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leserattebremen
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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2016
Die Unglückseligen
Dorn, Thea

Die Unglückseligen


ausgezeichnet

Dr. Johanna Mawet ist Naturwissenschaftlerin und versucht in ihrer Arbeit dem ewigen Leben auf die Spur zu kommen. Tod und Krankheit sind ihr ein Graus und so forscht sie mit Mäusen und Zebrafischen, um irgendwann dem Menschen Unsterblichkeit zu verschaffen. Während eines Forschungsaufenthaltes trifft sie auf Johann Ritter, der behauptet, ein bereits 1776 geborener deutscher Physiker zu sein. Wie besessen wird Johanna von Ritter und seiner Geschichte, alles andere spielt keine Rolle mehr, nur noch diesem Menschen will sie erforschen, hinter sein Geheimnis kommen und damit die Menschheit unsterblich machen.
Theo Dorn hat mit „Die Unglückseligen“ einen regelrechten Gruselroman geschrieben über die Abgründe der Menschen und den fanatischen Glauben an die unendlichen Möglichkeiten der Forschung. Johanna beginnt die Geschichte als angesehene Wissenschaftlerin und stürzt sich dann selbst in einen Abgrund aus geradezu manischer Besessenheit und Wahnsinn. Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: einmal von der Wissenschaftlerin Johanna Mawet, dann vom unglaublich alten Johann Ritter und von einem unbekannten Erzähler, der immer wieder andeutet, er könnte der Teufel höchstpersönlich sein, der sein Spielchen mit Johanna treibt und sie so langsam in seinen Bannkreis zieht.
Durch die Stilwechsel wird das Buch besonders abwechslungsreich und wie ein Voyeur kann man nicht anders, als Johanna in ihren Untergang zu folgen und immer weiterzulesen. Sie gibt alles auf, wofür sie gelebt hat, riskiert ihren Ruf und ihre Zukunft, um herausfinden, was es mit Ritter auf sich hat. Ob es wirklich der Teufel ist, der seine Spielchen mit ihr treibt oder ihr wahnwitziger Ehrgeiz, der sie auf diesen Weg schickt? Wie Faust bewegt sie sich auf einem schmalen Grat, der sie in einen Abgrund reißt und lässt sich verführen, an die unendlichen Möglichkeiten zu glauben. Die Autorin hat mit „Die Unglückseligen“ einen meisterhaften Roman geschrieben, in dem sie Motive des Faust in die moderne Welt überträgt und großartig lesbar macht. Nicht ohne Gruseln bleibt man als Leser am Ende zurück und der Stoff beschäftigt einen auch nach der letzten Seite des Buches noch weiter. Ein großartiger Roman, der zu Recht die volle Aufmerksamkeit seines Lesers einfordert.

Bewertung vom 02.05.2016
Der Gast im Garten
Hiraide, Takashi

Der Gast im Garten


sehr gut

Chibi ist eine Katze, die auf einem großen Grundstück bei einer Familie lebt. Im Gartenhaus nebenan lebt ziemlich glücklich und zufrieden ein kinderloses Ehepaar, beide arbeiten in der Literaturbranche, haben einen abwechslungsreichen Freundeskreis und mögen ihr Haus mit Garten sehr. Eines Tages besucht Chibi eben diese Nachbarn und schließt mit ihnen Freundschaft. Immer öfter kommt die kleine Katze zu Besuch und schleicht sich klammheimlich in Leben und Herz des Ehepaares. Kleine Abläufe des Alltags ändern sich plötzlich und viele Dinge drehen sich darum, es Chibi so angenehm wie möglich zu machen, damit sie wieder kommt, obwohl sie eigentlich nicht dort lebt.
„Der Gast im Garten“ ist eine kleine leise Geschichte über Liebe, Freundschaft und Verlässlichkeit, die einen als Leser mit ihrem ganz eigenen Zauber gefangen nimmt. Es sind keine großen Momente oder bombastische Emotionen, die im Leben des Ehepaares das Zentrum bilden, sondern die kleinen Verschiebungen, die Chibi mit sich bringt, in dem sie in das Leben eindringt. Doch wie der Titel es auch schon sagt, ist sie nur ein Gast, ein Zuschauer von außen, der nicht ganz dazugehört und vielleicht auch nicht heimisch werden möchte. Jeden Morgen geht Chibi pünktlich zu ihrer Familie um den Sohn zur Schule zu verabschieden. Dennoch ist das Ehepaar im Gartenhaus nicht unzufrieden mit ihrer Situation, ihren Gast im Garten immer nur zeitweise zu haben, auch wenn sie ihn auf keinen Fall mehr missen wollen.
Mir hat die Geschichte um Chibi und ihr Gastspiel im Leben des Ehepaares im Gartenhaus sehr gut gefallen, gerade weil die Geschichte so ruhig und gleichzeitig so schön und bewegend war. Wie schnell man sein Herz an etwas hängt und es dann vermisst, obwohl man vorher glücklich und zufrieden war, ist hier sehr schön beschrieben. Eine wunderbare kleine Geschichte über Freundschaft, die ich jedem ans Herz legen kann.

