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CK
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Raum Stuttgart

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Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2025
Der Sommer am Ende der Welt
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


sehr gut

Nummern statt Namen: Erschütternde Kinderschicksale


"'Wie heißt du denn, Kleine?' fragte er.
'Nummer acht', sagte sie höflich.
Er zog die Brauen hoch. 'Und dein richtiger Vorname?'
'Den habe ich vorm Haus abgegeben. Ich bin jetzt bloß noch die Nummer acht.'"


In Eva Völlers Roman „Der Sommer am Ende der Welt“ reist die Journalistin Hanna nach Borkum, um dort für einen Zeitungsartikel zu recherchieren. Es geht um die traumatischen Erfahrungen ehemaliger „Verschickungskinder“, die damals in der „Villa Aurelia“ auf Borkum Schlimmes erlebt haben. Auch Hannas Mutter war damals dort, was Hannas Arbeit auch zu einem sehr persönlichen Anliagen macht.
Sie reist gemeinsam mit ihrer 16jährigen Tochter Kathi, die ihre Mutter jedoch eher widerwillig begleitet. Untergebracht sind sie in einem Nobelhotel – und genau hier war damals das Kinderkurheim.
Kaum auzf der Insel, verliebt Hanna sich in den Inselarzt Ole; auch für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick.
Als eines Tages vor Hannas Hotelzimmertür das Tagebuch einer ehemaligen Kinderbetreuerin des Kinderkurheims liegt, gibt es Hinweise auf ein vertuschtes Verbrechen. Und es scheint so, als ob es Oles Familie ein schreckliches Geheimnis gibt ...
Stück für Stück wird die Vergangenheit aufgedeck - doch nicht alle auf der Insel möchten, dass die Wahrheit ans Licht kommt ...

Wenn man bedenkt, dass auch zwei Geschwister der Autorin Eva Völler damals in Kinderkurheime verschickt wurden, macht es diese zu einem sehr persönlichen Roman.
Thematisch hat mich an dem Buch besonders der historische Hintergrund, das schlimme Schicksal der Verschickungskinder interessiert und berührt. Darüber müsste viel mehr berichtet werden und ich habe mir vorgenommen, noch mehr zu dem Thema zu lesen und zu recherchieren.

Der Roman war meiner Meinung nach insgesamt thematisch ein wenig überladen; die Liebesgeschichte war sehr klischeehaft und hätte meiner Meinung nach nicht unbedingt sein müssen.
Der Schreibstil war jedoch gut lesbar; es kam auch ordentlich Spannung auf. Besonders die Kapitel über die Vergangenheit fand ich sehr interessant; nur die Tagebucheinträge waren aufgrund der Schreibschrift etwas schwer lesbar, das störte den Lesefluss etwas.

Insgesamt ein spannender Unterhaltungsroman zu einem historisch sehr interessanten Thema.

Bewertung vom 30.07.2025
Von Null auf Held oder Wer ist eigentlich Amin? (eBook, ePUB)
Raymond, Mirjam

Von Null auf Held oder Wer ist eigentlich Amin? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Große Empfehlung: Tiefgründiges, unterhaltsames Kinderbuch über Freundschaft und Flucht


Der 12jährige Jonas, genannt „Johnny“ ist der Anführer seiner vierköpfigen Freundes-Bande, den „Sheriffs“. Er hat eine große Klappe und ständig Quatsch im Kopf - und dementsprechend permanent Ärger: mit seiner Mutter und vor allem mit dem Schuldirektor.
Als plötzlich sein Mitschüler Amin verschwindet, wird Johnnys Leben kräftig auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass der fiese Matteo versucht, seine Freunde gegen ihn aufzubringen und ihm seinen Posten als Anführer streitig zu machen - Johnny findet auch noch zufällig Amins Tagebuch. Dadurch erfährt er, dass Amin in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Und je mehr er über Amins Leben erfährt, desot mehr ändert sich auch in Johnny selbst. Johnny begibt sich auf eine abenteuerliche Suche nach Amin …

Das Buch hat mein Kind und mich von Anfang bis Ende komplett begeistert!
Ein toller Schreibstil, unterhaltsam und spannend – aber gleichzeitig feinfühlig und mit viel Tiefgang!
Dabei werden gerade die schwierigen Themen wie Krieg und Flucht sehr kindgerecht und genau passend umgesetzt. Auch um Freundschaft und Ausgrenzug geht es, um Vorurteile und Rassismus. Dabei kommt das Buch als insgesamt sehr spannender Roman daher, teilweise liest es sich wie ein Krimi, besonders als Johnny auf der Suche nach Amin ist. Gleichzeitig ist der Roman wunderbar feinfühlig; Amins Einsamkeit und Sorgen werden sehr authentisch dargestellt. Alle Charaktere haben mir sehr gut gefallen, ganz besonders Johnny, Amin und Frau Bodler. Gerade die Entwicklung von Johnny hat mich sehr gut gefallen.
Auch der Schluss des Buchs ist meiner Meinung sehr gelungen: Glaubwürdig, genau passend und auch für Kinder gut verständlich.

