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Volker M.

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Insgesamt 430 Bewertungen
Bewertung vom 06.10.2024
Schöne Bescherung auf Compton Bobbin
Mitford, Nancy

Schöne Bescherung auf Compton Bobbin


sehr gut

Der Schriftsteller Paul Fotheringay ist todunglücklich über seinen neuen Roman, der sich gerade zum Bestseller entwickelt. Gedacht als Tragödie, wird er aus berufenem Munde zum „lustigsten Buch des Jahres“ erklärt, worauf Paul aus Scham inkognito zum abgelegenen Compton Bobbin flüchtet, wo er sich als Hauslehrer hat anstellen lassen. Doch ganz so abgeschieden ist Compton Bobbin dann doch nicht, denn zur Weihnachtszeit pflegt sich die weit verzweigte Familie um Lady Bobbin zu versammeln und darunter sind einige Personen, die Paul nicht unter dem Namen „Fisher“, sondern Fotheringay kennen. Außerdem ist er in einer geheimen Mission unterwegs, die Lady Bobbin ganz und gar nicht gutheißen würde...

Die Autorin Nancy Mitford gehörte zwar zur berüchtigten Mitford-Familie, die sich in den Dreißigerjahren als Bewunderer Hitlers und überzeugte Faschisten exponierte, stand aber der politischen Überzeugung ihrer Geschwister und Eltern sehr kritisch gegenüber. Während des Krieges arbeitete sie für die Regierung und diente u. a. als Informantin für die Umtriebe der Mitfords. Dennoch kannte sie das Leben der britischen Oberschicht sehr genau aus eigener Erfahrung. Sie wuchs in einem großen Herrenhaus mit viel Personal und wenig Kontakt zu ihren Eltern auf, die sie überdies von höherer Bildung fernzuhalten suchten. Das erklärt Nancys spöttische Haltung gegenüber der reichen, aber intellektuell herausgeforderten Elite, die mit ihrer Zeit und mit ihrem Geld nichts wirklich Sinnvolles anfangen kann. Hohlbirnen und Versager geben sich in Compton Bobbin die Klinke in die Hand, was erwartungsgemäß für kleinere und größere Verwicklungen sorgt. Die sorgfältige Schilderung des Tagesablaufs in einem englischen Landhaus aber auch die latente Untergangsstimmung, die bei aller vordergründiger Lustbarkeit den unaufhaltsamen Niedergang der Adelsklasse begleitet, fängt Nancy Mitford mit trockenem Humor ein. Die Konstellation, die sich vor allem um amouröse Verwicklungen, gelungene und weniger gelungene Anbahnungsversuche, um schräge Typen und blasierte Adelige dreht, erinnert auf den ersten Blick stark an die damals äußerst erfolgreichen Romane von P. G. Wodehouse, Mitfords Plot ist allerdings deutlich weniger klamaukig. Sie besitzt ein feines Gespür für den Zynismus des englischen Smalltalks, den sie perfekt in ihre Dialoge einbaut. Während Wodehouse jeden Freund einer guten Pointe opfert (Pointen setzen konnte er allerdings wie kein zweiter), bleiben bei Nancy Mitford die Personen immer noch glaubwürdige Menschen und werden nie zu Karikaturen ihrer selbst.

„Schöne Bescherung in Compton Bobbin“ liefert Einblick in eine untergegangene Welt, geschrieben von einer Autorin, die zwar selber zu dieser Welt gehörte, sich aber literarisch und im wahren Leben von ihr distanzierte. Ihr Stil ist humorvoll, aber die Geschichte kommt lange nicht vom Fleck. Bis alle Protagonisten vorgestellt und „in Position“ gebracht sind, ist das halbe Buch vorüber und auch danach entwickelt sich die Handlung ziemlich vorhersehbar. Das Buch ist kein Schenkelklopfer, aber es steckt voller Lokalkolorit und historischer Authentizität.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.10.2024
Japanischer Taschenkalender für das Jahr 2025
Matsuo Bashô

Japanischer Taschenkalender für das Jahr 2025


ausgezeichnet

Im Zeitalter von Smartphone und Computer sind gedruckte Taschenkalender fast schon ein Anachronismus, aber als alter Japan-Enthusiast verwende ich den japanischen Taschenkalender seit Jahren in erster Linie nicht um Termine zu notieren, sondern als kleines Tagebuch, in dem ich die wichtigsten Ereignisse kurz festhalte.