Bewertung vom 22.04.2016
Das Jahrhundert verstehen
Diner, Dan

Das Jahrhundert verstehen


sehr gut

Der Titel von Dan Diners Buch „Das Jahrhundert verstehen“ formuliert schon einen großen Anspruch an sein Werk und so versucht er, auf 320 Seiten die Geschichte des 20. Jahrhundert zusammenzufassen und ihre Zusammenhänge aufzuzeigen. Der Untertitel „1917 – 1989“ ist dabei eher irreführend. Auch wenn sich seine Ausführungen auf den Zeitraum zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und dem Beginn einer europäischen Einigung in den 50er Jahren konzentriert, sind viele Zusammenhänge viel umfassender, so dass auch oft Bezüge zur Zeit vor oder während des ersten Weltkriegs eine Rolle spielen. Das Ende des Kalten Krieges und der Zusammenbruch der Sowjetunion spielen hingegen gar keine Rolle mehr in der Darstellung, so dass sie eigentlich in den 60er Jahren endet.
Diner versucht in seinem Buch, keine klassische Geschichtsschreibung in rein chronologischer Reihenfolge zu erstellen, sondern legt den Schwerpunkt auf die Beziehungen und Folgen von einzelnen Handlungen, was das Buch gut lesbar und nachvollziehbar macht. Die dadurch zeitweise stattfindenden Zeitsprünge lassen sich beim Lesen recht schnell erschließen und sind kein Hindernis. Als Leser, der sein Wissen aus dem klassischen Geschichtsunterricht der Schule bezogen hat, erkennt man plötzlich neue Zusammenhänge durch die Einnahme einer anderen Perspektive. Diner stellt an vielen Punkten die Perspektive Russlands und der in seinem Umkreis liegender Staaten ebenso wie die griechische oder türkische Situation in den Blickpunkt, was einen neuen Eindruck der Abläufe und Zusammenhänge ermöglicht.
Dan Diners „Das Jahrhundert verstehen“ ist ein spannendes und erhellendes Buch für alle Geschichtsinteressierten Leser. Man muss sich jedoch erst einmal auf den Stil einlassen, den ich teilweise etwas gestelzt und künstlich abgehoben fand. An einigen Stellen hätten sich die Zusammenhänge meiner Meinung nach auch einfacher erklären lassen. Nachdem ich mich etwas eingelesen hatte, haben mir die Darstellung Dan Diners und sein Blick auf die Geschichte aber sehr gut gefallen.

Bewertung vom 21.04.2016
Erbe und Schicksal / Clifton-Saga Bd.3
Archer, Jeffrey

Erbe und Schicksal / Clifton-Saga Bd.3


ausgezeichnet

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei und nachdem endlich entschieden wurde, ob Giles Barrington oder Harry Clifton der rechtmäßige Erbe des Barrington Familienimperiums ist, kehrt Ruhe ein. Harry arbeitet als Kriminalautor und heiratet endlich seine große Liebe Emma, mit der er bereits einen Sohn hat. Doch Sebastian erweist sich als schwieriges Kind, der in diesem Teil in den Mittelpunkt der Geschichte um Harry Clifton rückt. Auch seinem Weg folgt der Leser jetzt, wie bisher dem von Harry Clifton.
„Erbe und Schicksal“ ist wie schon die ersten beiden Bände der Saga um die Familie von Harry Clifton absolut mitreißend und faszinierend. Die Charaktere sind unglaublich sympathisch und lebensnah. Durch Emma rückt die Emanzipationsbewegung etwas in den Vordergrund, wenn auch nur angedeutet. Sie kämpft dafür, einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften machen zu können, um eine größere Rolle im Unternehmen ihrer Familie zu spielen. Dazu tauchen alte und neue Gegenspieler auf, zum Beispiel Alex Fisher, der Harry und Giles schon zu Schulzeiten quälte und jetzt versucht, Giles seinen Platz im Parlament streitig zu machen. Ein neuer Charakter, der der Geschichte sehr viel Schwung gibt, ist Giles Frau, eine verwöhnte Lady wie sie im Buche steht, die der ganzen Familie das Leben schwer macht.
Jeffrey Archer ist wieder ein großartiges Buch gelungen, dass die Lebensgeschichte der einem inzwischen ans Herz gewachsenen Personen mit den historischen Entwicklungen im damaligen England und Amerika miteinander verknüpft. Wie schon die ersten beiden Bände endet die Geschichte mit einem Cliffhanger, so dass man es gar nicht abwarten kann, Band vier in den Händen zu halten. Die Clifton-Saga ist eine großartige Reihe und Band drei kann problemlos mit den ersten beiden Bänden mithalten – spannend, bewegend und mitreißend bis zur letzten Seite.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.04.2016
Unterleuten
Zeh, Juli

