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Benutzername: 
wordfflow
Wohnort: 
Hannover

Bewertungen

Insgesamt 57 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2024
Das Gegenteil von Erfolg
Thomas, Eleanor Elliott

Das Gegenteil von Erfolg


gut

Anders als erwartet

“Das Gegenteil von Erfolg” von Eleanor Elliott Thomas erzählt die Geschichte von Lorrie und wie ihr Leben innerhalb eines Tages komplett aus dem Ruder zu geraten droht. Lorrie ist glücklich verheiratet, zweifache Mutter, arbeitet bei der Stadtverwaltung und soll nun das Projekt vorstellen, an dem sie monatelang gearbeitet hat. Nachdem sie eine Beförderung nicht erhält, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch, der im Laufe der Geschichte und in Kombination mit Alkohol in einer Katastrophe endet, die ich nicht kommen gesehen habe.

Der Schreibstil der Autorin hat mir grundsätzlich gut gefallen, auch wenn die Erzählweise recht langsam und beschreibend ist. Dies muss man definitiv mögen. Außerdem lesen wir abwechselnd aus Lorries und Alex’ Perspektive, Lorries bester Freundin. Dadurch habe ich beim Lesen sehr lange auf den eigentlichen Hauptteil der Geschichte warten müssen.

Was mir sehr gut gefallen hat, sind Themen wie Feminismus, Klimakrise und Umwelt- und Naturschutz, Aktivismus, Freundschaft und die Frage, wie viel ein Mensch, insbesondere eine Frau, in unserer Gesellschaft leisten muss, um wertgeschätzt und anerkannt zu werden.

Das Buch hatte für mich durch die Grundthematik ein großes Highlight-Potenzial, welches es für meinen Geschmack durch die Umsetzung leider nicht voll ausschöpfen konnte. Zum Ende hin steigert sich die Geschichte in eine Folge absurdester Ereignisse, die ich leider weder unterhaltsam noch glaubwürdig fand. Auch die Handlungen der Protagonistin waren für mich zunehmend unauthentisch und unangenehm zu lesen, auch wenn ich Teile ihrer Gedanken sehr gut nachvollziehen konnte. Für mich ist das Buch letzten Endes wohl am meisten Bestätigung dafür, dass Alkohol, besonders in Krisensituationen, kein Mittel der Wahl sein sollte.

Trotzdem kann ich “Das Gegenteil von Erfolg” grundsätzlich empfehlen, da ich mir auch einige schöne Zitate und Gedanken markiert habe und gut unterhalten wurde. Abzüglich der Kritikpunkte bewerte ich das Buch mit 3,5 Sternen.

Bewertung vom 15.05.2024
Die Tage des Wals
O'Connor, Elizabeth

Die Tage des Wals


sehr gut

Eindrücke einer anderen Welt


“Die Tage des Wals” von Elizabeth O’Connor spielt 1938 auf einer walisischen Insel und wir erleben den harten Alltag, den Gezeiten ausgesetzt und geprägt von einer rauen Abhängigkeit zum Meer, der achtzehnjährigen Manod, die von einem Leben und Studium auf dem Festland träumt. Dann wird im Herbst ein Wal an den Strand gespült und zeitgleich tauchen zwei Ethnographen Oxfords auf der Insel auf, die mit Manod als Übersetzerin die kulturellen Eigenheiten der Insel untersuchen. Inspiriert ist die Geschichte mitunter auch deutlich durch “Die Männer von Aran” von Robert J. Flaherty und die Kritik an der Dokumentation.

Manod als Protagonistin fand ich sehr spannend, auch wenn sie immer über allen anderen Inselbewohnern zu stehen scheint. Sie ist zwischen ihrem Traum und ihrer (Mit-) Verantwortung gegenüber ihrer Familie gefangen. Ihre Art, die Welt um sich herum wahrzunehmen und zu beschreiben fand ich schön, wenn auch der Schreibstil mir mal sehr, mal gar nicht zusagte. Ich denke, es soll zum Teil ungeschönt realistisch geschrieben sein, was auf mich aber nicht authentisch und aufgesetzt klingt. Dies könnte aber auch mit der Übersetzung zusammenhängen. Trotzdem konnte die Geschichte trotz ihrer eher nüchternen Erzählweise am Ende doch einige Emotionen in mir auslösen.

