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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2019
Alexandra
Bell, Natasha

Alexandra


weniger gut

Ganz ehrlich: Ich habe selten einen derart langweiligen Thriller gelesen! Und dabei wurde dieses Genre-Debüt von Natasha Bell so hoch gelobt.
Ich habe extra nochmal nachgeschlagen, die Definition eines Thrillers besagt u.a.: "Charakteristisch für Thriller ist das Erzeugen ... einer Spannung, die nicht nur in kurzen Passagen, sondern während des gesamten Handlungsverlaufs präsent ist, ein beständiges Spiel zwischen Anspannung und Erleichterung."
Davon konnte ich leider im vorliegenden Roman nichts finden, die Geschichte plätschert langweilig vor sich hin, selbst das Ende ist im Großen und Ganzen absehbar.
Und dabei verarbeitet Bell durchaus interessante Themen: Es geht um die Fragen, inwieweit Kunst verletzen oder Privates öffentlich machen darf, wie gut man seinen Partner auch nach jahrelanger Ehe wirklich kennt, und es geht auch um die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft, darum, wie Kinder und Karriere vereinbart werden können.
Doch leider schafft es die Autorin nicht, aus dem vielversprechenden Plot eine wirklich spannende Story zu machen. Sprachlich habe ich nichts auszusetzen, doch wird vieles zu sehr ausgedehnt, die Handlung schreitet kaum voran. Mit Ausnahme der Protagonistin Alexandra bleiben auch die Figuren zu blaß oder werden einfach nicht vielschichtig genug beschrieben. Ehemann Marc ist offenbar "Mr. Right" in Person, er hat nicht eine erkennbare negative Seite. Polizeiliche Ermittler, Arbeitskollegen und Freunde werden nur oberflächlich charakterisiert, ich konnte mir nur schwer ein Bild von ihnen machen.
Am besten gefallen haben mir die grundlegenden Fragen, die Bell zu Kunst, vor allem zu zeitgenössischer Performance-Kunst, aufwirft. Dies wäre durchaus ausbaufähig und könnte als zentrales Thema für einen innovativen Roman dienen. Als Thriller jedoch konnte mich dieses Buch leider überhaupt nicht überzeugen.

Bewertung vom 30.04.2019
Bienenleben
Wiener, Sarah

Bienenleben


weniger gut

"Das Wesen der Biene zu begreifen heißt die Natur mehr zu respektieren."
Dieses Zitat des vorliegenden Sachbuchs spiegelt viel von Sarah Wieners Einstellung zu "ihren" Bienen wieder.
Die Selfmade-Fernsehköchin hat nach zahlreichen Kochbüchern nun ein Buch über Ihre Hobby-Imkerei verfasst. In lockerem Plauderton erzählt sie über ihren persönlichen Weg zur Bienenhaltung, die Zeidlerei, die Organisation eines Bienenvolks und vieles mehr. Der Schreibstil ist kurzweilig und unterhaltsam, ganz wie man Wiener aus Ihren Fernsehsendungen kennt.
Und doch hat mich dieses Werk sehr enttäuscht. Zum einen, weil die Autorin kein gutes Händchen für Erklärungen hat. Was ich nicht bereits über den Aufbau eines Bienenstocks wusste, habe ich auch nach mehrfachen Lesens des vorliegenden Textes nicht verstanden bzw. musste es mühsam anderweitig recherchieren. Oft werden Fachbegriffe verwendet, die erst in späteren Kapiteln erklärt werden.
Hier wäre ein Glossar mit Fachbegriffen sehr hilfreich gewesen.
Noch viel ärgerlicher finde ich, dass einige Fehler im Text vorhanden sind. Über ein falsches Verb (Sarah Wiener schreibt "zeidlern" statt korrekt "zeideln") kann ich noch hinwegsehen. Inhaltliche Fehler kann ich in einem Sachbuch allerdings nur schwer tolerieren, und davon gibt es leider einige: Honig wird fluglochfern abgelegt, und nicht wie von Frau Wiener beschrieben fluglochnah. Propolis ist kein Baum- oder Knospenharz, sondern ein Gemisch aus mehreren Substanzen, das Bienen selbst produzieren. Es besteht aus Harz, Wachs, ätherishen Ölen, Pollen und Bienenspeichel. Bienen sind auch nicht, wie beschrieben, die einzigen Insekten, die ihre Umgebungstemperatur beeinflussen und steuern können, sondern auch andere soziale Insekten wie Wespen und Hummeln regulieren ihre Nesttemperatur. Und Bienen haben keine drei, sondern nur zwei Facettenaugen, die sich aus zahlreichen Einzelaugen zusammensetzen.
Es ist sehr schade, wenn bei so grundlegenden Dingen nicht sorgfältig recherchiert wurde (und offenbar auch das Lektorat nicht sehr fachkundig war), denn wie kann ich mich dann darauf verlassen, dass die anderen Angaben stimmen, die ich selbst nicht fachlich beurteilen kann?
Dies ist umso bedauerlicher, als die Aufmachung des Buches sehr hochwertig ist. Das Hardcover hat ein farblich abgestimmtes Lesebändchen, der Text wird durch zahlreiche Farbfotos aufgelockert.
Fazit: Wer einfach nur ein paar unterhaltsame Geschichten rund um Sarah Wieners persönliche Imkerei erfahren möchte, der wird an dem Buch seine Freude haben. Wer sich aber etwas detaillierter mit bienenfreundlicher, naturnaher Imkerei befassen möchte, wer ein fundiertes Sachbuch erwartet, dem rate ich ab. Sarah Wiener mag sich viel mit dem Wesen der Bienen beschäftigt haben, das Wesen des Lesers hat sie für mich zu wenig in den Fokus gesetzt. Sie mag eine hervorragende Köchin sein, als Schriftstellerin hat sie mich nicht überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2019
Die Todesbotin / Viktor Puppe Bd.2
Elbel, Thomas

