Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Magnolia
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 48 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2024
Über allen Bergen (eBook, ePUB)
Goby, Valentine

Über allen Bergen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein prall gefülltes Füllhorn an Eindrücken und noch sehr viel mehr

„Wo waren sie jetzt nochmal genau? Wo auf der Karte, die seine Mutter am Abend vor der Abreise in ihrem Zimmer ausgebreitet hatte, an welchem Punkt der grob nachgezeichneten Strecke? Er war verwirrt.“

Der 12jährige Vadim, Spross einer russisch-jüdischen Familie, ist mit einer Schwester unterwegs von Paris, das wegen des drohenden Krieges immer unsicherer wird, hinauf in ein abgelegenes Tal, das an der Grenze zur Schweiz liegt. Und nun hält der Zug, zwei Stationen zu früh. Eine Lawine macht die Strecke unpassierbar. Nur gut, dass der Mann, der ihn abholt, hier auf ihn wartet, denn Lawinenabgänge sind nichts ungewöhnliches, sodass er dementsprechend früher losgegangen ist.

Vincent? sagt der Mann zu ihm. Nun, an diesen Namen muss Vadim sich erst noch gewöhnen, denn von nun an ist er Vincent und die gute Bergluft ist es, die ihm, dem Asthmatiker, gut tut. Er kann wieder frei atmen.

Für Vincent ist alles neu, alles ungewohnt. Er kommt im tiefsten Winter an, solch meterhohe Schneemassen kennt er nicht. Die Familie, die ihn aufnimmt, begegnet ihm liebevoll und warmherzig, auch die Dorfbewohner zeigen ihm ihre Welt, bald fühlt er sich heimisch, er entdeckt jeden Tag Neues. Er lernt, mit der Natur zu leben.

Sehen, schmecken, riechen, fühlen, hören – mit allen Sinnen nimmt er sein Umfeld in sich auf und wir, die Leser, mit ihm. Der Übergang vom Winter in den Frühling, der Wechsel der Jahreszeiten ist so eindringlich, so intensiv beschrieben – es ist ein prall gefülltes Füllhorn an Eindrücken. Vincent zeichnet gerne, er braucht allerdings lange, bis er die Welt da draußen nachbilden kann, denn diese für ihn so ungewohnten Dimensionen vereinnahmen ihn zunächst komplett. Die Berge ringsum, die Pflanzen und die Tierwelt sind so vielfältig, er sieht die Gegenstände in Farben, er spürt Verlust und Neugeburt – er erlebt so fast ein Jahr im Wandel der Zeit.

Neben den so eindrucksstarken Bildern der Berge, die sich um den aus Vincents Sicht fernen Mont Blanc gruppieren, sind es die vielfältigen Naturbeschreibungen und das einfache Leben in dem abgelegenen Bergdorf, die diesen Roman so lesenswert machen. Hier helfen alle zusammen, auch die Kinder packen mit an. Jeder hat seine Aufgabe, denn sie wissen um die Kraft der Dorfgemeinschaft.

Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges beschreibt Valentine Goby das Leben auf einem Bergdorf. Trotzdem sie hart arbeiten müssen, sind sie zufrieden und zwischendurch genießen ihre kleinen Fluchten vom Alltag. „Über allen Bergen“ ist ein ganz besonderes Buch, eine wundervoll erzählte Geschichte, die mich begeistert, aber auch nachdenklich zurücklässt. Absolut lesenswert.

Bewertung vom 05.12.2024
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


gut

Ganz amüsant

Es war einmal… So beginnen Märchen. Margaret ist eine von denen, die sich eine traumhafte Zukunft in Hollywood ausmalen - aber nicht so, wie es sich die meisten erhoffen. Nein, sie will keine dieser glamourösen Schauspielerinnen sein, sie will diese glitzernde Traumwelt hinter den Kulissen auf ihre Art erobern. Als Visagistin will sie hoch hinaus, denn schließlich ist ein gutes Aussehen das Pfund, mit dem die Stars und Sternchen neben ihrem mehr oder weniger vorhandenen Talent wuchern. Also, nichts wie los. Der Weg hin zu ihrem zukünftigen Wirkungskreis ist steinig, aber Margaret wäre nicht sie, würde sie nicht fantasievoll und zudem voller Chuzpe ihre Chancen ergreifen.

