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sofie

Bewertungen

Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2015
Still
Raab, Thomas

Still


ausgezeichnet

Bisher kannte ich den Autor Thomas Raab durch seine Metzger-Reihe, die mir sehr gut gefällt. Auch darin wird schon sein wunderbarer Umgang mit der Sprache deutlich, dort allerdings mit viel Humor und viel gut platziertem Dialekt.
„Still“ wird zwar auch dem Krimigenre zugeordnet, ist aber ganz anders. Der Klappentext spricht von einem „berauschendem Leseerlebnis“ und dem kann ich mich nur anschließen. Und auch der Untertitel „Chronik eines Mörders“ trifft es genau, denn das Leben des Protagonisten Karl Heidemann wird in allen Etappen geschildert – von den Leben seiner Eltern, ihrer Begegnung, seiner Geburt bis hin an sein Lebensende. Und es ist ein ungewöhnliches und auch brutales Leben – auf der Suche nach Stille.
Raab verwendet eine klare, prägnante Sprache. In wenigen Worten beschwört er eine Stimmung und eine Situation, ja ein ganzes Leben herauf. Ich finde immer, ein guter Schreibstil lässt sich daran messen, dass jedes weggelassene Wort fehlen würde, und jedes hinzugenommen wäre zu viel. Und genau so ist es hier. „Bald kannte Karl die Abgründe seiner Mitmenschen, wusste von gespielter Freundlich- und gelebter Herzlosigkeit, wusste von öffentlichen Heiligen und privaten Tyrannen, wusste von offenbarter Gleichgültigkeit und heimlicher Liebe.“ (S. 99)
Es gibt einige Elemente eines klassischen Krimis – mehrere Morde, einen ermittelnden Kommissar – aber ein klassischer Krimi ist „Still“ trotzdem nicht. Es werden vor allem die Hintergründe und Beweggründe des Mörders ergründet und beschrieben.
Ich bin auf jeden Fall hin und weg und freue mich auf weitere solche Romane von Thomas Raab. 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 17.01.2015
Stammtischmorde III

Stammtischmorde III


sehr gut

Der dritte Band der Leipziger Stammtischmorde und die dritte Rezension von mir dazu. Da wird es Zeit für ein Fazit, denn die Stärken und Schwächen der Anthologien gleichen sich eigentlich in allen drei Bänden.
Positiv hervorzuheben in allen Bänden ist die gute Mischung aus verschiedenen Krimigenres. Mal sind sie witzig, mal schon fast ein Thriller, mal klassische Ermittlungsarbeit. Einige der Autoren wagen sich auch an außergewöhnliche Themen. So hat mir auch in diesem Teil wieder der Krimi von Mandy Kämpf ganz besonders gefallen, der einen ganz besonders perfiden Mordplan verfolgt. Traude Engelmann ist bereits zum dritten Mal dabei und auch sie überzeugt wieder mit einer tollen Geschichte mit überraschendem Ende.
Wie auch schon bei den beiden Vorgängerbänden gibt es natürlich auch immer wieder Krimis, die einem nicht gefallen. Gefühlt waren es diesmal für mich ein paar mehr die mich entweder nicht angesprochen haben. Gar nicht passend fand ich z.B. leider den Beitrag des Polizeipräsidenten Bernd Merbitz. Da hätte ein Lektor oder ein Autorenkollege sprachlich noch mal kräftig nachbessern müssen.
Überhaupt hätte ich mir diesmal ein etwas sorgfältigeres Lektorat gewünscht. Immer wieder fehlen Satzzeichen und ähnliche Fehler. Trotzdem gibt es von mir wieder 4 von 5 Sternen und ich warte weiter geduldig auf ein ganzes Buch von Mandy Kämpf.

