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Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 790 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2022
Die Tote im Sturm / August Strindberg Bd.1
Ohlsson, Kristina

Die Tote im Sturm / August Strindberg Bd.1


ausgezeichnet

Idylle oder Alptraum?

Endlich mal wieder CrimeTime! So gerne wie ich anspruchsvolle Literatur lese, so gerne darf es dazwischen auch mal ein Krimi sein, aber bitte nicht zu platt. Daher fiel die Wahl dies Mal auf Kristina Ohlsson mit „Die Tote im Sturm“, das Buch war ein Bestseller in Schweden und lockte auch mit dem Klappentext. Ich kannte bisher keinen ihrer Krimis.
Es ist nicht nur ein Schwedenkrimi, es ist nahezu eine Liebeserklärung an den kleinen ruhigen Ort namens Hovenäset an der Schwedischen Westküste. Denn die Autorin schafft es eine großartige Atmosphäre zu kreieren mit ihren Beschreibungen, die hervorragend zum Fall passen. Es ist aber ganz und gar nicht langatmig und aus meiner Sicht eine Stärke des Textes. In diesen Ort zieht es den unglücklichen Geschäftsmann August Strindberg, er kauft die Räume eines Bestattungsunternehmens und möchte daraus ein Second Hand Laden machen. Tja, und dann nach einer stürmigen Nacht ist die Lehrerin Agnes Eriksson verschwunden und seine Immobilie scheint irgendwas damit zu tun zu haben. August beginnt seine eigenen Ermittlungen und unterstützt die Kriminalkommissarin Maria Martinsson.
Dies ist ein Auftaktband einer neuen Krimiserie rund um
August Strindberg. Neben den Beschreibungen des Ortes machen die Personen hier viel aus. Der Fall ist zwar auch spannend, aber es gibt aus meiner Sicht hier nicht den MEGA kniffligen Fall zu lösen. Die beschriebenen Personen üben auch ihren Reiz aus und werden alle als unperfekte sympathisch Charaktere gebaut. Da möchte man nicht nur den nächsten Fall mit August Strindberg lösen sondern auch mehr über diesen Ort und seine Bewohner erfahren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


gut

Eine Verwebung von politischem und privaten Entwicklungen

Ian McEwan hat so einige hochgelobte Romane hervorgebracht, die gar verfilmt worden sind wie ‚Abbitte‘. Genauso hat er auch schon zwiespältige Romane geschrieben wie ‚Nussschale‘. Es gibt Schwankungen, aber was er gerne macht und da kommt mir gleich der etwas ältere Roman ‚Saturday‘ in den Sinn ist das Private mit dem Politischen zu verbinden. Und genau das tut er hier auch. Auch wenn es vordergründig um den Protagonisten Roland Baines geht und dessen gesamtes Leben. Roland Baines, geboren 1948, genau wie Ian McEwan. Überhaupt webt der Autor scheinbar an der ein und anderen Stelle sein eigenes Leben ein, wie sollte es auch ausbleiben, wenn der Blick sich zurückwendet.
Baines ist ein durchschnittlicher Typ, anhand dessen Leben und seinen intimen Erfahrungen auch das großen Weltgeschehen der letzten Jahrzehnte aufgerollt wird und immer wieder die Frage wie weit dringt das Politische in den eigenen Lebensraum ein und verändert uns und den Lauf unseres Lebens.
Bei Baines sind es aus meiner Sicht drei starke Momente die hier zum Tragen kommen: Tschernobyl 1986, da setzt auch der Roman ein. Dann eine Rückblende in seine Jugend ins Jahr 1962 mit der Kubakrise und wieder etwas später auf dem Strahl der Geschichte die Wiedervereinigung. Hier muss man natürlich die starke britische Brille des Autors bedenken. Er kennt sich aus, aber es ist eben ein Blick von außen.
Auf den 700 Seiten kommen natürlich auch noch andere Menschen zum Tragen und vor allem seine deutsche Ex-Frau Alissa, die ihn zum Einsetzen des Romans 1986 verlässt um zu schreiben und ihn mit dem 7 Monate alten Baby zurücklässt. Auch hier wieder ein „klassisches“ McEwan-Motiv in dem er eine moralische Frage in den Raum wirft: Darf man die Familie hinter sich lassen um sein eigenes Glück zu suchen, weil es woanders liegt? Das ist bei weitem nicht die einzige moralische Frage, die hier erörtert wird. Auch sollte man eine Triggerwarnung beachten, denn hier geht es auch zentral um einen nicht-verarbeiteten Missbrauch.
Der große britische Literat, der auch oft als Literaturnobelpreisanwärter gilt, hat mit ‚Lektionen‘ aus meiner Sicht einen guten, aber nicht seinen besten Roman vorgelegt.