Der Titel "Die Tage des Wals” charakterisiert dabei den Zeitraum, in dem wir Manod begleiten. Eigentlich als Kernelement der Geschichte nimmt er doch eigentlich nur eine kleine, dazu durch seinen (Wesens-) Zustand ebenfalls eine passive Rolle ein. Für mich symbolisiert er den Verlauf der Geschichte, wie auch die Umstände der Insel und des Weltgeschehens um die Insel herum.

Das Buch spielt in einer Zeit, die uns Deutschen bestens vertraut sein sollte und es werden auch immer wieder Verweise auf den nahenden Kriegsbeginn gemacht. Spannend ist hierbei die Perspektive, da auf der abgelegenen Insel das Leben seinen gewöhnlichen Gang nimmt und sie nur vereinzelt Nachrichten vom Festland erhalten. Trotzdem ist dies auch auf der Insel mit fortschreitender Handlung immer deutlicher spürbar.

Ein Aspekt, der ebenfalls eine große Rolle spielt, ist die (Aber-) Gläubigkeit der Inselbevölkerung. Nicht zuletzt durch die Ethnologen spielen Sagen, Volksmärchen und Erzählungen eine große Rolle in der Geschichte und die Inselbewohner deuten in jede kleinste Ungewöhnlichkeit Fluch oder Segen. So bekommt auch der Wal eine eigene, wenn auch nicht ganz eindeutige, Bedeutung.

Das Ende ist eher offen, hat aber gut in die Geschichte gepasst und konnte mich nachdenklich machen. Trotzdem hätte ich mir durchaus vorstellen können, Manod noch weiter zu verfolgen, da sie doch eine gewisse Faszination in mir ausgelöst hat.

Von mir definitiv eine Empfehlung.

Bewertung vom 15.05.2024
Die Schönheit der Rosalind Bone
McCarthy, Alex

Die Schönheit der Rosalind Bone


ausgezeichnet

Das Paradox der Schönheit

“Die Schönheit der Rosalind Bone” von Alex McCarthy erzählt die tragische Geschichte eines Mädchens und jungen Frau und dem kollektiven Versagen einer Dorfgemeinschaft in Wales, wie es aber auch stellvertretend überall anders passieren könnte. Es geht um das Wegsehen, um Missverständnisse, um Neid und Missgunst, um trügerischen Schein, das Paradox der Schönheit und das ein oder andere weitere kleine Geheimnis, das nahezu jeder zu verstecken versucht.

Der Schreibstil Alex McCarthys hat mich beinahe unmittelbar in seinen Bann gezogen. Die Sprache ist trotz ihrer inhaltlichen Abgründe sehr fein und leise, zum Teil poetisch, kann aber auch durch ihre Direktheit sehr plötzlich eine große Stärke und Schlagkraft entwickeln. Ich war an vielen Stellen des ziemlich kurzen Romans (160 Seiten) gerührt, betroffen, angeekelt, unfassbar wütend oder einfach nur fassungslos.

Wir begleiten die verschiedenen Dorfbewohner in ihrem Alltag und können somit selber relativ schnell hinter ihre Fassaden blicken. Man ist den Geschehnissen deshalb immer einen Schritt voraus, was diese aber nicht weniger spannend oder bedrückend macht.

Als namensgebende Hauptfigur dreht sich der Roman um die Schönheit der Rosalind Bone, welche vor Jahren ohne jegliche Mitteilung aus dem Dorf verschwand und nie wieder gesehen wurde. Trotzdem nimmt sie selber neben all den anderen Figuren nur eine Nebenrolle ein, um die sich ihr Mythos dreht.

Ich würde an dieser Stelle wirklich gerne tiefer in den Inhalt und die ganze Tragik um die Figur Rosalind einsteigen, kann dies aus Spoilergründen allerdings nicht machen. Trotz Leserunde habe ich noch immer so viel Redebedarf zu diesem Buch, was für mich der Indikator ist, wie gut mir die Geschichte gefallen hat.

Lediglich eine Triggerwarnung hat mir gefehlt, die ich deswegen ausdrücklich für dieses Buch ausspreche. Es werden einige schwierige Themen behandelt, wer da spezielle Punkte hat, kann sich gerne bei mir erkundigen, ich werde nach bestem Wissen Auskunft geben.

