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Benutzername: 
cosmea
Wohnort: 
Witten

Bewertungen

Insgesamt 56 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2025
Der Kaiser der Freude
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


sehr gut

Schöne kleine Loser
Der 19jährige Hai lebt mit seiner Mutter in East Gladness, einem heruntergekommenen Ort in Connecticut. Sie sind aus Vietnam geflohen und versuchen seit Jahren, sich ein neues Leben aufzubauen, ziemlich vergeblich. Hai ist seit Jahren tablettensüchtig und bekommt sein Leben nicht in den Griff. Eines Tages steht er wieder einmal auf einer Brücke und denkt über Selbstmord nach. Dabei wird er von Grazina, einer 82jährigen Frau beobachtet, die den Krieg in Litauen überlebt hat. Sie hindert ihn daran, sich umzubringen, und er zieht in ihr heruntergekommenes Haus voller Erinnerungsstücke. Hai wird ihr Pfleger, denn sie wirkt zumindest zeitweise orientierungslos und dement. Im Laufe der Zeit kommen sie sich näher und helfen einander im Alltag. Hai hat schon einmal ein Studium in New York abgebrochen und will seine Mutter nicht noch einmal enttäuschen. Also erzählt er ihr eine Menge Lügengeschichten von seinem angeblichen Medizinstudium. In Wirklichkeit findet er durch seinen zwei Jahre jüngeren Cousin Sony einen Job in einem Diner. Dort müssen sie für wenig Geld hart arbeiten und bleiben für alle Außenstehenden arme Loser, die nie dazugehören werden. Auch Sony bekommt sein Leben nicht auf die Reihe, ist besessen vom amerikanischen Bürgerkrieg und von dem Film Gettysburg, den er sich schon unzählige Male angesehen hat.
Ocean Vuongs neuer Roman erzählt in einer sehr poetischen Sprache gesellschaftskritisch mit viel Empathie vom Schicksal der Ausgegrenzten, die es schaffen, durch Freundschaft und Solidarität zu überleben: "Das Leben ist gut, wenn wir einander Gutes tun" (S. 521). Besonders berührend ist die Beziehung von Hai zu Grazina, die er als Sergeant Pepper in gespielten Kriegsszenen immer wieder in der Vergangenheit trifft und dann in die Realität zurückholt. Nicht nur durch eingeschobene Fantasien, sondern auch durch zahlreiche Rückblenden und ständigen Wechsel der Zeitebenen liest sich der Roman nicht mühelos, aber er ist durchaus eine lohnende Lektüre wie schon Vuongs Debüt “Auf Erden sind wir kurz grandios“, das ich sehr schätze, auch wenn ich die Vielfalt von Themen, Episoden und individuellen Schicksalen teilweise etwas verworren finde.

Bewertung vom 30.04.2025
Die geheime Sehnsucht der Bücher
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


