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katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 128 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2024
Tanzen wir die Liebe aus
Henke, Matthias

Tanzen wir die Liebe aus


sehr gut

Ein Leben voller Bilder

Es ist der Ohrwurm schlechthin, den die kleine Conny durchs Radio schmettert: "Pack die Badehose ein" wird zum Erfolgsschlager und stellt die Weichen für eine Karriere, die eine fast schon märchenhafte Geschichte erzählt. Doch die kaum jemand dürfte wissen, dass hinter den augenzwinkernden Textzeilen auch eine politische Geschichte steckt. Matthias Henke lässt gemeinsam mit Cornelia Froboess die Stationen ihrer Karriere Revue passieren und die Leser:innen an diesem bewegten Leben teilhaben.

Apropos bewegt - nicht nur die Gesangskarriere, auch die bewegten Bilder auf der Filmleinwand im Kino und später im Fernsehen zeigen immer wieder das wunderbar wandelbare Gesicht einer Frau, die sich vom Kinderstar zur Charakterdarstellerin entwickelt hat.

Ihre Grundhaltung und Einstellung zum Leben ist durchweg positiv, sie hinterfragt und bezieht eindeutig Stellung. Zugleich ist der Verlauf ihrer Karriere ein Abbildung der Ereignisse , die sich über die Jahrzehnte nicht nur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Weltgeschehen abgespielt haben.

Die Biografie liest sich wie ein Stelldichein der großen Namen aus Musik-, Film- & Fernsehgeschichte und es gibt ein Wiederlesen mit Harald Juhnke, dem Peter-Quartett, Ostwind, Marikka Röck und und und. Ein Buch, das genauso voller Elan und Dynamik steckt, wie seine Hauptperson und trotzdem - oder gerade deswegen - auch in den leisen Tönen ganz besonders überzeugen kann.

Die Schwarz-Weiß-Fotografien und der Farbbildteil lockern die Rückblicke und Einblicke zusätzlich auf und ermöglichen den Lesenden einen visuellen Zugang zur Biografie, Lebensstationen, künstlerischen Schaffensprozessen und der Zeit, in der Cornelia Froboess ihre Fußabdrücke auf den Brettern der Theater- & Filmwelt hinterlässt.

Abwechslungsreich erzählt, jedoch manchmal sehr dicht dran an einer Inhaltsangabe, kann das Buch dennoch überzeugen und ist ein kurzweiliger Zeitvertreib.

Bewertung vom 04.11.2024
Happy End
Bestgen, Sarah

Happy End


sehr gut

Keine Rose ohne Dornen

Isa ist glücklich - ihr Leben gleicht einem Bilderbuch, denn sie darf an der Seite ihres Traummannes all das erleben, wovon sie als junges Mädchen geträumt hat. Mit der Geburt von Söhnchen Ben ist der Sonnenschein in die eigenen vier Wände eingezogen. Bis...ja, bis Isa eine leere Krabbeldecke entdekcken muss und Ben spurlos verschwunden ist. Der Alptraum einer jeden Mutter. Die Suche nach dem Baby wird zum Albtraum und Isas Leben verändert sich schlagartig....


„Keine Rose ohne Dornen“ – das sind die ersten Gedanken, die mir beim Betrachten des Covers durch den Kopf gehen. Nach dem Lesen des Klappentextes steht fest, dass hier ein Debütroman vor mir liegt, der unbedingt gelesen werden m u s s. Schon der erste Leseabschnitt hat mich emotional vollkommen platt gemacht und ich klebe regelrecht an den Seiten. Die Intensität der Gefühle, die Isa durchlebt, ist ergreifend und schmerzhaft. Ihre Verzweiflung über den Verlust ihres Kindes wird so eindringlich beschrieben, dass es einem das Herz zerspringen lässt. Als Mutter kann ich nur erahnen, wie quälend diese Leere und Unsicherheit für sie sein muss. Es ist, als würde man mit einem Löffel im Herzen herumbohren – jeder Satz ist unglaublich schmerzhaft und hinterlässt tiefe Wunden.