Das Ende hat die Geschichte für mich gut abgerundet und mich nach diesen vielen erdrückenden Momenten etwas erleichtern können. Nachdenklich bin ich jetzt noch einige Tage nach Beenden des Buches und das wird auch noch einige Zeit anhalten. Somit gibt es von mir eine eindeutige Leseempfehlung, wenn sich über die schweren Thematiken bewusst gemacht wurde.

Bewertung vom 14.05.2024
Sorry not sorry
Landsteiner, Anika

Sorry not sorry


ausgezeichnet

Ein feministischer Blick auf die Scham

“Sorry not sorry” von Anika Landsteiner ist ein Sachbuch über Scham, insbesondere die weiblich sozialisierter Menschen. Die Autorin wird dabei zum Teil sehr persönlich und erzählt aus ihrem Leben, wodurch das Buch inhaltlich wie sprachlich nach meinem Empfinden gut zugänglich wird. Sie gliedert die verschiedenen Aspekte in übergeordnete Punkte wie Körper, Finanzen, das Thema Beziehung, angefangen beim Single-Dasein bis zur Familienplanung, Selbstbestimmung und Gewalt und räumt dabei einige Vorurteile und gesellschaftliche Strukturen auf.

Das Buch ist durchgehend eine Kritik an dem Patriarchat und die fein abzweigenden Strukturen, die eng damit einhergehen. Die Absurdität mancher Denkweisen, die einige Menschen noch heute teilen, macht mich immer wieder fassungs- und hilflos. Deshalb bin ich sehr dankbar für das, was Anika Landsteiner hier geschaffen hat. Denn auch wenn viele der Punkte und Fakten mir bereits bekannt waren, habe ich auch neue Perspektiven und Wissen dazugewonnen. Der Fokus auf die Emotion Scham fand ich sehr gelungen und treffend. Ich habe mich selber in vielen Beschreibungen wiedergefunden und konnte diese nachempfinden. Ich denke, dass das Buch für viele Frauen heilsam sein könnte, da es einen sachlichen und erklärenden Blick auf die Emotion hat, die uns sonst so oft gefangen hält. Zum Schluss hält die Autorin ein Plädoyer für kontrollierte Wut, die sich aufgrund ihrer engen Verbundenheit zur Scham sehr häufig als gesündere und selbstwirksamere Wahl herausstellt. Auch das hat wieder einen persönlichen Nerv in mir getroffen, denn ich arbeite im Rahmen meiner Therapie gerade selber an meiner Wutkraft.

“Sorry not sorry” ist eine Mischung aus Fakten, persönlichen Anekdoten und einer guten Prise Sarkasmus, wodurch das Buch ebenso informativ wie unterhaltsam zu lesen und ein guter Einstieg in die Thematik ist. Ein unglaublich wichtiges Werk, von dem ich mir sehr wünschen würde, dass wirklich jede Person dieses Buch lesen und verinnerlichen würde.

Bewertung vom 09.05.2024
Der Spiegelorden
Bottlinger, Andi

Der Spiegelorden


sehr gut

Eine Prophezeiung mit ungewöhnlicher Umsetzung

“Der Spiegelorden” von Andi Bottlinger ist ein epischer High Fantasy Einzelband. Das Land Gerien wird überfallen und die Königin opfert ihre Freiheit für die kleine Nauri. Als Wiedergeburt der Magierin Nauranda, ist sie die prophezeite und letzte Hoffnung Geriens. Mit Leibwächter Darien und Hochlandkrieger Bjoron, die sich beide gerne mal in die Haare bekommen, versuchen sie zu fliehen und Nauri in Sicherheit zu bringen. Doch der Feind hat seine Augen überall und so müssen sie sich ihm schneller stellen als geplant.

Der Schreibstil hat mir gut gefallen, wir erleben die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, die einen mit kurzen Kapiteln abwechselnd durch die Geschehnisse leiten, nach und nach zusammenführen und langsam die Geheimnisse und Prophezeiungen der Welt offenbaren. Besonders hierdurch, aber auch die unterschiedlichen Charaktere, war die Handlung für mich durchgehend spannend.

Die Charaktere sind in meinen Augen gut und authentisch beschrieben, handeln aus individuellen Antrieben und machen die Geschichte somit komplex und zum Teil auch sehr tiefgründig. Es werden immer wieder Gedanken beschrieben, Konflikte eingebaut oder Selbstverständlichkeiten besprochen, die es in unserer Gesellschaft noch nicht gibt, sodass man dies auch über das Buch hinaus interpretieren kann, wodurch es zum Nachdenken anregt. Außerdem haben wir eine diverse queere Repräsentation, was mich sehr gefreut hat.