sehr gut

Sheesh, das war cringe!
In dem dritten Band der Reihe hat Monsieur Jean Perdu wieder mit seinem Bücherschiff, der Pharmacie Littéraire in einem Hafen an der Seine in Paris angelegt. Inzwischen hat er in der Auszubildenden Pauline Lahbibi eine Helferin, die wie ihr Chef über sehr gute Menschenkenntnis verfügt und den Menschen, die sie um Hilfe bitten, das passende Buch vermitteln kann. Sie haben spezielle Veranstaltungen für Kinder eingeführt, was zum Teil zu wütenden Protesten der Mütter führt, die mit dem den Kindern vorgestellten Lesestoff nicht einverstanden sind. In diesem Zusammenhang gibt es auch rassistische Attacken gegen Pauline. Im Mittelpunkt der Handlung steht die knapp zwölfjährige Francoise, die Hilfe für ihre Mutter sucht. Die Mutter, eine Frau von Mitte 30 mit Namen Guinevere Aveline Cleo Bellanger, ist seit dem Tod ihrer Zwillingschwester Camille schwer traumatisiert und verlässt kaum das Haus. Sie hat 12 Jahre zuvor den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen, obwohl diese ihren Lebensunterhalt finanzieren. Francoise hat eine Liste von Dingen erstellt, die ihre Mutter unter ihrer Anleitung lernen soll, um endlich am realen Leben teilzunehmen. Auch Bücher sollen dabei helfen, denn wieder geht es darum, welche lebensverändernde Wirkung Bücher auf Menschen haben, sodass man sie wie Medikamente zur Heilung aller möglichen Störungen einsetzen kann. Dieses wichtige Thema gefällt mir wieder sehr gut, vor allem, weil Bücher einen so hohen Stellenwert in meinem eigenen Leben haben. Ich habe mit Freude festgestellt, dass ich die meisten der im Roman genannten Titel kenne. Außerdem ist Paris meine Lieblingsstadt, die ich so oft besucht habe, dass ich mich dort gut auskenne. Was mir nicht so gefällt, ist die sprachliche Qualität des Romans. Die unzähligen französischen Wörter und Lokalitäten sollen wohl ein typisch französisches Ambiente schaffen, sind aber so voller Fehler, dass sie bei mir das Lesevergnügen ebenso beeinträchtigt haben wie der - vorsichtig formuliert - kreative Umgang mit der deutschen Sprache und die beträchtliche Zahl von Fehlern, die ein gründliches Lektorat vermissen lassen. Hinzukommt die etwas gewollt wirkende Einbeziehung typischer Jugendsprache. Ich bin etwas enttäuscht.

Bewertung vom 30.04.2025
Devil's Kitchen
Fox, Candice

Devil's Kitchen


ausgezeichnet

Eine sehr spezielle Crew von Feuerwehrleuten
Die Crew “Engine 99“ - bestehend aus Chief Big Matt, Engo, Jake und Ben – ist in New York City im Einsatz. Der Leser weiß von Anfang an, dass sie einen Teil der Brände selbst legen, um im allgemeinen Chaos dann Banken und Juweliergeschäfte und die Wohnungen an ihren Einsatzorten zu plündern. Die Polizei ist in inzwischen misstrauisch geworden, weil es oft kurze Zeit vor spektakulären Einbrüchen dort Brände gegeben hat. Benjamin Haig genannt Ben hat außerdem die Polizei durch einen Brief über ihre kriminelle Nebentätigkeit informiert, um im Gegenzug zu erreichen, dass die Polizei die Suche nach seiner verschwundenen Partnerin Luna und ihrem Sohn Gabriel wiederaufnimmt. Das FBI schickt daraufhin eine verdeckte Ermittlerin, die sich Andy Nearland nennt und Teil des Teams wird. Die Gruppe bereitet gerade ihren letzten großen Coup vor. Andy muss ständig fürchten, enttarnt zu werden und ihr Leben zu verlieren. Chief Big Matt hat äußert brutale Methoden, die Loyalität seiner Leute zu testen. Das zeigt er auch bei seinem Umgang mit Andy und Ben, die sich schon bald näherkommen. Andy hilft Ben bei seiner Spurensuche nach den beiden Verschwundenen. Während die Polizei glaubt, dass Mutter und Sohn aus eigenem Antrieb weggegangen sind, vermutet Ben, dass seine Kollegen etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Mit Hilfe von Andy gewinnt er neue Erkenntnisse.
Erzählt wird die Geschichte auf verschiedenen Zeitebenen, abwechselnd aus Bens und Andys Perspektive. Jedes Mitglied der Gruppe hat hier eine dunkle Vergangenheit, die nicht ans Licht kommen soll, vor allem Big Matt, der bei 9/11 dabei war und durch eine Fehlentscheidung seine damaligen Kollegen im Stich gelassen hat. Die anfängliche enorme Spannung lässt später etwas nach und verliert sich in unzähligen Handlungsumschwüngen und immer neuen detailreichen Komplikationen, um dann zum Ende hin wieder rasant zuzunehmen. Mich hat der Thriller trotz seiner teils recht derben Sprache und einigen sehr gewalttätigen Szenen gefesselt, und ich habe ihn sehr zügig gelesen.

