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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2014
Was wir auch tun
Lucas, Marie

Was wir auch tun


gut

Robin ist 16 Jahre alt und der wahr gewordene Traum vieler schlafloser Jungsnächte! In ihrem Innern fühlt sich die Halbwaisin aber trotzdem einsam und verlassen, denn ihre böswillige Stiefmutter hat ihre erste Jugendliebe Jasper geküsst, ihre Großeltern werden immer mehr von ihren Krankheiten geschwächt und ihr neuer Schwarm Alex lässt sie nicht an seinen Gefühlen teilhaben. In einer verzweifelten Eroberungsaktion erpresst der schöne Jasper seinen Konkurrenten und erschleicht sich somit eine letzte Nacht mit Robin, doch damit beginnt ein Alptraum ungeahnter Ausmaße.

Ich hätte gerne mehr über die Hooligan-Szene, in der Alex feststeckt, erfahren, birgt sie doch viel Gesprächsstoff, kann Angst schüren und wäre für einen Jugendroman ziemlich neu gewesen. Zumal das auf dem Klappentext groß angekündigte Geheimnis um seine Person wohl nur bei unreifen Charakteren ein Drama nach sich zieht und im Grunde vollkommen überspitzt wird. Offenheit ist für alle Beteiligten leider ein Fremdwort und so verselbstständigt sich ein dunkler Fleck aus der Vergangenheit zu einem schwarzen Unheil!

Hannes & Käfer, die beiden Jungs aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich zufällig finden, sind mein heimliches „Lieblingspärchen“, da Robins Affinität zu ihren beiden Herzbuben doch zu sehr vom Äußeren geprägt ist. Nun sind Jugendliche zwar in dieser Hinsicht seit jeher stark davon vereinnahmt, aber so kam bei mir nicht das Gefühl auf, dass wir es hier mit dem Traumpaar schlechthin zu tun hätten. Alex war mir von den Dreien noch am sympathischsten, war er doch recht vielschichtig und zeigte unverfälschte Gefühle, während mir sowohl Jasper, als auch Robin zu wankelmütig waren. Sie sind allein schon durch ihr wohlbetuchtes Elternhaus etwas abgehoben, wobei Robin wenigstens durch den Umgang mit ihren Großeltern viele Pluspunkte sammeln konnte, welche sie dann aber wieder verspielte, indem sie zum Beispiel bei der kleinen Liebeskummer-Szene ihrer Freundin Steffi am liebsten peinlich berührt aus dem Café fliehen würde, weil sie angeblich nicht gerne auffällt, trägt dann jedoch am ersten Schultag grüne Hotpants und einen riesigen Strohhut, um eben genau eins zu tun: aufzufallen..

Den Schreibstil würde ich mit recht ungewöhnlich beschreiben, da hier viele kurze, zackige Sätze gewählt wurden und die Gegenwartsform noch mehr Holprigkeit beisteuert. Der Eindruck wird außerdem verstärkt, indem selten Absätze und nie Kapitelunterbrechungen eingeflochten wurden, sodass ich mir beim Lesen Zwangspausen auferlegte, um nicht im Wirbel der Buchstaben unterzugehen. Ein schöner Lesesog kam dadurch leider selten zustande und schlussendlich konnte die Autorin meinen Geschmack lediglich in Ansätzen treffen, deshalb vergebe ich nur gut gemeinte 3,5 Sterne.

Bewertung vom 05.10.2014
Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3
Berwein, Saskia

Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3


ausgezeichnet

Kommissarin Jennifer Leitner ist noch gar nicht richtig aus ihrem Urlaub zurück, als sich über dem sonst so beschaulichen Lemanshain erneut das Unheil zusammenzieht. Die grausam verstümmelte Leiche einer 17-jährigen Ausreißerin in einer abgelegenen Hütte stellt die Ermittler vor ein Rätsel, denn niemand scheint der Tod von Isabella zu wundern, geschweige denn zu kümmern. Sie galt als kleine „Hure“, die vermutlich von einem ihrer zahlreichen Freier ermordet wurde, doch Jennifer will den Mord an der jungen Frau nicht ungestraft lassen und gräbt tiefer. Als ein Kollege vom BKA plötzlich eine brutale Fährte zu einem Großstadt-Serienkiller knüpft, schrillen im Präsidium die Alarmglocken. Kommissarin Leitner, der eine große Portion Skepsis vor dem BKA zu eigen ist, hält weiterhin die Augen offen und wird ungewollt mitten hineingezogen. Ist sie dieses Mal mit ihren gefährlichen Alleingängen zu weit gegangen?