Die Figur von Mark wirft viele Fragen auf. Ist er wirklich so eiskalt oder steckt mehr hinter dem Verschwinden seines Sohnes? Als Arzt hat er gelernt, rational zu denken und zu handeln, doch alles, was Mark tut oder eben nicht tut, macht mich noch mehr stutzig. Besonders irritierend ist sein Verhalten im Krankenhaus und die Distanz, die Mark zu Isa hält. Seine Gefühle wirken wohl dosiert, irgendwie einstudiert und nicht echt.

Die immer weiterwachsenden Zweifel und das Misstrauen, das Isa gegenüber Mark hegt, sind nachvollziehbar. Seine Geheimnisse, seine Ausflüchte und sein gesamtes Verhalten machen ihn mehr als verdächtig. Seine eigenartige Art lässt ihn bedrohlich erscheinen und nach und nach fällt seine wunderschöne Maske. Isas heile Welt wird immer mehr zerschnitten und dunkle Schatten legen sich über ihr vermeintlich großes Glück.

Die Entwicklung der Geschichte über zwei Drittel des Buches hinaus hat mich sprach- und fassungslos gemacht. Isa kämpft unermüdlich, geht sowohl emotional als auch körperlich durch die Hölle und wird zur unerwarteten Heldin, die trotz aller Widrigkeiten ihren mütterlichen Instinkt nicht aufgibt. Das Zusammenspiel der Charaktere und die Enthüllungen sind packend, doch leider lässt die Qualität des Thrillers gegen Ende nach. Die Handlung wird überfrachtet, wirkt dadurch gehetzt und verliert an Glaubwürdigkeit. Isa verwandelt sich in eine Meisterdetektivin, während die Polizei im Dunkeln tappt.

Die Enthüllungen um Mark und Dr. Blum sind schockierend, doch die Umsetzung wirkt teils unrealistisch. Das Drama, das sich in der abgelegenen Hütte im Nationalpark abspielt, ist vollkommen überzogen und lässt die Leserschaft mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurück. Es ist, als hätten unbedingt noch zu viele Ideen in die Handlung eingebaut werden müssen, die ansonsten in einer Schublade der Autorin liegen geblieben wären.

Insgesamt bleibt der Debütroman ein fesselndes Werk mit emotionalen Höhen und Tiefen, das die Lesenden mitreißt. Trotz der Schwächen in den letzten Kapiteln ein echter Seitenfresser, auch wenn nicht ganz die hohen Erwartungen bis zum Ende erfüllt werden.

Bewertung vom 03.11.2024
Jahreszeiten
Veen, Herman van

Jahreszeiten


sehr gut

Ein Resümee

Herman van Veen zieht mit seinem neuen Buch "Jahreszeiten" ein Resümee und lässt seine Erinnerungen, ähnlich wie die bunten Blätter des Covers, auf die Seiten seines Buches fallen. Es sind Gedanken, entstanden in seinem eigenen Lebensherbst, die vom immerwährenden Kreislaufs des Neubeginns, vom Prozess des Loslassens und vom Suchen und Finden des Lebenssinns handeln.

Poetische, melancholische und nachdenklich stimmende Worte, die manchmal weit zurück in die Kindheit des Autors führen, den Bogen zum Verlauf seiner Karriere spannen und schließlich im Hier und Jetzt ankommen. Wehmütige Worte, die vom Verlust geliebter und geschätzter Menschen handeln, finden sich ebenso wie tiefgründige Gedanken über die leb- & lieblose Gesellschaft, die eher wegschaut als hinsieht.

Erinnerungen werden zu "Jahresringen auf Papier", das Lebensbuch füllt sich immer mehr, während das Notizbuch mit Adressen von Bekannten und Verwandten immer dünner wird. Van Veen spricht in vielen Bildern, lässt den Himmel voller Geigen hängen und zeigt, wie sehr der Mensch zur Marionette geworden ist, bezieht jedoch immer wieder seine eigenen Rückblicke mit ein und strickt daraus Lebenserinnerung, die mal heiter und mit Augenzwinkern versehen sind, aber auch eine nachdenkliche Saite zum Klingen bringen.