Genau SO müssen Kinderbücher sein - Von uns gibt es eine ganz klare Leseempfehlung für Kinder ab 10 Jahren! Das Buch wäre sicher auch gut als Klassenlektüre geeignet. Auch ich als Erwachsene habe das Buch mit Begeisterung und Spannung gelesen; war zwischendurch auch gerührt. Und viele kluge Worte, die auch Kinder schon gut begreifen können, haben es mir besonders angetan:

"Ich fange an zu begreifen, dass es mit der Wahrheit nicht so einfach ist. Immer wenn man denkt, man hat sie verstanden, verkleidet sie sich. Manchmal auch in eine Lüge."

"Wenn erstmal ein Gerücht an dir klebt, kriegst du es nur mühsam wieder weg. Das ist schlimmer als Schneckenschleim. Ich weiß wovon ich spreche! Und an einem Jungen wie Amin kleben viele Gerüchte. Solange er keine Stimme hat, mit der er sich verteidigen kann, nutzen Blödmänner wie der das aus. "

Vielen Dank, liebe Mirjam Raymond, für diesen wunderbaren Debütroman!
Wir hoffen sehr, dass wir von dieser Autorin bald noch weitere Bücher lesen dürfen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2025
Junge Frau mit Katze
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


weniger gut

Zwischen Krankheit, Selbstfindung und (vermeitlichem) „Besser sein“

Daniela Dröschers Buch „Lügen über meine Mutter“ ist ein Buch, das zwar nicht „bequem“ zu lesen war, jedoch thematisch wie inhaltlich einiges zum Nachdenken bot und mir insgesamt sehr gut gefallen hatte.

Thematisch geht es bei der Autorin seitdem stets um Klassismus und (soziale) Herkunft, z.B. im Sachbuch „Zeige Deine Klasse“ (teilweise gelungen, wenn auch etwas überzogen) und im kleinen Format z.B. in der Mini-Anthologie „check your habitus“ (fand ich sehr gelungen).

Auf ihren autofiktionalen Roman „Junge Frau mit Katze“ war ich sehr gespannt.
Die junge Ela, die lebenslang quasi im Schatten ihrer (mehrgewichtigen) Mutter stand, ist erwachsen geworden. Sie ist die erste ihrer Familie, die Abitur hat und studiert (was schon in allen Veröffentlichungen bis zum Abwinken betont wurde). Sie steht kurz vor der langersehnten Promotioin, als ihr Körper plötzlich streikt.
Während die junge Frau von Arzt zu Arzt rennt, von einer (falschen?) Diagnose zur nächsten, und ihr Körper ständig neue Symptome zeigt, ihre Panik immer größer wird, muss sie sich fragen, ob sie wirklich einen Platz in der akademischen Welt „verdient“ hat ....
Diese Krankheits- sowie Lebensgeschichte ist natürlich eine sehr persönliche und somit schwer zu beurteilen, egal ob es als Roman oder Sachbuch geschrieben wäre.
Gegen Ende hin findet sich eine etwas lasche und fragwürdige Erklärung sowie eine passend zusammengeschriebende Selbstfindung der Protagonistin.

Das Buch lässt mich leider zwiegespalten bzw. mit eher unangenehmen Gefühlen zurück.

Es gibt diese leider weit verbreitete Denkweise, dass nur die-/derjenige etwas wert ist, die/der "es geschafft hat", sprich Abitur hat, studiert hat, Karriere gemacht hat, damit sozusagen bewiesenermaßen "etwas Besseres“ ist.
Ich dagegen denke, kein Mensch ist mehr oder weniger wert als ein anderer, ungeachtet von Herkunft, Rasse, Geschlecht, Status oder Beruf, etc.

Schon das Buch „Lügen über meine Mutter“, was mir ja eigentlich gut gefallen hatte, rief in mir teils gemischte Gefühle hervor. Diese Gefühle waren bei diesem Roman noch viel stärker, nicht nur gemischt, sondern größtenteils entwickelte ich eher abweisende und negative Gefühle der Autorin bzw. ihrem literarischen Alter Ego gegenüber. Auch sie möchte bis zur Besessenheit, bis zum körperlichen Zusammenbruch beweisen, dass sie „es schaffen“ kann, etwas „Besseres“ zu werden, ihr Leben mit einer akademischen Karriere aufzuwerten.

"Ich las die Beurteilung abermals, dieses Mal jedoch mit einer gewissen Verärgerung. Ich hatte das Gefühl, die Zweitprüferin bewertete nicht meine Leistung, sondern mich als Person. Ganz so, als wäre ich jemand, der kein 'summa' verdiente, ganz gleich was ich tat oder nicht tat."