Durch die beiden megaspannenden Vorgänger „Todeszeichen“ und „Herzenskälte“ waren die Erwartungen an den mittlerweile dritten Teil der Leitner & Grohmann Reihe natürlich riesig.
Saskia Berwein hat diese auch mit „Seelenweh“ vollkommen erfüllt, denn schon der Prolog war wieder ein Appetithappen erster Güte und tropfte (wie auch der gesamte Thriller) vor menschlichen Abgründen.
Zum Ausgleich wartete die Autorin mit einer weicheren, persönlicheren Seite der Protagonistin auf, was mir sehr gut gefiel, zeigt es doch nur, dass hinter der harten Ermittlerin auch eine Frau mit Gefühlen steht und wir noch mehr mit ihr mitfiebern können. Zudem offenbart sich uns auch ein klareres Bild davon, warum sich Jennifer noch immer krampfhaft gegen ein wenig mehr Nähe zu ihrem Kollegen, Staatsanwalt Grohmann, wehrt, was sicherlich einige weibliche Fans schier zur Leseverzweiflung bringt.
Das Objekt der kollegialen Schwärmerei wiederum hat im aktuellen Buch wenig zu lachen und kaum Zeit für Grübeleien, denn seine neue Vorgesetzte, Oberstaatsanwältin Ricarda Anstett, hält ihn ordentlich auf Trab und krempelt als Drill Instructor alte Erfolgsstrategien neu um. Sie belebt mit ihrer herrischen Art erfolgreich das Geschehen und obwohl wir Leser uns vermutlich alle wünschen, dass sie mit ihrer Hochnäsigkeit gehörig auf eben jene gepuderte Nase fällt, warten wir doch gespannt auf ihre nächsten bösen Schwingungen – speziell im Alphaweibchenzoff mit Jennifer, die sich aber glücklicherweise nicht unterbuttern lässt.

Berweins lockerer Schreibstil ist so luftig wie Luftschokolade und zergeht zwar nicht auf der Zunge, dafür aber definitiv vor dem Auge. Zum großen Finale fallen die losen Stücke dann alle zusammen zu einer perfekten Tafel. Was wie ein kranker Auswuchs der Phantasie in Form einer Kirchenbeichte begann, und das Wort „krank“ wird wohl dem ein oder anderen beim Schmökern in den Sinn kommen, endet mit Fassungslosigkeit über die vermeintliche Liebe einer Mutter, die jedoch aus Egoismus, Angst und Abgestumpftheit ein Monster erschuf.

Kurzum verlasse ich Lemanshain nach der letzten Seite wieder nur ungern für eine zwölfmonatige Wartezeit auf den Nachfolger, der erfreulicherweise schon bestätigt wurde.

Bewertung vom 11.08.2014
Kopf, Zahl oder Liebe
Czukas, Liz

Kopf, Zahl oder Liebe


sehr gut

Heart LaCoeur ist 17 Jahre und eine überzeugte Single-Lady, denn seitdem ihre Mutter nach der Geburt ihrer beiden Kinder aus egoistischen Motiven die kleine Familie verlassen hat, um frei zu sein, hat sie sich ein stricktes Date-Verbot verhängt, damit sie bloß nicht schwanger wird. Für den jährlichen Prom-Ball will sie gemeinsam mit ihrer Clique einen entspannten Abend ohne Gefühle, aber mit ausgelassener Tanzlaune verbringen. Als ihr Sitznachbar aus dem Französisch Unterricht sie allerdings zu der vielleicht romantischsten Nacht des Schuljahres einlädt und kurz darauf ihr Bruder für seinen Kumpel Troy dringend eine Begleitung sucht, um dessen Liebeskummer zu bekämpfen, sitzt die Protagonistin in der Zwickmühle. Wie soll sie sich entscheiden? Schnell wird der ursprüngliche Plan verworfen und die Wahl zwischen Mann A und Mann B muss gefällt werden. Mit ihrem besten Freund Schroeder wirft sie eine Münze und damit nimmt der Abend seinen Lauf..