Ein Resümee, das zwar nicht immer einem bestimmtem roten Faden folgt, sondern eher einem Kieselstein gleicht, der - einmal ins Wasser geworfen - immer größere Kreise zieht. Das Leben als Vergleich zum Aufblühen, Werden und langsamen Vergehen in den Jahreszeiten - stimmungsvoll und lesenswert von Herman van Veen zusammengefasst.

Bewertung vom 02.11.2024
Kraftorte
Dean, Liz

Kraftorte


ausgezeichnet

“In der Einfachheit und Stille der Natur findet der Mensch die Lebenskraft.” (Julius Waldemar Grosse)

Das Kartenset "Kraftorte" ist ein wunderbares Werkzeug für all jene, die sich bewusst eine Auszeit vom hektischen und oft stressbeladenen Alltag nehmen möchten, um wieder innerer Ruhe und Balance zu finden. Die Verbindung zur Natur, die in diesen Karten vermittelt wird, ist nicht nur inspirierend, sondern auch heilend. Die 48 Karten bestechen durch atemberaubende Naturfotografien, die die Betrachtenden sofort in eine entspannende Stimmung versetzen. Ob mystische oder verträumte Landschaften, sanfte Flüsse und wogender Wellen oder geheimnisvolle Wälder und Wolkenformationen– jede Karte ist Balsam für Herz, Augen und Seele und lädt dazu ein, in die jeweilige Atmosphäre einzutauchen.

Die thematische Gliederung nach Jahreszeiten ist besonders gelungen und ermöglicht es, die Karten je nach persönlichem Bedürfnis und Energie der jeweiligen Jahreszeit auszuwählen. "Flow" für den Frühling steht für Neubeginn und Leichtigkeit, während "Dankbarkeit" im Herbst eine tiefere Reflexion und Wertschätzung des Lebens anregt. Diese saisonale Einteilung fördert nicht nur die Achtsamkeit, sondern auch die Verbindung zur Natur und den eigenen Lebenszyklen.

Das beiliegende Begleitbuch ist eine wertvolle Ergänzung, das nicht nur die Bedeutung jeder Karte erklärt, sondern auch praktische Übungen für das persönliche Wachstum bietet. Diese Kombination aus Inspiration und Anleitung macht es leicht, die Kraftorte in den Alltag zu integrieren und kleine Rituale zu schaffen, die das Wohlbefinden fördern. Die Mantras und Affirmationen, die auf den Karten stehen, sind positiver Natur und unterstützen die Selbstfindung sowie das gestärkte Selbstbewusstsein.

Die Orakelkarten "Kraftorte" sind ein wohltuendes Geschenk, sowohl für sich selbst als auch für echte Herzensmenschen. Sie bieten eine gute Gelegenheit, sich mit der Natur zu verbinden, auch wenn man nicht die Möglichkeit hat, nach draußen zu gehen. Die Karten sind zudem wunderbar dafür geeignet, um ein Visionboard ansprechend zu gestalten.

Bewertung vom 02.11.2024
Meine Sticker + Karten + Box - Wichtelwelt

Meine Sticker + Karten + Box - Wichtelwelt


sehr gut

Kreiere dir deine eigene Wichtel-Weihnachts-Wunder-Karte

Einmal selbst zum Wichtel werden und zauberhafte Karten gestalten - mit dieser kleinen Sticker-Karten-Box wird es möglich. Jungen und Mädchen ab vier Jahren tauchen in die magische Wichtelwelt ein und können in der Vorweihnachtszeit ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen.