Erst als sie einsehen muss, dass ihr Körper ihr zu verstehen gibt, dass das nicht der richtige Weg ist, sieht sie widerwillig ein, dass es andere Lebensentwürfe gibt.

"Ich glaube, dass eine Erkrankung tatsächlich oftmals zu einer Erweckung führt. Ich glaube aber auch, dass einzig und allein man selbst diesen Zusammenhang herstellen kan. Tut es ein anderer ungefragt an unserer Stadt, fahren wir - die Kranken - unsere Krallen aus.
Jede einzelne meiner Episoden war für mich die Geburt eines anderen Selbst. Nie sagt der Körper so deutlich 'ich' wie in den Momenten, in denen er um seine Existenz fürchten muss."

Leider hat mich die literarische Verarbeitung dieser Erkenntnis nicht wirklich überzeugen können.

Am besten fand ich noch die Einschübe über ihre Mutter, abseits des Romans.

"Ich frage mich, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte meine Mutter ihre Liebe zum Lesen verteidigt. Vor sich selbst, ihrem Mann, ihrem Vater. Die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben haben Bücher als unnötigen Luxus betrachtet.
Auch wenn meine Mutter das Lesen eine ganze Weile fast ganz aufgegeben hat - eine Erzählerin ist sie geblieben. Sie kann gut mit Wörtern, wie man so schön sagt. Sie genießt es, sich umsichtig und gewählt auszudrücken.
Ist ihr jeder Gedanke gekommen, selbst zu schreiben? Vielleicht schreibt meine Mutter, indem sie spricht. Nur dass ich - so kommt es mir manchmal vor - ihre einzige Leserin bin."

Insgesamt bleiben mir vom Buch ein paar gute Gedanken und Sätze, ja, - doch insgesamt hat mich das Buch leider ziemlich enttäuscht.

Bewertung vom 28.07.2025
Moscow Mule
Rosa, Maya

Moscow Mule


sehr gut

Sprachlich sehr gelungen: Russische Jugend um die Jahrtausendwende


"Wir waren zu jung, um patriotisch zu sein, und zu alt, um an den Triumph der Gerechtigkeit zu glauben. Die Perspektiven waren überschaubar. Wir könnten natürlich so weiterleben, als gäbe es keine Politik, stattdessen glamourös tun, in der visafreien Türkei Urlaub machen und Shoppingcenter durchstöbern. Wir könnten auch abwarten, ob es irgendwann wieder freie Wahlen, eine echte Opposition und keine Zensur mehr geben würde. Aber am besten würden wir nach Europa emigrieren, jetzt sofort, bevor es noch schlimmer würde, denn es könnte schlimmer werden. Russen flohen nicht zum ersten Mal, in jeder Generation gab es einen Massenexodus, man denke nur an die Bolschewiken vor hundert Jahren.“

Maya Rosa hat mit "Moscow Mule" einen Debütroman geschrieben, der vor allem sprachlich sehr bemerkenswert ist. Sehr viel Wortwitz und Scharfzüngigkeit, das hat mich hier am meisten begeistert!

Die Autorin erzählt die Geschichte von Karina und Tonya, die gemeinsam an einer Moskauer Universität studieren. Sie teilen nicht nur ihre Männergeschichten, sondern auch ihren permanenten Geldmangel. Der große Traum ist es, dem Leben in Russland zu entfliehen und nach Europa auszuwandern.

Die Autorin verbindet in ihrem Roman die politische Lage sehr gekonnt mit dem Leben der beiden jungen Frauen und ihrem unendlichen Drang nach Freiheit und einem besseren Leben.

"Nichts machte uns zynischer als genau diese Weisheit, nämlich dass man nur ein Leben hat und dass es nicht schlecht wäre, es woanders zu verbringen, wo man immer noch die Möglichkeit hätte, sich an eine vertraute Birke anzulehnen, ohne zwischendurch im Kerker zu landen. Bürgerrechte zu haben. Sich bei keinen Behörden anzubiedern und nirgendwo Schmiergeld zu zahlen."

Auch das sehr schwierige Verhältnis von Karina zu ihrer (sehr hart wirkenden) Mutter bringt die Autorin sehr authentisch wieder, genauso wie das sehr liebevolle Verhältnis Karinas zu ihrer Großmutter:

"Meine Oma wusste stets, wie man jemanden aufmuntern konnte. In ihrer Gegenwart war es beinahe unmöglich zu klagen. Wann immer ich irgendwelche Weltuntergangslieder anstimmte, rief sie mich wie ein tibetischer Mönch zur Vernunft mit den drei gleichen Fragen, auf die ich immer mit 'Ja' zu antworten gezwungen war. Bist du am Leben? Bist du gesund? Bist du frei? Das nannte sie 'Die drei großen Vorteile', durch die man nichts weiter zu befürchten hätte. Eingeschüchtert und ermahnt konnte ich meistens nicht weiter jaulen. Einem Menschen, der den Krieg gegen die Faschisten hinter sich hatte und nun die Deutschen mit Pelmeni bewertete, aus dem Dachgeschoss der Erinnerung lachend 'Hände hoch!' und 'Hitler kaputt!' rief, sollte man nicht widersprechen."