Das Besondere an der Geschichte ist die Erzählung in wechselnder Perspektive, die in Anlehnung an den Titel in eine „Kopf“-Variante in Begleitung von Troy und eine „Zahl“-Variante für den Ballpartner Ryan aus dem Französisch Unterricht geteilt ist. Mir persönlich haben diese Wechsel sehr gut gefallen, da sie schon zu Beginn eines jeden Kapitels mit einer witzigen Zusammenfassung in zwei Sätzen als Untertiteln eine überspitzte Darstellung des Geschehens gaben, sowie optimal zu dem Charakter von Heart passten. Ein Nachteil war allerdings auch, dass die Grenzen der beiden Varianten zum Teil immer mehr verschwommen, was einige Déjà-Momente mit sich brachte und ich mir nicht mehr ganz sicher war, ob beispielsweise ein gefühlvoller Tanz mit intensivem Blickkontakt hier oder dort stattfand – für den Lesespaß war das aber eher nebensächlich. Ungefähr nach der Hälfte des Romans dachte ich dann aber ehrlich gesagt, dass die Szenenwechsel nun genug ausgereizt wurden und abgebrochen werden könnten, da Heart in emotionaler Verfassung etwa auf dem gleichen Stand war und die Gefahr bestand, dass wir nur noch auf der Stelle treten. Die Autorin hat mich dann aber doch noch gut unterhalten können.

Heart lief den ganzen Abend im Schatten des Unglücks, sodass sogar ihr Kleid mit einer abenteuerlichen Klebe-Aktion gerettet werden musste, aber sie dabei cool und locker blieb. Liz Czukas hat mit ihrem Debüt hier einen tollen Anti-Love-Prom mit einem Mädchen jenseits des Girlie-Schemas geschaffen, der dennoch auf ein Happy End hoffen ließ, nur nicht so kitschig daherkam und sicherlich viele Fans findet, obwohl ich mir persönlich noch eine logische Aufklärung der Ereignisse nach dem Münzwurf gewünscht hätte.

Bewertung vom 29.07.2014
Einer da oben hasst mich
Seamon, Hollis

Einer da oben hasst mich


sehr gut

Richie steht kurz vor seinem 18.Geburtstag, doch ob er den von vielen Jugendlichen ersehnten Schritt in das Erwachsensein noch erleben wird, ist fraglich, denn Richie hat Krebs im Endstadium. Die letzten Wochen bis zu seinem Tod muss er in einem Hospiz verbringen, wo hauptsächlich alte und gebrechliche Menschen auf ihre letzte Reise warten - bis auf Sylvie. Sie ist erst 15 Jahre alt und Richies große Liebe. Gemeinsam treiben sie (sofern es ihre Kräfte zulassen) viel Unfug im Krankenhaus und schmieden Pläne für die Zukunft, falls ihr Immunsystem vielleicht doch noch die nötigen Kräfte für die Genesung mobilisieren kann oder die Wissenschaft einen bahnbrechenden Durchbruch schafft. Den grenzenlosen Optimismus von Sylvie kann der Protagonist allerdings nicht teilen, denn die Chancen für einen Junge mit dem EDOHM-Syndrom, was bedeutet, dass eine höhere Macht ihn in diese missliche Lage gewünscht hat, stehen denkbar schlecht.