Bewertung vom 30.04.2025
Wo wir uns treffen
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


ausgezeichnet

Das ganze grüne, seltsame, schöne Land
Der Patriarch Philip Brooke stirbt, und seine drei Kinder Frannie, Milo und Isa kommen auf dem riesigen Anwesen der Familie in Sussex zusammen, um ihn zu beerdigen und um zu entscheiden, wie es mit dem Erbe weitergehen soll. Die Geschwister stehen einander nicht besonders nahe, auch ihrer Mutter nicht, und keiner trauert wirklich um den Egomanen, der seine Frau Grace immer wieder betrogen, sogar für Jahre mit seiner Geliebten in den USA gelebt und sich nie wirklich um seine Kinder gekümmert hat. In den vergangenen 10 Jahren hat Haupterbin Frannie die Ländereien bewirtschaftet und ist ihrem Vater durch ihr Projekt der Renaturierung erstmals nähergekommen. Sein Sohn Milo hat dagegen andere Pläne. Er will ein luxuriöses Therapiezentrum zur Behandlung mit Psilocybin, das aus psychedelischen Pilzen gewonnen wird, ausgerechnet auf dem Teil des Grundstücks errichten, wo Ned, ein Freund und Helfer, seit fast fünfzig Jahren in seinem Bus wohnt. Milo hat im Übrigen nie verwunden, dass sein Vater ihn als Kind zwang, jahrelang im Internat zu leben, wo er gemobbt und misshandelt wurde, und seine Mutter es nicht verhinderte. Isa, die jüngste der drei Geschwister, führt eine schwierige Ehe mit zwei Kindern und sorgt bei dem Familientreffen für Probleme, weil sie Clara Nelson, die Tochter von Philips damaliger Geliebter, zur Beerdigung eingeladen hat. Clara hat vor ihrer Reise recherchiert und konfrontiert die Familie mit den problematischen Quellen des ungeheuren Reichtums, den der Urahn Oliver Brooke 200 Jahre zuvor erworben hatte.
Auf der Ebene der Erzählgegenwart – also rund um die Beerdigung – erstreckt sich die Handlung über fünf Tage. Jedoch taucht der Leser immer wieder tief in die Geschichte der einzelnen Personen ein und begreift, dass hier jeder auf seine ganz eigene Weise unglücklich ist. Es geht um Schuld und Vergebung und ganz speziell auch darum, ob eine Wiedergutmachung für die historische Schuld der Brookes möglich ist. Werden Philips Kinder, seine Witwe und Ned eine Chance auf einen Neuanfang bekommen?
Mir hat der interessante Roman mit seinen eindrucksvollen Beschreibungen menschlicher Beziehungen und überwältigend schöner Landschaften trotz deutlicher Längen gut gefallen.

Bewertung vom 01.04.2025
Wie Risse in der Erde
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Wenn eine Frau zwei Männer liebt
Beth wächst in Hemston im nördlichen Dorset auf. 1985 verliebt sie sich als 17jährige in den Sohn einer angesehenen reichen Familie im Ort. Gabriel Wolf ist klug und sieht gut aus. Einen Sommer lang verbindet sie eine leidenschaftliche Liebe. Doch dann ist abrupt alles zu Ende, weil Gabriel zum Studium nach Oxford geht und seine Mutter die Verbindung mit ihren Intrigen zerstört. Der Bauer Frank ist schon lang in Beth verliebt. Die beiden heiraten und bekommen bald ihren Sohn Bobby. Beth liebt das Leben auf der Farm, die Tiere und die Nähe zur Natur, obwohl sie eigentlich ursprünglich auch studieren und Schriftstellerin werden wollte. Frank und Beth sind 13 Jahre glücklich miteinander. Sie müssen den Tod ihres geliebten Sohns verkraften, der 1966 mit 9 Jahren durch einen Unfall stirbt. Dann kehrt Gabriel 1968 mit seinem Sohn Leo in das Dorf zurück, nachdem seine Frau ihn für einen anderen verlassen hat. Beth schließt den Jungen sofort ins Herz und kümmert sich um ihn. Schon bald nimmt sie die Beziehung zu Gabriel wieder auf, obwohl sie ihren Mann nach wie vor liebt, und die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten. Es gibt einen Todesfall, einen Angeklagten und 1969 einen Prozess mit einem Urteil, das das Leben der Beteiligten erneut komplett verändert.
Der Autorin gelingt eine spannende Mischung aus Liebesdrama und Krimi, denn lange kennt der Leser weder die Identität des Angeklagten noch die des Opfers. Sie zeichnet ein stimmiges Bild von leidenschaftlicher, unkontrollierbarer Liebe, von Trauer und Verlust. Es gibt zu viele Lügen und Geheimnisse, zu wenig Mut zur Wahrheit. Alle laden Schuld auf sich in dieser mitreißenden Geschichte. Werden sie eine zweite Chance bekommen? Ein sehr empfehlenswertes Buch.