Unterleuten


ausgezeichnet

Unterleuten ist ein Ort, der seit Jahren nach den gleichen Regeln funktioniert. Es gibt die Zugezogenen, die sich auf dem Land mehr Lebensqualität erhoffen, den Besitzer der „Ökologica“, einem landwirtschaftlichen Betrieb, der als Nachfolger der LPG nahezu einziger Arbeitgeber im Ort ist. Dann die klassischen „Wendeverlierer“, die nicht akzeptieren wollen, dass die Welt sich verändert hat. Dazwischen stehen ihre Familien, Kinder und Bekannte, die alle ihren festen Platz in dem Netz aus Beziehungen haben. Als Unterleuten zum Fördergebiet für erneuerbare Energien werden und zahlreiche Windkrafträder bekommen soll, brechen plötzlich alte Kämpfe wieder auf, Rollen werden neu verteilt und das lange so stabile Beziehungsgeflecht droht zu zerbrechen.
Juli Zeh ist mit „Unterleuten“ das Portrait einer fragilen Gesellschaftsstruktur gelungen, die sich plötzlich in einem Kampf wiederfindet. Systematisch legt sie die Schwachstellen einer Gesellschaft offen, die ohne Außenkontakt völlig in sich selbst verkeilt scheint. Personen, die von außerhalb in den Ort gezogen sind, stehen am Anfang noch distanziert am Rande und glauben, sich in diese Struktur nicht hereinziehen lassen zu wollen, doch unglaublich schnell finden sie sich selbst als Teil dieses Abhängigkeitssystems wieder, das am Ende in einen Kampf auf Leben und Tod endet. Frei nach dem Motto „Was ich nicht bekomme, soll auch keiner anderer haben!“ schraubt sich das Aggressionspotenzial sowohl im Subtilen als auch in offener Gewalt auf einer nach oben scheinbar offenen Skala immer weiter hoch, bis Entscheidungen getroffen werden, die zu Beginn noch keiner für möglich erachtet hätte.
Die Autorin beschreibt beeindruckend kühl und distanziert vom Niedergang der menschlichen Gemeinschaft angesichts der Aussicht auf Geld und Einfluss. Deprimierend einfach zerlegt sie die gesellschaftlichen Strukturen, bis am Ende nur noch Individuen stehen, die hilflos um sich schlagend ihre Position verteidigen. „Unterleuten“ ist ein großer Roman über die großen Probleme der Gesellschaft und in seiner gleichzeitig mitreißenden und spannenden Schreibweise ganz sicher herausragend in der Literaturlandschaft

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2016
Von Liebe und Einsamkeit
Hammerl, Elfriede

Von Liebe und Einsamkeit


sehr gut

In „Von Liebe und Einsamkeit“ beschreibt Elfriede Hammerl unterschiedlichste Versionen von Liebe, doch fast alle führen unweigerlich zu Einsamkeit, Angst und Schmerz. Es ist eine sehr negative Sicht auf die menschlichen Beziehungen wie es scheint, auf den getriebenen Menschen der andere zerstört auf der Suche nach seinem eigenen vermeintlichen Glück, der rücksichtlos durchs Leben wandelt und vertraute Menschen plötzlich von sich stößt.
Dennoch wirken die Geschichten nicht anrührend oder bewegend, stets hält die Autorin Distanz zu ihren Figuren und lässt sie wie ein Theaterstück die Abgründe der Menschen vorführen. Nur selten findet eine dieser Figuren ihr Glück oder eine Liebe, die ohne Einsamkeit und Schmerz zu haben wäre. Geschichten mit Happy End und einem rosaroten Sonnenuntergang hätten zu diesem Erzählband aber auch nicht gepasst, daher ist es keineswegs negativ zu werten. Elfriede Hammerl scheint eine sehr gute Beobachterin zu sein, nur so kann sie den Abstand zu den Geschichten halten und sie dennoch detailliert beschreiben. Ohne übertriebenen Herzschmerz gehen Ehen kaputt, wird mit Kalkül, Lug und Trug die bestehende Liebe gehalten und eine neue - vielleicht glücklichere- verhindert. Doch um welchen Preis? Die Frage scheint über allen Erzählungen zu schweben: Was ist es uns eigentlich wert, eine Liebe zu halten? Wert an Arbeit aber auch an List und Hinterhältigkeit.
Mit „Von Liebe und Einsamkeit“ ist Elfriede Hammerl ein überzeugender Band über die menschliche Natur und die Liebe gelungen, der zwar distanziert und kühl wirkt, sich dafür mit umso überzeugenderen Beschreibungen hervorhebt.