Mir hat der Roman von Hollis Saemon sehr gut gefallen, weil der Alltag im Hospiz authentisch, aber nicht zu bedrückend dargestellt wurde. Man spürt deutlich, dass die Amerikanerin selbst (gezwungenermaßen durch die Pflege ihres Sohnes) einige Zeit in den Fluren und Zimmern solcher Einrichtungen verbracht hat und nicht nur wie unbeteiligte Besucher den bedrückenden Geruch nach Desinfektionsmitteln wahrnimmt.
Aus der Sicht eines Jungen geschrieben, dem manchmal schon die Kräfte zum Aufrichten im Bett fehlen und trotzdem nicht den Sinn für Ironie und Abgeklärtheit verlor, hat die Autorin dennoch ein starke Persönlichkeit gemacht. Aufgrund seines Schicksals lässt er sich nicht hängen, sondern genießt die Treffen mit seinem flippigen Onkel oder die Gespräche mit der hübschen Sylvie unendlich. Vollkommen in seine Gefühlswelt aufgenommen, habe ich mich zwar nicht gefühlt, weil er bei heiklen Themen gerne abwiegelt und sie unter den Teppich kehrt, aber durch seine kindliche Ader, die durch das Kuscheln mit seiner Sternendecke ein Gesicht bekommt und natürlich seine furchtbaren Begleiterscheinungen der Krankheit, war er mir sofort sympathisch! Der lockere Schreibstil vermitteln zudem den Eindruck, als würden wir die Geschichte aus erster Hand am Bett des Patienten hören.

Die Hoffnung, dass es auf der Hospiz-Station vielleicht ein kleines Wunder gibt und das Pärchen Hand in Hand die Medikamente absetzen kann, flackert vermutlich automatisch bei den Lesern in regelmäßigen Abständen auf, sodass wir bis zum Ende mitfiebern.
Ein regelrechter Stimmungskiller der Handlung ist allerdings Sylvies herrischer und ungehobelter Vater, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt und damit allen Beteiligten (inklusive den Lesern) die Laune vermiest. Klüger wäre hier in meinen Augen einen etwas weniger aufbrausenden Charakter dem schwächlichen Richie entgegenzusetzen, obwohl er sich ohne Frage wacker schlägt!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2014
Und plötzlich war der Wald so still
Eriksson Sandberg, Moa

Und plötzlich war der Wald so still


sehr gut

Im friedlichen Rydöbruk haben die Sommerferien begonnen und Hanna kann sich nichts schöneres vorstellen, als mit ihren besten Freundinnen Jonna und Sabina an dem idyllischen Badesee mitten im Wald zu spielen und sich in Fantasiewelten zu träumen. Als dann die Nachricht von einer verschwundene Mitschülerin durch das Dorf wandert, die immer sehr beliebt und selbstbewusst war und zeitgleich einige Änderungen in Hannas Leben zusammenkommen, gerät der Wald immer mehr zu einer Bedrohung und wird zu einem Symbol der Gefahr. Einziger Lichtblick in dieser seltsamen Zeit ist der neue Junge in der Klasse, der gebürtiger Pole ist und Hanna mit seiner schüchternen Art, sowie seinem Aussehen sofort verzaubert hat. Auch Sabina ist frisch verliebt, doch kann ein Sommer, der mit einer Entführung anfing wirklich gut enden?

Die Mädchen sind 12 Jahre alt und von ihrem Entwicklungsstand her doch so unterschiedlich. Jonna interessiert sich noch kein bisschen für das andere Geschlecht, und liebt es, am Nachmittag ein Eis zu essen oder sich für ein spannendes Experiment im Wald zu verkleiden. Sabina dagegen ist schon ziemlich früh eher reif und will sich nicht mehr an den kindlichen Spielen beteiligen, sondern am liebsten nur herumknutschen. Die Protagonistin steht sprichwörtlich genau zwischen den Stühlen, denn einerseits deutet noch vieles in ihrem Denken und Handeln auf das kleine Mädchen hin, was bei einem Alptraum auf den Schoß ihres Vaters krabbelt, andererseits legt sie die Unbekümmertheit von Kindertagen langsam ab und lernt, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, die eigentlich den Erwachsenen vorbehalten waren, jedoch so herrlich verlockend sind. Den Zwischenweg von dem naiven Kind zur widerspenstigen Teenagerin hat die Autorin ganz toll dargestellt und die Erinnerung an eigene unbeschwerte Stunden in der stillen Natur mit Gleichaltrigen aufleben lassen, die mich beim Lesen sogar nostalgisch werden ließen.