Die Todesbotin / Viktor Puppe Bd.2


sehr gut

Nach dem "Todesmeister" legt Juraprofessor Thomas Elbel nun also seinen zweiten Thriller rund um das Berliner Ermittler-Trio Viktor, Begüm und Ken vor.
Auch hier werden dem Leser wieder einige Leichen "serviert", wobei es diesmal weniger blutrünstige Schilderungen, dafür aber deutlich mehr politische Hintergründe zu entdecken gibt. Islamistischer Terror, ein völkisches Dorf voller Neonazis, Straßenkinder, Clan-Kriminalität in Parallelwelten - streckenweise fiel es mir bei den vielen Nebenschauplätzen etwas schwer, einigermaßen den Überblick zu behalten. Mein Durchhaltevermögen wurde aber belohnt: Was für ein grandioses Finale! Ein überraschender Twist jagt den nächsten, die Geschichte nimmt nochmal so richtig an Fahrt auf und Elbel fügt zum Ende alle gesponnenen Fäden meisterhaft zusammen.
Die Protagonisten sind vielleicht noch einen Touch mehr überzeichnet als schon im "Todesmeister", wer sich an derber Gossensprache stört, wird mit Halbjapaner Ken vermutlich nicht warm werden. Der Rest darf sich auf freche und witzige Wortgefechte unter den Ermittlerkollegen freuen.
Sehr authentisch wirken viele Dialoge durch die Verwendung von Fremdsprachen oder Dialekten. So spricht die türkischstämmige Begüm mit Ihrem Bruder in ihrer Muttersprache (keine Sorge, es wird übersetzt!), und der Wärter einer Flüchtlingsunterkunft berlinert aufs Schönste.
Wie bereits der erste Band endet auch dieser mit einem großartigen Cliffhanger im Epilog - ich lechze bereits jetzt nach der Fortsetzung!