Unterwegs trifft sie auf Jimmie, der ihr – ohne sein Zutun – zu ihrem hollywoodtauglichen Namen verhilft. Loretta ist sie nun und später dann das LipGirl, Loretta Darling. Dazwischen liegen noch so einige Bekanntschaften, allen voran ist es Primrose, die ihr zu ihrem ersten, schäbigen Zuhause und auch zu einem Job verhilft. Von nun an geht‘s bergauf.

Mit Loretta bin ich im Jahre 1950 gelandet, den beschriebenen Zeitgeist dieser Jahre habe ich schon auch gespürt, diesen aber eher am Rande wahrgenommen. Gut, das Lebensgefühl anno dazumal war ein anderes, die männerdominierende Gesellschaft kommt hier gut durch. Mehr noch, die Story rutscht gelegentlich ins pornohafte ab. Auch spielt Gewalt mit hinein – ob verbal, körperlich oder sexuell, es geht knallhart zur Sache. Alkohol fließt in Strömen, Drogen gehören natürlich dazu, die Leinwandhelden geben sich beileibe nicht immer heldenhaft. Und - beim Lesen hatte ich des Öfteren diese berühmte Besetzungscouch vor Augen.

Katherine Blake schreibt unterhaltsam, sie lässt diese kalifornische Traumwelt in sich zerplatzen. Gespickt ist ihr Roman mit Sex, Drogen und manch anderen (Rache)Gelüsten, die Stars jener Zeit zählt sie eher auf als dass sie in diese Story integriert wären. Als frivol und pikant würde ich dieses Buch nicht bezeichnen, es beschreibt eher den rüpelhaften, von sich überzeugten Chauvinisten. Loretta Darling dagegen ist ihrer Zeit weit voraus, sie verfolgt zielstrebig ihren Wunsch einer unabhängigen Frau. Dazwischen kommt eine ganz andere Loretta zum Vorschein. Eine Frau, die ihre Vergangenheit nicht loslässt. Je mehr ich davon lese – es sind immer nur kurze Segmente – desto eher wird mir der Hintergrund dessen klar.

Es ist ein unterhaltsames, ja amüsantes Buch mit einer quirligen Protagonistin, die leicht überzeichnet ihren ureigenen Zielen folgt und sich schlussendlich nicht scheut, den Bogen extrem zu überspannen, was bei mir nicht gut ankommt. Dieses negative Gefühl, das sich unecht anfühlt, überlagert schon die flott geschriebene Story mit einer Heldin, die frech und forsch voranschreitet, die auf subtile, eher noch auf hinterhältige Art dem ekelhaften Männergehabe zuleibe rückt.

Bewertung vom 03.12.2024
Die Frau des Serienkillers
Hunter, Alice

Die Frau des Serienkillers


ausgezeichnet

Ist sie die Frau eines Killers in Serie?

Beth und Tom Hardcastle leben mit ihrer Tochter Poppy in dem kleinen Ort Lower Tew – eine Bilderbuchfamilie schlechthin. Dennoch kommen erste Zweifel auf, denn Tom wird des Mordes beschuldigt. Er kommt in Haft und so nach und nach erfahren wir mehr von ihm. Beth lässt einen Blick hinter die Kulissen zu, sie erwähnt etwa wie nebenbei, dass er klammert. Man weiß nicht so recht, was man davon halten soll. Denn bald wird klar, dass Beth so einiges der Polizei gegenüber verschweigt. Will sie ihm helfen? Ihm beistehen? Ihn schnellstmöglichst aus dem Gefängnis herausholen? Das ach so glückliche Familienleben scheint ein Trugschluss zu sein.

