt alle Ansprüche, die ich an dieses Genre stelle. Wie auch schon die Tom Babylon-Reihe ist für meinen Lesegeschmack auch diese Geschichte hervorragend entwickelt und durchdacht. Ich fühlte mich vorzüglich und abwechslungsreich unterhalten. Besondere politische Brisanz erhält die Geschichte noch zusätzlich durch den Bezug zum Bundeskanzler und die Ausstrahlung auf Deutschland und die ganze Welt.

Das Cover rundet das Gesamtbild ab. Ich finde die Farbkombination des Covers gut gewählt, ein echter Hingucker!

Ich vergebe die Höchstbewertung und meine unbedingte Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 29.03.2023
Storchenherzen / Die Hebammen vom Storchennest Bd.1
Teichert, Fritzi

Storchenherzen / Die Hebammen vom Storchennest Bd.1


gut

Zwei Hebammen, beruflich und privat
Ich hatte eine leicht und locker erzählte Geschichte über zwei unterschiedliche Hebammen erwartet, so wie es auf dem Buchumschlag angekündigt wird. Zunächst entwickelte es sich auch dementsprechend.

Helga ist 42 Jahre alt, erfahren im Beruf als Hebamme, aber sehr schroff im Umgang mit den werdenden Eltern, was dem guten Ruf des Storchennestes mehr und mehr zu schaden droht. Deshalb stellt die Leiterin Monika die junge Madita ein. Diese ist Anfang 20, gerade mit der Ausbildung als Hebamme fertiggeworden. Sie bringt mit ihrer quirligen, aufgeweckten Art Schwung und Tatendrang mit.

Storchenherzen ist unterhaltsam. Das möchte ich nicht abstreiten. Aus der Ich-Perspektive von Helga und Madita erfährt man die Geschichte, die das private und das berufliche Leben der beiden Frauen intensiv beleuchtet. Der Erzählstil ist flott, manchmal auch humorvoll und wenn Madita dran ist, wird es auch mal hektisch bis chaotisch. Statt der von mir anfangs vermuteten unschönen Auseinandersetzung, die aber nicht eintritt, herrscht recht bald zwischen den beiden Hebammen ein einvernehmliches Miteinander. Sie verstehen und ergänzen sich wider Erwarten richtig gut.
Schade, dass so gar kein roter Faden die ganze Geschichte zusammenhält. Es existieren meiner Meinung nach zu viele Nebenschauplätze, werden aufgegriffen, erst einmal wieder fallengelassen, um dann unverhofft erneut thematisiert zu werden. Da gibt es die werdenden Eltern in unterschiedlichsten Konstellationen, die Vorbereitungskurse im Storchennest, Hausbesuche, komplizierte Schwangerschaftsverläufe und Geburten bis hin zur Fehlgeburt. So weit, so gut, das ist das Berufsfeld einer Hebamme. Doch dazu kommen eine nervige, superschlaue Schwester, ein junger, gutaussehender Polizist, eine superpenible Wohngemeinschaft und ein(e) Stalker(in) bei Madita sowie ein Ehemann, der eine Auszeit möchte, ein geheimnisvoller Nachbar, eine unverhoffte Schwangerschaft bei Helga und vieles mehr. Mir war das wirklich zuviel an Nebenhandlungen! Auf der anderen Seite spielt die dritte Hebamme im Storchennest überhaupt keine Rolle mehr! Werden wir von ihr noch mehr erfahren?

Zum Ende hin wird alles schnell abgehandelt, so mein Eindruck. Silas (der junge Polizist) und Madita nähern sich an. Wie es mit ihnen und einigen anderen weitergeht, erfährt man dann wohl im nächsten Buch.
Für meinen Lesegeschmack bleibt zu vieles offen. Es ist wohl auch nicht mein Genre.

Meine Bewertung: drei von fünf Sternen!