Bewertung vom 07.10.2022
Drinnen - Wie uns Räume verändern
Anthes, Emily

Drinnen - Wie uns Räume verändern


ausgezeichnet

Wie wirken Räume auf uns?

90% unserer Zeit verbringen wir in Innenräumen! Mir kam diese hohe Zahl reichlich viel vor, aber sie hat mich dann auch wiederum nicht überrascht.
Eine ganz andere Perspektive auf das Leben bietet Emily Anthes an, wenn sie mit ihrem Sachbuch über das ‚Drinnen – Wie uns Räume verändern‘ aufklären möchte. Sie ist Wissenschaftsjournalistin und betrachtet das ganze eher aus einer US-amerikanischen Sicht. Ein höchst spannendes Sachbuch! Denn Anthes rollt das Feld in all ihren Facetten auf. Es kommen auch andere Länder in Bespielen vor so viel sei verraten, wenn es um ein Gebäude in Japan geht, dass von einem Künstler-Ehepaar so erbaut wurde um den Tod aufs Kreuz zu legen.
Aber nicht nur Kurioses kommt zur Sprache, sie beschäftigt sich mit allerlei Formen des „Drinnen“, nicht nur der allgemeine Innenraum, es werden auch Gefängnisse beleuchtet, Krankenhäuser, Einrichtungen der Pflege, offene Büroflächen. Die Variation der Innenräume ist groß, die hier besprochen werden.
Anthes schreibt spannend und kurzweilig, da sie sich mit Fachleuten verschiedenster Fachrichtungen unterhalten hat, da kommen Psychologen wie Architekten und viele mehr zu Wort. Auch hat sie Studien gewälzt, wie die Erkenntnis, dass freundliche abwechslungsreiche Büroflächen mehr zu einem guten Miteinander führen als monotone Gestaltung. Sie sucht Orte in der Analyse auf, wenn sie beispielsweise eine Design-Professorin begleitet, die eine fingierte OP beobachtet um die Raumanalyse vorzunehmen.
Es kommt jetzt wieder die kalte Jahreszeit und wir verbringen wieder sehr viel mehr in Räumen, daher sei euch dieses gute Buch ans Herz gelegt! Hier könnt ihr die Innenarchitektur unserer Lebensräume im Inneren auf euch mal anders wirken lassen und euch mit diesem guten Sachbuch interessantes Wissen aneignen.