Bewertung vom 01.04.2025
Frau im Mond
Jarawan, Pierre

Frau im Mond


sehr gut

Der Libanon ist kompliziert
In Pierre Jarawans neuem Roman “Frau im Mond“ geht es um eine Fülle von historischen Ereignissen und Themen, die mit dem Libanon zu tun haben, aber auch um eine Familiengeschichte über drei Generationen. Die Zwillinge Lilit und Lina el Shami sind Nachkommen libanesischer Auswanderer in der dritten Generation und wurden nach dem Tod ihrer Eltern von ihrem Großvater Maroun in Montréal aufgezogen. Eines Tages beschließt Lilit, in den Libanon zu reisen und dort Nachforschungen über ihre Großmutter Anoush anzustellen, die sie nicht mehr kennengelernt hat. Anoush hatte den Genozid an den Armeniern überlebt und kurze Zeit in einem Waisenheim im Libanon gelebt. Sie begegnet Maroun als junges Mädchen im kanadischen Montréal und dann Jahre später noch einmal. Sie werden ein Paar und bekommen die Tochter Dana. Sie und Ehemann Jules werden später die Eltern der Zwillingsmädchen. Lilith beschäftigt sich auch mit der Lebanese Rocket Society, denn ihr Vater hat zusammen mit Freunden jahrelang Raketen gebaut. Er wollte dazu beitragen, dass die erste Rakete vom Libanon aus in den Weltraum geschossen wurde. Am 4. August 1966 zündet die Gruppe eine Rakete, und genau 54 Jahre später gibt es eine riesige Explosion im Beiruter Hafen. Beide Ereignisse sind Teil des historischen Rahmens des Romans.
Jarawan schreibt eine sehr komplizierte, detailreiche Geschichte über drei Generationen, zwei Städte auf zwei Kontinenten, ein Raketenprojekt, politische Umbrüche, den Genozid an den Armeniern und seine Folgen, das Ende des Osmanischen Reichs und die aktuelle politische Situation im Libanon in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts inklusive Korruption, Energieproblemen, Inflation und daraus folgend wachsender Armut eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung. Die Vielzahl der Themen spiegelt sich im bunten Cover, das eine große Zahl der angesprochenen Themen abbildet. Die grobe Einteilung in drei Stufen lässt an Raketen denken, um die es ja immer wieder geht, die von 50 bis 0 rückwärts gezählten Kapitel stellen einen Countdown dar. Der umfangreiche Roman mit seinen vielen Themen, den ständig wechselnden Zeitebenen und der ungeheuren Personenvielfalt liest sich nicht leicht, ist aber hochinteressant und unbedingt empfehlenswert.