Aus Gründen, die ich selber nicht ganz greifen kann, fehlt mir aber leider der letzte Funken zu einem Highlight. Trotzdem möchte ich das Buch sehr gerne an Fantasy-Lesende weiterempfehlen, die eine etwas andere Geschichte, als die aktuell den Buchmarkt dominierenden, suchen.

Bewertung vom 05.05.2024
Wendy, Darling - Dunkles Nimmerland (mit gestaltetem Farbschnitt)
Wise, A. C.

Wendy, Darling - Dunkles Nimmerland (mit gestaltetem Farbschnitt)


sehr gut

Wie Wendy erwachsen wurde

“Wendy, Darling” von A. C. Wise erzählt eine alternative, düstere Geschichte von Peter Pan mit Wendy als Protagonistin und wie sie als Erwachsene zurück nach Nimmerland muss, um ihre Tochter Jane zu retten. Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Wir lesen abwechselnd aus Wendys und Janes Perspektive und bekommen zwischendurch Rückblicke auf Wendys Vergangenheit in Nimmerland, aber wir erfahren auch, wie es ihr nach ihrer Rückkehr ergangen ist. Dabei habe ich immer wieder eine große Wut über all die Ungerechtigkeiten empfunden, die Wendy, und später auch Jane, erleiden mussten.

Trotzdem erleben wir zwei sehr starke Protagonistinnen mit enger Mutter-Kind-Bindung, die sich ihren Ängsten stellen, mutig sind, tiefe Freundschaften aufbauen und dabei nicht vergessen zu glauben. Besonders wiederkehrende Gedanken über die Ungerechtigkeiten der damaligen Zeit (zum Teil bis heute noch) gegenüber Frauen, der Widerstand, den die beiden leisteten und der Wunsch nach Selbstbestimmung haben mir sehr gefallen und wurden gut in die Geschichte eingearbeitet.

Der Schreibstil hat mir gefallen und ich konnte mir die Welt gut vorstellen, mich in Wendy und Jane einfühlen und ihre Emotionen nachempfinden. Die düstere Atmosphäre konnte mir dabei authentisch rübergebracht werden.

Leider habe ich auch zwei Kritikpunkte, wodurch das Buch kein Highlight für mich werden konnte. Zum einen fiel mir der Start in die Geschichte schwerer, da mir der Erzählstil etwas zu langsam war und dadurch für meinen Geschmack einige Längen aufwies. Zum anderen sind die Kapitel zum Teil sehr lang, eines hat beispielsweise 70 Seiten, wer damit ebenfalls Probleme hat, sollte sich dessen vorher bewusst sein. In Kombination haben die beiden Punkte dann leider öfter mal dazu geführt, dass es mir zwischendurch schwer fiel, zu dem Buch zu greifen.

Alles in allem kann ich “Wendy, Darling” jedem empfehlen, der Lust auf eine düstere Peter Pan Interpretation hat.

Bewertung vom 26.04.2024
Das Mondscheincafé Bd.1
Mochizuki, Mai

Das Mondscheincafé Bd.1


sehr gut

Katzen, Astrologie und leckeres Essen

In “Das Mondscheincafé” von Mai Mochizuki geht es um verschiedene Menschen, die beruflich oder privat momentan auf der Stelle treten und einen guten Rat gebrauchen könnten. Diesen Personen erscheint in Vollmondnächten das Mondscheincafé, welches von Katzen geführt wird. Das Konzept beruht auf dem japanischen Mythos, dass Katzen den Menschen, die sie gut behandelt haben, etwas zurückgeben möchten. Allerdings lässt die Autorin zudem noch die westliche Astrologie einfließen und somit entsteht eine interessante Kombination aus dem japanischen Mythos, der Astrologie und Katzen, die wirklich leckere und besondere Gerichte und Getränke servieren und gleichzeitig ihren Gästen im Mondscheincafé helfen, aus deren momentanen misslichen Lagen schlau zu werden und diese positiv zu beeinflussen.

Dabei ist der Schreibstil von Mai Mochizuki super flüssig und bildlich zu lesen, man wird förmlich in das Buch gesogen und ich habe mich gefühlt, als wäre ich selbst an den beschriebenen Orten anwesend gewesen. Die Handlung wirkt am Anfang etwas verwirrend, dies legt sich mit fortlaufender Handlung aber immer mehr und man versteht die Zusammenhänge der Charaktere untereinander besser.

