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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 413 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2017
Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
Kalfar, Jaroslav

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt


sehr gut

Jakub Procházkas glückliche Kindheit endet jäh mit dem Unfall seiner Eltern. Er erfährt, womit sein Vater die Familie ernährt hat, nämlich als Folterknecht des kommunistischen Regimes. Als der Vater nicht mehr am Leben ist, beginnen sich Dorfbewohner und frühere Opfer am Sohn zu rächen, Jakub büßt sozusagen für die Sünden des Vaters.
Vielleicht ist auch dies ein Grund, weshalb er damit einverstanden ist, als ihm der Vorschlag unterbreitet wird, als erster tschechischer Raumfahrer Chopra, eine geheimnisvolle lila Wolke im All, zu erkunden. Er fühlt sich verpflichtet, seinem Land einen Dienst zu erweisen.
Die Raumfahrt verläuft nicht wie geplant, beispielsweise hätte sich Jakub nicht träumen lassen, dass ihn seine Frau währenddessen verlässt. Halb irre vor Einsamkeit und quälenden Gedanken beginnt er ein fremdes Wesen an Bord seines Raumschiffs wahrzunehmen, ein spinnenförmiges haariges Geschöpf, das in seine Gedanken eindringt.
Hier hatte ich zunächst große Probleme damit weiterzulesen. Die Leseprobe hatte mich fasziniert und amüsiert, aber die darauffolgenden Seiten sind ausgesprochen zäh. Das seltsame Wesen, von dem man nicht weiß, was es ist. Existiert es oder ist es eine Ausgeburt von Jakubs Fantasie?
Ich hatte mir vorgenommen, bis Seite 100 durchzuhalten und dann zu entscheiden, ob ich das Buch weglege. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Die Geschichte ist äußerst unterhaltsam, ein Meisterwerk an Fantasie und überraschenden Wendungen. Gleichzeitig erfahren wir viel über Jakubs Vergangenheit. Der Schreibstil hat mir gut gefallen, abgesehen von manchen allzu bemüht originellen Metaphern („Albino-Giganten“ statt Alpen) und Vergleichen (sie küssen sich „mit der Begierde verendender Tiere“ oder so ähnlich). Auch die philosophischen Exkurse waren mit manchmal ein bisschen zu viel und zu lang.
Aber alles in allem habe ich dieses Feuerwerk an Fantasie sehr genossen. Es ist nicht einfach zu lesen, man muss sich darauf einlassen, aber es lohnt sich.

Bewertung vom 18.06.2017
Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1
Schult, Martin

Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1


sehr gut

Der Polizist Frassek aus Berlin verbringt einen Tag im beschaulichen St. Margarethen in der Steiermark. Just an diesem Tag kommt der 104-jährige Alois Kroisleitner auf seltsame Weise zu Tode. Da Fremde den Dorfbewohnern sowieso suspekt sind, liegt nichts näher, als dass Frassek der Mörder sein muss.
Der befindet sich längst zurück in Berlin, als er sein Konterfei auf einem Fahndungsfoto entdeckt. Natürlich kann er dies nicht so stehen lassen und fährt kurzerhand zurück in die Steiermark, um den dortigen Beamten bei den Ermittlungen zu helfen.
Dabei lernt er einiges über die Dorfbewohner und ihre Beziehungen zueinander und findet sogar einen Freund.
So verschroben und hinterwäldlerisch, wie der Autor die Dorfbewohner beschreibt, fürchte ich, kann er sich in St. Margarethen nur noch inkognito blicken lassen! Da ist zunächst die Wirtin Lissi, die nach dem Ableben des alten Kroisleitner als „Königin des Dorfes“ an dessen Stelle treten will und sich fortan Sissi nennen lässt. Dann treffen wir noch eine berühmte Sängerin, die nach ihrem vorgetäuschten Tod in ihrem Heimatort Unterschlupf sucht und einiges über ihre Herkunft erfährt. Deren Jugendliebe ist auch ein etwas seltsamer und einfältiger Kauz.
„Dem Kroisleitner sein Vater“ hat mir ein kurzweiliges Lesewochenende beschert. Der Stil ist humorvoll, und wäre nicht die eine oder andere Frage bei mir offen geblieben, zum Beispiel, warum „dem Kroisleitner seine Mutter“ Demenz vortäuscht – was hat sie davon? – dann hätte ich dem Buch 5 Sterne gegeben.