Bewertung vom 24.03.2023
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


ausgezeichnet

Ein Dorf Spielball der Geschichte
Der junge Bauer Albert Lintermann kommt entstellt, schwer gezeichnet trotz langem Krankenhausaufenthalt in sein Heimatdorf Wollseifen zurück. Dem jungen Mann zerfetzte eine Granate das halbe Gesicht. Seine Frau Bertha kann ihr Entsetzen und ihre Abscheu nicht verbergen. Sie läßt es ihm schmerzlich spüren. Doch Albert kämpft sich in den Alltag zurück. Ihm gelingt es den Hof größer werden, und den Fortschritt einziehen zu lassen. Gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft werden im Laufe der Zeit auch große Projekte in Angriff genommen. Strom und Wasser für alle! Albert ist anerkannt und hat auch in Leni, der Verlobten seines im Krieg gefallenen Freundes und im italienischstämmigen Gastwirt Silvio sehr treue Freunde. Mit den Nationalsozialisten ändert sich die beschauliche Lage des kleinen Eifeldorfes. Die Gegend um Wollseifen wird für ein Schulungslager der Nazielite auserkoren und die Ordensburg Vogelsang errichtet. Damit änderte sich alles...

Anna Maria Caspari lässt die reale Geschichte des Dorfes Wollseifen mit fiktiven Figuren wieder auferstehen. Sie beschreibt mit einfachen und klaren Worten recht anschaulich das karge, bescheidene und beschwerliche Leben der Menschen in der Zeit von 1919 bis 1949. Das Buch besteht aus 28 Kapiteln und ist in drei Teile untergliedert. Die geschichtlichen Ereignisse sind im Großen wie im Kleinen in kursiver Schriftart durch die Aufzeichnungen des Wollseifener Lehrers Martin Faßbender nochmals näher dokumentiert.

Mir hat die Darstellung der zahlreichen Charaktere gut gefallen. Eindringlich und nachvollziehbar werden die Handlungen sowohl der Dorfbewohner, als auch die des meist negativ agierenden Nazis Johann Meller erzählt. Ich hatte an keiner Stelle des Buches das Gefühl, dass die Geschichte konstruiert wäre. Das tatsächliche Leben in Wollseifen hätte sich so abspielen können.
Über das Schicksal des Dorfes bin ich sehr betroffen. Davon hatte ich noch nie gehört und deshalb machte ich mich im Internet zusätzlich kundig. Die Autorin schreibt im Anhang noch Einiges zum Schicksal des Dorfes.

Fazit:
Ich fand Ginsterhöhe sehr unterhaltend erzählt. Es war eine schlimme Zeit und doch haben sich die Menschen nicht unterkriegen lassen. Wir erfahren von viel Leid, Kummer, Entbehrung, aber auch von Hoffnung und Zuversicht. Die Schicksale nahmen mich gefangen.
Ich bewerte das Buch mit fünf von fünf Sternen und vergebe meine Kauf- und Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.03.2023
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


gut

Schwierig, regt aber zum Nachdenken an
Eine intensive Warnung vorab: „Liebewesen" ist kein Wohlfühlbuch!
Hier erwartet den Leser/ die Leserin keine Liebesgeschichte mit Happy End. An vielen Stellen der Story von Max und Lio wurde es für mich sehr unbehaglich. Ich bin einiges gewohnt, da ich am liebsten Thriller und Krimis lese, die mich allerdings äußerst selten mit ihrer Thematik bis in den Schlaf verfolgen. Doch diese Geschichte wirkt immer noch in mir nach. Der Schreibstil von Caroline Schmitt ist krass anders als ich es gewohnt bin. Sie erzählt frei von der Leber weg, schnörkellos, geradlinig, teils sarkastisch, teils zynisch, humorvoll bis salopp.