Ich bin hin- und hergerissen zwischen Beth und Tom. Sie führt ein gutgehendes Keramikcafé, in dem auch die Leute von Lower Tew ein- und ausgehen. Diese scheinen Beth zunehmend kritisch zu beäugen, was angesichts Toms Haft nicht weiter verwundert. In dieser schweren Zeit ist ihr Adam, ein verwitweter Nachbar mit einer Tochter in Poggys Alter, eine große Stütze. Mir jedoch ist er nicht so ganz geheuer und auch wenn ich es nicht direkt benennen kann, so würde ich an Beths Stelle etwas mehr auf Abstand gehen. Tom wird derweilen von seinem Anwalt vertreten, auch von ihm erfahre ich mehr als mir lieb ist.

Alice Hunter versteht es perfekt, ihren Lesern häppchenweise Infos vorzusetzen, die jedoch mehr für Verwirrung denn für Klarheit sorgen. Zwischendurch bekommen wir noch Szenen vorgesetzt, die zwar hart zur Sache gehen, aus denen aber nicht ersichtlich wird, um welche Personen es sich handelt. Natürlich habe ich eine Vermutung – ob ich richtig liege, erschließt sich mir lange nicht. Auch Toms Gedanken bleiben mir nicht verborgen und auch bei ihm bin ich mir nicht sicher, ob seine Wahrnehmung getrübt ist, denn das, was ihm zur Last gelegt wird, liegt schon etliche Jahre zurück.

Schon allein der Titel „Die Frau des Serienkillers“ wirft Fragen auf. Wird sie lediglich als die aus allen Wolken fallende Ehefrau dargestellt, die nichts von den Taten ihres Angetrauten wusste? Oder geht es eventuell um sie direkt? Alles könnte möglich sein, lange bin ich ratlos, bin hin- und hergerissen. Die Story ist raffiniert konstruiert, was mir per se schon mal gefällt. Und nicht nur die Story an sich, auch die hier Agierenden, allen voran das Ehepaar Hardcastle, haben in mir überwiegend negative Gefühle ausgelöst.

Die durchweg rasante Story hatte kurzzeitig einige Längen, die jedoch angesichts der bald wieder anziehenden Spannung vernachlässigbar sind. Letztendlich habe ich doch einiges vorausgesehen, es mir auch so gewünscht - trotzdem oder gerade deshalb war es für mich ein schlüssiges Ende. Und nun bin ich auf „Die Tochter des Serienkillers“ gespannt, das zweite Buch erscheint Ende Januar 2025.

Bewertung vom 01.12.2024
Der Traum von Diamanten / Cartier Bd.1
Villard, Sophie

Der Traum von Diamanten / Cartier Bd.1


ausgezeichnet

Ein wundervoller Traum voller Glanz und Glamour

„Cartier. Der Traum von Diamanten.“ Der erste Band der Cartier-Saga weckt in mir den unbedingten Wunsch, noch mehr über das schillernde Leben dieser Juweliersfamilie zu erfahren. Das erste Buch beginnt im Jahre 1910, es ist in drei Teile gegliedert und endet im Sommer 1915, wobei die Zeit mit Beginn des Ersten Weltkrieges eher kurz angerissen ist.

Wer kennt sie nicht, die glamouröse Marke Cartier - eine glanzvolle Welt, in die nicht jeder Zutritt hat. Auch die junge Näherin Jeanne Toussaint hätte sich nie träumen lassen, eines Tages bei Cartier eine Anstellung zu finden. Nun, sie verdankt ihr erstes Aufeinandertreffen mit Louis Cartier ihrer Tango-Leidenschaft und natürlich unterhält man sich daneben, schon allein die Etikette erfordert einen unverbindlichen Plausch. So ganz unverbindlich jedoch bleibt dies nicht, denn nicht nur ihre außergewöhnlichen Ohrringe sind es, die Louis auffallen, auch bemerkt er ihren stilsicheren Blick und ihr Gespür für das Besondere. An zwei Tagen die Woche entwirft sie ab sofort neue Kreationen, die auch nützliche Kleinigkeiten im Luxussegment beinhalten und sich bestens verkaufen.

Hier treffen Fiktion und Wirklichkeit aufeinander, der historische Hintergrund bleibt dennoch stets sichtbar. Neben den Brüdern Cartier und der jungen Jeanne Toussaint sind es viele heute noch bekannte Persönlichkeiten wie etwa Coca Chanel, denen wir hier begegnen.