Ich habe diesen Debütroman vor allem aufgrund des beachtenswerten Schreibstils sehr gerne gelesen, es sind großartige Sprachbilder und Sätze, die die Autorin hier einbaut:

"Ein paar Tage später und ein Leben älter landete ich wieder in Moskau."

„Ich wusste, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, aber jetzt weiß ich, dass da gar kein Geschirr drin ist, oder?“

„Ich wollte bloß leben, über alle denkbaren Grenzen reisen und frei über alle Straßen laufen.“

"Mein Stolz klebte noch an meinem Schuh wie ein Stück Papier, bis es endgültig an den Zacken der Rolltreppe abgekratzt wurde."

Leider konnte mich die Geschichte an sich, besonders gegen Ende hin, nicht komplett überzeugen. Stellenweise wirkt die Geschichte noch unfertig, es fehlte mir noch etwas.
Daher ziehe ich 1 Stern ab, möchte aber dennoch eine Lesesempfehlung mit 4 Sternen aufgrund der starken Sätze geben und hoffe sehr, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen.

Bewertung vom 25.07.2025
Hunchback
Ichikawa, Saou

Hunchback


ausgezeichnet

Provokant, mutig und beeindruckend: Lebenszeichen einer behinderten Frau - 4,5⭐️


"'Ich hätte gerne bei McDonald's gejobbt.' 'Ich wäre gerne zur Oberschule gegangen.' 'Wenn ich - eins fünfundsechzig, Spross hochgewachsener, bildschöner Eltern mit Black Card - gesund gewesen wäre, hätte ich die Welt erobern können.'"

„Hunchback“ von Saou Ichikawa ist ein nur knapp 96 Seiten langer, jedoch sehr intensiver und kraftvoller Roman. Die Autorin, die selbst an myotubulärer Myopathie erkrankt ist, erzählt das Leben der vierundvierzigjährigen Shaka, die aufgrund einer genetisch bedingten, schweren Muskelerkrankung ein isoliertes Leben in einem Wohnheim führt. Ihr Alltag findet zwischen ihrem Bett, ihrem Schreibtisch und dem Speisesaal des Wohnheims statt. Sie hat keine Freunde und hatte noch nie eine Liebesbeziehung. Sie ist aufgrund ihrer schweren Wirbelsäulenverkrümmung auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen; immer wieder benötigt sie ein Beatmungsgerät, um Schleim abzusaugen; sprechen kann sie nur im Notfall.
Allein das Internet bietet ihr einen Ausweg in die Welt draußen. Sie studiert online an verschiedenen Universitäten und schreibt p•rnografische Artikel für einen Verlag.
Finanzielle Sorgen hat sie nicht, da ihre Eltern ihr viel Geld vererbt haben; selbst das Wohnheim gehört ihr. Ihr Einkommen, welches sie durch das Schreiben von Texten im Internet verdient, spendet sie komplett weiter an Bedürftige, die Tafel und Mädchenschutzhäuser.

"Die Millionen, die meine Eltern mir vererbt haben, liegen - unangetastet - hier und da verteilt auf der Bank. Da ich keine Kinder habe, denen ich sie vererben könnte, gehen sie nach meinem Tod an den Staat. Dass das gesamte Vermögen, das die Eltern eines behinderten Kindes mühsam aufgehäuft haben, nach dessen Ableben an den Staat geht, weil es keine Kindeskinder gibt, höre ich öfter. Wenn diejenigen, die sich darüber aufregen, dass die Krankenkassen von unproduktiven Behinderten ausgesaugt werden, das wüssten, wären sie vielleicht versöhnt."

Als einer der Pfleger sie auf ihre Internet-Beiträge anspricht, macht Shaka ihm ein unmoralisches Angebot, um eine Samenspende zu erhalten, denn: „Wie eine normale Menschenfrau ein Kind empfangen und abtreiben - das ist mein Traum.“

Saou Ichikawa deckt in ihrem beeindruckenden Debütroman den gesellschaftliche Blick auf Behinderungen, Sexualität und Körper auf.
Sprachlich ist das Buch sehr roh und direkt, teils vulgär. Das mag schockierend wirken, besonders wenn es um die sexuellen Wünsche der Protagonistin geht, zeigt jedoch auf, dass jede*r den Wunsch nach Selbstbestimmung und „Normalität“ hat.

"Ich hasse alles, was mit dem Überleben der Zeiten wertvoller wird. Je länger ich lebe, desto mehr zerbreche ich. Ich zerbreche nicht, um zu sterben, ich zerbreche, um zu leben. Ich zerbreche als Beweis dafür, dass ich gelebt habe. Das ist etwas völlig anderes als eine unheilbare Krankheit, die einen Gesunden befällt, oder der normale Alterungsprozess, der früher oder später bei jedem gesunden Menschen einsetzt."

