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Reiseweise

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2024
Die Insel des Zorns
Michaelides, Alex

Die Insel des Zorns


ausgezeichnet

Ein Drama in fünf Akten

Der Erzähler dieses spannenden Thrillers sagt schon recht früh, dass man als Leser vielleicht glauben mag, diese Art von Geschichte zu kennen, damit aber falsch liegt. Und so ist es dann auch.
Der Erzähler ist einer der Charaktere selbst und er spricht ganz oft direkt zum Leser, weist auf Unzuverlässigkeiten hin, entschuldigt sich für beschönigende Dinge und ist eindeutig unzuverlässig. Der Thriller ist wie ein Theaterstück aufgebaut: Im ersten Akt denkt man sich, es solle endlich losgehen, man hat schließlich schon eine Ahnung, was kommen wird. Der zweite Akt ist wie ein Hollywoodfilm. Der dritte Akt liefert die Vorgeschichte, der vierte Akt ist voller dramatischer Wendungen und der fünfte Akt ist das große Finale - ,her sei nicht verraten. Die ungewöhnliche Erzählweise macht diesen Thriller zu einem, der sich abhebt von anderen im Genre.

Bewertung vom 03.02.2024
Der Wortschatz
Gugger, Rebecca

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Kreativ!

Es gibt so viele schöne Wörter - quietschgelb, honigsüß, sommerleicht… und sie alle machen unseren Wortschatz aus. Was passiert aber, wenn man mit all diesen schönen Wörtern nicht achtsam umgeht und sie gedankenlos ausspricht? Darum geht es in diesem kreativen Kinderbuch mit wunderschönen Zeichnungen, die die schöne kleine Geschichte sehr gut untermalen. Zeichnungen und Text harmonieren gut und auch einige der Wörter werden gemalt. Mit diesem schönen, wenn auch insgesamt doch recht kurzen Werk lernen Kinder, dass man seine Worte gut wählen sollte, da sie eine Wirkung in der Welt entfalten und es eben ganz und gar nicht egal ist, was wir mit unserer Sprache anstellen. Denn Sprache schafft Wirklichkeit, das wird hier schon den ganz kleinen Leserinnen und Lesern anschaulich beigebracht. Geeignet für alle Kinder von Kindergarten an.

Bewertung vom 30.01.2024
Klarkommen
Hartmann, Ilona

Klarkommen


ausgezeichnet

Erwachsenwerden, aber melancholisch

Was die Erzählerin in Ilona Hartmanns Roman „klarkommen“ beschreibt, kommt vermutlich den meisten Leser:innen in irgendeiner Form sehr bekannt vor aus der eigenen späten Jugend oder frühen Erwachsenenzeit. Das Gefühl, man müsste zu einer Party, aber nicht, weil man wirklich dahin will, sondern nur, um sich nicht zu ärgern, sie verpasst zu haben. Das Heimweh nach Elternhaus und Heimatort, um sich dann dort sofort eingeengt zu fühlen und in die Großstadt zurück zu wollen, die einen aber irgendwie auch überfordert. Die Frage, ob eigentlich alle anderen an der Uni genau wissen, was sie tun und wie man cool ist, und man die einzige Person ist, die das noch nicht gelernt hat.
Der Roman ist in viele, meist sehr kurze und episodenhafte Kapiteln unterteilt, so dass man ihn schnell liest, weil man doch so ein kurzes Kapitel noch schnell lesen kann - das gibt dem Roman einen unterhaltsamen Sog, der die Melancholie trotzdem wirken lässt.