Bewertung vom 14.12.2014
Eis
Lundberg, Ulla-Lena

Eis


ausgezeichnet

Wer auf der Suche nach einem spannenden „Pageturner“ mit viel Handlung, Wendungen und unerwarteten Ereignissen ist, der sollte um „Eis“ lieber einen großen Bogen machen. Denn „Eis“ ist ein wunderbar ruhiger und unaufgeregter Roman, der sich Zeit nimmt für seine Geschichte, seine Figuren und die Landschaft, in die beide gesetzt werden. Das heißt nicht, dass gar nichts passiert. Aber so wie die Örar-Inseln, auf die Pfarrer Petter Kummel geschickt wird etwas ab von allen Schiffsrouten und dem Weltgeschehen sind, so ist auch der Roman etwas entrückt.
Die Themen allerdings sind vielfältig und die Autorin Ulla-Lena Lundberg versteht es meisterhaft, diese unaufdringlich in den Roman einzuweben. Es geht um Liebe, Vertrauen, die Anpassungsfähigkeit des Menschen an die Natur und umgekehrt. Es geht um Arbeit und Familie, den Zusammenhalt in einer Gemeinde und die Schwierigkeiten und Herausforderungen eines Lebens als Pfarrer. Vorgestellt wird dabei eine ganz besondere Landschaft, die Örar-Inseln zwischen Finnland und Schweden. Und dann spielt der Roman auch noch in einer besonders interessanten Zeit, nämlich direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Finnland teilt sich eine Grenze mit der Sowjetunion und auch das spielt eine Rolle, auch wenn das Weltgeschehen etwas braucht, bevor es auf den Inseln ankommt.
„Eis“ ist also der perfekte Roman für einen kalten Winterabend, den man sich am besten mit etwas Zeit und einem guten Tee und vor allem viel Ruhe zu Gemüte führt. Ich kann es auf jeden Fall empfehlen! 5 von 5 Sternen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.12.2014
Die Stadt, in der ich lebe

Die Stadt, in der ich lebe


ausgezeichnet

14 Auslandskorrespondenten des ORF berichten über die Stadt, in der sie leben. Von Berlin bis Peking wird hier eine bunte Auswahl an großen Städten vorgestellt, wobei der Schwerpunkt aber auf Europa liegt. Das Buch ist kein Reiseführer und will das auch nicht sein, stattdessen werden die einzelnen Städte und Länder aus der Perspektive eines Expats, der dort lebt, geschildert. So bekommt man als Leser zum einen Insider-Tipps für einen Besuch (am Ende jedes Kapitels werden diese nochmal extra mit Adresse und Beschreibung aufgelistet), aber auch Schilderungen der aktuellen politischen und sozialen Situation und einen Einblick in die Arbeit eines Auslandskorrespondenten.
Das bringt ein bisschen die Gefahr mit sich, dass das Buch sehr schnell veraltet. Der Bericht aus Moskau ist wirklich hochaktuell, der Beitrag zu Tel Aviv hingegen schon fast wieder überholt. Aber das macht auch einen gewissen Reiz des Buches aus. Manche Themen ziehen sich dabei durch mehrere Beiträge – hohe Mietpreise, Gentrifizierung und das Abreißen von alter Bausubstanz sind Probleme, die sich in vielen Großstädten zeigen. In Städten wie Kairo, Moskau oder Peking ist es auch sehr interessant zu sehen, welche Möglichkeiten die Journalisten haben.
Die Gestaltung des Buchs ist hochwertig und die Berichte werden durch viele Fotos ergänzt.
Insgesamt kann ich dieses spannende und informative Buch wirklich weiterempfehlen. Wer allerdings einen Reiseführer erwartet, sollte sich vielleicht doch eher an Marco Polo wenden. 5 von 5 Sternen gibt es dafür von mir.