Bewertung vom 24.04.2019
Vogelfrei
Strycker, Noah

Vogelfrei


gut

Der dreißigjährige US-Amerikaner Noah Stryker betreibt das Trend-Hobby "Birding", zu deutsch: Vogelbeobachtung.
Er nimmt sich vor, in einem Jahr mindestens 5.000 Vogelarten zu sichten und reist dafür um die ganze Welt.
Der Anfang seines Reiseberichts hat mich positiv überrascht. Ich hatte ein wenig befürchtet, dass hier ein verschrobener Freak mit Scheuklappen von seinem Extrem-Hobby schwärmen würde, aber ganz im Gegentei: Strycker erzählt durchaus unterhaltsam und informativ. Er führt anschaulich in die Geschichte des Birding ein und reflektiert Birdingtourismus und Extrembirding auch kritisch.
Diese Kritik geht leider im Verlauf des Buchs allmählich verloren, dafür wirkt Noah immer getriebener, je länger er unterwegs ist. Er hat bald nur noch sein selbst gestecktes Ziel vor Augen, für den Genuss der Natur über den kurzen Augenblick hinaus bleibt so gut wie keine Zeit. Ein schöner Aspekt des Birding wird anschaulich beschrieben: Dieses von vielen Leuten auf der ganzen Welt betriebene Hobby verbindet Gleichgesinnte über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg.
Das Paperback liegt schwer in der Hand, in der Buchmitte finden sich zahlreiche Farbfotos, allerdings sind es deutlich zu wenige, um auch nur einen Bruchteil der beschriebenen Vogelarten für den Laien zu veranschaulichen. So bleibt dem interessierten Leser nur die eigene Recherche, die den Lesefluss immer wieder störend unterbricht.
Einen großen Kritikpunkt stellt für mich die dutzende Seiten lange penible Auflistung am Ende des Buchs aller 6.042 von Noah gesichteten Vogelarten dar. Welche Ressourcen-Verschwendung! Hier hätte man durch einen entsprechenden Weblink enorm viel Papier sparen können, zumal die wenigsten Leser die Liste wirklich von vorne bis hinten studieren dürften!
Noch viel mehr stört mich allerdings eine gewisse Bigotterie der meisten Extrem-Birder, zu denen ich definitiv auch Noah zähle: Auf der einen Seite verschreiben sie sich dem Naturschutz und beklagen, dass viele Vogelarten vom Aussterben bedroht sind. Auf der anderen Seite jetten sie für ihr Hobby um den Globus und tragen dadurch zum Klimawechsel bei, und sind somit selbst Verursacher davon, dass viele Vögel ihres natürlichen Habitats beraubt werden. Zwar spricht Noah immer wieder vom CO2-Ausgleich, aber etwas mehr fürs Flugticket zu zahlen (und den Aufpreis in klimafreundliche Projekte investieren zu lassen) ändert ja grundsätzlich nichts daran, dass durchs Fliegen deutlich zu viele Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen.
Stryker hat sich sein "Big Year" der Vogelbeobachtung auch durch den Verkauf seines Buches refinanziert - ich ärgere mich, dazu beigetragen zu haben.

Bewertung vom 23.04.2019
Mit Wittgenstein im Wartezimmer
Dierks, Nicolas

Mit Wittgenstein im Wartezimmer


ausgezeichnet

Philosophie ist nicht gerade mein Steckenpferd, ich habe so gut wie keine philosophische Vorbildung. Lesen hingegen gehört zu meinen Leidenschaften, und da ich ohnehin fast immer Lektüre dabei habe, auch um unvermeidliche Wartezeiten sinnvoll zu überbrücken, habe ich bei diesem kleinen Sachbuch gerne zugegriffen.
Auch deshalb, weil ich immer wieder gerne über den Tellerrand hinausblicke; ich halte es für sehr erstrebenswert, mir völlig neue Themengebiete zu erschließen und neue Sichtweisen auszuprobieren.
Und dafür kann ich "Mit Wittgenstein im Wartezimmer" nur wärmstens empfehlen. Der promovierte Philosoph Nicolas Dierks möchte einerseits sein Fachgebiet, die Philosophie, ins Leben bringen, andererseits auch der Philosophie mehr Leben einhauchen. Beides ist ihm mit den vorliegenden zwölf Kurzgeschichten aufs Beste gelungen. Dierks schildert Alltagssituationen, die die meisten von uns so oder so ähnlich schon erlebt haben dürften, wie etwa die unterschwellige oder auch offen zu Tage tretende Aggression der Kunden in der Supermarktschlange, wenn eine neue Kasse aufmacht. Diesen alltäglichen Begebenheiten stellt der Autor Kernaussagen bekannter (Sokrates, Nietzsche) wie auch unbekannterer (Davidson) Philosophen gegenüber. Dabei hat mich überrascht, dass auch in der Bürokratie oder bei Karl Marx philosophische Ansätze zu finden sind.
Die informativen und witzigen Texte sind gut verständlich, regen zum Nachdenken und Diskutieren an und haben mich mehr als einmal laut auflachen lassen.
Wie schon der Titel vermuten lässt, ist das Buch auch dafür gedacht, sich damit Wartezeiten kurzweilig zu gestalten. Hierfür ist es wirklich hervorragend geeignet: Die Kapitel sind kurz gehalten, das Büchlein hat ein handliches Format und ist sehr leicht, es passt wirklich in fast jede (Hosen-)Tasche und ist somit ein idealer Begleiter für unterwegs. Durch den festen Einband bleibt es auch nach mehrmaligem Lesen noch ansehnlich. Mich hat das Buch sehr begeistert, und ich werde es sicher immer mal wieder zur Hand nehmen. Ach ja, und wer - wie ich - Appetit auf mehr Philosophie bekommen hat, für den hat Dierks noch ein kleines, feines Literaturverzeichnis angehängt.