Bewertung vom 25.01.2024
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


ausgezeichnet

Komplexe Kurzgeschichten

Die Autorin Diane Oliver starb bereits 1966, als erst einige wenige ihrer Kurzgeschichten veröffentlicht worden waren, mit Anfang zwanzig. „Nachbarn“ ist nun die Veröffentlichung von vierzehn Kurzgeschichten der Autorin, die so viele Jahre nach ihrem Tod wiederentdeckt wurde.
Und dass sie wiederentdeckt wurde, ist ein wahrer Glücksfall: Die Kurzgeschichten stellen die Lebensgeschichten, den Alltag und die Herausforderungen Schwarzer in den Südstaaten der USA zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung auf eindringliche Weise dar. Nicht alle Kurzgeschichten sind gleich stark und sie sind teilweise in überraschend unterschiedlichem Stil geschrieben (literarisch besonders ungewöhnlich ist „Gefrorene Stimmen“, das allerdings als einzige Geschichte ohne klare Darstellung Schwarzer Charaktere bleibt). Alle Geschichten eint aber, dass auf eindringliche und immer wieder berührend melancholische Weise die großen gesellschaftlichen Probleme an kleinen individuellen Schicksalen eindrucksvoll beschrieben werden. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.01.2024
Im Spiegel des Kosmos
Tyson, Neil deGrasse

Im Spiegel des Kosmos


gut

Der bekannte Astrophysiker Neil deGrasse Tyson kann humorvoll und kenntnisreich über eine Vielzahl aktueller Themen schreiben, das steht außer Frage. In seinem neuen Buch versucht er auf der Grundlage der Überlegung, dass Wissenschaft und Rationalität als Leitperspektiven eine Vielzahl der aktuellen Streitthemen eigentlich beilegen können müssten, sich diesen Themen aus eben jener wissenschaftlich-rationalen Perspektive zu nähern. Dabei schreibt er allerdings nicht sehr viel Neues: Mir war auch schon vorher bewusst, dass es keinerlei wissenschaftliche Basis für rassistische Einteilungen von Menschen gibt. Ich wusste schon vorher, dass Geschlecht auch und gerade aus naturwissenschaftlicher Perspektive auf einem Kontinuum abgebildet wird und einfache Mann-Frau-Einteilungen Unsinn sind. Und dass Menschen mit Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht umgehen können und lieber an höhere Mächte glauben. Das ist insofern schade, als dass ich mir neue Erkenntnisse gewünscht hätte.
Zum Schreibstil ist zu sagen, dass er humorvoll, aber etwas zu anekdotenreich ist. Und in der Übersetzung fielen einige Ungenauigkeiten auf, z.B. „blind einen Pfeil werfen“ („throw a dart blindly“), die ungelenk schienen.

Bewertung vom 04.01.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


sehr gut

Erinnerungen einer alten Dame

Die Architektur-Professorin Anouk Perleman-Jacob, einhundert Jahre alt, beschließt, einem Schriftsteller ihre Lebensgeschichte zu erzählen und wie sie nach den Wirren der russischen Revolution mit ihren Eltern auf Geheiß von Lenin und Trotzki ausgebürgert wurde. Warum erzählt sie es genau diesem Schriftsteller? Weil er einer sei, dem man glaube, wenn er lügt und nicht glaube, wenn er die Wahrheit schreibt - so wisse am Ende niemand genau, was wahr sei und das kommt ihr entgegen, da ihr Geschichte so unwahrscheinlich klingt.
In diesem Roman verschwimmen folglich Wahrheit, Unwahrheit und Halbwahrheiten mit realen historischen Ereignissen und Ausgedachtem. Man hört den selten linearen Erinnerungen der alten Dame zu und liest regelmäßig in Wikipedia nach, ob diese oder jene Person real war - denn es treten neben bekannten Namen wie Trotzki eine Menge weiterer Persönlichkeiten der bolschewikischen Revolution auf. Und dann noch eine, mit der man nicht rechnet…

Bewertung vom 23.12.2023
Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?
Raether, Till

Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?


ausgezeichnet

Ein sehr persönliches Buch

In diesem neuen kleinen Büchlein von Till Raether geht es um eines der größten Wörter - um Hoffnung. In seinem typischen Stil schreibt Raether sehr persönlich und offen, reflektiert, manchmal zögerlich und immer sehr ehrlich über Dinge, die ihm Hoffnung machen und Dinge, die ihm Hoffnung rauben. Dabei geht es sowohl um die Klimakrise als auch um seine eigene Depression oder seine Lieblingsgedichte. Einige Kapitel stimmen sehr hoffnungsvoll, andere scheinen einem eher die Hoffnung zu nehmen und man erkennt viele seiner Gedanken und Empfindungen wieder. Er geht der Frage nach, wie und warum man sich eigentlich Hoffnung machen kann, wenn man doch rational sieht, dass es immer weniger Gründe dafür gibt oder ob man sie sich gerade deswegen selber machen soll. Denn das ist die Kernbotschaft: Hoffnung muss man machen, am besten mit anderen zusammen und im Kleinen genau wie im Großen.