In seiner ästhetischen Schlichtheit und der Konzentration auf das Wesentliche folgt die Gestaltung den japanischen Grundtugenden. Nichts lenkt davon ab, sich intensiv mit den 53 Haiku zu beschäftigen, die den Wochenübersichten mit Tageseinträgen jeweils gegenübergestellt sind. Die Übersetzung ins Deutsche, die phonetische Transkription des japanischen Urtextes und eine Abbildung, das sind alle Elemente auf dieser Seite. Die sehr kenntnisreichen Kommentierungen auf der jeweiligen Rückseite sind von Ekkehard May mit Ergänzungen von Jörg B. Quenzer. So kann man sich zunächst eigene Gedanken machen, bevor man sich tiefer mit den kulturhistorischen Hintergründen oder den Doppelbedeutungen in der Übersetzung befasst. Gerade dieser Kontrast zwischen dem unmittelbar "Gespürten" und den fachlichen Erklärungen führt oft zu unerwarteten Erkenntnissen. Dann schrumpft eine Kulturdistanz von dreihundert Jahren und 9000 Kilometern plötzlich auf Armlänge zusammen. Für Haiku-Adepten gibt es auch die Möglichkeit, auf einer Extraseite pro Woche eigene Gedanken zu Papier zu bringen. Ich mache das jetzt schon länger und es hat sich für mich zu einer besonderen Form des Tagebuchs entwickelt.

Die 53 Haiku stammen diesmal vor allem von den Bashô -Nachfolgern des 18. Jahrhunderts, Buson und Takei Kitô, die selber Bashô zwar nicht mehr kennenlernten, aber seine Tradition fortführten. Alle Texte sind gemäß der japanischen Jahreszeiten geordnet, die teilweise um ein bis zwei Monate von unseren Einteilungen abweichen, aber diese Unterschiede werden im Vorwort gut erklärt.

Die Abbildungen stammen größtenteils aus japanischen Blockdruckbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts, darunter auch zahlreiche Zeichnungen aus der Feder Hokusais, und wurden thematisch treffend zugeordnet.

Neben der deutschen findet sich auch eine Liste japanischer Feiertage, was den Mythos der freizeitfeindlichen Japaner ein wenig korrigiert: In Japan gibt es, zumindest für staatlich Angestellte, deutlich mehr Feiertage als bei uns und sollte ein Feiertag auf ein Wochenende fallen, wird er auf den folgenden Montag verschoben. "Urlaub" machen Japaner in der Tat selten. Hält man es anders als die Japaner, kann man seinen Urlaub in der summarischen Vierteljahresübersicht eintragen.

Wer immer ein wenig Wabi und Sabi mit sich tragen möchte, für den ist dieser Taschenkalender nicht nur Organisationshilfe, sondern auch eine anregende Inspirationsquelle.

(Der Taschenkalender wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2024
Jessica Backhaus
Backhaus, Jessica

Jessica Backhaus


ausgezeichnet

Wie Jessica Backhaus es gelingt, mit Transparentpapier geradezu außerirdische Farbwirkungen zu erzeugen, ist mir immer noch ein Rätsel. Mein Gefühl sagt, dass digitale Bildbearbeitung eine Rolle spielt, so perfekt und gestochen scharf sind Ränder und Konturen. Ich habe aber auch gedacht, dass die Druckfarben Glimmerpigmente enthalten, weil sie so faszinierend flirren, als wären sie lebendig, aber die Lupe hat schnell gezeigt, dass ein „normaler“, hochaufgelöster Offsetdruck dahinter steckt. Aber das ist letztlich alles ohne Bedeutung, denn nur die Wirkung zählt und die ist atemberaubend.