Lio, eine junge Biologin, ist eine ambivalente Persönlichkeit, die ihre traumatischen Erlebnisse der Kindheit und frühen Jugend in die Liebesbeziehung mit Max einbringt. Doch auch der junge Mann hat eine anscheinend schwierige Vergangenheit. Zumindest litt er unter der Abwesenheit eines Vaters und hat des Öfteren depressive Phasen.
Die gesamte Geschichte ist aus der Sicht Lios geschrieben, so dass man lediglich ihre Auffassungen, Ansichten und Auslegungen erfährt. Erschreckend zu lesen, wie Lio sich selbst, ihren Körper empfindet und wahrnimmt. Sie liebt sich selbst nicht. Ekelt sie sich sogar vor sich selbst? Ihre Emotionslosigkeit ist einfach nur schlimm.
Hier ein Beispiel:
S. 124 „Außerdem musste die Natur doch ein Interesse daran haben, dass so jemand wie ich sich nicht fortpflanzte.“

Ihre Handlungen sind für mich oft überhaupt nicht zu verstehen. Sie sind schlichtweg übertrieben. An schweren Thematiken wird einiges in dem nur 224 Seiten umfassenden Buch eingebracht. Wer über Kindesmisshandlung, Alkoholsucht, Depression, unlustigen Sex, ungewollte Schwangerschaft und deren Abbruch lesen möchte, wäre hier richtig. Für mich war dieses Buch keine angenehme Unterhaltung, zumal der Ausgang der Story nichts Optimistisches in der Zukunft für die Protagonistin vermuten lässt. Den vielen überaus positiven Rezensionen kann ich leider nicht zustimmen.

Meine Interpretation der Geschichte verhält sich konträr zum Klappentext. Ich bin nicht der Meinung, dass wir hier die Geschichte einer großen Befreiung lesen. Was soll damit gemeint sein? So wie ich das verstanden habe, wird die Protagonistin ihre seelischen Verwundungen weiter in sich tragen. Daraus werden in ihrer Zukunft weitere entstehen, wenn sie sich keiner professionellen Hilfe unterzieht.
Die Bewerbung des Buches mit der Textauswahl auf dem Buchumschlag finde ich unglücklich ausgesucht. Problematisch auch die Aussage: Sie sind wie wir. Also ich bin und war nicht so (bin aber auch schon alt!). Vielleicht habe ich die Geschichte hinsichtlich der genannten Themen und über Partnerschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl und gegenseitiges Verständnis auch nicht begriffen.

Das Cover mit dem Bild des Künstlers Mark Tennant und den Titel finde ich auch nicht so übermäßig gelungen.

Ich bewerte das Debüt von Caroline Schmitt mit drei von fünf Sternen.

Bewertung vom 07.03.2023
Das Geheimnis der Schokomagie / Schokomagie Bd.1
Allnoch, Mareike

Das Geheimnis der Schokomagie / Schokomagie Bd.1


sehr gut

Magische Kakaoerlebnisse
Das Buch aus dem arsEdition-Verlag punktete bei mir schon mal durch sein schön gestaltetes Cover und auch das Innenleben wurde grafisch ansprechend ausgeschmückt.

Die Story beginnt mit dem Prolog im Stile eines Märchens (Es war einmal...), in dem die Großmutter der Hauptfigur Mila Kornblum eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt. Erst viel später erkennt das Mädchen, dass die Oma von sich selbst berichtete. Mila inzwischen 14 Jahre alt, erbte von ihr die Gabe des Duftsehens und kann beim Geruch von Schokolade in die Zukunft sehen. Die Visionen bereiten ihr Unbehagen und es ist gut, dass sie eine wirklich tolle Freundin mit Liz zur Seite hat. Sie beide fahren zum Schüleraustausch nach Paris. Ausgerechnet in eine Stadt, an der es an jeder Ecke nach irgendwelchen Dingen aus Kakaoprodukten riecht. Dazu stellt sich die Gastschwester Lou als Louis heraus, ist der Sohn des Präsidenten und sieht umwerfend aus. Da ist Chaos vorprogrammiert!