Sophie Villard nimmt mich zunächst mit nach Paris zu Louis und seinem exklusiven Juweliergeschäft. Diskretion ist alles, die finanzkräftige Klientel fordert Individualität, dafür stehen neben dem Empfangssalon auch der Perlensalon oder etwa auch der Grüne Salon zur Verfügung. Man spürt das exquisite Ambiente, in dem die erlesenen Stücke präsentiert werden. Der Käuferkreis ist international, was selbstverständlich auch für das Haus in London gilt, in dem Jacques die Geschäfte leitet und selbstredend zählt auch das Königshaus zur vornehmen Kundschaft. Das Cartier-Geschäft in den USA wird von Pierre geleitet, es residiert auf der Fifth Avenue in New York.

Die Anekdote um die erste Fliegeruhr und deren Namensgeber Alberto Santos Dumont erzählt auch von dem ersten lenkbaren Luftschiff, wir reisen nach Russland, tauchen mit Perlenfischern, bestaunen den Panther-Ring und sind dem sagenumwobenen Hope-Diamanten auf der Spur, um nur einiges Wenige zu nennen, das uns hier bestens unterhält und uns in eine glamouröse Zeit zurückversetzt. Unser Weg führt direkt hinein in die Werkstätte der Goldschmiede und auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Neben der zauberhaften Jeanne in Paris sind es Elma in NY und Nelly in London, die für so manch Verwirrung sorgen.

Jeannes Geschichte geht weiter, sie bleibt erst mal zurück in Paris inmitten der Kriegswirren. Und sie bleibt uns auch im zweiten Band erhalten. Sie habe ich ganz besonders gemocht, aber auch die anderen Charaktere sind mir sehr vertraut, Sophie Villard hat sie mit Leben gefüllt, ihnen Glaubwürdigkeit und Echtheit mitgegeben. Ihr einnehmender Schreibstil verbindet die fiktiven Elemente mit dem historischen Hintergrund aufs Beste, sie hat mich vorzüglich unterhalten mit ihrem „Traum von Diamanten“, den ich nur zu gerne mitgeträumt und direkt miterlebt habe, so tief hat sie mich in diese mitreißende Geschichte voller Glanz und Glamour gezogen.

Bewertung vom 01.12.2024
Rebellin der Hohen Schule
Lynn, Nora

Rebellin der Hohen Schule


ausgezeichnet

Eine durchaus rebellische junge Frau, die mutig ihren Zielen folgt

Im Wien des Jahres 1875, also vor hundertfünfzig Jahren, haben die Frauen zu heiraten und neben ihrem Angetrauten ihr anmutiges Äußeres zu präsentieren. Dafür werden sie erzogen, auch Margarete Böhm droht dieses Schicksal. Ihre Mutter hält Ausschau nach einem passenden Heiratskandidaten und wird direkt bei der reichen Familie Hoffmann mit August, ihrem vielversprechenden Spross, fündig. Margaretes rebellischer Charakter jedoch lehnt diesen freiweg ab und auch August scheint von ihr gänzlich abgeneigt zu sein. Nicht die besten Voraussetzung für eine familiäre Verbindung, zumal Mutter sich dadurch noch so einiges mehr verspricht.

Margarete ist mit ihren zwanzig Jahren eine junge Frau mit ihren ureigenen Vorstellungen und diese gehen eher Richtung Hofreitschule denn in den Ehehafen. Ihr sehnlichster Wunsch ist es seit jeher, einmal hier als Bereiterin tätig zu werden. Die Spanische Hofreitschule zu Wien kennt sie von klein auf, ist doch ihr Vater der Erste Oberbereiter. Sie und ihr Zwillingsbruder Wenzel gehen hier immer noch ein und aus und im Gegensatz zu ihrem Bruder ist Margarete eine Naturbegabung, aber leider bleiben die Türen in beruflicher Hinsicht für sie als Frau verschlossen.