Die schwedische Idylle war atmosphärisch prima aufgebaut und durch das Drama um die verschwundene Linda sogar unterschwellig gruselig angehaucht. Einen Krimi darf man keineswegs erwarten, aber der Verlag hat Moa Eriksson Sandbergs Werk schließlich auch in das Genre „Roman“ eingeordnet. Zu Beginn war ich durch den Sturm der Gefühle regelrecht schockverliebt in den sanften Schreibstil und den gelungenen Handlungsbogen, der mit jeder Zeile irgendwie die Hektik und den Technikwahn der heutigen Jugend vergessen lässt. Im letzten Viertel bekam meine Begeisterung dann allerdings einen kleinen Dämpfer, weil speziell das Eheleben von Hannas Eltern etwas gegen meinen Geschmack verlief und einiges insgesamt beinahe in der Schwebe blieb.

Hanna dient trotzdem als hervorragendes Paradebeispiel für Mädchen auf der ganzen Welt, die sich von ihren Müttern missverstanden, von den Vätern vernachlässigt fühlen und sich von den Freundinnen aus der Vergangenheit abnabeln wollen. Die junge Zielgruppe wird sicherlich noch begeisterter sein als ich und den Roman, der sich so leider erschreckend flott durchschmökert, gerne erneut zur Hand nehmen – natürlich am besten in Waldnähe.

Bewertung vom 09.07.2014
Raum
Donoghue, Emma

Raum


gut

Normalerweise lese ich ein Buch in höchstens 2-3 Tagen in einem Rutsch, wenn ich mich erst einmal dazu entschlossen habe. Bei „Raum“ war das anders, denn obwohl Emma Donoghues Werk in einigen Bücherforen große Wellen der Begeisterung ausgelöst hat und mich deshalb zum Kauf veranlasste, was bei mir die Wirkung aber eher wie ein müder Wasserlauf, der an die Kaimauern platschte und mich bis zum Schluss nicht richtig erreichte.

Die Autorin hat ein Buch aus der Sicht eines 5-jährigen Jungen geschrieben, der gemeinsam mit seiner verschleppten Mutter in einer schalldichten Gartenlaube leben musste und nur durch den Fernseher eine Ablenkung von seiner kleinen Welt bekommt. Mangels Kontakt zu der Außenwelt ist er nicht nur sprachlich, sondern auch in allen anderen Bereichen nicht altersgemäß entwickelt, wenngleich seine Mutter sich die größte Mühe gibt, um ihm eine gute Erziehung zu gewährleisten und Abwechslung in den tristen Alltag zu zaubern. Das „falsche Kinderdeutsch“ des Jungen hat es mir sehr schwer gemacht einen flüssigen Leserhythmus zu finden, zumal einige Beschreibungen gar nicht sofort das Gemeinte deutlich erklärten und damit den Zusammenhang vermissen ließen. Die ganze Situation war auch so schrecklich bedrückend und machte wütend, denn reine Fiktion war die Entführung speziell durch jüngste Ereignisse in den Medien nicht. Ich schwankte oft zwischen Mitgefühl für die beiden Protagonisten und purer Lesemüdigkeit, die durch die nervenden Dialoge von Mutter und Sohn hervorgerufen wurden. Das Stillen eines Kindes in dem Alter, was für Jack wichtigster Tagesordnungspunkt war, hat mich auch bis zum Schluss eher verstört und dafür gesorgt, dass ich eher Abstand zu dem Inhalt nahm.

Der Höhepunkt der Geschichte ließ gar nicht allzu lange auf sich warten und war auch ein Klimax, den ich als gelungen einordnen würde, allerdings den weiteren Verlauf in einem noch schwächeren Licht erscheinen ließ. Was eigentlich Erleichterung und Neugierde für die weitere Entwicklung der Protagonisten auslösen sollte, brachte bei mir leider nur Langeweile hervor. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, war es danach fast der abgehandelte Tagesablauf einer Fallstudie aus Arztakten, die wir Leser geduldig absitzen müssen. Würde „Raum“ auf einer wahren Begebenheit beruhen, hätte ich wahrscheinlich nicht so streng die Eintönigkeit kritisiert, aber hier dachte ich nur, warum man unbedingt die Seiten füllen muss, wenn doch nichts geschieht? Als dann auch noch der Junge ständig an dem verfaulten Zahn seiner Mutter zur Beruhigung lutschte, kam neben der Langeweile auch noch Ekel hinzu.