30 Karten laden dazu ein, winterliche Abenteuer zu erleben, knifflige Stickerpuzzles und Rätsel zu lösen. Die kleine Karten-Wichtelwelt trainiert so ganz nebenbei auch noch die Hand-Auge-Koordination, fördert die Kombinationsgabe und logisches Denken. Die Karten selbst sind in einem handlichen Format, können durch die abgerundeten Ecken sehr gut von kleine Kinderhänden gegriffen werden und auch die Sticker lassen sich leicht abziehen und auf den Karten platzieren. Die Motivwahl ist alters- & kindgerecht und verzaubern Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Die Wichtelwelt wird nach und nach lebendiger, winterlicher und magischer und das gemeinsame Bekleben, Basteln und Rätsel lösen bereitet allen große Freude.

Die Karten könnten etwas stabiler sein, damit auch mal ein beherzter Zugriff sie vor Knicken und Rissen schützt. Sicher aufbewahrt in der passenden Box können sie gut im Kinderzimmerregal verstaut werden, finden im kleine Reiserucksack Platz und sind immer griffbereit.

Eine schöne Idee, um ein paar gezielte Aktionen mit der Wichteltür zu unterstützen, liebevolle Kartengrüße selbst zu gestalten und ein Teil der magischen Wunderfunkelwichtelzauberzeit zu werden.

Bewertung vom 01.11.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


sehr gut

Die Gedanken sind frei...

Während Thomas Mann seine Seele baumeln lässt und die Sommerfrische genießt, versucht Übersetzer Žydrūnas Miuleris einen Weg zu finden, um den von ihm verehrten Schriftsteller anzusprechen. Kein leichtes Unterfangen und doch kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Aus dieser Begegnung entsteht eine Art freundschaftliche Verbundenheit, die auf eine harte Probe gestellt wird.Ein brisantes Manuskript ist in falsche Hände geraten und es gilt, die fehlende Seite wieder in das Mann'sche Anwesen zurückzuholen. Die Ereignisse überschlagen sich und entwickeln in dem einen oder der anderen kriminelle Energien...


Tilo Eckardt schafft mit seinem Roman "Gefährliche Betrachtungen" eine gelungene Verbindung von Fiktion und Realität, die die Leser:innen in die faszinierende Welt des großen Literaten Thomas Mann entführt. Die Handlung spielt während einer Sommerfrische, in der der Übersetzer Žydrūnas Miuleris den kühnen Plan verfolgt, Manns Werke ins Litauische zu übersetzen. Was als bescheidenes Unterfangen beginnt, entwickelt sich schnell zu einem tiefgründigen Dialog, der nicht nur die literarische Beziehung zwischen dem Schriftsteller und seinem Übersetzer beleuchtet, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Spannungen der damaligen Zeit reflektiert.

Bereits das ansprechende Cover schafft eine einladende Stimmung und Darstellung von wogendem Dünengras und sanften Wellen, über die Thomas Mann den Blick schweifen lässt, lässt die Leserschaft in die Idylle des Sommers eintauchen. Doch hinter dieser Fassade brodelt die Bedrohung durch die aufkommende Naziherrschaft, die wie ein Schatten über den Charakteren schwebt. Der Titel "Gefährliche Betrachtungen" ist dabei mehr als nur ein Hinweis auf die Kriminalhandlung; er ist ein zentrales Motiv des Romans, das die Leser dazu anregt, auch das tagespolitische Geschehen kritisch zu hinterfragen. Eckardt hat ein Gespür für Sprache und Atmosphäre und erschafft dadurch die Möglichkeit, sich in die Figur des Žydrūnas Miuleris hineinzuversetzen und an seiner Stelle alles hautnah mitzuerleben.

Die Beziehung zwischen Mann und Miuleris ist das Herzstück des Romans, lebt sie doch von den Erinnerungen des Übersetzers. Eckardt zeichnet die beiden Protagonisten mit großer Sensibilität und verleiht ihnen Tiefe und Facettenreichtum. Die Dialoge sind geprägt von Manns subtilem Humor, der oft zwischen Arroganz und feinen Pointen schwankt. Diese Wortwechsel sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich, da sie die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Literatur und der politischen Realität widerspiegeln.