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Bewertung vom 16.06.2017
Als wir unbesiegbar waren
Adams, Alice

Als wir unbesiegbar waren


sehr gut

Leben ist das, was passiert, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu machen

Mitte der 90er Jahre beenden die vier Freunde Eva, Benedict, Sylvie und Lucien ihr Studium an der Universität Bristol. Die Geschichte beginnt an einem warmen Sommertag, ihrem letzten gemeinsamen Tag in Bristol. Die vier machen sich Gedanken, wie ihr Leben jetzt weitergeht und ob sie es schaffen werden, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten.

Ihre Zukunftsplanung könnte unterschiedlicher nicht sein. Eva hat vor, in der Londoner City als Investmentbankerin zu arbeiten, die Geschwister Sylvie und Lucien wollen erst mal durch Indien reisen, wobei Sylvie ihre Zukunft als gefeierte Künstlerin sieht, und Benedict macht seinen Doktor in Physik.
Wie zu erwarten, entfremden sich die Freunde im Laufe der Jahre, doch sie bleiben in Kontakt, auch wenn manchmal längere Zeit vergeht, bis sie wieder voneinander hören. Vieles entwickelt sich vollkommen anders als geplant und wir erleben die Höhen und Tiefen ihrer Beziehungen bis zum Jahr 2015.

Als wir unbesiegbar waren ist ein sehr vielschichtiger Roman. Es geht um Freundschaft, Liebe und Loyalität, aber auch um falsche Entscheidungen, Enttäuschung, gesundheitliche Herausforderungen und Verlassenwerden. Es ist ein leiser und eindringlicher Roman, der ohne spektakuläre Szenen auskommt, aber trotzdem unter die Haut geht. Er spricht existenzielle Fragen an, die jeden betreffen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen.

Bewertung vom 05.06.2017
Glaube Liebe Tod / Martin Bauer Bd.1
Gallert, Peter;Reiter, Jörg

Glaube Liebe Tod / Martin Bauer Bd.1


gut

Der Einstieg in das Buch war richtig gut. Ein Polizeiseelsorger, Martin Bauer, der mit ungewöhnlichen Mitteln den potentiellen Selbstmörder Keunert davor bewahrt, sich umzubringen. Als dieser dann doch vom Dach eines Parkhauses stürzt, ist sich Bauer dennoch nicht sicher, ob es sich tatsächlich um Selbstmord handelte, zumal gegen Keunert intern ermittelt wurde und er offensichtlich Verbindungen zum Rotlichtmilieu hatte.
Bauer nimmt Kontakt zu Keunerts Familie, der Ehefrau und Sohn Tilo, auf. Die Ehefrau scheint vom Tod ihres Mannes nicht sonderlich mitgenommen zu sein, während Tilo bewaffnet untertaucht, auf der Suche nach dem vermeintlichen Mörder seines Vaters.
Auch bei Bauer zuhause ist Krisenstimmung, da die 15jährige Tochter Nina zu einer Demonstration aufgebrochen ist, bei der es mit Sicherheit nicht friedlich zugehen wird. Diese ganze Geschichte um Nina ist allerdings viel Lärm um nichts. Es wird künstlich Spannung aufgebaut, die dann – puff – in sich zusammenfällt. Den Teil der Geschichte hätten sich die Autoren sparen können. Überhaupt bleibt Bauers Familie seltsam blass. Unbedeutende Nebenpersonen, wie etwa die Freundin von Keunerts Ehefrau, werden besser und anschaulicher beschrieben.
In den wenigen Tagen, die es dauert, den Fall zu lösen, begibt sich Martin Bauer unzählige Male in Lebensgefahr, was mir auch ein bisschen too much war. Und die dramatische Auflösung des Ganzen – Geiselnahme inmitten eines tobenden Sturms, der zu allem Überfluss noch dazu führt, dass Bauers Haus durch einen fallenden Baum zerstört wird – ist für meine Begriffe einfach zu dick aufgetragen.
Ich habe das Buch zunächst gern gelesen, aber gegen Ende war ich enttäuscht.