Menschen, die bei der Nachricht von einem weiteren unschuldigen Vergewaltigungs- oder Entführungsopfer im Fernsehen weinen müssen, würden Jack mit Sicherheit am liebsten sofort an die eigen Brust drücken – ich bin dagegen froh, dass ich das Buch zuschlagen und mich wieder erfreulicheren Büchern zuwenden kann.

Bewertung vom 09.07.2014
Versunkene Gräber / Joachim Vernau Bd.4
Herrmann, Elisabeth

Versunkene Gräber / Joachim Vernau Bd.4


sehr gut

Als Joachim Vernau während der Mittagspause von der polnischen Anwältin Zuzanna Makowska überrumpelt und auf seine Ex-Partnerin Marie-Luise angesprochen wird, klingeln bei ihm die Alarmglocken. Seit fast zwei Jahren hat er sich nicht mehr bei der Berlinerin gemeldet, doch nun soll sie gemeinsam mit einem Bekannten in einen heimtückischen Mordfall auf einem alten, polnischen Friedhof verwickelt sein und sich seitdem vor der Polizei verstecken. Vernau ist entsetzt und setzt alle Hebel in Bewegung, doch die Indizien verdichten sich und kurz hinter der Deutsch-Polnischen-Grenze gehen auch noch fast 70 Jahre nach Kriegsende die Geister der Hinterbliebenen um, welche nachts aus den versunkenen Gräbern steigen und die Lebenden um den Verstand bringen.

Als ich den Krimi gekauft habe, wusste ich nicht, dass der neue Herrmann der vierte Teil einer Reihe ist und treue Leser auf alte Bekannte treffen. Joachim Vernau war für mich also erst einmal ein Fremder, dessen Freundeskreis ebenso im Dunkeln lag wie der mysteriöse Todesfall in dem beschaulichen Zielona Góra. Mit dem Protagonistin bin ich dann aber ziemlich schnell warm geworden, da er vergangene Erlebnisse mit Marie-Lou & Co. im Geiste Revue passieren ließ und er trotz einer eher unrosigen beruflichen Lage ohne zu zögern für Menschen in Not alles stehen und liegen lässt. Auch sein weiblicher Gegenpart aus dem Nachbarland ist ein interessanter Charakter, da Zuzanna aus anfänglicher Skepsis ihrem Pflichtmandanten gegenüber doch noch zur eigentlich unwahrscheinlichen Unschuldsvermutung umschwenkt und Fehler mit weiblichem Charme ausbügelt.

Der Schreibstil der Autorin ist insgesamt wirklich frei jeder Kritik, da sie schnörkellos und dennoch treffend die wunderschöne, aber erst in den letzten Jahrzehnten vernachlässigte Region um das schlesische Weinanbaugebiet beschreibt und mir als völligem Weinlaien doch Lust auf ein Glas des edlen, vollmundigen Tropfen macht.
In kursiv gedruckten Zeilen lässt sich uns auch an den Liebesworten des ehemaligen Gutsherren Walther Hagen gerichtet an seine gute Rosa teilhaben, die das Leid der Hinterbliebenen auf beiden Seiten der Oder greifbar machen und den schwierigen Grad von Menschlichkeit gegenüber den Feinden und schlichter Überlebensangst völlig unparteiisch und ungeschönt projizieren. Das Thema einer möglichen legalen, aber schmerzlichen Rückführung von Vertriebenen in ihre Geburtsorte wird für meinen Geschmack behutsam und mit dem nötigen Wissensstand der Recherchen abgerundet, der Platz für die eigene Wertung lässt. Ein Nebencharakter sagte dazu recht passend: „Ihre moralische Empörung endet doch dort, wo der eigene Vorteil beginnt.“ (S.390) und deshalb gibt es hier wohl keine einheitlich richtige oder falsche Meinung, sondern nur persönliche Schicksale.
Einzig zu Beginn der Lektüre haben mich häufige Erzählperspektiven etwas aus der Bahn geworfen, da Elisabeth Herrmann auch hier besonders kunstvolle Einleitungen für die neuen Kapitel wählte, die Vernau Neulinge wie mich dann doch verwirrten.

Die versunkenen letzten Ruhestätten haben mich auch in den Krimi für zwei spannende Tage versinken lassen und gezeigt, dass im Krieg und in der Liebe vermeintlich alles erlaubt ist, aber nach Kriegsende vieles doch wieder aus der Gruft mit einem modrigen Geruch aufsteigt.