Bewertung vom 17.04.2019
Das Land, in dem die Wörter wohnen
Sedmak, Clemens

Das Land, in dem die Wörter wohnen


sehr gut

Autor Clemens Sedmak ist ein österreichischer Theologe und Philosoph, und so wundert es wenig, dass der Untertitel "Ein philosophisches Märchen" lautet.
Das schmale Büchlein beginnt mit einem ungewöhnlich persönlichen Prolog, in dem Sedmak einen Bezug zwischen dem Protagonisten und seinem Vater herstellt. Das Buch steckt voller liebevoller Details:
kleine Krönchen bei den Seitenzahlen, die grafische Gestaltung der jeweils ersten Seiten der Kapitel - mit etwas Fantasie kann man da einen König erkennen, oben die kleine Krone, unten die vielen Wörter bilden die Silhouette eines langen Mantels. Witzig ist auch, dass immer die Wörter fett erscheinen, die im folgenden Kapitel eine Rolle spielen.
Inhaltlich fängt die Geschichte sehr interessant an, ein wirklich gutes Gedankenspiel, was wäre, wenn uns die Wörter fehlen würden.
Der Text steckt voller kreativer Ideen und Anspielungen: Das überaus erfolgreiche Wort "Okay', residiert in einem Schloss, während "Danke" in immer bescheideneren Verhältnissen leben muss. Oder auch die Heirat von Worten, die damit eine dauerhafte Verbindung eingehen, Wortfamilien, die unter einem Dach leben ... Manche Aspekte rund um Sprache, wie nonverbale Kommunikation oder Bedeutungsverlust durch Übersetzung fehlen jedoch, hier hätte man das "Land, in dem die Wörter wohnen" für meinen Geschmack gerne noch etwas erweitern können.
Sprachlich gibt es leider einige wenige Fehler zu entdecken; nicht weiter schlimm, aber bei einer Geschichte, die von der Bedeutung der Wörter handelt, doch etwas schade. Hier hätte ich mir ein sorgfältigeres Korrektorat gewünscht. Zudem habe ich mich geärgert, dass Sedmak an einer Stelle unnötigerweise Rollenklischees wiedergibt. (Frauen haben keinen Orientierungssinn und können nicht mit Karten umgehen, während kleine Jungen dies mit Leichtigkeit beherrschen.)
Dafür ziehe ich einen Stern ab, ansonsten ist dieses Büchlein sowohl ein unterhaltsamer Appell für den sorgsamen Umgang mit Sprache, als auch eine kurzweilige Lektüre für Groß und Klein.

Bewertung vom 16.04.2019
Weltnah
Horvat, Jakob

Weltnah


sehr gut

Schon in Zahlen beeindruckt die vierzehnmonatige Weltreise des österreichischen Journalisten Jakob Horvath: 402 Nächte hat er auf 119 verschiedenen Schlafplätzen in 13 Ländern auf vier Kontinenten verbracht.
Wesentlich spannender ist jedoch die Entdeckungsreise zu sich selbst, die mehr oder weniger parallel zu seinem Trip durch die unterschiedlichsten Kulturen stattfindet. Am Anfang steht die Idee eines Freundes, per Anhalter von Europa nach Amerika zu gelangen. Erfrischend naiv und unerschrocken machen sich die beiden jungen Männer auf den Weg, nach wenigen Wochen entscheidet sich der Freund heimzukehren, und Jakob reist ohne ihn weiter. Er trifft beeindruckende Menschen, lässt sich auf Ungewohntes und auch Unbequemes ein und lernt eine Menge über die Welt und noch mehr über sich selbst.
Am Ende jedes Kapitels gibt Horvath dann auch seine Selbsterkenntnis in Form von Tipps für ein besseres Leben weiter. Somit ist dieses Buch Reisereportage und Ratgeber zugleich. Dabei vermeidet er jedoch (fast immer) belehrend zu wirken, er gibt lediglich Denkanstöße.
Das Buch ist optisch sehr ansprechend gestaltet: Mittig finden sich viele Farbfotos, auf Vor- und Nachsatz eine Weltkarte mit Jakobs Reiseroute und zu Beginn jedes Kapitels eine geografische Karte, im Art-Deco-Stil, der jeweiligen Zielorte. Ein anschauliches Extra sind zahlreiche QR-Codes, die auf kurze Videosequenzen der Reise verlinken. Wer tiefer einsteigen möchte findet eine hervorragende Literaturliste im Anhang.
Der Stil ist unterhaltsam und bildhaft, man merkt dem Text an, dass Horvath den professionellen Umgang mit Worten gewohnt ist.
Kleine Kritikpunkte sind in meinen Augen, dass viele englische Zitate nicht übersetzt wurden; dies grenzt Leser, die des Englischen nicht mächtig sind, unnötigerweise aus. Und die rauhe Haptik des Einbands fühlt sich zwar sehr angenehm an, das Buch ist allerdings nicht wirklich reisetauglich, die Ecken stoßen sich sehr schnell ab und werden unansehnlich.
Fazit: Klare Leseempfehlung für alle Weltenbummler mit Tiefgang!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2019
Mordsmäßig Münchnerisch