Bewertung vom 20.05.2017
Die Hummerkönige
Zentner, Alexi

Die Hummerkönige


ausgezeichnet

Mystische und spannende Familiengeschichte

Die Familie Kings lebt seit vielen Generationen auf Loosewood Island, einer kleinen Insel vor der amerikanischen Ostküste. Das Leben dort ist hart und rauh, Haupteinkommensquelle ist der Hummerfang.
Die Geschichte wird aus der Sicht von Cordelia Kings erzählt, einer direkten Nachfolgerin des ersten Bewohner der Insel, des legendären Brumfitt Kings, dessen Gemälde heute noch im Sommer die Touristen in Scharen auf die Insel locken.
Für die Familie Kings sind Brumfitts Gemälde weit mehr: für sie verkörpern sie die Geschichte und das Leben, vergangen und zukünftig, der Kings. Dabei vermischt sich oft Mystik mit Realität. So soll Brumfitts Ehefrau dem Meer entstiegen sein, eine Selkie, eine Robbe, die, sobald sie das Land betrat, die Gestalt einer Frau annahm.
Doch handelt die Geschichte auch von dem harten Leben der Hummerfänger. Cordelia muss sich als Frau in dieser harten Männerwelt beweisen. Ihr Verhältnis zu ihren beiden Schwestern ist lange Zeit auch nicht das beste, denn diese sehen in ihr die vom Vater bevorzugte Lieblingstochter. Schicksalsschläge schweißen die Familie jedoch zusammen.
Das zunächst so beschaulich geschilderte Loosewood Island hat jedoch auch Probleme, Drogenschmuggel und Hummerfänger, die ihre Körbe in den Fanggründen von Loosewood Island ausbringen und die Körbe der Inselbewohner versenken. Dabei scheint das Recht des Stärkeren zu gelten. So wird einem Wilderer einfach die Hand mit einem Hammer zertrümmert, ein anderer erschossen, ohne dass dies in irgendeiner Weise polizeilich verfolgt wird. Das hat mich ein wenig irritiert.
Das Buch ist einerseits sehr poetisch, mit atmosphärisch dichten Landschaftsbeschreibungen, andererseits sehr spannend. Mir hat es ganz hervorragend gefallen.