Bewertung vom 10.04.2016
Die Birken wissen's noch
Mytting, Lars

Die Birken wissen's noch


ausgezeichnet

Edvard wächst bei seinem Großvater und seiner Großmutter auf einem kleinen Hof in Norwegen auf. Als mit seinem Großvater sein letzter Verwandter stirbt, taucht plötzlich ein Sarg aus Birke auf, den dessen Bruder Einar geschreinert hat. Doch der sollte bereits 1943 im Krieg gefallen sein. Wie konnte er da noch in den 60er Jahren einen Sarg für seinen Bruder schreinern? Edvard macht sich auf die Suche nach Einar und gleichzeitig nach seiner Vergangenheit. Denn auch der Tod seiner Eltern wirft einige Fragen auf.
„Die Birken wissen‘s doch“ von Lars Mytting ist ein sehr dichter Roman, der einen als Leser mit auf eine Reise nimmt. Viele Fragen sind offen, als Edvard seine Suche beginnt, doch statt Lösungen scheint er immer mehr Fragen zu finden, deren Lösung genauso auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs an der Sommes deutet wie auf eine kleine scheinbar unbewohnte Insel der Shetland Inseln. Edvard, der den kleinen Hof zu Hause kaum je verlassen hat, sieht sich so plötzlich auch mit der Welt außerhalb seines Universums konfrontiert und merkt, wie er sich dadurch selbst verändert. Er muss sich die Frage stellen, ob er lieber der Edvard Hirifjell bleibt, der er immer war, oder ob er bereit ist, sich in jemand anderen zu verwandeln. Eine Person, die er selber vielleicht nicht so sympathisch findet, die aber geschaffen ist durch die Umstände, in denen er sich plötzlich wiederfindet. Auch auf die Liebe trifft er in einer Form, wie er sie noch nicht kannte und verletzt plötzlich Menschen, die er nie so treffen wollte. Hin und hergerissen versucht Edvard, einen Weg zu finden, das richtige zu tun. Er macht in dieser Geschichte eine große Entwicklung durch und auch wenn er vielleicht nicht alle Fragen restlos beantworten kann, weiß am Ende zumindest wo er hingehört und sein will. Und wie er letztendlich sein will.
Lars Mytting ist mit diesem Roman eine großartige Geschichte gelungen, die zeigt, wie die Geschichte eines Menschen ihn prägt und wie eben das Nicht-Wissen der eigenen Vergangenheit eine Person wie einen Getriebenen ohne Rücksicht vorantreiben kann. Ein wunderbares Buch über die Suche nach einem Glück, das am Ende ganz nah ist.