Nora Lynn erzählt von der Rebellin, die mir sofort sympathisch war. Sie lässt die Zeit anno dazumal aufleben, sie nimmt ihre Leser mit in den Alltag der Hofreitschule, sie klärt wie nebenher etwa über die Namensgebung der Hengste der Kaiserlichen Hofreitschule auf, lässt uns einen tiefen Blick auf die Kaiserin werfen und hat noch viele interessante Geschichten und Anekdoten parat. Und natürlich folgt sie ihrer Hauptakteurin, der fortschrittlichen Margarete, deren Weg auch ins Gestüt Lipica führt. Auch erfahren wir mehr über Wenzel, den ich neben ihr sofort ins Herz geschlossen habe und auch August behalten wir im Auge – eh klar.

Neben der unterhaltsamen Story und dem aufschlussreichen historischen Bezug ist es auch der einnehmende, fesselnde und kurzweilige Schreibstil, der mich sofort ins Buch gezogen hat. Voller Emotionen, voller Dramatik und Intrigen entspinnt sich eine Geschichte mit einem intensiven Schluss, der sich letztendlich gut in die ganze Geschichte einfügt. „Rebellin der Hohen Schule“ ist ein New-Adult-Liebesroman, der mir sehr gut gefallen hat und den ich sehr gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 27.11.2024
Nachtwald
Walsh, Tríona

Nachtwald


sehr gut

Düster, geheimnisumwittert, nervenaufreibend

Nach Tríona Walshs durchweg spannendem Thriller „Schneesturm“ kommt auch „Nachtwald“ fesselnd und geheimnisvoll daher, wenngleich er die Spannung nicht durchgehend hält.

Claire und George haben geheiratet. Um die Kinder des jeweils anderen kennenzulernen, bietet sich Georges abgelegenes Herrenhaus direkt an. Es steht mitten im Wald, mit Fahrzeugen ist es nicht erreichbar, also machen sie sich auf einen längeren Fußmarsch gefasst.

Die Story wird überwiegend aus Lizzies Sicht erzählt. Sie ist Claires Tochter, mit dabei sind auch ihr Bruder Liam sowie Freya, Georges Tochter, mit Hudson, ihrem frisch Angetrauten sowie die Köchin Mia.

Schon der Prolog lässt den „Nachtwald“ düster und unheimlich erscheinen und weckt in mir den Wunsch, nie zu diesem Herrenhaus gehen oder eher stolpern zu wollen. Aber auch der Drang, mehr von dieser kleinen „Wandergruppe“ und ihrem Wochenende zu erfahren, ist da.

Kaum sind sie angekommen, erscheint ein ungebetener Gast, der ihre Pläne gehörig durchkreuzt. Schon allein das Haus ist mir nicht ganz geheuer, genau so jeder einzelne der überschaubaren Truppe. Seltsame Dinge geschehen, Lizzie forscht nach, sie gräbt in der Vergangenheit und nicht zuletzt durch ihre Umtriebigkeit werden bei mir Zweifel geweckt, um diese dann doch wieder zu verwerfen. Die Story zieht sich eine ganze so Weile dahin, sie dreht sich irgendwie um sich selbst, um dann – endlich - umso gewaltiger anzuziehen. Es geht Schlag auf Schlag, nichts ist so, wie es zunächst den Anschein hat, eine neue Erkenntnis jagt die nächste. Die losen Fäden wollen sich jedoch lange nicht verbinden, bis die Fassaden peu à peu zu bröckeln beginnen und das Ende eingeläutet wird.

Nach dem starken Anfang war es mir eine ganze Weile zu langatmig, der spannende Schluss hat mich dann wieder abgeholt. Ein durchaus solider Thriller, der gelesen werden will.

Bewertung vom 25.11.2024
Böhmische Schicksalstage
Lindberg, Karin

Böhmische Schicksalstage


sehr gut

Unterhaltsamer zweiter Teil der Lemberg-Saga

Schon der erste Teil der Lemberg-Saga „Böhmische Hoffnung“ hat mich gut unterhalten und so wollte ich natürlich wissen, wie es mit der Familie Lemberg weitergeht.