Bewertung vom 31.10.2014
Die Lebenden und die Toten / Oliver von Bodenstein Bd.7  (Restauflage)
Neuhaus, Nele

Die Lebenden und die Toten / Oliver von Bodenstein Bd.7 (Restauflage)


gut

Man soll ja bekanntlich aufhören wenn es am schönsten ist. Und ich befürchte, die Krimireihe um Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein hat so langsam ihren Zenit überschritten. Wieder haben die beiden mehrere Morde aufzuklären, ein Sniper macht den Taunus unsicher und die Bevölkerung verfällt schnell in Panik. Die Kommissare kommen allerdings bald dahinter, dass der Täter seine Opfer keineswegs wahllos aussucht.
Die Geschichte war durchaus spannend und nach alt bewährtem Rezept geschrieben. Allerdings erschien mir diesmal doch so einiges unglaubwürdig. Zum einen ist mir diesmal extrem aufgefallen, dass die Personen oft doch sehr gekünstelt sprechen. Niemand würde im wahren Leben solche Dialoge führen. Das war sicher auch schon bei den Vorgängerbüchern der Fall, aber hier ist es mir ganz besonders aufgefallen. Außerdem scheinen die Kommissare überhaupt kein Privatleben mehr zu haben. Pia lässt für den Fall sogar ihre Hochzeitsreise platzen. Bei Bodenstein wird am Anfang ein Konflikt im Privatleben angedeutet und zum Schluss dann auch aufgelöst. Doch zwischendrin passiert einfach gar nichts in dieser Sache und man fragt sich, wie denn dann die Lösung zum Schluss gekommen ist.
Dem Team wird außerdem ein Profiler zur Seite gestellt, der natürlich für Unruhe im Team sorgt (ansonsten wäre es mittlerweile auch zu harmonisch). Wirklich neu ist diese Idee natürlich nicht und auch hier wird der Wichtigtuer schnell entlarvt.
Das heißt jetzt nicht, dass mir das Buch überhaupt nicht gefallen hat. Es ist schon immer noch eine nette Unterhaltung für zwischendurch, spannend und zum Mitraten. Aber vielleicht sollte diese Reihe so langsam an ihr Ende kommen und Platz machen für neue Charaktere mit neuen, frischen Fällen.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2014
Heimflug
Sonnenberg, Brittani

Heimflug


sehr gut

"Anders gesagt, wird die selige Selbstvergessenheit der guten Jahre bald seziert, memoriert, fossiliert und fein säuberlich in ein Konservenglas mit dem Etikett "Heimat" gegeben werden." (S. 144)
Was bedeutet Heimat, wenn man irgendwie überall zu Hause ist. Ist es der Ort, an dem man geboren wurde? Wo man aufgewachsen ist? Wohin es einen zieht? Oder sind es die Menschen, die das Heimatgefühl ausmachen? Und wenn dem so ist, was passiert, wen man einen dieser Menschen verliert?
All diesen Fragen geht Brittani Sonnenberg in ihrem Roman „Heimflug“ nach. Es geht um die Familie Kriegstein, vor allem um die Eltern Chris und Elise und ihre Töchter Leah und Sophie. Chris zieht es immer wieder beruflich ins Ausland, nach Deutschland, Großbritannien, China, Russland. Und seine Familie folgt ihm meistens. Im Sommer fahren die Kriegstein-Frauen dann in den „Heimaturlaub“ in die USA. Ein Ereignis in Shanghai lässt die Familie jedoch fast zerbrechen.
Mit geschickten Perpektiv- und Zeitwechseln erzählt die Autorin die Geschichte der Familie. Im Mittelpunkt steht dabei die „Kernfamilie“, es kommen aber auch die Vorfahren zu Wort und im allerersten Kapitel sogar das Haus, in dem Elise aufgewachsen ist. So bekommt man als Leser wirklich einen Rundumblick und vor allem einen Einblick in die Heimatgefühle von Expat-Kindern. Mir haben diese Zeitsprünge und vielen Wechsel der Perspektiven sehr gut gefallen, an manchen Stellen hätten die interessanten Ansätze aber auch noch etwas weiter geführt werden können.
Wenn man sich den Lebenslauf der Autorin anschaut, sind hier sicher auch sehr viele autobiografische Elemente verarbeitet worden. Ich kann diesen Debütroman auf jeden Fall weiterempfehlen und bin sehr gespannt, was man in Zukunft noch von Brittani Sonnenberg lesen kann. Ein bisschen Luft nach oben ist auf jeden Fall noch. 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 23.08.2014
Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3
Kutscher, Volker

Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3


sehr gut

Im dritten Buch der Krimireihe um den Ermittler Gereon Rath befinden wir uns mittlerweile im Jahr 1931. Rath soll den amerikanischen Gangster Abraham Goldstein, Namensgeber dieses Buchs, observieren, um sicherzustellen, dass er bei seinem Aufenthalt keinen Mord begeht. Doch wie immer reicht das Rath natürlich nicht und er ermittelt noch in einigen anderen Fällen mit.
„Goldstein“ hat mir wie auch die beiden Vorgängerbücher sehr gut gefallen. Ein Krimi, der sich einerseits schnell weglesen lässt, andererseits aber alles andere als seicht ist. Die besondere Atmosphäre Berlins Anfang der 30er Jahre wird wieder gut eingefangen und die historischen Umstände sind, soweit ich das beurteilen kann, gut recherchiert. Der Fall bzw. die Fälle sind sehr spannend, auch wenn ich ein bisschen vor Herrn Rath bereits eine Idee hatte, wer der Täter sein könnte.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass sich der Protagonist so langsam doch ein wenig weiterentwickelt, denn das Schema seiner Ermittlungen ist mittlerweile bekannt. Wieder ist er der einsame Wolf, der lieber allein und gerne auch mal ohne Auftrag ermittelt. Wieder bringt er damit sich selbst und andere in Gefahr. Wieder ist das alles nicht so ganz legal. Auch das ewige hin und her zwischen ihm und Charly könnte so langsam mal ein Ende haben. Stattdessen hätte ich mir gewünscht, vielleicht etwas mehr über seine Kollegen zu erfahren. Reinhold Gräf zum Beispiel, den wir jetzt auch schon drei Bücher kennen, der aber immer noch etwas blass bleibt.
Ein Unterschied zu den Vorgängerbänden scheint für mich aber die Steigerung der Brutalität zu sein. Besonders eine Vergewaltigungsszene fand ich doch sehr plastisch geschildert.
Das Buch endet in einem großen Showdown, der mir gut gefallen hat. Leider bleiben einige Erzählstränge ungelöst und einige Charaktere verschwinden eher sang- und klanglos von der Bildfläche.
Insgesamt wurde ich trotzdem wieder sehr gut unterhalten, würde mir aber für den nächsten Band doch eine kleine Variation des bekannten Schemas wünschen. 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 01.06.2014
Ein unmögliches Leben
Greer, Andrew Sean

Ein unmögliches Leben


weniger gut

Die Grundidee von „Ein unmögliches Leben“ hat mir wirklich gefallen. Es geht um Greta Wells aus dem Jahr 1985 in New York, die ihren homosexuellen Bruder durch AIDS verliert. Dieser Verlust stürzt sie in eine Depression und ihr Arzt schlägt ihr deshalb eine Elektroschocktherapie vor. Die Therapie hat bei ihr aber ungeahnte Nebenwirkungen, denn nach der ersten Behandlung findet sie sich im Jahr 1918 wieder, nach der zweiten im Jahr 1941 und nach der dritten wiederrum in ihrem eigenen Leben. Und so weiter.
Klingt spannend? Dachte ich auch. Die Daten sind natürlich nicht zufällig gewählt – 1918 das Ende des Ersten Weltkriegs, 1941 der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Leider macht der Autor aus dieser wirklich guten Prämisse nichts. Die vergangenen Zeiten bleiben eine bloße Kulisse, die beiden Kriege nur Gründe dafür, warum Gretas Mann Nathan nicht da ist oder gehen muss. Viele Dinge werden angedeutet, aber nichts in die Geschichte wirklich verwoben.
So ist Gretas Vater zum Beispiel Deutscher. Es ist wäre spannend gewesen, was das in den Jahren 1918/41 bedeutet. Nur erfährt man darüber leider nichts. Fühlt sich die Protagonistin als Deutsche oder als Amerikanerin? Was bedeutet es für sie, dass diese beiden Länder Krieg führen? Von Greta erfährt man nichts dazu, sie reflektiert es überhaupt nicht. Einige Dinge werden angedeutet – ihr Bruder Felix wird zum Beispiel verhaftet – aber alles bleibt oberflächlich. Gretas Meinung lässt sich in „Krieg ist schlimm“ zusammenfassen.
Statt auf die jeweiligen Besonderheiten der Zeiten einzugehen, geht es um die Beziehung von Greta zu ihrem Mann Nathan – in der einen Welt getrennt, in den anderen nicht – und zu ihrem Bruder. Ihr Mann hat eine Geliebte, sie hat einen Geliebten, ihr Bruder ist verheiratet und hat einen Geliebten und das ganze dann in drei Welten.
Der Schreibstil konnte mich leider auch nicht überzeugen. Ausschweifende Beschreibungen der Umgebung, aber die Charaktere – ganz besonders Greta – bleiben blass und oberflächlich. Mir fehlte einfach der Tiefgang. Hier und da holpert dazu auch die Übersetzung.
Insgesamt kann ich hier nur zwei Sterne für die wirklich sehr gute Grundidee vergeben. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass sich hier irgendwo tief drinnen ein gutes Buch versteckt, das der Autor aber nicht rauslassen wollte.