Mordsmäßig Münchnerisch


ausgezeichnet

Ingrid Werner hat mit "Mordsmäßig Münchnerisch 2" ihre zweite Krimi-Anthologie herausgegeben.
Herausgekommen ist eine großartige Mischung, die aufs Herrlichste unterhält und definitiv Lust auf mehr macht. Diese kriminalistischen Appetithäppchen - auf Bayrisch würde man von "Mogndratzerl" sprechen - haben meinen Lesehunger eher angeregt denn gestillt.
Wie der Titel unschwer erahnen lässt, sind alle Tatorte der 20 Geschichten in München angesiedelt.
Die Storys sind außerordentlich vielfältig, sowohl Form als auch Inhalt betreffend. Es geht nicht nur um den klassischen Mord, nein, der Begriff "Krimi" wird erfreulich weit gefasst; die literarische Gattung des Kriminalromans thematisiert ja auch Verbrechen jedweder Art. "Mordsmäßig Münchnerisch 2" handelt von Tötungsdelikten aber auch von Pädophilen, Verfolgungswahn, Geschwisterliebe oder einer extremen Beziehung von Feeding. Auch bei der Art der Tötung ist Abwechslung geboten. Zwar gab es ein oder zwei Geschichten, die nicht so meinem Geschmack entsprachen, aber das ist bei der großen Vielfalt weder verwunderlich noch schlimm. Die Geschmäcker sind eben verschieden, im Wirtshaus wie im Buchladen ...
Die Aufmachung ist für ein Taschenbuch ungewöhnlich liebevoll. Auf Vor- und Nachsatz ist eine Übersichtskarte Münchens abgebildet, in der - mit roten "Blutstropfen" die Tatorte in den Stadtteilen verortet werden. Ungewöhnlich: die abgerundeten Ecken, sie erinnern etwas an ein Notizbuch. Im Anhang findet sich ein Verzeichnis der Autoren mit Kurzbiografie, auch dies originell und witzig gehalten.
Ein ganz besonderer Pluspunkt ist in meinen Augen, dass sich am Ende jeder Geschichte ein Foto mit Hintergrundinfos zum jeweiligen Tatort findet. So gerät das Buch auch noch zum Stadtführer durch die bayerische Landeshauptstadt. Und es dürften selbst für München-Kenner Geheimtipps dabei sein, z.B. die in einem Firmenhof gelegene Skulptur "Umschreibung" des dänischen Künstlers Olafur Eliasson oder das Asphalt-Denkmal für Rainer Werner Fassbinder im Arnulf-Park.

Fazit: Ich wurde "mordsmäßig" unterhalten, durfte neue Ecken meiner Lieblingsstadt entdecken und habe Appetit auf mehr!

Bewertung vom 08.04.2019
Milchzähne
Bukowski, Helene

Milchzähne


gut

Die dem Roman zugrunde liegende Idee ist sehr gut: Apokalyptische Umweltveränderungen nehmen den Menschen altbekannte Sicherheiten, es bildet sich eine neue Gesellschaft aus einer Gruppe Geflohener. Fremde werden als Bedrohung angesehen, die Gemeinschaft schottet sich extrem ab. Allerdings ist Vieles nur skizziert, angedeutet oder bleibt völlig offen. Ich hätte mir eine bessere Charakterisierung der Personen gewünscht, etliche Akteure konnte ich nicht richtig greifen, sie blieben blasse Randfiguren.
Für viele Entwicklungen hätte ich etwas mehr Erklärungen gebraucht.
Die Thematik Fremdenhass ist gut verarbeitet, beim Thema Familie ist das für mich nicht so gelungen, hier bleiben für mich einfach zu viele offene Fragen.
Sprachlich ist dieses Romandebüt solides Handwerk, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Ich bleibe mit vielen Fragen zurück, mit zu vielen. Die Idee hat Potenzial, die Ausarbeitung ist nur zum Teil gelungen, daher kann ich nur eine mittlere Bewertung vergeben.