Die vier Kinder sind mittlerweile aus dem Gröbsten raus, sie haben ihre ganz eigenen Vorstellungen von ihrem weiteren Lebensweg. Alba, die älteste Tochter, interessiert sich brennend für das familieneigene Unternehmen, allerdings ist Emilie, ihre Mutter, der Überzeugung, dass es sich für sie so gar nicht gehört, in der Weberei zu arbeiten. Also trifft sie sich nachts heimlich mit Miroslav, einem jungen Tschechen, der ihr an den Webstühlen einige Arbeitsabläufe und daneben noch so manch anderes näherbringt. Charlotte, die jüngere Lemberg-Tochter, mischt derweilen das schweizerische Pensionat gehörig auf, denn alles ist für sie wichtiger als der Lernstoff. Wäre noch Ferdinand, der nach Abschluss seines Ing.-Studiums als Vaters Nachfolger vorgesehen ist und für Kilian, dem jüngsten Spross, steht eher noch die Schule im Vordergrund. Carl, der Patriarch, hat an mehreren Fronten zu kämpfen. Neben dem Fortbestand des Unternehmens ist es auch eine Affäre, die ihm immer mehr zu schaffen macht. Auch ist seine Schwiegermutter nicht unbedingt pflegeleicht und seine Frau drängt ihn immer mehr, Alba standesgemäß zu verheiraten, was diese vehement abblockt, hat sie doch ihre eigenen Pläne.

Wir sind in Böhmen im Jahre 1938. Nicht nur die unternehmerischen und familiären Probleme nagen an ihnen, auch die politische Situation wird immer bedrohlicher.

Karin Lemberg versteht es, ihre Familiengeschichte mit der damalige Zeit in Einklang zu bringen. Jeder einzelne Charakter hat seine Eigenheiten. Die Persönlichkeiten sind gut herausgearbeitet, sodass man um sie bangt, mit ihnen fiebert, sich mit ihnen freut und so manch Geschöpf auch verdammt. Mir sind sie alle schon aus dem Vorgängerband gut bekannt und natürlich wollte ich wissen, wie es mit ihnen allen weitergeht. Alba etwa ist eine vielschichtige Figur, die an mehreren Fronten zu kämpfen hat. Ihr fester Wille, ihre Liebe zu einem Mann, die Vorstellung der Frau Mama um ihre Rolle als Frau und auch ihre Heimatverbundenheit stellen für sie schon arge Probleme dar. Auch das neue Hausmädchen Lissi umgibt eine ganz besondere Aura, die bis in den engsten Familienkreis hineinreicht.

Viel ist passiert sowohl in der Weberei mit so einigen finsteren Typen, die vor nichts und niemandem Halt machen als auch in der Familie, die nicht zuletzt durch Standesdünkel geprägt ist. Die politisch aufgeladene Stimmung bis hin zum aufkeimenden Judenhass ist spürbar, das Schicksal der hier Agierenden steht jedoch im Vordergrund. Auch dieses zweite Buch habe ich gerne gelesen und natürlich bin ich neugierig auf den nächsten Band, denn es wird weitergehen, so viel habe ich den letzten Zeilen entnommen.

Bewertung vom 23.11.2024
Zwei Federn
Lehmann, Rüdiger und Sonja

Zwei Federn


sehr gut

Informativer Auftakt der O’Brian-Familien-Trilogie

„Zwei Federn“ ist der erste Band der O`Brian-Familien-Trilogie. Von dem Autorenpaar Rüdiger und Sonja Lehmann habe ich schon die Sally-Wheeler-Trilogie gelesen, eine weitreichende Familiengeschichte, die fiktive und reale Personen an diversen Schauplätzen mit historischem Hintergrund durchleuchtet.

Nun zu ihrem neuesten Werk, das von dem titelgebenden Krieger vom Stamm der Choctaws erzählt. Seinen Namen – Two-Feathers – verdankt er zwei Adlerfedern, die bei seiner Geburt 1819 herabschweben und die sein Vater für ihn in seinem Medizinbeutel verwahrt.