Bewertung vom 01.04.2025
Die unversöhnliche Vergangenheit
Hartung, Alexander

Die unversöhnliche Vergangenheit


gut

Das Vergangene ist nie vergangen
Im 7. Band von Alexander Hartungs Reihe um den Privatermittler Nik Pohl verschafft sich eine bewaffnete Frau Zugang zum Aktenraum der Staatsanwaltschaft und droht damit, eine Bombe zu zünden, sollte sich die Polizei einmischen. Wenig später exploriert die Bombe, und die Frau ist tot. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine ehemalige Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft handelt. Wonach hat sie gesucht? Es geht um einen längst abgeschlossenen Fall. Der verurteilte Täter ist längst gestorben, aber die Frau verlangt Gerechtigkeit. Es gibt weitere Tote, u.a. einen pensionierten Staatsanwalt. Der ehemalige Polizist Nik Pohl und seine Freunde – der Pathologe Balthasar und IT-Spezialist Jon suchen nach Hinweisen, um einem erbarmungslosen Killer auf die Spur zu kommen. Dabei hat Nik immer wieder Kontakt mit seinem ehemaligen Chef Naumann, der in diesem schwierigen Fall gern die Hilfe der drei Freunde in Anspruch nimmt, weil sie unkonventionelle Wege gehen können und auch nicht vor strafbaren Handlungen zurückschrecken, wenn die Zeit drängt. Nik Pohl gerät bei den Ermittlungen in Lebensgefahr und bemüht sich, nicht nur sein Leben schützen, sondern auch seinem Freund Balthasar und dem ehemaligen SEK-Mann Marius Schadt das Überleben zu sichern.
Ich kenne die anderen Bände der Reihe nicht, finde diesen aber weder besonders interessant noch spannend. Auch sprachlich überzeugt mich der Roman mit seiner Vielzahl von vorsichtig formuliert unüblichen Ausdrücken und Konstruktionen nicht. Schade.

Bewertung vom 25.03.2025
Der irische Fremde
Moor, Matthias

Der irische Fremde


sehr gut

Gefährliche Suche nach der Wahrheit
Mary Shean begegnet am Osloer Flughafen einem Mann, den sie 25 Jahre zuvor am Elternhaus in Irland gesehen hat, als sie ihre Eltern tot auffand. Sie wurde von ihrer Tante in Frankfurt aufgezogen und ist nie wieder nach Irland zurückgekehrt. Mary engagiert eine Privatdetektivin, die Informationen über den Fremden vom Flughafen beschaffen soll, dessen Namen sie auf seinem Flugticket erkennen konnte. Sie will die traumatische Erfahrung nicht länger unterdrücken, sondern endlich die Wahrheit erfahren. Mary hat sehr unterschiedliche Erinnerungen an den Tag und glaubt inzwischen, dass die offizielle Version von einem Unfall durch austretendes Gas im Haus nicht stimmt und es sein könnte, dass ihre Eltern ermordet wurden. Sie mietet ein Zimmer im Ort und findet dort in Jenna eine Freundin, die ihr in dieser schwierigen Zeit beisteht. Mary befragt u.a. ihren Kindheitsfreund Owen, seinen Vater, den Ortspolizisten und ihre Psychiaterin, die sie damals behandelt hat. Schon bald merkt sie, dass ihre Nachforschungen nicht erwünscht sind und sie in eine Welt von Lügen und Geheimnissen eindringt, was sie schließlich sogar in Lebensgefahr bringt, denn das Schicksal ihrer Familie hängt mit den Aktivitäten der Provisional IRA und den The Troubles genannten, fast 30 Jahre dauernden bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Nordirland zusammen, die erst durch das Karfreitagsabkommen von 1998 weitgehend beendet wurden. Durch diesen historischen Hintergrund wird der Roman noch interessanter und spannender.
Ich habe den Roman gern gelesen, obwohl der letzte Teil mit den zahlreichen Handlungsumschwüngen, möglichen Tätern und Varianten zum Tod von Marys Eltern schon etwas verwirrend ist. Ein ungewöhnlicher Krimi und sicher nicht mein letztes Buch von Matthias Moor.