Bewertung vom 01.05.2017
Der Freund der Toten
Kidd, Jess

Der Freund der Toten


gut

Wilkommen in Mulderrig, der Welthauptstadt skurriler Gestalten!
Mahony, im Waisenhaus in Dublin aufgewachsen, erfährt im Alter von 28 Jahren durch einen anonymen Brief, dass ihn seine Mutter nicht, wie bisher geglaubt, einfach zurückgelassen hat, sondern dass ihr wahrscheinlich etwas zugestoßen ist. Der Brief enthält außerdem die Information, dass er in Mulderrig, County Mayo, Irland, geboren wurde. Mahony macht sich auf den Weg, um dem Schicksal seiner Mutter auf den Grund zu gehen. In Mulderrig sticht er dabei in ein Wespennest und die meisten (zumindest männlichen) Bewohner wären ihn gerne so schnell wie möglich wieder los.
Die Leseprobe gefiel mir sehr gut. Bildhafte, poetische Beschreibungen und die eine oder andere Überraschung, zum Beispiel, dass Mahony Tote sehen und mit ihnen kommunizieren kann. Zu Beginn des Buchs war dies höchst originell, und es hat Spaß gemacht zu lesen, wie sich die Toten die Zeit vertreiben. So lümmeln sie beispielsweise biertrinkend auf dem Dach der Leichenhalle herum oder geistern durch die Häuser, die sie zu Lebzeiten bewohnten. Allerdings wurden mir die vielen Beschreibungen der Toten und ihrer jeweiligen Aktivitäten spätestens in der Mitte des Romans zuviel. Ein toter Priester, der absolut nichts zur Handlung beiträgt, wird nicht interessanter, nur weil er nackt auf dem Rasen liegt und sich im Schritt kratzt! Überhaupt scheint die Autorin mit der Geistlichkeit eine Rechnung offen zu haben, werden die Priester doch ausnahmslos, ob tot oder lebendig, als absolute Crétins dargestellt.
Was das Genre dieses Romans anbelangt, so bin ich mir auch nicht ganz sicher, wie man ihn bezeichnen würde. Ein humorvoller Fantasy-Kriminalroman vielleicht? Denn es geschehen auch jede Menge übernatürliche Dinge: fliegende Bücher, eine plötzlich im Pfarrhaus entspringende „heilige Quelle“ mit dazugehöriger Froschpopulation, in Massen auftretende Spinnen usw.
Was ich an dem Buch ausgesprochen gelungen finde, ist das Cover: ein Dschungel aus grünen Blättern und bunten Blüten, und erst bei genauem Hinsehen entdeckt man leuchtende Augenpaare und im Gebüsch versteckte Tiere. Wirklich sehr schön!
Mein Fazit: ein ungewöhnlicher und stellenweise amüsanter Roman, der mir allerdings weitaus besser gefallen hätte, wenn sich die Autorin nicht so krampfhaft übertrieben um Originalität bemüht hätte. Die von mir erwartete Spannung blieb aufgrund der ausufernden Beschreibungen auch weitgehend auf der Strecke. Wer einen spannenden Krimi erwartet, wird ihn in diesem Roman nicht finden.

Bewertung vom 18.04.2017
Wenn das Eis bricht / Profilerin Hanne Bd.1
Grebe, Camilla

Wenn das Eis bricht / Profilerin Hanne Bd.1


ausgezeichnet

Superspannend!
Im Haus des schwedischen Geschäftsmanns Jesper Orre in Stockholm wird eine schrecklich zugerichtete Frauenleiche gefunden, der Hausbesitzer ist verschwunden. Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass Orre, Inhaber der Modekette Clothes and More, der Mörder ist. Die Tat erinnert an einen anderen Mord, der vor 10 Jahren stattgefunden hat. Doch welche Verbindung gibt es zwischen dem Mörder und den Opfern?
Um dies herauszufinden, bittet die Stockholmer Polizei die Kriminalpsychologin Hanne um Hilfe. Was die Kollegen nicht wissen: Hanne ist krank, sie leidet an beginnender Demenz. Es ist daher eine große Herausforderung für sie, an dem Fall mitzuarbeiten, da sie in ständiger Angst davor lebt, dass ihr Gedächtnis sie im Stich lassen könnte.
Die Geschichte wird aus dreierlei Perspektiven erzählt. Da ist zunächst Peter, Ermittler bei der Mordkommission Stockholm, dann die Kriminalpsychologin Hanne und schließlich Emma, die als Verkäuferin in einem Clothes and More Laden arbeitet. Je tiefer wir in die Geschichte eintauchen, umso mehr erfahren wir über das Leben dieser drei Personen.
Peter ist ein Einzelgänger, der sich auf keine Beziehungen einlassen kann und es ablehnt, Verantwortung für andere zu übernehmen. Auch Emma lebt allein. Das einzige Lebewesen, mit dem sie ihr Leben teilt, ist ihr Kater. Seit sie als Schülerin von einem Lehrer sexuell missbraucht wurde, ist sie nicht mehr in der Lage, Beziehungen einzugehen. Umso glücklicher ist sie, als ein attraktiver Mann beginnt sich für sie zu interessieren. Doch die Beziehung entwickelt sich anders als erhofft.
Hanne wiederum lebt in einer unglücklichen Ehe mit einem Mann, der sie am liebsten jetzt schon entmündigen würde...
„Wenn das Eis bricht“ ist ein spannender und im übrigen hervorragend übersetzter Roman, den ich am liebsten nicht aus der Hand gelegt hätte. Nach den 600 Seiten hätte ich am liebsten nochmal von vorne angefangen, denn am Ende weiß man Dinge, die alles in einem anderen Licht erscheinen lassen. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 01.04.2017
Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1
Lunde, Maja

Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1


ausgezeichnet

Faszinierend und lesenswert
Von einer Autorin namens Maja erwartet man natürlich fundiertes Wissen zum Thema Bienen :-). Aber Spaß beiseite: das Buch hat meine Erwartungen weit übertroffen. Es ist nicht nur spannend und informativ geschrieben, sondern auch mit viel Humor (Swammerpie!).
Maja Lunde beschreibt in diesem Buch die Geschichte dreier Familien. William lebt mit seiner Familie im 19. Jahrhundert in England, die Geschichte des Imkers George spielt in den USA im Jahr 2007 und Tao lebt mit Mann und Sohn im China des Jahres 2098.
Was diese Geschichten miteinander verbindet, ist, dass sie allesamt mit Bienen zu tun haben. Außerdem lebt in jeder Familie ein Sohn, an den bestimmte Erwartungen gestellt werden.
Taos Geschichte fand ich besonders faszinierend. Sie spielt in der Zeit nach dem Kollaps, einer fernen Dystopie, in der jeder sich selbst der Nächste ist. Aufgrund von Misswirtschaft und Ausbeutung der Natur gibt es fast nichts mehr zu essen. Bienen sind ausgestorben, weshalb ganze Heerscharen von Arbeitern nichts anderes zu tun haben, als von Hand die Blüten von Obstbäumen zu bestäuben.
Es ist ein durch und durch lesenswertes Buch über die Zusammenhänge in der Natur und die Verantwortung des Menschen der Natur gegenüber, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger. Ich konnte es kaum aus der Hand legen.