Mit geschickt positionierten Transparentpapieren erschafft Jessica Backhaus eine Welt, die zwar Anklänge in der konkreten Kunst und dem Bauhaus nimmt, aber doch ganz eigenständig ist. Sie malt mit Licht, indem sie die Papiere rollt, über- oder gegeneinander stellt, den Schattenwurf und Transparenz einbezieht und das Bildfeld nach allen Regeln der klassischen Ästhetik aufbaut. Eine geradezu simple Idee in genialer Umsetzung. Die Farbübergänge haben etwas Altmeisterliches: Unmerklich fließen sie ineinander, die Farben sind in Temperatur und Kontrast perfekt aufeinander abgestimmt, unter Ausnutzung der additiven Farbmischung, ganz wie die alten Meister, nur ohne Pinsel. Mehr als ein Motiv würde ich mir sofort an die Wand hängen und das Format im Großfolio und das hochwertige, schwere Papier unterstützen die wundersame Wirkung auf den Betrachter. Man hat fast den Eindruck, kein serielles Buch, sondern ein Original in Händen zu halten. Die Größe hätte aus meiner Sicht allerdings ein Hardcover erfordert, denn die sichere Aufbewahrung als Paperback wird, vorsichtig gesagt, anspruchsvoll.

Was mich wirklich gestört hat, ist das in höchstem Maße schwafelige Nachwort von Christiane Stahl. Aus meiner Sicht eine Verschwendung von Druckerschwärze und Papier, denn wer nichts zu sagen hat, soll es sein lassen, statt es in Schriftgröße 30 in die Welt zu tragen. Zum Glück stößt man erst nach dem phänomenalen Bildteil auf dieses Ärgernis und darf es dann auch ganz schnell wieder vergessen.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2024
Die Kaiser von Rom
Beard, Mary

Die Kaiser von Rom


ausgezeichnet

Der Titel ist nicht besonders originell: „Die Kaiser von Rom“ klingt nach der hundertsten Kaisergenealogie, die inhaltlich meist sehr ähnlich sind. Mary Beard wählt einen anderen Weg. Wie bei dem Vorgängerband „SPQR“, der keine Nacherzählung der römischen Geschichte war, sondern beschrieb, wie das Römische Reich „funktionierte“, schaut sie diesmal auf die Institution des römischen Kaisers und nutzt die individuellen Personen nur dazu, um das über die Jahrhunderte sehr stabile Funktionsprinzip zu illustrieren. Der zeitliche Rahmen liegt zwischen Augustus und etwa dem Jahr 300, also bis den Soldatenkaisern. Danach zerfallen die etablierten Strukturen zunehmend und die Institution des Kaisers verliert an Bedeutung.

Mary Beard geht sehr strukturiert an das Thema heran. Sie grenzt die Ein-Mann-Herrschaft gegen die republikanischen Prinzipien ab und betrachtet dann einzelne Aspekte, die dafür gesorgt haben, dass das System „Kaiser“ über Generationen hinweg konstant blieb. Dazu gehört die Frage, wie die Nachfolge organisiert wurde, aber auch, wie sich der Kaiser inszenierte. Es zeigt sich, dass die Inszenierung wesentliches Element der kaiserlichen Macht war, angefangen beim Kaiserhof über die Organisation des Palastes, ja selbst der kaiserlichen Mahlzeiten. Die Quellenlage ist erstaunlich reich und die Parallelen zwischen den einzelnen Persönlichkeiten, seien sie charakterlich auch sehr unterschiedlich, sind offensichtlich. Weit weniger detailliert sind die Erkenntnisse über den kaiserlichen Tagesablauf. Gab es überhaupt so etwas wie „Freizeit“? Wie organisierte der Kaiser die Kommunikation mit seinen Verwaltern in dem riesigen Reich? Wie und wohin reiste er? All das lässt sich nur noch in Ansätzen rekonstruieren.

Zum Schluss betrachtet Beard, wie die Kaiser ihr Sterben und ihren Nachruhm inszenierten, denn auch hier spielt Inszenierung und Ritual eine große Rolle. Mit den Soldatenkaisern endet die stabile Phase der Ein-Mann-Herrschaft und das System zersplittert aus verschiedenen Gründen. Auch das reißt Mary Beard in ihrem letzten Kapitel an, aber nur in Abgrenzung zum klassischen Kaiserreich.