Über 256 Seiten und 30 Kapitel ist der junge Leser/Leserin nah am Geschehen und wird altersgemäß (Lesealter ab 10 Jahre) durch die teilweise aktionsreiche Handlung geführt. Mila erzählt aus der Ich-Perspektive. Das sind ihre Erlebnisse mit der wunderlichen Gabe, die sie in einem Duftdiarium (Tagebuch) festhält. Langsam, so peu à peu lösen sich die Geheimnisse um die Schokomagie und wie nebenbei wird ein Stückchen Paris vorgestellt.
Mila macht ihre ersten Erfahrungen mit der Liebe. Das Buch liest sich gut. Für mich als Erwachsene war aber vieles vorhersehbar und klischeebehaftet. Doch für ein Kinderbuch ist das okay.
Besonders schön finde ich die magischen Rezepte mit Schokolade am Ende des Buches. Die Titel der Rezepte sind kreativ ausgedacht. Toll!

Ich vergebe vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 06.03.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


ausgezeichnet

Das Leben ist kein Spiel
Gabrielle Levin versteht es in ihrem Roman ausgezeichnet die virtuelle Spielewelt mit dem tatsächlichen Leben in Einklang zu bringen. Das Buch ist vielschichtig und ziemlich komplex strukturiert, aber das Wichtigste ist die Entwicklung der Charaktere, denen man durch die kreative Schreibweise ganz dicht auf die Pelle rückt. Sie kamen mir mitunter sehr nahe.
Sam und Sadie sind die Protagonisten, die neben Marx die Hauptrollen einnehmen. Wir lernen die sehr privaten Seiten der jungen Menschen kennen. Dabei fiel es mir oft nicht leicht Sam und Sadie zu verstehen. Um es vorsichtig auszudrücken, beide sind keine einfachen Charaktere.
Mit den Zeitsprüngen auch innerhalb der Kapitel hatte ich anfangs Probleme, was mitunter bei mir zu Irritationen führte (in welcher Zeit befinde ich mich gerade?). Von den handelnden Personen erfährt man so immer ein wenig mehr. Die Erzählstruktur ist detailliert, aber dadurch auch sehr aufschlussreich. Hier und da ist es auch schon recht intellektuell. Dazu zähle ich die Verweise auf den japanischen Künstler Katsushika Hokusai („Die große Welle vor Kanagawa“ bildet den Hintergrund fürs Cover), auf William Morris und sein berühmtes Textildesign „Strawberry Thief“ oder auf Shakespeares Macbeth und dessen Monolog „Morgen, morgen und wieder morgen“ (der Titel des Buches!).
Zevin benutzt viele Metaphern und überträgt damit die Handlung auf verschiedene Ebenen. Da ist der Leser/die Leserin gefordert.

Fazit:
Meine Erwartungen an den Roman wurden übertroffen. Die wichtigste Erkenntnis für mich war, dass das Thema Videospiele, die technischen Raffinessen dazu, für mich überhaupt keine Rolle spielten.
Ich habe eigentlich an der Geschichte nichts wesentliches auszusetzen. Allerdings hätte es vor allem im Mittelteil, etwas kürzer gefasst sein können. So kam es inhaltlich schon hier und da zu Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes. Anfang und Ende der Story sind ganz stark erzählt.

Insgesamt ist es eine wunderbare zeitgenössische Erzählung, beginnend in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts bis fast in die Jetztzeit. Den durchweg positiven Stimmen vom Buchumschlag und Klappentext kann ich mich anschließen. Der geplanten Hollywoodverfilmung sehe ich mit Spannung entgegen. Das Buch umzusetzen wird eine große Herausforderung! Hoffentlich gelingt es.

Bewertung vom 01.03.2023
Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

Fall Nr. 3
Es ist bereits der 3. Fall für Eberhardt und Jarmer. Wie die Zeit vergeht! Teil 1 der Justiz-Krimi-Reihe „Die siebte Zeugin" las ich vor zwei Jahren. Jedes Buch ist allerdings für sich lesbar. Es ist nicht zwingend notwendig, die vorherigen Bände zu kennen.