Das Buch ist sehr stark auf Astrologie bezogen, was vielleicht nicht für jeden etwas ist. Jedoch ist dies so gut in den japanischen Mythos eingearbeitet, dass es nicht störend oder seltsam wirkt und beides gut miteinander vereint.

Die Geschichte regt zum Nachdenken über sich selbst, über seine momentane Situation oder generell sein bisheriges Leben an und es gibt im Buch viele Aussagen, die einem im Gedächtnis bleiben. Es geht ebenfalls darum, sich selbst besser verstehen zu lernen, zu reflektieren und zu finden.

Das Mondscheincafé ist ein Buch, welches ich Leuten empfehlen würde, die sich für japanische Mythen und Sagen, für Japan an sich, für Astrologie, für Katzen und/oder leckere Desserts interessieren. Im Grunde kann eigentlich jeder dieses Buch lesen, da es sehr entspannend zu lesen war und einem doch auch länger im Gedächtnis bleibt.

Bewertung vom 24.04.2024
Während ich hier bin
Steele, Emma

Während ich hier bin


sehr gut

Rührend, emotional und lebensbejahend

“Während ich hier bin” von Emma Steele erzählt davon, sein Leben trotz schwerer Schicksale nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten und dabei über seine Ängste hinauszuwachsen. Es lehrt uns, das Leben wertzuschätzen und lieben zu lernen, auch mal Risikos einzugehen und über seinen eigenen Schatten zu springen.

Maggie hatte vor einem Jahr eine Herztransplantation. An ihrem ersten Jahrestag bricht sie allerdings zusammen und findet sich im Körper von Emily in der Vergangenheit wieder. Nach anfänglicher Verwirrung über ihren Zustand, was ich authentisch beschrieben fand, fängt Maggie durch diesen Perspektivwechsel an, ihr Leben das erste Mal seit langer Zeit in vollen Zügen zu genießen. Sie schließt Freundschaften, verliebt sich und gewinnt immer mehr an Selbstbewusstsein und Lebensfreude. Doch zwischen den beiden Frauen gibt es eine Verbindung, die Maggie vor eine schwere Entscheidung stellt.

Der Schreibstil Steeles ist dabei angenehm und flüssig zu lesen, die Charaktere waren gut ausgearbeitet, sodass man Beziehungen und Entscheidungen gut nachempfinden konnte. Besonders Maggies Entwicklung fand ich rührend und inspirierend, ich habe für mich selber einiges mitgenommen.

Lediglich ein paar Stellen in der Mitte des Romans fand ich etwas langatmig und vorhersehbar, da die Protagonistin recht lange gebraucht hat, sich doch sehr offensichtliche Fragen zu stellen und zu beantworten. Und auch zum Ende wurden einzelne Fragen unbeantwortet gelassen, beziehungsweise für meinen Geschmack unbefriedigend gelöst, was der Botschaft an sich letztendlich aber keinen Abbruch tut.

Alles in allem eine schöne Geschichte, die trotz ihrer Traurigkeit ebenso lebensbejahend und positiv ist und sich dadurch umso mehr zu lesen lohnt.

Bewertung vom 22.04.2024
Was das Meer verspricht
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


sehr gut

Eiskaltes Meer

“Was das Meer verspricht” von Alexandra Blöchl handelt von Vida, deren Leben auf der kleinen Insel N. seit jeher festgeschrieben ist und die mit der Ankunft Maries beginnt, zu hinterfragen und mehr vom Leben zu erwarten.

Vida lebt ihr ganzes Leben schon auf N., möchte später einmal das Geschäft ihres Vaters übernehmen, in dem sie heute schon arbeitet und ist mit ihrem Kindheitsfreund verlobt. Nachdem Marie unerwartet ins Haus gegenüber zieht und als Meerjungfrau Interesse wie Verwunderung auf sich lenkt, schließen die beiden jungen Frauen Freundschaft und es entwickelt sich darüber hinaus eine Bindung, durch die Vida einen immer stärkeren Wunsch nach Veränderung bekommt. Doch als Vidas Bruder Zander nach Jahren wieder auf die Insel zurückkehrt, steigert sich die Handlung zunehmend zu einer Katastrophe, die das Leben aller Beteiligten ein weiteres Mal durcheinanderwirft. Dabei macht die Handlung, unterteilt in fünf Abschnitte, den Eindruck einer klassischen Tragödie.