Obwohl die kriminalistische Handlung nicht durchgehend spannend ist, weiß der Autor dies mit einer sprachlichen Brillanz auszugleichen, die die Leserschaft immer wieder mit ins Boot zieht. Das geschickte Verweben von fiktiven Erinnerungen, realen Ereignissen und sozialpolitischer Kritik schafft eine ganz besondere Atmosphäre, die zum Nachdenken anregt. Die Fragen nach Demokratie, Freiheit und Frieden sind zeitlos und finden in der Gegenwart der Lesenden eine eindringliche Resonanz.
"Gefährliche Betrachtungen" ist somit nicht nur eine Hommage an Thomas Mann, sondern auch ein eindringlicher Appell an die Leser:innen, die Gefahren der Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen und zu reflektieren

Bewertung vom 30.10.2024
Im Namen der Barmherzigkeit
Lind, Hera

Im Namen der Barmherzigkeit


ausgezeichnet

Kinderseelen sind zerbrechlich

Die Tatsachenromane von Hera Lind gehen tief unter die Haut, hinterlassen Spuren und blieben in Erinnerung. Die neue Veröffentlichung "Im Namen der Barmherzigkeit" ist die bisher eindringlichste Lektüre, die ich aus ihrer Feder gelesen habe.

Stellvertretend für alle mißbrauchten Heimkinder gibt die Autorin hier durch die Protagonistin Steffi diesen zerbrochenen Kinderseelen eine Stimme, damit die Betroffenen gehört werden. Schon die Umstände der Geburt sind für das Leben des kleinen Mädchens wegweisend, denn statt viel Liebe und Einfühlungsvermögen seitens ihrer leiblichen Mutter schlägt ihr pure Abneigung und Widerwille entgegnen. Die Vermittlung in eine Pflegefamilie verspricht zunächst Besserung, doch das, was Steffi hier erlebt lässt mich sprach- & fassungslos die Seiten umblättern.

Das, was die Pflegefamilie "Im Namen der Barmherzigkeit" dem kleinen Mädchen zukommen lässt, sind nicht etwa liebevolle Worte, schützende Umarmungen und Geborgenheit, sondern verbale, körperliche und sexualisierte Gewalt und Missbrauch. Die Pflegekinder auf dem Bauernhof werden regelrecht zu Arbeitssklav:innen erzogen, die Unfassbares ertragen müssen.Ich weine heiße Tränen umd das Kind Steffi, deren kleine Kinderseele für immer gebrochen wurde. Ich weine um die junge Frau Steffi, die nicht wirklich Fuß fassen kann in einer Gesellschaft, die lieber weggeschaut, statt hilft und ich bewundere die erwachsene Steffi, die den Mut hat, gemeinsam imt ihrer Freundin den Weg an die Öffentlichkeit zu gehen, um noch einmal die vernarbten Wunden aufzureißen, um ihre Geschichte zu erzählen.

Hera Lind begegnet Steffi wertschätzend und respektvoll, fasst in einfühlsamen und zugleich eindringlichen Worten das Martyrium zusammen, dass sich Leben nennt und widmet sich mit ganz viel Fingerspitzengefühl dieser Lebensgeschichte, die dauerhaft Spuren bei der Betroffenen hinterlassen hat. Die gläserne Kinderseele wird mit all ihren Sprüngen und Rissen für die Lesenden zugänglich gemacht und somit sensibilisiert die Autorin ihre Leserschaft, auch im eigenen Umfeld etwas genauer hinzuschauen, damit in Zukunft Missbrauch von Kindern erst gar nicht mehr passiert.

Bewertung vom 28.10.2024
Münter & Kandinsky
Brauner, Alice;Gronemeier, Heike

Münter & Kandinsky


gut

Bleibt leider sehr farblos und hinter den Erwartungen zurück

Es fällt schwer, für dieses Buch die richtigen Worte zu finden, wenn es um zwei der wohl bedeutendsten Maler geht, ohne die es das "Blaue Land" und die Künstlervereinigung "Der Blaue Reiter" nicht gegeben hätte.