Als Buchliebhaberin, die gedruckte Bücher dem E-Book absolut vorzieht, hat mich besonders nachdenklich gemacht, was die Autorin zur Barrierefreiheit in der Literatur sagt:
"Ich hasse gedruckte Bücher. Ich hasse den Machismus der Lesekultur, die in fünf Punkten Gesundheit voraussetzt: man muss sehen, ein Buch halten, die Seiten zmschlagen, die Lesehaltung aufrechterhalten und zum Erwerb ungehindert eine Buchhandlung aufsuchen können. Ich hasse die unwissende Arroganz der 'Buchliebhaber', die sich ihrer Privilegiertheit nicht bewusst sind."

„Hunchback“ ist ein herausforderndes, kraftvolles Buch, weitgehend autofiktional anmutend. Voller Tiefgang und viel Stoff zum Nachdenken, aber auch mit Humor und Sarkasmus.

"Die Falten meines Herzens verziehen sich zu einem Emoticon, das ein hämisches Grinsen nachbildet. Mein Gesicht indes bleibt unbewegt."

"Ja. Genau dieses Mitleid ist die richtige Distanz.
Ich kann keine Mona Lisa werden.
Weil ich ein Buckelmonster bin, ein hunchback."

Wie schon andere Leser*innen zuvor, war ich vom eher kryptischen Ende leicht überfordert (und kann nicht genau deuten, was uns die Autorin damit sagen will), weshalb ich einen halben Stern bei der Bewertung abziehe und 4,5⭐️ vergebe.

Insgesamt war dies jedoch ein unfassbar beeindruckendes Leseerlebnis, das noch lange in mir nachhallen wird. „Hunchback“ ist schon jetzt eines meiner diesjährigen Jahreshighlights!

Bewertung vom 21.07.2025
Wedding People
Espach, Alison

Wedding People


ausgezeichnet

Witziger, herzerwärmender Feel-Good-Roman über Verluste und neue Chancen: 4,5⭐️


Schon das Cover zum Roman „Wedding People“ von Alison Espach ist ein echter Hingucker!
Der Plot lässt eher leichte Unterhaltung vermuten, doch dieser Debütroman hat viel mehr zu bieten. Ich mochte von Anfang an den tollen Schreibstil der Autorin, gleichermaßen witzig wie emotional und tiefgründig.

Es geht hier um Phoebe und Lila, zwei Frauen, deren aktuelle Pläne nicht unterschiedlicher sein könnten.
Lila, ein typisches „reiches, verwöhntes Töchterchen“, plant ihre Hochzeit, es soll ein unvergessliches Fest werden, eine ganze Woche lang soll die Party im prächtigen Hotel „Cornwall Inn“ dauern. Doch da kommt ihr Phoebe in die Quere: Diese wurde vom Ehemann verlassen, hat keine Freunde, ihre Katze ist gestorben, ihre Karriere stagniert. Sie ist todunglücklich, quasi am Tiefpunkt ihres Lebens, weshalb sie in genau diesem Hotel ihrem Leben ein Ende setzen will.
Das passt Lila natürlich überhaupt nicht. Dumm nur, dass Phoebe ihr unbedacht von ihrem Suizidvorhaben erzählt hat. Nun möchte Lila sie davon abbringen, denn sie möchte sich ihre perfekte Hochzeit auf keinen Fall ruinieren lassen.

Das Buch an sich und vor allem die Dialoge zwischen Lila und Phoebe sind oft total witzig, trotz des ernsthaften Themas muss man zwischendurch einfach mal herzhaft lachen:

"Wenn du nicht mitkommst, muss ich meine Mutter fragen. Also tu uns beiden den Gefallen und erzähl mir nicht, du hättest was vor, denn ich weiß ja, dass du vorhattest, heute tot zu sein."

Ich möchte nicht spoilern, sage nur so viel: Das Buch hat einige (mehr oder weniger) unerwartete Wendungen ...

Der Roman hat mich im positiven Sinn sehr überrascht. Wie gesagt, die Erwartung war hier eher „Unterhaltung“, was auch geboten ist, denn der Roman liest sich sehr flüssig und angenehm, hat viele witzige Momente - doch er berührt auch durch viel Emotion und Menschlichkeit.

Die Charaktere sind allesamt gut getroffen. Ich fand vor allem die Figur von Phoebe sehr sympathisch dargestellt; mit ihr und ihren Gedanken konnte ich mich noch am ehesten identifizieren (vielleicht, weil ich Bücher ebenso sehr liebe):

"Und ja, manchmal las sie wirklich zu viel. Manchmal las sie Bücher, anstatt ihr Leben zu leben, aber bedeutete das nicht einfach, dass ihr Lebensinhalt eben das Lesen von Büchern war?"