Bewertung vom 06.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


ausgezeichnet

Weiblichkeit in der Gegenwart Südkoreas

Oft ist die Leserschaft enttäuscht, wenn nach einem Knallerroman ein neues Buch folgt und die Erwartungen nicht erfüllt werden. Hier bei, Cho Nam-Joo, ist es überraschend anders herum. Ich war begeistert von ihrem Debüt ‚Kim Jiyoung’ geboren 1982’und finde die Kurzgeschichtensammlung ist qualitativ besser. Klar, ein Roman ist schlecht mit einer Kurzgeschichtensammlung vergleichbar, aber die Geschichten sind einfach gut auf den Punkt!
In ‚Miss Kim weiss Bescheid‘ sind 8 Kurzgeschichten versammelt, die allesamt weibliche Protagonistinnen haben, unterschiedlichen Alters von jung bis alt, in den verschiedensten Situationen, seinen es Teenager, Mütter oder gar Großmütter. Alle spielen in der Gegenwart Südkoreas und beleuchten den Alltag der Mädchen & Frauen dieser sehr traditionellen Gesellschaft. Ein Einblick der unverstellt ist und offenlegt wie sich Weiblichkeit in Südkorea anfühlt.
Diese Geschichten sind sehr individuell und erzählen jeweils ein Einzelschicksal, aber sie stehen stellvertretend für den Aufschrei der Feministinnen in Südkorea. Es geht um den Blick der einzelnen Frauen auf die Situationen und der gesellschaftliche Umgang mit ihnen. Es bedrückend einen wie sturr hier in anachronistischen Verhaltensweisen verharrt wird, nur der eigenen Dominanz willen. Hier werden Themen wir Cybermobbing durchdekliniert, Carearbeit, unterdrückte Frauen, mentale Gewalt, Frauen die sich nicht Verwirklichen können und am Ende bleibt die große Frage nach dem Lebensglück und wie sie zu erzielen ist.
Es hört sich alles schwerer an als es geschrieben ist. Der Ton ist fast leise, sehr asiatisch und mitdenken hilft. Eine tolle Art der Erzählkunst mit der uns Cho Nam-Joo beglückt! Natürlich großartig aus dem Koreanischen übersetzt von Inwon Park. Das macht das Lesevergnügen auf Deutsch noch besser!

Bewertung vom 05.10.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Wo ist die Menschlichkeit geblieben?

Endlich gibt es wieder ein neues Buch der Autorin Celeste Ng. Sie schrieb ‚Was ich euch nicht erzählte‘ und ‚Kleine Feuer überall‘ (sogar als Mini-Serie verfilmt). Nun folgt ‚Unsre verschwundenen Herzen‘ (O-Ton: Our missing hearts) und auch hier trifft die Autorin wieder einen Nerv der Zeit.
Im Mittelpunkt steht der 12jährige Noah – genannt Bird. Er lebt mit seinem Vater Ethan, ein Etymologe, der nun Bibliothekar in Harvard ist. Seine Mutter Margaret ist seit 3 Jahren verschwunden. Vater und Sohn sprechen kaum über sie und meiden mit anderen über sie zu sprechen. Schuld ist der in diesem dystopischen Zukunftsszenarion geschaffene PACT, ein amerikanisches Patriotsgesetzt, dass sich den Werten und Traditionen des amerikanischen Volkes verschrieben hat und vor allem asiatisch-stämmige Amerikaner diskriminiert. Somit trifft es: Margaret und Bird. Und dann in diesem tristen Leben flattert Bird ein Brief seiner Mutter ins Haus und er macht sich auf die Suche nach ihr.
Ein so packender Roman habe ich lange nicht gelesen! Sehr überzeugend stellt Celeste Ng hier eine nahe Zukunft auf die Beine, bei der sich mir die Nackenhaare hochstellen, denke ich an die Aktualität und der nahezu unweigerlichen Logik von Teilen dieses Buches. Besonders hervorragend ist es der Autorin gelungen hier große Themen der Gesellschaft, wie Rassismus, Unterdrückung, Meinungsfreiheit, Humanität und Zäsur zu paaren mit der Aufarbeitung einer Mutter-Sohn-Beziehung, die stark unter äußeren Einflüssen leidet. Auch der Bruch im Erzählen von Bird hin zu Margaret im Laufe der Geschichte macht das erzählte spannend mit dem veränderten Blickwinkel. Ohnehin ist Ngs Sprache klar und wenig gefühlsduselig, aber doch auch poetisch.
Ein weiteres Lob gebührt der Übersetzerin Brigitte Jakobeit, die das ganze wunderbar aus dem Englischen ins Deutsche brachte.
Fazit: Ein fesselnder Roman, der auf jeden Fall ein Lese-Highlight dieses Jahres 2022 ist!