Bewertung vom 25.05.2014
Vor dem Fest
Stanisic, Sasa

Vor dem Fest


ausgezeichnet

„Fremde kommen selten zu uns. Selten bleiben sie.
Selten bleiben uns Fremde, die länger bei uns bleiben, fremd.
Selten freunden wir uns mit den Fremden an, auch wenn sie länger bei uns bleiben.“ (S. 253)
Fürstenfelde, ein Dorf in der Uckermark, in der Nacht vor dem großen Dorffest, dem Annenfest. Ein fiktives Dorf, das aber genau so irgendwo in der Uckermark existieren könnte.
Auf etwa dreihundert Seiten begleitet der Leser einen Wir-Erzähler durch das Dorf und durch die Nacht und lernt dabei einige Charaktere kennen, die irgendwie zu jedem Dorf gehören und hier ganz liebevoll dargestellt werden. Dazu gehört zum Beispiel Frau Schwermuth, die Dorfchronistin, die all die alten Geschichten kennt und die Hüterin des Archivariums und gleichzeitig Vorsitzende des Hauses der Heimat ist. Ihr Sohn Johann passt so gar nicht in das Klischee eines ostdeutschen Jugendlichen, er ist mir beim Lesen ganz besonders ans Herz gewachsen. Dann gibt es noch Herrn Schramm, „ehemaliger Oberstleutnant der NVA, dann Förster, jetzt Rentner, und, weil es nicht reicht, schwarz bei Von Blankenburg Landmaschinen“. Dietmar Dietze, genannt Dietzsche, zu DDR-Zeiten Postbote, nun ein Einzelgänger, dem der Vorwurf des Spitzelns anhaftet. Und noch einige mehr.
Der Wir-Erzähler wirkte auf mich manchmal wie eine Art Dorf-Kollektiv aus allen Zeiten zusammengesetzt. Überhaupt hat mir gefallen, wie das Dorf in den verschiedenen Zeiten dargestellt wurde. Besonders der Rückblick in die DDR ist dabei interessant, da er zeigt, dass die Menschen eigentlich dieselben sind, aber die Zeiten haben sich geändert.
Stanišićs Sprache ist brillant, jedes Wort sitzt gefühlt am richtigen Fleck, oft musste ich schmunzeln und einige Zeilen noch mal lesen, weil sie einfach so schön waren. Auch die Textgestaltung hat mir in „Vor dem Fest“ sehr gut gefallen. Dazu noch ein tolles, edles Cover auf dem schon einer der Hauptcharaktere abgebildet ist.
Insgesamt für mich also ein rundum gelungener Roman, bei dem mir vieles so bekannt und vertraut vorkam, dass ich zum Schluss ein wenig traurig war, dass es schon vorbei ist.

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.