Wie schon in „SPQR“ gelingt es der Autorin wieder, die verstreuten Informationen zu einem geschlossenen und in sich stimmigen Weltbild zu vereinen. Sie schreibt anschaulich und ohne akademische Nebelkerzen, so dass auch ein Mensch des 21. Jahrhunderts eine klare Vorstellung bekommt, was es hieß, „Caesar“ zu sein. Die vielen, teilweise auch skurrilen Anekdoten, die sich um einzelne Personen ranken, webt sie geschickt in ihre Erzählung ein, wobei es hier allerdings zu einigen Wiederholungen kommt. Ein und dieselbe Geschichte kann zwar unter sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden, bei offensichtlichen Parallelen hätte aus meiner Sicht aber eine weniger redundante Wiederaufnahme auch gereicht. Ansonsten hat mich das Buch sehr gefesselt, weil es klar zwischen der „Person“ und der „Institution“ des römischen Kaisers differenziert und zeigt, warum so völlig unterschiedliche Charaktere wie Caracalla und Marc Aurel unzweifelhaft als Kaiser wahrgenommen wurden.

Und das Erstaunliche ist, dass wesentliche Mechanismen bis heute von unseren Politikern genauso eingesetzt werden wie weiland zu römischen Zeiten.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.09.2024
Atlas der KI
Crawford, Kate

Atlas der KI


sehr gut

Künstliche Intelligenz ist das Trendthema der letzten Jahre. Kaum ein Tag vergeht, an dem in den Medien nicht über KI mit ihren Chancen und Risiken berichtet wird. Dabei ist das Thema nicht neu, aber erst jetzt in der Breite der Gesellschaft angekommen. Der „Atlas der KI“ erzählt keine Geschichte über Codes und Algorithmen oder die neuesten Entwicklungen im Bereich der KI, sondern beschreibt die sozialen und materiellen Folgen, die die Entwicklung heutiger KI-Systeme mit sich bringt: die Ausbeutung der Energie- und Rohstoffressourcen unseres Planeten, sowie billiger Arbeitskräfte (Stichwort „Crowdworker“), um Daten im großen Stil zu kategorisieren.

Der „Atlas der KI“ basiert auf der englischen Originalausgabe von 2021 und bezieht sich fast ausschließlich auf die Entwicklungen in den USA. Crawford übt in ihrem Buch grundsätzliche Kritik zu verschiedenen Aspekten, allerdings bleibt für mich an vielen Stellen die Vereinbarkeit mit dem Datenschutz in den USA nebulös und die Bestimmungen in Europa (DSGVO oder das neue KI-Gesetz) bleiben sogar völlig unberücksichtigt. Beides ist aber von so ausschlaggebender Bedeutung, dass es viele Aussagen im Buch von vorneherein in Frage stellt.

Crawford hat einen breiteren Blick auf die künstliche Intelligenz als die meisten anderen Autoren. Genauso wie die schmutzige Arbeit in Bergwerken weit entfernt von der städtischen Bevölkerung stattfindet, die am meisten davon profitierten, befinden sich viele Rechenzentren weit entfernt von den großen Ballungszentren. Die Cloud ist eine ressourcenintensive Technologie, die Wasser und Strom in Rechenleistung umwandelt und dabei erhebliche Umweltschäden verursacht. Diese Sichtweise wird von den großen Technologieunternehmen oft als unvermeidliche Notwendigkeit abgetan.

Die Autorin kritisiert ebenfalls die hohe Zahl der unterbezahlten Arbeitskräfte, die benötigt werden, um KI-Systeme zu bauen, zu warten und zu testen. Diese unsichtbare Arbeit nimmt viele Formen an, wie zum Beispiel erzwungene Tätigkeiten entlang von Lieferketten. Ausbeuterische Arbeitsformen gibt es dabei auf allen Stufen der KI-Pipeline.

Ein weiterer Schwerpunkt der Autorin ist die Erfassung und Klassifizierung von digitalem Datenmaterial für die KI-Produktion, die mittlerweile so wesentlich geworden ist, dass sie nicht mehr in Frage gestellt wird: Aber woher stammen die Daten? Sind sie überhaupt repräsentativ? Kann es unter diesen Umständen „gerechte“ KI-Systeme geben oder ist Diskriminierung welcher Art auch immer unvermeidlich?