Dieses Mal ist es Rocco Eberhardts persönlichster Fall, denn es scheint so, als ob sein Vater mit der Angelegenheit zu tun hat. Auch aus diesem naheliegenden Grund übernimmt er die Verteidigung des Berliner Bausenators Dieter Möller. Zunächst handelt es sich um einen Politskandal als ein Video der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, in dem der Politiker schmutzige Immobiliendeals in Rotlichtatmosphäre tätigt. Doch nachdem der Tontechniker des Videos tot aufgefunden wird, kommt zur Korruption noch der Mordvorwurf. Der Rechtsanwalt ist in besonderem Masse gefordert.

Das Geschehen um den Bausenator gestaltet sich kompliziert. Alles weist eindeutig auf ihn als Täter hin. Ganz raffiniert wurde ihm eine Falle gestellt. Rechtsanwalt Eberhardt und sein guter Freund, der ehemalige Kriminalkommissar Tobias Baumann, recherchieren gründlich, um die Unschuld Möllers zu beweisen.
In 72 kurzen Kapiteln wechseln die Schauplätze. So wird die Spannung gehalten. Gut beraten ist, wer die Überschriften beachtet und mit in Betracht zieht. Verschiedene Nebenschauplätze und andere Personen vertieften bei mir das Interesse, wie alles miteinander in Verbindung stehen könnte. Die beiden Autoren harmonieren sehr gut miteinander. Der schnörkellose sachliche Schreibstil gefällt mir. Sie verstehen es die politischen bzw. gesellschaftlichen Hintergründe sinnstiftend mit in die Handlung einzuflechten. Das Immobilien-/Wohnungsbauthema spielt eine riesige Rolle in Berlin.
Allerdings empfand ich auch in diesem Krimi die Kontakte Roccos zu dem Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer sowie zu seinem Vater etwas spärlich. Doch immerhin ist sein bisher ziemlich distanziertes Verhältnis zu Eberhardt senior inzwischen aufgetaut. Das trübt aber meinen positiven Gesamteindruck nicht. Ich fand die gesamte Handlung in sich stimmig und nachvollziehbar.

Das Cover passt in seiner Gestaltung sehr gut in die Reihe. Es hat Wiedererkennungswert. Auch der Titel ergibt Sinn.

Fazit:
Authentisch und gut erzählter Krimi! Lesenswert! Ich spürte die Fachkenntnis der beiden Autoren und freue mich auf weitere Folgen.

Von mir gibt es die Höchstbewertung und eine unbedingte Lese- und Kaufempfehlung für alle Freunde des guten Kriminalromans.

Bewertung vom 23.02.2023
Jetzt ist Sense
Rath, Hans

Jetzt ist Sense


ausgezeichnet

Der Tod in Therapie
Aufmerksam wurde ich auf das Buch sowohl durch den sprichwörtlichen Titel als auch durch das ausdrucksstarke Cover, welches die anziehende Ausstrahlung einer Leuchtreklame auf mich hat.

Hans Rath lässt in der Story den allseits gefürchteten Tod als äußerst attraktiven und jungen Griechen auftreten. Mir gefiel die leichte, lockere, humorvolle Art seines Schreibstiles sehr. Allerdings darf man nicht jedes Wort, jede Situation auf die Goldwaage legen. Manches war schon ziemlich absurd.

Die Hauptfigur Dr. Olivia Bentele trifft ausgerechnet an ihrem 50. Geburtstag auf den schönen Gott des sanften Todes. Er wird in der griechischen Mythologie Thanatos genannt. Liv stellt er sich als Zino Angelopoulos vor und sucht angeblich therapeutische Hilfe für einen Freund. In Folge nehmen bei der Psychologin und ihrer Freundin Conny merkwürdige Begebenheiten ihren Lauf. Leben und Sterben sind stets nah beieinander. Natürlich ist Zino immer in Reichweite, wenn jemand zu Tode kommt.
Der Autor beschreibt das ernste Thema so beschwingt, so launig, dass ich des öfteren schmunzeln musste. Sehr kurzweilig erzählt er absurde, skurrile Episoden aus dem Leben, die mich zum Nachdenken, aber auch zum philosophieren brachten. Schließlich bin ich nicht mehr jung.