Der Schreibstil Alexandra Blöchls ist angenehm und flüssig, zum Teil sogar schon poetisch, was mir sehr gefallen hat. Außerdem fliegt man wegen der kurzen Kapitel geradezu durch die Geschichte und bis zu circa zwei Dritteln ist die Handlung seicht, ruhig und atmosphärisch, geprägt durch eine besondere Freundschaft. Mit Zanders Ankunft ändert sich dies schlagartig und es entspinnt sich ein stilles Drama aus Eifersucht, wobei ich Vidas Gefühle sehr gut nachempfinden konnte, auch wenn ich mir von allen ein anderes Handeln gewünscht hätte.

Wir dringen tief in Vidas Gedanken- und Gefühlswelt ein und ihre Emotionalität konnte mich überzeugen und mitreißen, selten habe ich beim Lesen solch eine starke Wut empfunden.

Was ich vom Ende der Geschichte halten soll, bin ich mir noch nicht sicher, allerdings ist mir das Buch vielleicht auch gerade deshalb so einprägsam in Erinnerung geblieben.

“Was das Meer verspricht” konnte mich letztendlich schockieren und zum Grübeln bringen und war, zumindest zum Ende, nicht unbedingt ein angenehmes Buch zu lesen. Somit kann ich das Buch nicht ganz uneingeschränkt empfehlen, mir hat es aber gut gefallen und durch die starken Emotionen, die ich beim Lesen hatte, werde ich bestimmt noch oft daran zurückdenken.

Bewertung vom 19.04.2024
Spinne und Glühwürmchen: Romantische und zerreißende Dystopie
Stehr, Jana

Spinne und Glühwürmchen: Romantische und zerreißende Dystopie


sehr gut

Intensiv, düster und romantisch

“Spinne und Glühwürmchen - Gefangen” ist der erste Teil einer düsteren, romantisch - tragischen Dystopie von Jana Stehr. Juriana ist ein Forschungsexperiment und die Simulation, in der sie lebt, bricht eines Tages zusammen. Auf der zerstörten und unbewohnbaren Erde wird sie von einem anderen Forschungsteam gefunden wieder gefangen genommen. Sie trifft auf den Professor, die Spinne, und ihre frühere Liebe Aleksej und verwickelt sich immer stärker in ein Netz aus Lügen und Misstrauen, verbotenen Gefühlen und Begehren, das ich selbst als Leserin nicht zu entwirren vermochte.

Das Erste, was auffällt, ist der außergewöhnliche und einzigartige Schreibstil, zumindest habe ich zuvor nichts Vergleichbares gelesen. Wir erleben die Gedankenwelt der Protagonistin Juriana, wodurch die Sätze zum Teil kurz oder verworren sind. Und es gibt Gedanken, die Juriana nicht denken darf, welche durchgestrichen sind. Als Leserin hat mir dies ein stärkeres Gefühl von Tiefe gegeben, da somit noch mehr Ehrlichkeit, innere Zerrissenheit und Schmerz der Protagonistin rübergebracht wurden.

Juriana, Aleksej und die Spinne sind interessante Charaktere, die mich immer wieder überraschen konnten, die sich mal nah und fern angefühlt haben und die sich nicht in Schubladen wie Held*in oder Bösewicht einordnen lassen. Außerdem bleiben sie bis zum Ende undurchschaubar, was für mich den besonderen Reiz und die Spannung der Geschichte ausmacht. Ich habe mit jeder Seite, Stück für Stück, mehr Vertrauen verloren. Trotzdem hat Jana Stehr es geschafft, dass ich die Freundschaft und Anziehung zwischen den Charakteren nachempfinden konnte. Mein Verständnis von Gut und Böse hat sich immer wieder verschoben und ich habe die Fähigkeit verloren, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Auch nach Ende von Band 1 bleibe ich mit mehr Fragen als Antworten zurück, sodass ich mich sehr auf den zweiten Teil freue.

Ein sehr gelungener Auftakt, den ich jedem empfehlen kann, der Lust auf eine besondere Geschichte und ein intensives Leseerlebnis hat und starke Nerven besitzt. Der sich blind in das Netz einer Spinne fallen lassen und seine eigenen Überzeugungen in Frage stellen möchte.