Bewertung vom 06.04.2016
Tanz in den Tag / Muchachas Bd.1
Pancol, Katherine

Tanz in den Tag / Muchachas Bd.1


sehr gut

Tanz in den Tag“ – was als fröhliche Geschichte über die unbeschwerte Hortense und ihren Freund Gary beginnt, zwei erfolgshungrige und lebenslustige junge Leute in New York, wird schnell zu einem ergreifenden und ernsten Roman über eine Frau (Leonie), die in einer Gewaltspirale gefangen ist. Noch jung hat sie in einer französischen Stadt lebend den Aufschneider Ray Valenti geheiratet und hofft darauf, mit ihm glücklich zu werden. Doch Ray schlägt sie und lässt all die Wut an ihr aus, die er in sich trägt. Ihre Tochter Stella bricht irgendwann aus dieser Gewalthölle aus und versucht, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Doch die Angst um ihr Leben und das ihrer Mutter lässt sie nie los.
„Muchachas – Tanz in den Tag“ ist der erste von drei Bänden, die das Leben von Hortense, Stella und Josephine, der Mutter von Hortense, miteinander verbinden sollen. Im ersten Band überwiegt jedoch deutlich die Darstellung des Lebens von Stella und ihrer Mutter, so dass die Figuren von Hortense und Josephine etwas verloren am Rand der Geschichte stehen. So ganz klar wird beim Lesen nicht, was ihre Geschichten damit zu tun haben, aber das die Handlung auf drei Bände angelegt ist, werden sie in den folgenden Geschichten sicher noch eine größere Rolle bekommen. Von dieser Kleinigkeit abgesehen ist Katherine Pancol ein wunderbarer und einfühlsamer Roman über die Verzweiflung gelungen, die in Stella vorherrscht, weil sie nicht weiß, wie sie ihrer Mutter helfen soll. Der ganze Ort hält zu dem Helden und Feuerwehrmann Ray Valenti, niemand will etwas unternehmen, wenn ihre Mutter wieder einmal mit den Spuren eines „Treppensturzes“ oder ähnliches im Krankenhaus auftaucht. Stellas Angst beschreibt die Autorin so nah und plastisch, dass einem beim Lesen öfter ein Schauer über den Rücken läuft. Ihre Welt ist so eingeschränkt und beherrscht von Sicherheitsvorkehrungen und der Frage, wem sie trauen kann, dass ihr ein normales Leben völlig fremd ist. Dass sie daneben auch noch ihren Sohn vor dem Einfluss von Ray Valenti schützen muss, macht ihr Leben umso angespannter und verzweifelter.
Auch wenn das Cover und der Titel einen völlig anderen Eindruck vermitteln, ist „Muchachas – Tanz in den Tag“ eine sehr ernste und berührende Geschichte über die Spirale aus Gewalt und Schweigen, die in einer Gemeinschaft entstehen kann. Ich bin schon sehr gespannt, wie es mit den Figuren in den nächsten Büchern weitergeht. Sehr lesenswert ist auch das Nachwort der Autorin zu dieser Geschichte, das einen sofort in die Realität zurückholt und einem vor Augen führt, wie wenig fiktiv diese Geschichte ist.

Bewertung vom 30.03.2016
Kirschblüten und rote Bohnen
Sukegawa, Durian

Kirschblüten und rote Bohnen


sehr gut

In dem Roman „Kirschblüten und rote Bohnen“ geht es um den Imbissmitarbeiter Sentaro, der nach seiner Zeit im Gefängnis nur seine Schulden abarbeiten will und keinerlei Liebe zu seiner Arbeit empfindet, und die alten Dame Tokue, die in einem Sanatorium lebt und bei Sentaro als Aushilfe anfängt. Sie zeigt ihm, wie er die roten Bohnen für sein Essen per Hand zubereiten kann und vermittelt ihm gleichzeitig, seine Arbeit als eine größere Aufgabe zu sehen als nur eine Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Die Geschichte von Sentaro, Tokue und später auch dem einsamen Mädchen Wakana ist eine wunderbar leise und einfühlsame Geschichte. Durch das Aufeinandertreffen der Personen ändert sich ihr Leben, doch nicht mit einem Knall in eine völlig andere Richtung, sondern im ganz Kleinen, in dem jede Entscheidung ein wenig anders bewertet wird. Sentaro lernt, seine Liebe und Energie in etwas zu stecken, das ihm wichtig ist und was es bedeuten kann, Erfolg mit etwas zu haben. Gleichzeitig ist es eine Geschichte über Vorurteile, denn Tokue ist durch eine Krankheit entstellt und wird deshalb von den Menschen gemieden. Durch die Arbeit im Imbiss wirkt sie im hohen Alter das erste Mal frei von den Einschränkungen, die ihr ihre Krankheit auferlegt hat.
Das Zusammentreffen der Menschen in dieser Geschichte bewirkt etwas Wunderbares, auch wenn es traurige Momente gibt, überwiegt beim Lesen das Gefühl, das jetzt etwas richtig ist, da die drei sich gefunden haben. Sie geben sich Halt und inspirieren einander auf völlig unterschiedliche Weise . Sie geben sich einen leichten Wink in eine neue Richtung, einen neuen Versuch im Leben. „Kirschblüten und rote Bohnen“ bezaubert durch seine Zartheit und die liebevolle Erzählweise von Durian Sukegawa. Obwohl über der Geschichte eine Melancholie schwebt, die man nicht richtig greifen kann, lässt einen das Buch nie traurig zurück, sondern voller Hoffnung auf alles was noch kommen mag. Es ist ein besonderes Buch für besondere Lesemomente.