Bewertung vom 09.07.2014
Der Traum von Rapa Nui
Federico, Carla

Der Traum von Rapa Nui


ausgezeichnet

Als die 26-Jährige Katharina mal wieder für ihre Schwester auf deren kleine Kinder aufpassen muss und trotzdem nur Rüge und Undankbarkeit erntet, fragt sie sich niedergeschlagen, ob das Leben in Südamerika denn nie mehr für sie zu bieten hat. Eine Anzeige in der Zeitung mit einem Aufruf für eine fleißige Ehefrau und Stiefmutter klingt im ersten Moment ziemlich nüchtern, aber im Grunde genau nach der Flucht, die sich die junge Frau so lange gewünscht hat. Einziger Manko an der Sache ist, dass der vermeintliche Traummann auf der Osterinsel, viele Seestunden entfernt von Chile lebt und solch eine Reise im 19. Jahrhundert für eine Dame keine Freude bereithält. Katharina schießt ihre Zweifel in den Wind und macht sich auf den Weg in die Ungewissheit. Auf dem Meer macht sie Bekanntschaft mit dem attraktiven Aaron, der als Missionar die Ureinwohner der Osterinsel unterstützen und dort ein friedliches Miteinander für die chilenischen Schafhirten und ihnen noch unterdrückten Sklaven erschaffen will. An seiner Seite ist der mürrische Tane, doch Katharina hat nur Augen für Aaron.. Steht die Ehe mit dem Fremden aus der Zeitung unter einem guten Stern?

Zu dem neuen Roman von Carla Federico musste ich einfach greifen, weil mich die Kultur der Rapa Nui, allen voran die monumentalen Steinstatuen, die Moai genannt werden, sehr fasziniert. Die Autorin selbst scheint auch völlig vernarrt in dieses einst vergessene Stückchen Erde zu sein, denn in Katharinas Wissensdurst in Bezug auf ihre neue Heimat, hat sie vielleicht einen Teil von ihrer eigenen Neugierde einfließen lassen. Ihr Interesse als freundlich gemeinte Integration in die neue Kultur wird aber von den dort lebenden Chilenen rüde abgewiesen. Sie sehen Rapa Nui als ihr eigenes Land und stempeln die Ureinwohner mit ihren Ritualen als rückständig ab, was die Angst vor den temperamentvollen Männern und Frauen, die in eigener Sprache kommunizieren können, überdecken soll. Glücklicherweise sind nicht alle Bewohner so respektlos und rund um Aaron und Katharina entwickelt sich eine kleine Gegenwehr zu dem respektlosen Verhalten der Inselverwalter, doch die Qual loderte schon zu lange und ein unüberlegter Zug der Ureinwohner, die Tane zum Anführer erkoren, kann alles zerstören. Der ewige Kampf zwischen den Menschen, die dort täglich auf dem sandigen Boden um eine befriedigende Ernte kämpfen, hält sich insgesamt an die geschichtliche Abfolge und die schwelende Wut hat die Handlung immer weiter angespornt, weswegen Langeweile keine Chance hatte.

Dieser Roman hat meine Erwartungen tatsächlich übertroffen, denn Katharina, die zwischen den ehelichen Pflichten zu ihrem Angetrauten und der Leidenschaft zu dem Missionar steht, war eine starke Persönlichkeit, bei der sich trotz Herzschmerz nicht alles nur um sie drehte. Die Osterinsel hat mich für ihre Vergangenheit, die Flora und die Kultur eingenommen und die Autorin führte mich mit ihrem flüssigen Schreibstil durch die einmaligen Schauplätze. Schade war für meinen Geschmack nur, dass sie für uns Leser nicht das Geheimnis der Insel, beispielsweise der mysteriösen Schriftart oder der Statuen aus ihrer Sicht auflöste, denn das schwebt noch nach der Lektüre wie ein Fragezeichen über allem und hätte gerne einen fiktiven Schlusspunkt finden können. Nichtsdestotrotz war dieses Buch eins meiner Highlights dieses Jahres!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.06.2014
Schattendunkel / Obsidian Bd.1
Armentrout, Jennifer L.