„In der Lobby vor dem Bücherregal bleibt sie stehen. Sie stellt ‚Mrs Dalloway‘ zurück, den Rücken nach vorn. Sie ist so gut im Vorhersagen, was in Büchern geschieht, und so schlecht darin, wenn es um das Leben geht. Deswegen hat sie den Büchern den Vorzug gegeben - weil es so viel härter ist zu leben. Um zu leben, muss sie hier raus und hinein ins Ungewisse.“

Für mich war das ein sehr schönes Leseerlebnis, emotional und unterhaltsam.
Eine ganz klare Leseempfehlung von mir – ich vergebe 4,5⭐️.

Bewertung vom 21.07.2025
Im Leben nebenan
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Eine Frau, zwei mögliche Leben: Starkes Romandebüt 4,5⭐️

„Wenn ich sage, ich kann keine Kinder bekommen, dann haben immer alle Mitleid. Gespräch beendet. Wenn eine Frau sagt, sie will einfach nicht, und zwar nie, also wirklich nie, dann muss sie sich erklären. Als wäre das alles, was uns definiert, die einzige Entscheidung, die wir im Leben treffen müssen. Und klar, wir müssen sie ja auch tatsächlich alle treffen, irgendwann. Aber es fuckt mich so ab, echt.“

„Im Leben nebenan“ erzählt Anne Sauer (auch bekannt als @fuxbooks) auf zwei Ebenen das Leben von Toni bzw. Antonia.
Toni, die mit ihrer ihrem Partner Jakob lange vergeblich versucht hat, ein Kind zu bekommen, bis an die Grenzen der Verzweiflung - und die dann eines Morgens plötzlich aufwacht als Antonia: In ihrem Heimatdorf, neben ihr liegt ein Baby, das sie gemeinsam mit ihrer Jugendliebe (jetzt Ehemann) Adam hat. Antonia kann sich an nichts erinnern, sie war doch gerade in einem anderen Leben, gleich nebenan?

„Als sie jünger war, dachte Toni, man müsste den einen Menschen finden. Dass es einen gäbe, den Richtigen, den sie heiraten würde, Haus, Kinder, volles Programm. Eine Vorstellung von Romantik, die jedes Verlieben mit Erwartungen erstickte und ihr vor allem immer wieder vermittelte: Das war es noch nicht, dein Happy End.“

Anne Sauer zeigt auf literatisch sehr gelungene Art und Weise auf, dass es mehrere Perspektiven im Leben gibt. Im Roman sind diese Perspektiven miteinander verwoben; sind ganz unterschiedlich und haben doch gemeinsame Schnittpunkte, vor allem den Kinderwunsch, das Muttersein oder Nichtmuttersein.

Das Ende ist etwas kryptisch, was insofern schon passend ist, als es „das eine richtige Leben“ einfach nicht gibt. Und jede*r von uns hat sich sicher schon mindestens einmal im Leben gefragt, was gewesen wäre, wenn ....

Irgendwie hat mir noch „das i-Tüpfelchen“ gefehlt (gegen Ende hin), um die volle Punktzahl zu vergeben; dennoch bin ich ziemlich begeistert von diesem emotionalen, klugen Buch, das ich allen Menschen, egal ob Eltern oder Nicht-Eltern, sehr ans Herz legen möchte.

Es gibt 4,5 Sterne ⭐️ von mir und die Hoffnung, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen!

Bewertung vom 11.07.2025
Schattengrünes Tal
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


gut

Anfangs noch spannend, insgesamt leider nicht überzeugend


Lisa ist ein Mensch, der es allen Recht machen möchte; vor allem wohl ihrem Vater, in dessen Hotel sie mithilft, der dies aber keineswegs wertschätzt. Sehr zum Ärger ihres Mannes Simon.
Im Hotel läuft es nicht allzu gut, außer den üblichen jährlichen Stammgästen kommt kaum jemand in das in die Jahre gekommene Hotel. Umso überraschend ist es, als da plötzlich Daniela auftaucht, eine schutzbedürftig wirkende junge Frau, um die sich Lisa gleich kümmert. Dank Lisa blüht Daniela schnell auf, wird schnell in die Dorfgemeinschaft eingegliedert. Fast schon zu schnell ... dagegen wenden sich alte Freund*innen plötzlich von Lisa ab. Und auch ihr Ehemann Simon reagiert seltsam auf Daniela ... Lisas Welt beginnt auseinanderzufallen.