Bewertung vom 03.10.2022
Tage ohne Cecilia
Muñoz Molina, Antonio

Tage ohne Cecilia


ausgezeichnet

Ein wartender Mann in Lissabon

Ein Roman, der das Zeug hat zum Klassiker zu werden. Denn er ist einerseits unserem Zeitgeist sehr nahe, aber doch so zeitlos wie ein guter Roman sein sollte. Alleine der erste Satz zieht einen in die Geschichte, wenn es da heißt: „Ich habe mich in dieser Stadt niedergelassen, um dort auf das Ende der Welt zu warten.“ Die Stadt von der hier die Rede ist, ist Lissabon. Übrigens ein elementarer Protagonist in diesem Roman ist die Stadt! Der alternde Mann in dessen Kopf wir fortwährend der Geschichte seiner Subjektivität folgen, zieht hier mit seiner jüngeren Frau Cecilia hin nachdem er in die Frührente aus New York entschwand. Im Grunde genommen hat ihn sein amerikanischer Arbeitgeber loswerden wollen und das Paar macht das Beste daraus. Sie, die titelgebende Cecilia, ist deutlich jünger und als Hirnforscherin hochaktiv und ständig auf Achse und so wird endlich das alte Klischee von Frau wartet auf Mann aufgebrochen und es heißt so schön: „Tage von Cecilia“, denn er wartet sehnsüchtig auf sie.
Im Original ist der Roman auf Spanisch bereits 2019 erschienen und mir scheinen hier viele Erlebnisse des Autoren Antonio Muñoz Molina eingegangen zu sein, denn er lebt in Lissabon, der Wartende wohnt auch in seinem Viertel und Muñoz Molina leitete das Instituto Cervantes in New York bis 2006. Somit kennt er die Lebensrealität dieses Mannes sehr genau was die äußeren Bedingungen angeht.
Ein Roman der sachte und atmosphärisch die Situationen erzählt, es werden Gerüche und Geräusche plastisch. Besonders eindringlich werden Personen beschrieben. Eine wahre literarische Freude dieses Buch zu lesen! Besonders da die Übersetzung von Willi Zurbrüggen sehr gelungen ist!
Als Gastland 2022 der Frankfurter Buchmesse erhoffe ich diesem Titel eine besondere Aufmerksamkeit!

Bewertung vom 03.10.2022
Wie wir Menschen die Welt eroberten / Unstoppable Us Bd.1
Harari, Yuval Noah

Wie wir Menschen die Welt eroberten / Unstoppable Us Bd.1


ausgezeichnet

Die Sapiens-Superkraft

Der Israeli Yuval Noah Harari hat sich mit ‚Homo Deus‘ und ‚21 Lektionen für das 21. Jahrhundert‘ an die Spitze der Sachbuch-Bestsellerliste geschrieben und uns global beeindruckt mit seiner Art die Menschheitsgeschichte aufzurollen. Nun hat er für die jüngere Fraktion nachgelegt und ein Kinderbuch geschrieben.
In diesem Buch wird nichts weniger als die Menschheitsgeschichte erklärt und wie wir es als Homo Sapiens es geschafft haben uns durch unsere Superkraft von anderen Tieren zu unterscheiden. Ein Sachbuch, dass auf 175 Seiten die Geschichte der letzten 6 Millionen Jahre erklärt von der Wiege Afrikas bis nach Südamerika.
Das Buch erklärt wunderbar die Zusammenhänge und die Entwicklung des Menschen. Bleibt in einfacher Sprache, baut aber auf dem Gelesenen auf und auch durch lateinische Fachbegriffe bereichert, kann viel mitgenommen werden. Es wird alles erklärt und die junge Leserschaft wird auch oft direkt mit Fragen angesprochen um sich als Teil der Geschichte zu verstehen. Ja, besonders zum Ende hin wird deutlich das wir es als Menschheit nun in der Hand haben wie es mit unserem Planeten weitergeht. Was ich auch gut finde an den Erklärungen, dass es auf vorangegangene Textstellen und Erklärungen zurückgreift. So bleibt doch einiges hängen. Daher bietet es sich auch an es klassisch von vorne nach hinten zu lesen.
Unterteilt ist das viele Wissen natürlich in einzelnen leicht verdaulichen Texten und in größeren Kapiteln zusammengefasst, die da wären: Wir Menschen sind auch nur Tiere, Die Sapiens-Superkraft, Wie lebten unsere Vorfahren und Wo sind all die Tiere hin!
Die Altersangabe ab 10 Jahren ist gut gewählt, sicher ist schon das eine und andere aufgeweckte Kind in jüngeren Jahren hoch interessiert, muss aber auch die Menge an Wissen verarbeiten können. Sprich, wenn früher dann vorlesend!
Natürlich auch hervorragend übersetzt von Birgit Niehaus und sehr toll in Szene gesetzt mit den Illustrationen von Richard Zaplana Ruiz!
‚Wie die Menschen die Welt eroberten‘ ist ein wirklich sehr gelungenes Kinder-Sachbuch, dass auch so manchem Erwachsenen die Augen öffnen kann!