Das Buch beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen zwei der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Auch wenn es die meiste Zeit über eher sachlich und nüchtern bleibt, bietet es tiefen Einblick in die Dynamik dieser Partnerschaft, die nicht nur von künstlerischer Zusammenarbeit, sondern auch von emotionalen Kämpfen geprägt ist. Schnell wird klar, dass die Beziehung von toxischen Elementen durchzogen ist. Münters verzweifelter Versuch, sich von der Kunst und dem Erbe Kandinskys abzugrenzen, steht symbolisch für ihren inneren Konflikt und den Druck, unter dem sie als Frau in einer männerdominierten Kunstwelt leidet.

Die Erzählung springt zwischen den verschiedenen Phasen ihres Lebens und der Entwicklung ihrer Beziehung, wobei die kreativen Höhen und Tiefen der beiden Künstler nachvollziehbar dargestellt werden. Die Gründung der Neuen Künstlervereinigung München und die Entstehung des Almanachs „Der Blaue Reiter“ werden nicht als bloße historische Fakten präsentiert, sondern als entscheidende Wendepunkte in der künstlerischen und persönlichen Entwicklung beider Malenden. Hervorzuheben ist die Art und Weise, wie die beiden Autorinnen Münters Kampf um Anerkennung und Selbstachtung thematisieren, ohne in übertriebene Melodramatik zu verfallen.

Dennoch bleibt das Buch in seiner Darstellung oft eher sachlich, farblos und distanziert. Das Fehlen von emotionaler Tiefe und der Esprit, der in den Kunstwerken von Münter und Kandinsky zu finden ist, lässt das Werk manchmal wie einen Fachaufsatz erscheinen. Die zahlreichen schwarz-weiß Fotografien und der Farbbildteil bringen jedoch eine willkommene Abwechslung und lockern die statische Erzählweise auf. Sie ermöglichen den Lesenden einen visuellen Zugang zu den Biografien, Lebensstationen, künstlerischen Schaffensprozessen und der Zeit, in der die beiden lebten.

Insgesamt gelingt es, die Komplexität einer Beziehung darzustellen, die sowohl von Liebe als auch von Machtkämpfen geprägt ist. Das Buch trägt zur Sichtbarkeit von Gabriele Münter als eigenständige Künstlerin bei, die lange im Schatten ihres Partners steht, bleibt aber über weite Strecken thesenhaft. Es ist eine Geschichte von Leidenschaft, Kampf und der Suche nach Identität, von der ich mir wesentlich mehr erhofft habe - neutrale 3 Sternchen

Bewertung vom 25.10.2024
Provence

Provence


sehr gut

Ein Buch zum Herz-über-Kopf-Verlieben

Schon allein der Name ""Provence" klingt wie ein Zauberspruch, der die Leser:innen zu leuchtenden Lila-Laune-Lavendelfeldern, mediterranen Landschaften und verwinkelten Bergdörfchen führt. Wenn das dazu passende Buch auch noch eine Augenreise verspricht, dann steht den Tagträumen und Seele baumeln lassen einfach nichts mehr im Weg.

Schon die ersten Seiten sind eine herzliche Einladung, den wohl schönsten Flecken Erde in Frankreich mit nicht nur mit den Augen, sondern mit dem Herzen zu bereisen und die die malerischen Landschaften schönen Dörfchen und die Bewohner:innen kennenzulernen. Dabei geht es nicht darum, bereits schon hundertmal gelesene Sätze und Klischees umzuformulieren und neu zu verpacken, sondern die Provence mit ihren unterschiedlichen Regionen und Besonderheiten zu entdecken. Ein wohltuender Reisebildband, der das Lebensgefühl, innovative Ideen und Individualität auf jeder Seite zeigt und vom Minimalismus lebt. Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte und genau darauf liegt der Fokus des Buches - Elegant ohne exaltiert zu sein, zauberhaft ohne kitschig zu werden, voller Licht, Magie und Liebe ohne esoterisch zu wirken. Ein Buch voller Farben, die von sonnenwarmen Gelbtönen über dezentes warmes Ocker bis hin zu mystisch tiefem Blau reichen und ein Freudentanz für die Augen sind.