Die Wissenschaftlerin untersucht weitere interessante Themen, wie die Automatisierung von Gesichts- und Emotionserkennung, die Umwandlung von polizeilicher in geheimdienstliche Tätigkeit durch Big Data (Stichwort: Snowden) oder Haftungsfragen bei Fehlentscheidungen.

Crawfords Sprache erschien mir an vielen Stellen etwas akademisch verkopft, was mir das Lesen mühsamer machte als nötig. Nichtsdestotrotz hat mir ihre umfassende Sichtweise sehr gut gefallen und auch viele neue Denkanstöße gegeben. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Geist, den wir aus der Flasche gelassen haben, in der Praxis kontrollieren lässt, wie sich z. B. die EU das vorstellt. Nirgendwo klaffen bekanntlich Anspruch und Wirklichkeit weiter auseinander als bei EU-Regeln. Ich bin jedenfalls eher skeptisch, wenn ich mir anschaue, wie wir derzeit mit gesellschaftlichen Bedrohungen insgesamt umgehen. Wegschauen und moralisch überlegene Gesetze schreiben wird auch bei der KI nicht funktionieren.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.09.2024
Maarten van Heemskerck

Maarten van Heemskerck


ausgezeichnet

The Roman sketchbooks of Maarten van Heemskerck are unique testimonies to the Eternal City from a time before photography. In 2021, as part of an extensive restoration, the original order of the 200 sheets was largely reconstructed as part of an extensive restoration, which was mainly due to the fact that 179 of them are still kept together in the Berlin Kupferstichkabinett. There is no other collection of Renaissance travel sketches of this size in the world. The sketches were created during Heemskerck's Rome journey between 1532 and 1537 and they show architecture, landscape and antique art treasures from important Roman collections of the time. The urban landscapes are also of particular interest, documenting both the state of the Roman ruins and the omnipresent emergence of the ‘New Rome’ in the early Renaissance. Heemskerck's drawings of the new St Peter's Church are unique and are of the highest architectural-historical value.

The sheets, presented in display cases on both sides, are currently on show in the Kupferstichkabinett (Museum of Prints and Drawings). If you want to get an authentic impression of what Heemskerck's sketchbook originally looked like, this excellent facsimile in original size is a document that has never existed in this quality before. The original sequence of pages has been restored and the few missing pages were replaced by placeholders, so that the volume comes as close as possible to the original, which served as an important source of inspiration for Maarten van Heemskerck and even his successors. It impressively documents Heemskerck's mastery of drawing, which, according to tradition, he practised daily and the essence of which is this sketchbook.

The epilogue briefly summarises the history of origin and provenance and classifies the art-historical value of the sketchbooks for Heemskerck's work (and that of his successors). The approach to the restoration and reorganisation of the sheets is also described.

Fortunately, the paper has a texture very similar to the original material, matt, yet smooth and dense. This is not the first facsimile of Heemskerck's sketchbook, but it is by far the best in terms of quality.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2024
Der Untergang von Thornton Hall
Habekost, Britta

Der Untergang von Thornton Hall


weniger gut

Elinda Audley ist auf der Flucht. Ihre Eltern haben sie einem reichen, aber grausamen Adligen zur Frau versprochen, um den maroden Stammstitz der Familie, Thornton Hall, vor dem Ruin zu retten. Doch Elinda verweigert die Ehe und macht sich mit dem professionellen Grand-Tour-Reiseführer Blake Colbert auf eine beschwerliche Reise nach Pompeji. Denn hier hofft sie auch das Schicksal ihres spurlos verschwundenen Bruders David zu klären.

Die Vorankündigung des Romans von Britta Habekost versprach eine spannende Mischung aus Gothic Novel, Krimi und Reiseroman, mit Mystery Elementen und viel historischem Flair. Schon das Jahr 1789 weckt Neugier, als echter Zeitenwende, vor der sich trefflich eine Geschichte entwickeln ließe. Leider wurden meine Erwartungen enttäuscht.