Bewertung vom 02.10.2022
Freiheitsgeld
Eschbach, Andreas

Freiheitsgeld


weniger gut

Ein Blick in die Zukunft im Jahr 2064!
Es ist das Jahr 2064. Wir befinden uns in einer neuen Lebenswirklichkeit, denn es gibt mittlerweile das unabdingbare Grundeinkommen, das sogenannte Freiheitgeld. Den Klimawandel konnte man durch ökologische Maßnahmen in den Griff bekommen. Es gibt neben dem Grundeinkommen, aber auch noch Menschen die freiwillig arbeiten, weil sie nach Anerkennung streben oder ein gewisses Verantwortungsgefühl haben. Die Krankenschwestern, es gibt nun auch Krankenbrüder – übrigens eines der Dinge die sprachlich nicht sonderlich elegant gelöst sind, denn es gibt den Beruf Krakenpfleger:in bereits heute… - sind nun die bestbezahltesten Kräfte. Es gibt natürlich eine Gemeinde für Besserverdienende: die Oase. Hier lebte auch der Begründer des Freiheitsgeldes Robert Havelock bis er tot aufgefunden wird und dies ist auch der rote Faden des Romans.
Dieser dystopische Roman von Andreas Eschbach ist aus meiner Sicht nicht sonderlich innovativ was seinen Blick in die Zukunft betrifft. Vor allem, wenn man im vergangenen Jahr den Roman ‚Every‘ von Dave Eggers gelesen hat, dann kommt einem einige Stellen bekannt vor und es bleibt die Innovation aus. Sprich das Zukunftszenario haut mich nicht vom Hocker. Sprachlich ist es solide und kann gut weggeschmöckert werden, aber kommt nicht an Eggers heran. Was mich milder gestimmt hat, sind die quasi-Rückblicke der Menschen auf die aktuelle Zeit, wenn Kindern erklärt wird, dass man damals Kühe gegessen hat und sie es kaum glauben können. Das war ein versöhnlicher Teil des Romans.
Übrigens wird auch deutlich, dass der Autor nichts vom bedingungslosen Grundeinkommen hält, was hier sehr roman-untypisch in epischer Breite erörtert wird. Empfand ich etwas unpassend.

Bewertung vom 29.09.2022
Street Art is Female (dt.)
Mattanza, Alessandra

Street Art is Female (dt.)