Nostalgie vermischt sich mit Modernem, Altes kann ohne das Neue nicht sein und doch steht hinter allem eine Geschichte, die mal spirituell, mal gastronomisch ist - abwechslungsreich sind sie allemal.

Savoir vivre in seiner wohl schönsten Art - dank der informativen und aufschlussreichen Begleittexte wird das Lebensgefühl spür- und erlebbar. Ein Reisebildband lebt normalerweise von seinen beeindruckenden Fotos, jedoch kommen diese durch die Wahl des Papiers nicht optimal zur Geltung. Der Druck auf Fotopapier könnte die Farbintensität und die Strahlkraft der Bilder erheblich verbessern und somit die gesamte visuelle Erfahrung bereichern.

Ansonsten ein Buch zum Herz-über-Kopf-Verlieben

Bewertung vom 25.10.2024
KUNTH Die faszinierendsten Friedhöfe der Welt
Henss, Rita

KUNTH Die faszinierendsten Friedhöfe der Welt


sehr gut

Eine neue Reisesparte - Friedhoftourismus von seiner schönsten Seite

Während der Herbstnebel wabert und sich die Gedenktage an die Verstorbenen wieder nähern, erscheint im Kunth Verlag ein ganz besonderes Buch, das sich mit einer ganz neuen Reisesparte befasst - Friedhoftourismus. Was auf den erst Blick etwas morbide und befremdlich erscheint, wird beim Betrachten des Buches zu einem fesselnden und nachdenklich stimmendem Werk, das die Leser:innen dazu einlädt, das Gedenken an die Verstorbenen in einem neuen Licht zu sehen. Hier wird klar, dass Friedhöfe nicht nur Orte des Schmerzes und der Trauer sind, sondern auch der Begegnung, der Geschichte und der kulturellen Identität.

Oft nähern wir uns einem Friedhof nur mit leisen bedachten Schritten und in flüsterndem Ton. Die Frage, warum wir uns zurückhaltend verhalten, ist ebenso interessant wie die Überlegung, warum wir diese Orte nicht wie andere kulturelle Stätten in vollen Zügen genießen können. Hier gelingt es Rita Henss eine neue Perspektive einzunehmen und die klassischen Sehenswürdigkeiten wie Paläste, Kirchen und Museen aussen vor zu lassen und der Faszination der Grabdenkmäler, Inschriften, mit Moos und Flechten bewachsenen Granitkreuze oder kunstvoll gestalteten Grabsteine nachzuspüren.

Friedhöfe haben sich im Laufe der Jahrhunderte von Außenseitern der städtischen Landschaft zu zentralen kulturellen Anziehungspunkten entwickelt. Die Autorin beschreibt eindrucksvoll, wie diese Orte der Ruhe und des Gedenkens oft auch als grüne Oasen in urbanen Umgebungen fungieren. Die Verbindung zwischen Trauer und Erholung, zwischen Gedenken und Freizeit wird klar, und die Lesenden werden eingeladen, die Vielfalt der Motive zu entdecken, die Menschen zu diesen besonderen Orten führen.

Besonders spannend ist der Einblick in die verschiedenen religiösen und kulturpädagogischen Facetten, die vom Bestattungsritual bis hin zu Toten- und Trauerkult reicht. Erinnerungen an berühmte Persönlichkeiten gehören ebenso dazu wie eindrucksvolle Aufnahmen. Tanzende Polarlichter über schlichten weißen Holzkreuzen, hängende Särge in steilen Felswänden, ein achtarmiger Kronleuchter aus menschlichen Knochen, Wirbel und Totenschädeln oder ein letzter Blick nach Mekka - der Tod gehört zum Leben dazu und darf nicht weiter als Tabu in unserer Gesellschaft behaftet sein.