Bewertung vom 23.03.2025
Was ich von ihr weiß
Andrea, Jean-Baptiste

Was ich von ihr weiß


sehr gut

Sie konnten zusammen nicht kommen
Jean-Baptiste Andreas Roman “Was ich von ihr weiß“ beginnt im Jahr 1986 in einem Kloster, wo der inzwischen 82jährige Mimo – Michelangelo Vitaliani – seit vierzig Jahren wohnt. Er hat nur noch wenige Tage zu leben. Der Roman ist ein Rückblick Mimos auf sein Leben, in dem er zum großen Teil als Ich-Erzähler in Erscheinung tritt. Mimo hat als Sohn einer verarmten Familie und als Kleinwüchsiger von 1,40 m Größe einen schweren Start im Leben. Der „Zwerg“ wird erst viel später als erfolgreicher Künstler Ruhm und Anerkennung finden. Zunächst schickt seine Mutter den 12jährigen Sohn nach Italien in den Ort Pietra d´Alba in Ligurien, zu einem Onkel, der nicht mit ihm verwandt ist, sondern einfach nur ein Mann, der der Familie einen Gefallen schuldet. Dieser Mann – selbst völlig untalentiert – lässt Mimo ohne Lohn in seiner Bildhauerwerkstatt schuften und hungern. Es dauert trotzdem nicht lang, bis Mimos Talent als Bildhauer erkannt wird, er die ersten Skulpturen erschafft und Reparaturen an Kunstwerken durchführt. Der Junge lernt schon bald die gleichaltrige junge Viola Orsini kennen, jüngste Tochter einer reichen Adelsfamilie. Sie ist hochintelligent, vergisst nie etwas Gelesenes und bringt Mimo die Welt der Literatur und der Wissenschaft nahe. Viola will frei sein, im wörtlichen Sinne fliegen, aber dann stürzt sie mit der mit Freunden gebauten Konstruktion vom Dach ihres Hauses und überlebt schwerverletzt. Mimo und Viola bleiben ein Leben lang befreundet, begegnen einander und trennen sich wieder für Jahre. Sie können wegen ihrer zu unterschiedlichen Herkunft niemals ein Paar werden. Das lassen die gesellschaftlichen Konventionen nicht zu. Der Roman erzählt die Geschichte ihres Lebens vor dem historischen Hintergrund, der zwei Weltkriege und vor allem die Jahre des Faschismus einschließt bis zur Entstehung der Republik.
Andreas historischer Roman ist sehr detailreich und nicht frei von Längen. Ich habe ihn trotzdem gern und zügig gelesen und empfehle ihn Lesern, die sich für Geschichte und Kunst interessieren.

Bewertung vom 12.03.2025
Die Magnolienkatzen
Morishita, Noriko

Die Magnolienkatzen


sehr gut

Das Glück liegt nicht in weiter Ferne
Die Schriftstellerin Noriko ist nach dem Tod des Vaters zu ihrer Mutter gezogen. Sie ist in den 50ern, unverheiratet, kinderlos und leidet unter einer Schreibblockade. Eines Tages finden die beiden Frauen eine Straßenkatze mit fünf Jungen in ihrem Garten – an der Stelle, wo einst der Ehemann und Vater eine Magnolie gepflanzt hatte. Noriko und ihre Mutter haben früher Hunde gehalten, Katzen mögen sie nicht besonders. Die Mutter sagt sogar, dass sie sie hasst. Sie versuchen sofort, die sechs Katzen loszuwerden, vergeblich. Sie wollen sie aber auch nicht ihrem Schicksal überlassen und nehmen sie bei sich auf mit der Absicht, sie abzugeben, wenn sie etwas älter sind.
Die Autorin beschreibt, wie sich der Alltag mit den sechs Gästen gestaltet, wie Freunde und Bekannte immer wieder vorbeikommen und Katzennahrung, Streu und Spielzeug vorbeibringen. Alle sind fasziniert von den sehr unterschiedlichen niedlichen Tieren. Allmählich vollzieht sich auch bei Noriko und ihrer Mutter eine Veränderung der Einstellung. Sie schließen die Tiere ins Herz und behalten letztlich Mutter Mimi und ihren Sohn Taro. Noriko beschreibt das Wesen der neuen Mitbewohner sehr eingehend, deutet ihre unterschiedlichen Laute und ihre Körpersprache. Das Zusammenleben mit den geliebten Tieren verändert die beiden Frauen und vor allem auch Norikos Einstellung zum eigenen Leben und zu der Frage, was Glück bedeutet. Sie begreift, dass das Glück nicht in weiter Ferne liegt, sondern im Hier und Jetzt zu finden ist. Sie ist sich bewusst, dass sie eines Tages großen Schmerz empfinden wird, wenn die Katzen nicht mehr leben, sie, die ihnen einst aus Furcht vor der daraus resultierenden emotionalen Bindung nicht einmal Namen geben wollte.
Morishita ist ein sehr schönes Buch über die Liebe zwischen Mensch und Tier gelungen. Allerdings fand ich Chloe Daltons "Hase und ich" noch um einiges eindrucksvoller und berührender.