Die Geschichte trägt bei weitem nicht über die üppig bemessenen 587 Seiten. Sie verläuft absolut linear, ohne jede Nebenlinie oder auch nur einem Wechsel der Perspektive. Der Leser ist über den gesamten Zeitraum an Elindas Blickwinkel gefesselt und die als „Mystery“ gedachten Sequenzen wurden der Geschichte erkennbar aufgesetzt. Sie entwickeln sich über 500 Seiten quasi gar nicht weiter und ergehen sich in nahezu identischen Visionen, die aber keine Zielrichtung kennen. Ebenso das „mysteriöse“ Vorleben des Reisebegleiters Blake Colbert: Jede Frage danach blockt dieser zunächst ab, ehemalige Weggefährten bleiben bewusst vage, bis es auf Seite 455 dann völlig unmotiviert aus Blake herausbricht und er seine ach so tragische und dann doch so triviale Lebensbeichte ablegt. Es bleibt völlig im Dunkeln, warum er diese Petitesse nicht früher „gestanden“ hat. Die Charakterzeichnung der Personen ist insgesamt von einer Schlichtheit, die ich eher in einem Julia-Roman auf 50 Seiten erwartet hätte. Dazu passt übrigens auch Britta Habekosts eindimensionaler Stil sehr gut, der noch den letzten Gedanken umständlich erklärt, bis dass es der Dümmste versteht. Die Personen sind niemals Menschen des 18. Jahrhunderts, sondern stammen in ihrer gesellschaftlichen und moralischen Haltung so eklatant aus den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts, dass es beim Lesen fast weh tut. Nicht unbedingt woke, aber von einem ungezügelten Individualismus, wie es ihn damals schlichtweg nicht gab. Die ideologische Grenze bildet eine konsequente Schwarz-Weiß-Linie: Alle Adligen sind arrogante, dünkelhafte, grausame und gierige Monster. Bis auf eine Ausnahme, aber die hat sich von der adligen Gesellschaft losgesagt und ist natürlich eine selbstbestimmte Frau. Elinda leidet ebenfalls an fortgeschrittenem Feminismus, lässt alle Konventionen hinter sich und besiegt am Ende ihren sadistischen Verfolger. Wie das eben im 18. Jahrhundert so war. Man lernt kaum etwas über die Zeit und ihre Lebensrealität, bis auf die gut recherchierten Reiseumstände auf der Grand Tour (kleinere Fehler im Detail will ich hier nicht ankreiden). Leider sind diese Schilderungen aber oft repetitiv, sehr kleinteilig inszeniert und enden in immer wieder gleichen Diskussionen zwischen Elinda und Blake, was mich auf Dauer wirklich ermüdet hat. Das Paar erlebt auf seiner Tour nach Süden wenig Überraschendes und man kommt sich nur quälend langsam näher. Einzig das überraschende und auch nicht unraffiniert konstruierte Finale hat mich überzeugt. Aber das kam 200 Seiten zu spät.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.09.2024
Aua! Die Geschichte meines Körpers
Hacke, Axel

Aua! Die Geschichte meines Körpers


ausgezeichnet

Axel Hacke ist 67, sein Körper ebenfalls. Man hat gemeinsam eine Menge durchgemacht, aber langsam blättert der Lack. Ich kenne das aus dem eigenen Freundeskreis: Je älter man wird, umso mehr drehen sich Gespräche um die kleinen und großen Wehwehchen, die sich im Lauf der Zeit ansammeln. Für mich ist das eher unangenehm, für Axel Hacke eine Gelegenheit für ein neues Buch. Einmal von Kopf bis Fuß durchchecken, bitte.