Anfangs ist die Geschichte noch ganz interessant, es baut sich langsam immer mehr Spannung auf.
Auch wenn ich schon von Anfang an die Handlungen der Hauptfiguren (besonders Lisa) nicht wirklich nachvollziehen konnte.
Im mittleren Teil baut der Roman dann leider deutlich ab.
Lisa ist mir zu naiv und gutgläubig (vor allem Daniela gegenüber); ihre Figur kommt für mich nicht realistisch rüber.
Und Danielas Charakter finde ich stark überzeichnet und extrem dargestellt; auch insgesamt gibt es viele Klischees.
Das Ende ist dann anders als erwartet, was einerseits überraschend war - andererseits aber auch einfach recht schwach.
Hier wäre ein etwas "heftigeres" Ende wünschenswert gewesen, nachdem gerade anfangs recht viel Spannung aufgebaut wurde.
Gegen Ende löste sich vieles für meinen Geschmack zu schnell in Wohlgefallen auf; mehr möchte ich dazu nicht verraten.
Insgesamt eine kurzweilige Unterhaltung, die aber weder literarisch ein Highlight war noch von der Geschichte her einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.
Ich vergebe wohlwollende 3⭐️.

Bewertung vom 07.07.2025
Wohin du auch gehst
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


ausgezeichnet

Intensiver Debütroman über zwei Frauenschicksale zwischen dem Kongo und London

"Schweigen heißt nicht, dass nichts zu hören ist; Schweigen ist eine Sprache. Und wie jede Sprache muss man sie erlernen." - "Fünfzehn Jahre nach meiner Ankunft sollte ich lernen, dass man Schweigen - wie Herzen, Menschen und Versprechen - brechen kann."

Die in Kinshasa geborene Autorin Christina Fonthes erzählt in ihrem Debütroman „Wohin du auch gehst“ die Geschichte von Mira und Bjoux. Beide Frauen erzählen im Wechsel aus ihrer Perspektive. Anfangs muss man sich erstmal in den verschiedenen Zeitebenen und mit den vielen Personen zurechtfinden, aber der wunderbare und eindrückliche Schreibstil der Autorin hat mich schnell gepackt.

Gerade den Perspektivwechsel fand ich sehr gut gelungen, um die Lebensgeschichten der beiden Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo zu erzählen bzw. die beiden Schicksale miteinander zu verweben.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Frauen nicht viel gemeinsam zu haben. Da ist zum einen Mira (Mireille), deren Leben in Zaire ab 1974 bzw. 1981 erzählt wird. Sie gehört dort zur aufsteigenden Klasse, ist lebensfroh und bricht auch gerne mal die Regeln, um mit ihrer Freundin tanzen zu gehen. Als sie sich in einen Musiker verliebt, sind ihre Eltern davon gar nicht begeistert.

Und da ist Bijoux, die im Alter von 12 Jahren aus ihrem Geburtsort Kinshasa nach London zu ihrer strengen, religiösen Tante Mirelle gebracht wird. Dort fehlen ihr ihre Heimat und ihre Eltern; ihre Tante kennt sie überhaupt nicht. Das Leben ist geprägt von Armut, Einsamkeit und den strengen Regeln der evangelikalen Kirchengemeinde „The Mountain“, zu der ihre Tante sie mitschleppt.
2004 ist Bijoux Mitte Zwanzig und verliebt - in eine Frau. Das darf ihre Tantine Mireille nicht erfahren. Doch so wie ihre Tante möchte Bioux nicht enden ... wie kann sie ihren eigenen Weg gehen?

"Warum, Bijoux, warum?", fragte sie inständig. "Warum kannst du dann nicht aufhören -"
"Warum kann ich was nicht aufhören? Zu lieben?"

Sehr gekonnt verknüpft die Autorin sprachlich sowie inhaltlich die beiden Lebensgeschichten dieser Frauen, verbindet die Spuren der lebensfrohen Mira von damals mit der verbitterten Mireille von heute. Gegen Ende des Buches wird vor allem Mireilles Verhalten, ihr erlittenes Schicksal klarer.

"In diesem Moment hat Mira begriffen, dass ein Geheimnis ein Zahlungsmittel ist wie Geld oder der Körper - etwas, mit dem man handeln kann. - ... - Und genau wie Geld haben Geheimnisse auch einen Wert, der manchmal steigt, manchmal sinkt."

Durch die verschiedenen Erzählstränge entstand eine richtige Sogwirkung beim Lesen, Kapitel für Kapitel werden die Geheimnisse der Vergangenheit freigelegt.

Ohne hier zu viel zum weiteren Inhalt zu verraten, kann ich nur sagen, dass dieses Buch literarisch sowohl thematisch ein absolutes Highlight für mich war. Ein sehr intensiver Roman über Herkunft und Flucht, über das Leben zwischen zwei Kulturen, über Familie, Liebe und sexuelle Orientierung, über Freiheit und Selbstbestimmung.

Eine ganz klare Leseempfehlung von mir! 5⭐️

Bewertung vom 04.07.2025
Ja, nein, vielleicht
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


ausgezeichnet

"Es ist nicht so, dass mir meine Endlichkeit nicht bewusst ist. Ich werde sterben, ich weiß das, das Leben, das vor mir liegt, ist kürzer, vielleicht sehr viel kürzer als das Leben, das ich schon gelebt habe. Das Leben, das vor mir liegt, ist zwar immer noch von einem gewissen Aufbruch bestimmt, von Träumen und Zielen, aber auch von Abschieden, kleinen und entscheidenden: von Menschen, von Träumen, vom Jungsein, von Plänen, die ich nicht mehr umsetzen werde."