Bewertung vom 19.12.2023
Die Verletzlichen
Nunez, Sigrid

Die Verletzlichen


sehr gut

Ein unterhaltsamer Gedankenstrom

Eigentlich geht es in diesem Roman um nichts. Er hat kaum eine Handlung und die Erzählerin bleibt namenlos. Aber trotzdem - es entspannt sich eine Geschichte, die man Seite um Seite gerne liest und sich ab und zu fragt, wie man eigentlich von dem einen Thema zum anderen kam, ohne sich je daran zu stören. Man hört quasi der Erzählerin zu, wie sie über ihr Leben im Lockdown 2020 spricht, sich an ihre Jugend erinnert, mit ihren Freundinnen telefoniert, Zitate ihrer Lieblingsautor:innen einpflegt, über Haustiere sinniert. Sie flicht Verweise auf reale Ereignisse und sogar bekannte YouTube-Videos so geschickt ein, dass der Roman sehr autobiographisch wirkt. Das Pandemiethema ist so gut wie in kaum einem anderen aktuellen Roman in die Handlung eingebunden.
Der Papagei, der auf dem Cover abgebildet ist, kommt selbstverständlich auch im Roman vor, auch wenn er eher eine Nebenrolle spielt.

Bewertung vom 03.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


ausgezeichnet

Wie ein Spionagefilm!

In diesem realen Thriller erzählt Autor Ben Macintyre die unglaubliche Geschichte des Doppelagenten Oleg Gordijewskis, der als sowjetischer KGB-Spion in Kopenhagen und London operiert hat und dann zum britischen Geheimdienst überlief, während er gleichzeitig Karriere im KGB machte. Sein Weg durch die Ränge des sowjetischen Spionagedienstes und seine klandestine Tätigkeit für den MI6 werden chronologisch nachgezeichnet - bis hin zu dem dramatischen Finale, denn er ist nicht der einzige Doppelagent des Kalten Krieges und der KGB ist ihm auf der Spur…

Oleg Gordijewski ist vermutlich kaum jemandem ein Begriff und doch scheint er eine zentrale Rolle im Kalten Krieg gespielt zu haben, da sein Geheimnisverrat auf verschlungenen Wegen zur Annäherung der Weltmächte geführt hat. Macintyre beschreibt mit hohem Tempo und hoher Spannung die heute teilweise abstrus anmutenden Wege, mit denen Kontakte zwischen Spionen aufgenommen wurden (Schokoriegel und Kreidestriche spielen eine besondere Rolle…) und das Buch wirkt dadurch teilweise wie ein Spionagefilm der besten Sorte. Ein spannendes Werk!

Bewertung vom 25.11.2023
Der Spurenfinder Bd.1
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder Bd.1


sehr gut

Der Spurenfinder Elos von Bergen und seine Kinder Ada und Naru leben in Friedhofen. In Friedhofen geschieht nichts. Eigentlich. Doch dann entspinnt sich eine unerwartete Geschichte, die sie durch das halbe Land führt und auf Gestaltwandler, Feuerläuferinnen, Schwertkünstler und rachsüchtige Herzöge treffen - und einen verworrenen Kriminalfall lösen lässt.

Dieser Roman von Marc-Uwe Kling ist ganz anders als seine bisherigen Werke, auch der Schreibstil ist anders und das Thema ohnehin. Beeindruckend ist, dass er ihn zusammen mit seinen beiden zwölfjährigen Töchter verfasst hat. Viele unterschiedliche Ideen, vielleicht etwas zu viele, wurden in der Geschichte verwendet. Die Charaktere sind meist überzeugend, auch wenn einige nicht ganz zu Ende gezeichnet scheinen - im wahrsten Sinne des Wortes, denn hübsche Zeichnungen vervollständigen das Buch, auch wenn sie nicht immer ganz mit dem Geschrieben korrespondieren. Insgesamt aber ein nettes Fantasy-Einstiegswerk für junge Jugendliche ab 10.