Das Register um die Hauptpersonen mit Familienzugehörigkeit ist dem Roman vorangestellt, was gerade zu Anfang der Geschichte, aber auch immer mal wieder mittendrin, sehr hilfreich ist. Es sind mehrere Familien, die miteinander verflochten sind, erzählt wird in der Vergangenheit von Two Feather, der sich später Gideon nennt. Er wird von seinem Stamm während der großen irischen Hungersnot, deren Auslöser die Kartoffelfäule war, nach Irland geschickt, um das von ihnen gesammelte Geld der notleidenden Bevölkerung zu übergeben. Allerdings wecken diese Gaben auch Begehrlichkeiten in Kreisen, die nicht darauf angewiesen sind. In Irland dann trifft Gideon auf die junge Amy O’Brian, eine talentierte Schriftstellerin. Auch Gideon erweist sich als begnadeter Erzähler, beide gehen dann nach ihrer Eheschließung in seine Heimat.

In der Gegenwart sind es Bridget O’Brian und Ryan Doyle, die Nachfahren des Autorenpaares Amy und Gideon. Sie spüren ihren Ahnen nach, eine spannende Reise beginnt. Diese beiden Erzählstränge werden im Wechsel erzählt, sie vermischen sich, wenn nötig. Einmal eingelesen, möchte man das Buch gar nicht mehr weglegen, auch wenn dieser erste Teil der O’Brian-Trilogie, wie auch die anderen Bücher der Lehmanns, viel Aufmerksam verlangt. An den Personen war ich bald nahe dran, wobei ich besonders gerne mit Amy und Gideon unterwegs war.

„Zwei Federn“ erzählt von der oben schon erwähnten Großen irischen Hungersnot, nimmt sich den indigenen Ureinwohnern Amerikas und deren Stellenwert an, berichtet von den politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen und den damit einhergehenden Einzelschicksalen hüben wie drüben – in Irland ebenso wie in den Staaten. Die gut recherchierten historischen Hintergründe sind gut lesbar mit den fiktiven Elementen (dies sind die hier beschriebenen Familien) aufbereitet. Wer sich für Geschichte interessiert, ist hier genau richtig.

Bewertung vom 23.11.2024
BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI
Linell, Alexa

BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI


ausgezeichnet

Was kann KI?

„BOX. Nimm dich in Acht vor dieser KI.“ Dieser aktuelle Wirtschaftsthriller über Künstliche Intelligenz ist am Puls der Zeit – an KI kommen wir nicht mehr vorbei bzw. wir sind schon mittendrin.

Alles beginnt mit Danilos Trauerfeier, bei der auch Veda, seine Ex-Freundin, ihm die letzte Ehre erweist. Hier trifft sie auf ehemalige gemeinsame Kommilitonen, die - wie sie - an Danilos Selbstmord zweifeln. Im Gegensatz zu ihr, die nach dem ersten Staatsexamen in einer Kanzlei ihrem Chef zuarbeitet und dabei glücklich ist, hat es Danilo zum Staatsanwalt gebracht, urplötzlich allerdings hat er seinen lukrativen Job gekündigt. Als sie dann von Ralph, Danilos jüngerem Bruder, der im fernen Australien lebt, eine Mail mit der Bitte um Anruf erhält, erkennt sie, dass ihr Ex-Freund zu alten, ungeklärten Fällen recherchiert und einiges an Material zusammengetragen hat.

Schon der Prolog mutet direkt surreal an, hier durchlebt einer sein Leben im Schnelldurchlauf. Lange, ganz lange kann ich mir nicht vorstellen, was das Ganze soll, wenngleich ich weiß, um wen es sich handelt.