Bewertung vom 29.03.2017
In jedem Augenblick unseres Lebens
Malmquist, Tom

In jedem Augenblick unseres Lebens


weniger gut

Verlangt dem Leser einiges ab

Tom erlebt den schlimmsten Albtraum, den man sich vorstellen kann. Seine hochschwangere Partnerin Karin wird mit vermeintlichen Grippesymptomen ins Krankenhaus eingeliefert und erhält die Diagnose Leukämie. Innerhalb kürzester Zeit stirbt sie, das Baby wird gerettet.
Die Leseprobe hatte mein Interesse geweckt. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist der atemlose Schreibstil des Autors. Er schreibt ohne Absätze, ohne Anführungszeichen für wörtliche Rede, einfach einen Satz nach dem nächsten. Selbst wenn er zu völlig anderen Episoden seines Lebens wechselt, wird dies dem Leser oft nicht durch Absätze angezeigt, der Fließtext geht einfach weiter. Der Leser wundert sich nur, warum Tom, der doch eben noch Krankenhausflure entlanggegangen ist, nun plötzlich beim Sporttraining ist. Ein Buch, bei dem man sich die einzelnen Puzzleteile zusammensuchen muss. Was passiert wann? Redet er von der Vergangenheit, der Gegenwart, von Karins erster oder zweiter Operation? Der längste Satz, der mir auffiel, erstreckte sich über sage und schreibe 42 Zeilen! Das macht das Lesen wirklich sehr mühsam.
Das erste Drittel des Buchs liest sich teilweise wie ein Arztbericht, da jedes medizinische Detail in lateinischen Fachausdrücken beschrieben ist. Tom besteht nämlich darauf, von den Ärzten in medizinischen Fachtermini informiert zu werden, obwohl er das meiste nicht versteht. Was mich auch ziemlich irritiert hat, ist, dass dieses Buch vollkommen ohne Emotionen auskommt. Nie erfährt man, wie Tom sich fühlt, er beschreibt selbst hochemotionale Szenen lediglich in sachlichen Worten, aus der Warte eines unbeteiligten Beobachters. Dies hat es mir sehr schwer gemacht, Empathie zu fühlen.
Trotz seines schweren Schicksalsschlags ist mir Tom nicht sehr sympathisch. Dass er Karins Eltern zunächst nicht erlaubt, sie im Krankenhaus zu sehen, obwohl sie schon längst im Koma liegt, fand ich ganz furchtbar. Es ist ihre Tochter! Auch wenn Karin, als sie noch bei Bewusstsein war, den Wunsch geäußert hat, dass nur er an ihrem Bett sein soll, so ändert sich doch alles im Angesicht des Todes.
Ich habe das Buch zu Ende gelesen, aber es war bestimmt kein Buch, bei dem ich über das Ende traurig war.

Bewertung vom 23.03.2017
Wenn ich jetzt nicht gehe
Dueñas, María

Wenn ich jetzt nicht gehe


gut

Sehr langatmig
Die Leseprobe gefiel mir sehr gut. Der reiche mexikanische Bergwerksbesitzer Mauro Larrea erfährt, dass er aufgrund einer riskanten Investition alles verlieren wird, was er sich in seinem Leben aufgebaut hat. Er beschließt deshalb mit dem Mut der Verzweiflung, einen Neuanfang in einem anderen Land zu wagen. Bis es allerdings so weit ist, muss er zunächst mithilfe unlauterer Mittel Vertragsunterlagen in seinen Besitz bringen - die Art und Weise, wie ihm das gelingt, ist mehr als unglaubwürdig! - und sich von einem Geldverleiher die nötigen finanziellen Mittel leihen. In Kuba, seinem ersten Ziel angelangt, lernt er die High Society Havannas kennen und knüpft Kontakte. Dieser Teil des Buchs hat mir am besten gefallen. Die bildhafte Sprache lässt das alte Havanna mit seinen lauten bunten Straßen und Menschen vor den Augen des Lesers entstehen, ebenso die eleganten Bälle und armen Viertel mit ihren Spelunken.
Durch eine für ihn glückliche Fügung gelangt Mauro in den Besitz eines Weinguts in Spanien und fährt nach Jerez, um sein Eigentum in Augenschein zu nehmen. Er lernt Soledad Claydon kennen, deren Familie das Gut früher gehörte, und verliebt sich in sie. An dieser Stelle beginnt der Roman zu langweilen und teilweise sehr unglaubwürdig zu werden. Unliebsame Besucher werden bedroht, eingesperrt und kurzerhand auf Schiffe zurück in die Heimat verfrachtet, bis sich am Ende dann alles in Wohlgefallen auflöst.
Die bildhafte Sprache und die vielen Metaphern sind teilweise gelungen, zum Teil gleiten sie allerdings doch sehr ins Kitschige ab. Irritiert haben mich auch manche der spanischen Begriffe, die nirgendwo erklärt werden. Es gehört nicht unbedingt zur Allgemeinbildung zu wissen, was ein gachupin oder ein Chichimeke ist! Auch ein Namenverzeichnis im Anhang wäre hilfreich gewesen. Alles in allem ein Buch, das nicht schlecht war, meine Erwartungen aber nicht erfüllt hat.