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Paragraphenreiterin

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Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 30.09.2022
Kochen am offenen Herzen
Strohe, Max

Kochen am offenen Herzen


ausgezeichnet

Rezension zu "Kochen am offenen Herzen" von Max Strohe

In diesem teils autobiographischen, teils fiktiven Roman erzählt der Spitzenkoch, dessen Restaurant mittlerweile sogar mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, von seinen "Lehr- und Wanderjahren", wie er die verrückten und äußerst wilden Jahre seines Aufwachsens und Erlernens des Kochberufs selbst bezeichnet.
Kürzlich wurden nicht nur sein Service-Team und sein Sommelier mit begehrten Auszeichnungen geehrt, sondern auch Max Strohe selbst vom Rolling Pin zum Chef des Jahres gewählt worden. Nebenbei ist er gefühlt ständig in dem Genuss zugeneigten deutschen Fernsehformaten zu sehen - Kitchen Impossible, The Taste und andere Shows rund ums Kochen, Schmecken und Essen.

Es scheint als würde Max Strohe, dem grade mal 40jährigen aufsteigenden Stern am deutschen Kochhimmel, alles gelingen was er rund um den Herd so angreift.
Doch wie sein Buch "Kochen am offenen Herzen" vermuten lässt, war dem nicht immer so. Ganz und gar nicht nämlich. Denn selbst wenn nicht alles im Buch (wie es am Anfang erwähnt wird) tatsächlich genau so passiert ist, ist es noch immer arg genug wie ich finde und kann man nur froh sein, dass Max dann doch immer wieder noch rechtzeitig richtig abgebogen ist in seinem Leben und er sein Talent nicht in einem Straßengraben hat liegen lassen. Dort hielt er sich nämlich Zeit seines jugendlichen Lebens gern mal auf - tatsächlich UND metaphorisch.

Sehr viel Drogen, sehr viel Sex, sehr viel Faulheit und Nichtstun, gleichzeitig vielharte Knochenarbeit um sich Geld für Drogen und andere Exzesse zu verdienen. So lässt sich der Großteil des Buchs inhaltlich zusammenfassen. Warum das Lesen darüber aber überhaupt nicht fad ist und einen irgendwie in eine andere Welt entführt, die das Buch zum Pageturner werden lässt, liegt vermutlich am echt guten Schreibstil des Autors. Ich mag seine teils wirre Aneinanderreihung von Sätzen und Wörtern. Die oft manuskriptartig zusammengefassten Abschnitte seines Lebens. Die Unverblümtheit und Selbstverständlichkeit mit der er über sehr intime Momente, seelische und körperliche Tiefpunkte und miese Entscheidungen schreibt.

Max Strohe lässt die sprichwörtlichen Hosen vor seinen Leser:innen runter. Als mache er ein Geständnis vor sich selbst. Eine Art Beichte. Vielleicht musste er sich einfach alles mal von der Seele schreiben und damit gleichzeitig einen Teil seiner Persönlichkeit konservieren, der so diametral zu dem steht, was der Autor heute verkörpert.
Wer Max Strohe nur aus dem Fernsehen oder als berliner Koch kennt, wird einen ganz neuen Eindruck von ihm bekommen und nebenbei auch noch Einblicke in die verschiedenen Facetten der Gastronomie und dass Koch eben nicht gleich Koch ist.

Ein unverzichtbares Buch für alle, die sich für die gehobene deutsche Küche interessieren, für Strohe-Fans, Kitchen Impossible - Süchtige oder die auf authentische "Aus-der-Gosse-zum-Star"-Geschichten stehen.

Bewertung vom 18.09.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


gut

Rezension zu "Intimitäten" von Katie Kitamura

Kurz zum Inhalt:
Eine erfolgreiche Dolmetscherin zieht nach Den Haag und wird dort mit allen dazugehörigen Herausforderungen konfrontiert: Neuer Job am Internationalen Gerichtshof, die Suche nach neuen Freund:innen und Kontakten, ein neuer Mann in ihrem Leben, der scheinbar einiges verbirgt und eine neue Wohnung in einer fremden Stadt, die auf den ersten Blick nicht sehr einladend wirkt. Es geht um die Suche nach Halt, nachdem der Erzählerin der gewohnte Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Die Suche nach Heimt. Nach dem Ankommen.

Es "menschelt" in diesem prosaischen Roman. Tatsächlich könnte die gesamte Geschichte ein kleiner Ausschnitt aus einem ganz normalen Leben sein. Sowas liest man nicht oft und ich bewundere die Autorin für ihren Mut, über so banale Inhalte zu erzählen. Der Schwerpunkt liegt nämlich definitiv nicht am Erzählten. Das ist recht schnell abgehandelt und erfassst. Wie der Titel "Intimitäten" schon verrät, möchte uns Katie Kitamura die intime Seite ihrer Protagonist:innen zeigen. Alles was einen Menschen "innen drin" wirklich bewegt, während er (oder in dem Fall sie) eben so durch die Höhen und Tiefen eines Alltags wandelt.
Das kann unglaublich spannend, mitreissend und berührend sein. Muss es aber nicht. Nämlich dann, wenn es nicht gelingt wirklich überraschende intime Einblicke zu schaffen. Das ist hier aus meiner Sicht leider passiert.
Es fängt stark an. Ich hatte permanent das Gefühl, dass die Geschichte in jedem Lesemoment kippen wird. In eine völlig andere Richtung. Es lag eine düstere Grundstimmung über dem Buch. Ich habe fest damit gerechnet, dass es in Richtung Krimi, Horror oder dergleichen gehen wird. Damit lag ich falsch. Dennoch habe ich dieses latente Spannungsgefühl beim Lesen sehr genossen.
Gefehlt hat mir letztendlich der Tiefgang. Die Gedanken, Emotionen und Reaktionen der vorkommenden Personen waren mir durchwegs zu vorhersehbar. Die Autorin konnte mich nicht überraschen oder schockieren oder eben sonst eine Gefühlsregung in mir auslösen, die über das Alltägliche hinausgeht. Das ist schade, denn deshalb lese ich. Die Geschichte und das Lesegefühl war mir einfach eine Spur zu gewöhnlich.