Vedas On-Off-Freund Philipp ist ihr eine große Stütze, denn natürlich lassen ihr Danilos Unterlagen, die sie über Ralph erhält, keine Ruhe. Es geht um Mord, auch in Serie, es geht um Selbstmord, um Selbstjustiz, um Gerechtigkeit und um Rache scheint es auch zu gehen. Irgendwann dann trifft Veda sich mit Talli, einer Kommissarin, die ihr zur Seite seht. Zwischendurch jedoch melden sich bei mir immer mal wieder leise Zweifel ob Tallis Integrität. Und nicht nur bei ihr bin ich skeptisch, auch anderen hier agierenden Personen begegne ich mehr oder weniger kritisch. All die Charaktere, angefangen von Veda und Philipp, haben Biss. Ihre Wesenszüge, ihr Verhalten in bestimmten Situationen erwecken meine Sympathie oder auch das Gegenteil davon, allesamt sind sie stimmig und authentisch dargestellt.

Alexa Linells „BOX“ handelt von etlichen Kriminalfällen, Cold Cases, KI stets im Hintergrund. Künstliche Intelligenz – das durchgehende Thema, das sich gegen Ende zu immer mehr herauskristallisiert, ist erschreckend real. Jeder weiß darum, jeder ist damit konfrontiert. Die Story ist durchgehend spannend, sie fesselt, sie ist lange nicht so ganz durchschaubar. Kurzum – ein gelungener Thriller, der gelesen werden will.

Bewertung vom 19.11.2024
Verdorbene Saat (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Verdorbene Saat (Thriller)


ausgezeichnet

Die Herbstzeitlose – eine allzu giftige Pflanze

Giftpflanzen gibt es so einige in unseren Gärten, die Herbstzeitlose gehört dazu. Ihre Blüten sind rosa- bis lilafarben, sie ist leicht mit dem Krokus, dessen Blüten jedoch kräftigere Farben aufweisen oder auch mit dem Bärlauch zu verwechseln.

Martina Siekers Leiche wurde im Garten vor ihrem Haus von ihrem Hund ausgebuddelt, der Ehemann hat daraufhin die Polizei verständigt. Schon der Prolog ist heftig, die Beschreibung direkt gruselig.

Katharina Winkler, kurz Kat genannt, übernimmt den Fall, ihr zur Seite wird der als sehr pedantisch geltende Sebastian Fischer gestellt. Die beiden sind nicht unbedingt ein Dreamteam. Und doch müssen sie zusammenarbeiten, sich auf den anderen verlassen können, was nach anfänglichen Schwierigkeiten dann ganz gut klappt. Kats Eigenart, direkt am Ort des Geschehens Zeichnungen anzufertigen, ist schon oft zugute gekommen. Sie konzentriert sich vollends, versetzt sich in die Täterfigur, um sich den möglichen Vorgang filmisch vor Augen zu führen. Je mehr ich diese beiden Ermittler beobachte, desto näher sind sie mir. Kat sowieso, aber auch Sebastian entpuppt sich als durchaus cooler Typ.

Bei der einen Toten bleibt es nicht, die nächste wird wiederum in einen Privatgarten gefunden. Dem Opfer wurde der Kiefer ausgerenkt, um für die Herbstzeitlose, die aus ihrem Mund zu wachsen scheint, Platz zu schaffen. Ihr Körper ist mit Schnitten übersät, darin finden sie Samen – welcher Sadist ist hier zugange?

Es ist durchaus plausibel, dass sie den Täter im botanischen Bereich suchen und so wie es aussieht, haben sie es mit einem Serientäter zu tun. Auch stellt sich die Frage, wie lange er schon mordet. Das nähere Umfeld der Opfer wird durchleuchtet, was durchaus Sinn macht. Gunnar Schwarz geht dabei raffiniert vor, man wähnt die Ermittler des Öfteren kurz vor dem Durchbruch. Dabei legt er geschickt Fährten aus, die dann doch eher im Sande verlaufen. Die Spannung lässt nie nach, auch sind Kat und Sebastian näher dran, als es für sie gut ist. Was sich ihnen letztendlich präsentiert, hätte ich nicht für möglich gehalten und doch ist das ganze Ausmaß dessen, was alles ans Licht kommt, in sich schlüssig.

Die „Verdorbene Saat“ hat es in sich, es ist ein fesselnder Thriller, wie nicht anders von Gunnar Schwarz zu erwarten. Und nun – am Ende angelangt - hoffe ich, dass ich noch mehr von diesem tollen Ermittlerduo lesen werde.