Anfangs war ich wirklich irritiert und wusste nicht, ob diese Konfrontation mit Altern, Krankheit und Tod für mich noch als Unterhaltung durchgeht, oder doch eher Folter ist, aber die Zweifel haben sich sehr schnell gelegt. Axel Hackes unnachahmliche Art, die Dinge zu beschreiben, seine kreative Assoziationsfähigkeit und erst recht sein einmaliger Vortragsstil nehmen einem schnell die Berührungsängste, selbst an unappetitlichen Körperstellen. Er vermischt das eigene Schicksal (und notfalls das von Freunden und Bekannten) so geschickt mit Faktenwissen und einer augenzwinkernden Lebensphilosophie, dass gar nicht erst düstere Gedanken entstehen. Dank gesunder Lebensweise haben sich in seinem Körper überwiegend typische Verschleißerscheinungen breitgemacht, deren Auswirkungen zwischen lästig und mild einschränkend pendeln. Es gibt ein paar üble Unfälle und auch „nochmal-Glück-gehabt“-Momente, aber nichts wirklich Kritisches, was nicht zuletzt daran liegt, das Axel Hacke eher am hypochondrischen Ufer lebt. Obwohl er nach eigener Definition kein Hypochonder ist, denn ein echter Hypochonder antwortet auf die Frage, ob er einer sei, mit „nein“, da er sich die Krankheiten ja nicht nur einbildet. Egal, ob diese Definition nun weiterhilft oder nicht, Axel Hacke geht jedenfalls gerne zu seinem Lieblingsinternisten Prof. D., der mit untrüglicher Sicherheit die richtigen Diagnosen stellt und damit sie ihm sein Patient auch glaubt, gleich noch das verfügbare Arsenal technischer Untersuchungsmethoden auffährt. Zum Schluss hat er immer Recht und Hacke und seine Hörer haben viel dazu gelernt. Und es gibt so schöne Diagnosen: Transiente Globalamnesie, Ermüdungsbruch oder der ubiquitäre Schmalzbohrwurm sind Wörter, an denen sich Hacke richtig abarbeiten kann. Krankheiten können eben auch lustig sein. Wobei der Schmalzbohrwurm eigentlich keine Krankheit ist, nur vielleicht bei Menschen, die eine Arachnophobie haben, denn denen ist es in der Regel unangenehm, wenn sie erfahren, dass sie von Zigtausend Spinnentieren besiedelt sind. Ob sie wollen oder nicht. Insofern ist Axel Hackes Hörbuch auch ein bisschen Therapie, denn bei aller Ernsthaftigkeit, die hinter jedem einzelnen Thema steckt, wird doch erkennbar, was die moderne Medizin leistet und welche Möglichkeiten zur Linderung und Heilung bestehen. Nebenbei erfährt man praktischerweise auch noch, wozu einzelne Körperteile dienen, wie zum Beispiel ein Kopf. „Aua!“ ist natürlich kein enzyklopädisches Nachschlagewerk, aber solide recherchiert, pendelnd zwischen Allerweltskrankheiten und echten Kuriositäten. Interessant ist es jedenfalls immer und am Ende ist man mit den eigenen Wehwehchen einigermaßen versöhnt.

Und man hat jede Menge Gesprächsstoff für das nächste Freundestreffen.

(Das Hörbuch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2024
Kintsugi - Reparieren mit Gold
Hackenberger, Britta

Kintsugi - Reparieren mit Gold


gut

Kintsugi, übersetzt „Gold-Verbindung“, ist eine alte japanische Technik zur Reparatur von beschädigter Keramik. Die Scherben werden mit Urushi Lack zusammengeklebt, kleinere Fehlstellen können auch ergänzt werden. Zum Schluss wird der sichtbare Urushi Lack mit den üblichen Techniken vergoldet.
Britta Hackenberger nennt ihr Buch zwar „Kintsugi“, aber was sie dann vorstellt, hat nur am Rand etwas damit zu tun. Sie nutzt moderne Epoxidharze und Zweikomponentenkleber statt Urushi, was zu deutlich schlechteren mechanischen Eigenschaften führt. Die Autorin verweist darauf, dass diese Materialien nicht zu heiß werden dürfen (Urushi Lack ist da völlig unempfindlich), sie dürfen nicht mit harten Gegenständen bearbeitet werden (Messer, Gabel, Löffel sind also tabu) und auch nicht in die Spülmaschine (das darf Urushi allerdings auch nicht). Hier wird sehr schnell deutlich, warum die Projekte, die Hackenberger später im Detail vorstellt, für eine Kintsugi-Reparatur völlig ungeeignet sind: Sie repariert vor allem Teller und Schüsseln, die natürlich mit Besteck in Kontakt kommen. Das sind nun mal europäische Tischsitten, die aber absolut inkompatibel mit Kintsugi sind. In Japan wird die Technik vor allem eingesetzt, um hochwertige Teeschalen zu reparieren, das macht Sinn, bei europäischem Geschirr aufgrund des Nutzungsverhaltens dagegen nicht.