ausgezeichnet

Kunst auf der Straße mit weiblichem Blick

Wer sind Mina Mania, Swoon, Lula Goce, Elle und Miss Van? Was? Unbekannt? Dann solltet ihr schleunigst das neue „Street Art is Female“ Buch zur Hand nehmen und die Welt der weiblichen Street Art Künstlerinnen kennenzulernen. Es ist eine Fülle an 24 portraitierten Künstlerinnen, die ihrer Rebellion auf unterschiedlichste Art und Weise zum Ausdruck bringen. Die größte Gruppe bilden Künstlerinnen aus den USA, wie Maya Hayuk oder Alice Mizrachi, aber auch etliche andere Nationalitäten sind vertreten: Frankreich, Japan, Italien, Spanien, Afghanistan, UK, Ecuador und viele mehr.
In der Tat eine bunte Mischung, was diesen Band auch wirklich kurzweilig macht. Die künstlerischen Stile könnten teilweise nicht unterschiedlicher sein! Die Themen die hier verarbeitet wurden in ihren Werken sind brandaktuell. Natürlich vorne weg der feministische Blick auf die Welt, rassistische Auseinandersetzungen und alles was die körperliche Wahrnehmung (Bodyshaming, Körperbild) betrifft. Auch hier Facetten, aber nicht erschöpfend durch die große Bandbreite. Mich haben besonders #lediesis, Zabou und Annatomix begeistert, wenn ich es denn auf eine TOP3 reduzieren müsste.
Dieses Buch ist von der Journalistin Alessandra Mattanza zusammengetragen und mit einem Vorwort von Stephanie Utz versehen. Alessandra Mattanza hat bereits ein schönes Buch zu dem allseits bekannten Banksy und ein weiteres über StreetArt veröffentlicht. Also folglich sehr treffend endlich die weibliche Welt in Szene zu setzen und bekannter werden zu lassen. Die Genderschublade für bestimmte Tätigkeiten ist auch hier zum glück aus den Angeln geflogen. Sie hat die Künstlerinnen allesamt interviewed und daraus spannende Texte formuliert.
Anschauenswert, zum Staunen spannend und es gibt eine tolle Street Art Künstlerinnnegemeinde zu entdecken!

Bewertung vom 29.09.2022
Stella rollt an
Hesse, Angelika

Stella rollt an


ausgezeichnet

Herrlich rollendes Lesevergnügen

Wenn man dieses nette Buch gelesen hat, will man sofort die Rollschuhe bzw. die Inlineskates aus dem Keller kramen und durch die Welt rollen. Das ging nicht nur meiner 9jährigen Tochter so, auch ich als Mutter habe im Keller gewühlt und wir sind dann gemeinsam los.
Aber warum kommt man dazu nach dem Lesen? Wir begegnen in diesem tollen Auftaktband mit der Protagonistin Stella einem Leben rund um die Rollschuhe und Inlineskates. Stelle geht in die 5. Klasse eines Gymnasiums und würde gerne IMMER Rollschuhe an den Füßen haben, genauso wie ihre Freundinnen: den Rolling Angels. Leider gibt es da noch die nervigen Inlineskater: Skating Devils. Ein typisches Mädchen gegen Jungs Szenario, aber wirklich gut gemacht und da fand sich meine Tochter auch wieder. Sie betonte mehrfach, dass sie die Charaktere insgesamt alle gut nachvollziehbar empfindet. Stella steht zwar im Fokus, aber das Potpourri an Kindern ist groß, meine Tochter fand Nelly besonders cool. Leider droht der grummelige Hausmeister der lokalen Rollschuhhalle, dass die Halle geschlossen wird! Oh Schreck! Was nun? Das kann nicht sein und die beiden verfeindeten Lager tun sich teilweise zusammen um die Situation zu lösen. Es folgen Aktionen, Lösungen werden gefunden.
Aus meiner Elternbrille finde ich die Eigenständigkeit der Kinder im Roman wirklich sehr positiv und auch die Freude und Hingabe zu ihrem Hobby extrem gut! Ich fand es gut ausbalanciert, da Jungs wie Mädchen hier zum Glänzen kommen, auch wenn Stella klar im Fokus ist.
Vielleicht trivial, aber erwähnenswert ist die leichte Beschaffenheit des Buches mit seinen 315 Seiten und die angenehme Schriftgröße. Ich finde nichts schlimmer als schwere Bücher für Kinder, die sie kaum halten können. Außerdem gebührt der Illustratorin Edda Skibbe ein großer Applaus für ihre tolle Umsetzung der einzelnen Szenen im Roman sowie die detaillierte Gestaltung!
Lesbar ab der Grundschule, ca 4 Klasse, mit guten Lesekenntnissen.
Ein rundum gelungenes Kinderbuch finde wir und freuen uns schon auf Band 2 und 3, die bereits in der Ausarbeitung sind! Wir sind gespannt wie es mit Stella & Co weitergeht!