Schattendunkel / Obsidian Bd.1


sehr gut

Nach dem tragischen Krebstod von Katys Vater beschließt ihre Mutter, alles hinter sich zu lassen und einen Neuanfang in einer Kleinstadt in West Virginia zu wagen. Für die unkomplizierte Protagonistin bedeutet der Umzug eine mittelschwere Katastrophe, denn in der schwierigen Zeit gaben ihr alleine ihr Buchblog und der nicht versiegende Strom an Büchersendungen Kraft und Freude. Momentan lässt allerdings die Internetverbindung auf sich warten und die Lieferungen muss nun auch an der örtlichen Poststelle abgeholt werden. Tapfer beschließt die 17-Jährige, das Beste aus der Situation zu machen und klingelt bei ihren Nachbarn, die laut ihrer Mutter im gleichen Alter sind, um nach dem Weg zum nächsten Supermarkt zu fragen. Ziemlich rüde wird sie von dem halbnackten, aber sehr attraktiven Hausherren Daemon abgewiesen und schwört den arroganten Schönling in Zukunft zu meiden. Dieser Plan geht allerdings gehörig in die Hose, denn dessen Zwillingsschwester Dee ist ganz anders und bald entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen, die von dem großen Bruder jedoch mit allen Mitteln sabotiert wird. Was hat er nur hinter der harten Schale zu verbergen?

Katy war mir mit ihrer Leidenschaft für Bücher gleich nach der Leseprobe sympathisch, obwohl dieses Hobby im weiteren Verlauf der Handlung ziemlich in den Hintergrund rückte, da das „wahre“ Leben einfach unglaublich an Fahrt aufnimmt.
Nicht zuletzt durch die abweisende Art ihres Nachbarn, der unglücklicherweise auch noch die gleiche Schule besucht, gerät Katys eigentlich ausgeglichenes Gemüt gehörig ins Wanken. Es scheint fast so, als ob es die beiden nicht einmal für zwei Minuten ohne Gezanke aushalten können und bei jedem Aufeinandertreffen sich fast an die Gurgel gehen. Im Gegensatz zu den üblichen Abläufen in Liebesgeschichten, wo zwei schüchterne Personen umeinander herumschleichen, sucht man hier harmonische Momente bisweilen vergeblich, da diese seltenen Lichtblicke sofort im Keim von Daemons teils ungehobelten Art in den Boden gestampft werden. Interessant waren diese Schlagabtäusche schon zu lesen, denn das Knistern, was die beiden hinter wütend funkelnden Augen zu verbergen versuchen, strahlt wie ein Blitz aus jeder Zeile hervor. Nach spätestens der Hälfte hat mich das ewige Aufwärmen und Abkühlen der Gefühle dann aber genervt und ich hätte mir gewünscht, dass die fast Volljährigen etwas vernünftiger mit den Emotionen umgehen.

Das eigentliche Geheimnis bei „Obsidian“ wird dann für meinen Geschmack zu unspektakulär in einem vertraulichen Gespräch aufgedeckt, obwohl sich die Autorin mit ihrer gewählten Form der Fantasy-Wesen nicht verstecken muss. Einige Seiten zuvor wurde diese Spezies von Katy als „No-Go“ für die Unterhaltungsliteratur auserkoren und nun steckt sie selbst mittendrin in der Gemeinschaft von ihnen – ein lustiger Gag, der mich hellhörig werden ließ, sodass die Auflösung vielleicht auch deshalb zu lasch war. Die speziellen Fähigkeiten von Daemon, Dee & Co. müssen in einigen brenzligen Situationen auch zum Einsatz kommen, wodurch wir einen guten Vorgeschmack auf die weiteren Bände der Reihe bekamen, wenngleich die Logik nicht komplett wasserdicht war, aber dem Lesevergnügen tat dies keinen Abbruch.

Der nächste Teil ist schon für Ende November bei Carlsen vorgemerkt und wäre damit ein schöner Wunsch für das Weihnachtsfest, schließlich leuchtete Katy hin und wieder selbst wie eine Christbaumkugel (was aber nur Leser von „Obsidian“ verstehen werden und Nicht-Leser eventuell neugierig macht?). ;-)

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.