Die Prinzipien für dieses adaptierte Kintsugi sind sehr einfach und schnell erklärt. Nach 30 Seiten beginnen dann Einzelprojekte, die Schritt für Schritt beschrieben werden, unterstützt durch aussagekräftige Fotos. Warum man allerdings nach dem Projekt „Teller“ noch ein Projekt „Kuchenteller“ braucht, hat sich mir nicht erschlossen. Darauf folgt dann das Projekt „Objekt mit mehreren Scherben“. Das sieht alles schon ein bisschen nach Seitenschinden aus. Übrigens nutzt die Autorin, anders als die Japaner, kein Gold, sondern goldfarbenes Metallpulver, das nach einiger Zeit seinen Glanz verliert und stumpf wird.

Wer Kintsugi schon mal gesehen hat, der merkt auch, dass die Variante mit Epoxidharz bei weitem nicht so perfekt wird wie der Urushi Lack, der in vielen Schichten aufgetragen und immer wieder abgeschliffen wird. Hackenbergers Variante bleibt sehr unregelmäßig, wirkt oft knotig und macht insgesamt keinen schönen Eindruck. Vor dem Hintergrund Nachhaltigkeit macht es natürlich Sinn, Dinge zu reparieren, statt sie wegzuwerfen, aber in diesem Fall muss man leider sagen: Es gibt keine Reparatur von Keramik, die dauerhaft die alten Materialeigenschaften wiederherstellt, das weiß jeder Restaurator. Britta Hackenberger kann das auch nicht und dann stellt sich die Frage, ob ein zerbrochener Teller nicht doch besser in den Müll wandert, wenn man ihn weder mit Besteck traktieren, noch heiß spülen darf. Schließlich ist das Hauptziel des japanischen Kintsugi die volle Wiederherstellung der Benutzbarkeit.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2024
Saucen
Wisweh, Gorm

Saucen


ausgezeichnet

Gorm Wisweh ist ein dänischer Fernsehkoch, der sich gegenüber den meisten deutschen Fernsehköchen durch einen geringen Hang zur Selbstinszenierung auszeichnet. Sein Buch „Saucen“ ist eine kompakte Einführung in die Kunst der Saucenherstellung, in dem viele Klassiker aus aller Welt vorgestellt werden, mit einfachen und leicht nachkochbaren Anleitungen. Es sind kalte wie warme Saucen, für festliche Gerichte, aber auch den ungezwungenen Grillabend. Die geschmackliche Vielfalt ist sehr breit, mit Rezepten aus ganz Europa, aber auch Mexiko, Israel und den USA. Im Anhang gibt es eine Empfehlungsliste, welche Sauce zu welchem Gericht passt und auch hier kann man erkennen, wie ausgewogen und vielseitig die Auswahl ist. Da hat sich jemand Gedanken gemacht, um für jeden Topf einen Deckel zu finden.

Die Anleitungen sind meistens textlich, es sei denn, einzelne Schritte sind kritisch und man benötigt dazu einen Bildabgleich (z. B. um Bräunungsgrad oder Konsistenz abzupassen). Alle Rezepte sind einfach nach zu kochen und brauchen keine große Erfahrung, obwohl das natürlich nie hinderlich ist, insbesondere beim Abschmecken. Teilweise bauen die Saucen auch aufeinander auf, wobei dann auf die Grundsauce referenziert und nur die Variation im Detail beschrieben wird. Gut gefallen hat mir, dass der Autor vereinzelt Hinweise gibt, wie man Saucen „retten“ kann, wenn es dann doch schiefgeht. Die Bearnaise ist so ein klassischer Risikokandidat mit Korrekturpotenzial.
Die Abbildungen sind äußerst appetitlich, aber das darf man von einem Kochbuch auch erwarten.

Auf 150 Seiten werden 65 Saucenrezepte erklärt, die man natürlich alle auch im Internet findet, aber da überwältigt mich oft die Menge an Varianten, die ich schwer einschätzen kann. Bei Wisweh findet man nur die „Originale“, wie sie auch in der Kochschule gelehrt werden. Kleine Verfeinerungen und Kombinationstipps gibt es gratis dazu.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.