Ich habe die unterhaltsame und lustige Geschichte gern gelesen. Nur war sie leider so schnell zu Ende.

Von mir gibt es die Höchstbewertung und die uneingeschränkte Lese- und Kaufempfehlung für alle, die gerne etwas Amüsantes aus Absurdistan lesen wollen.

Bewertung vom 17.02.2023
Overkill
Korten, Astrid

Overkill


ausgezeichnet

Psychothriller vom Feinsten
Der essentielle Handlungsort ist das Mehrfamilienhaus in der Johannisgasse 17 in der Kleinstadt Berg am Starnberger See. Es geht scheinbar friedlich und gesittet zu, vermeintlich ist alles soweit in Ordnung. Doch die hauchdünnen Wände des Hauses haben sprichwörtlich Ohren. Sie verbergen kaum eines der Geheimnisse seiner Bewohner. Und da gibt es einige! Mannomann! Da möchte ich wahrlich nicht zu Hause sein.

Der kursiv geschriebene Text dient als Stilmittel wie oft in Astrid Kortens Werken. Hier wird er dazu benutzt uns die Gedanken des vermutlichen Täters/der Täterin mitzuteilen. Der besondere Schreibstil schafft ständig neue Perspektiven, wechselt in kurzen Kapiteln, fordert einem beim Lesen.
Die anscheinende Idylle in den so friedlich wirkenden vier Wohnparteien wird jäh unterbrochen durch den brutalen Mord an Andreas Tauber. Und es muss jemand aus ihrer Mitte gewesen sein. Das elektronische Schließsystem mit Codierung und Aufzeichnung lässt keine andere Schlussfolgerung zu. Aus der einstmals friedlichen Stimmung im Haus wird Bedrohung.
Zusätzliche spannende und gruselige Momente liefern die an unterschiedlichen Orten aufgefundenen, toten, grässlich misshandelten Kaninchen. Wer steckt dahinter? Was hat es mit der abgeschlossenen Gefriertruhe im Keller auf sich? Es tauchten bei mir viele Fragen auf, auf die ich zunächst keine Antworten finden konnte.
Über Julia Hagen, Ehefrau von Theo und Geliebte von Andreas, erfährt der Leser/die Leserin so nach und nach am meisten. Sie ist die zentrale Figur, der Dreh- und Angelpunkt. Auch die Kommissare tragen häppchenweise zur Aufklärung bei, aber ihre Ermittlungsarbeit verläuft weitgehend unauffällig im Hintergrund...

Diese Story wurde wie immer äußerst gekonnt in Szene gesetzt, gut beobachtet und einleuchtend bis zum überraschenden, mich sehr erschütterndem Ende geführt. Was für eine Wendung! Damit hätte ich nicht gerechnet. Den Menschen wird tief in die Seele geschaut. Ihre Handlungen sind sehr komplex und kompliziert, miteinander detailreich verstrickt. Ursachen und Wirkungen weitreichend. Es war nur eine Frage der Zeit, dass es zum Äußersten kam.
Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung und möchte erneut dabei sein, wenn die Kommissarin Mo Celta und ihr Kollege Nico Braun intensiver in Erscheinung treten.

Fazit:
„Overkill – Der Sündenfall" ist ein intensiv erzählter Psychothriller, der erneut in menschliche Abgründe schauen lässt, wie bereits in vielen Geschichten der Autorin. Negative persönliche Entwicklungen spielen auf verschiedenen menschlichen Beziehungsebenen eine große Rolle gekoppelt bis hin zu toxischen Verhaltensweisen, die schließlich zum Exzess, zum Tod führen.
Von mir erhält der Thriller die Höchstbewertung und meine unbedingte Lese- sowie Kaufempfehlung!