Alles beginnt damit, dass ihr Zahnarzt der namenlosen Ich-Erzählerin mitteilt, dass ihr Zahn kaputt und nicht mehr zu retten ist. Eigentlich war die Protagonistin, die neben ihrer Stadtwohnung auch ein Haus auf dem Land hat, in das sie sich zum Schreiben zurückzieht (das liest sich irgendwie autobiographisch anmutend), bisher recht zufrieden mit ihrem momentanen Leben. Vom Partner seit 10 Jahren getrennt, die beiden Kinder aus dem Haus, lebt sie mit ihrem Hund und vielen guten Freund*innen ein angenehmes Leben, ist gesund und fit. Doch plötzlich wird sie sich ihrer Sterblichkeit deutlich bewusst und denkt über ihr Leben nach.
Dass ihre beste Freundin Therese nun Eddie heiraten möchte, gibt ihr ebenfalls viel Stoff zum Nachdenken. Und ausgerechnet jetzt trifft sie im Supermarkt auch Friedrich wieder, einen Mann, mit dem sie in jüngeren Jahren mal eine kurze Beziehung hatte. Und sie beginnt sich zu fragen, ob sie es wagen soll, sich nochmal auf die Liebe, auf einen Mann einzulassen.

"Verliebtheit dagegen: Sie stürzt mich in die maximale Unsicherheit, jedes Mal. Jedes Mal beginne ich unmittelbar, an mir zu zweifeln, an meinem Aussehen, meinen Zähnen, an der Form und der Länge meiner Beine, der Art, wie ich mich anziehe, ob ich mehr Kleider tragen, mich überhaupt weiblicher kleiden sollte. Dinge wie die Flecken auf meiner Haut, die die meiste Zeit nur für mich sichtbar sind, werden für die fremden Augen plötzlich auffällig. Alles an mir ist ausgestellt, dem Geschmack eines einzigen Betrachters ausgeliefert, das Tor ist geöffnet für das Urteil dieses Betrachters, ich selber öffne das Tor und lade zum Urteil ein. Ich frage mich, ob es Frauen, Liebende überhaupt gibt, bei denen dieses Tor geschlossen bleibt, die dem fremden Blick souverän standhalten, ihn nicht zu ihrem eigenen machen, einen Blick, der misst, wiegt, vergleicht, zerfleischt. Ob nur ich so auf mich schaue, gespiegelt in den Augen des anderen, projiziert in den anderen. Ich bin noch lange nicht aus therapiert, noch immer nicht erwachsen, das wird mir klar, wenn ich wieder die Panik spüre, in die das Urteil anderer mich noch immer zu versetzen imstande ist."

"Ein Mann, den es nicht gibt, kann dich nicht enttäuschen, nicht quälen, nicht kränken."
...
"Ein Mann, den es nicht gibt, kann dir nicht das Gefühl geben, dass ein altes Fahrrad wichtiger ist als du und deine Sorgen."
...
"Man muss nur aufpassen, dass ist diesen Mann nicht gibt, das ist alles."
...
Wenn es den Mann nicht gibt, kannst du einfach dein gutes altes Leben weiterleben, an dem nichts auszusetzen ist, nämlich gar nichts..."

Doris Knecht kenne und liebe ich schon immer für ihre feinsinnige Beobachtungsgabe, für ihren gleichermaßen humorvollen wie tiefgründigen Schreibstil. Das macht auch diesen eher leisen, nachdenklich stimmenden Roman aus.

"Dieser Satz mit der Komfortzone, die man unbedingt verlassen müsse: Ich will da nicht mehr raus. Ich habe meine Komfortzone oft genug verlassen, als ich jünger war, es war sehr anstrengend, mir reicht's jetzt. Es war oft lohnend und manchmal nicht, oder vielleicht eher umgekehrt. Ich bleibe jetzt lieber im sicheren Warmen. Wenn ich es verhindern kann, gehe ich da nicht unbedingt wieder hinaus. Es bricht sowieso immer etwas Unkontrollierbares in diese Komfortzone ein..."

"Ich glaube, dass die romantische Liebe schädlich für mich ist, nicht nur für mich, für die meisten Frauen, sie schwächt uns, sie gaukelt uns eine falsche Sicherheit vor, sie raubt uns unsere Freiheit und Unabhängigkeit "

Ich kann „Ja, nein, vielleicht“ jedem empfehlen, der ruhige, nachdenkliche Bücher mögen, die viel Stoff zum Nachdenken (über das Leben, die Liebe; Freiheit und Beziehungen) bieten. Ein kluger, scharfsinninger Roman, der mich begeistert hat.