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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 896 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2017
Perfect Girl - Nur du kennst die Wahrheit
MacMillan, Gilly

Perfect Girl - Nur du kennst die Wahrheit


ausgezeichnet

Bristol. Die 17-jährige Zoe Maisey ist vorbestraft. Die hochbegabte Pianistin mit Aussicht auf eine große Karriere wurde vor 3 Jahren zu 18 Monaten Jugendarrest verurteilt, weil sie einen Autounfall verursacht hat, bei dem drei ihrer Mitschüler starben.
Nach Verbüßen der Strafe ist Zoe mit ihrer Mutter von Devon nach Bristol umgezogen. Ihre Mutter hat wieder geheiratet, allerdings ohne Chris Kennedy, dem neuen Mann an ihrer Seite, von Zoes Vergangenheit zu erzählen. Doch dann wird dieses gut gehütete Geheimnis während eines Klavierkonzerts gelüftet und wenige Stunden später ist Zoes Mutter tot…

Gilly Macmillan versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil ganz hervorragend, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Schnell wird man hineingezogen in einen Strudel aus Lügen, Täuschung, Wahrheit und Geheimnissen.

Die eigentliche Geschichte umfasst gerade einmal 24 Stunden, wobei die Autorin die Handlung zunächst auf zwei Zeitebenen spielen lässt und zwischen den Stunden direkt nach dem Konzert und den Ereignissen am nächsten Morgen hin und her springt. In diese Geschehnisse eingebettet sind Rückblenden in die Zeit rund um den Unfall und Zoes Gefängnisaufenthalt. Außerdem gibt es Abschnitte, in denen Chris’ Vorgeschichte erzählt wird. Klingt recht verwirrend, ist es aber nicht. Man kann dem Geschehen trotz der ganzen Schlenker bestens folgen.

Besonders gut hat mir gefallen, dass man die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven präsentiert bekommt – der Autorin gelingt es dabei ausgezeichnet, dem Leser die Erinnerungen, Gedanken und Gefühle ihrer Akteure zu vermitteln. Man erlebt alles, was der Einzelne durchmacht, äußerst intensiv mit.

„Perfect Girl“ hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Eine dramatische Familiengeschichte die aufzeigt, wie schnell ein scheinbar perfektes Leben ins Wanken geraten und zerbrechen kann.

Bewertung vom 06.03.2017
Tod in den Karawanken
Nagele, Andrea

Tod in den Karawanken


ausgezeichnet

Grado/Klagenfurt. Lehrerin Lilo Grabner hat sich von ihrem Mann Hanno getrennt und will ein Sabbatjahr in Grado verbringen. Dort soll ihre 13-jährige Tochter Lena sie besuchen. Doch als Lilo etwas verspätet am Busbahnhof ankommt, um Lena abzuholen, ist diese verschwunden. Während Lilo halbherzig nach Lena sucht und sich kaum Sorgen um den Verbleib ihrer Tochter macht, reagiert Hanno überaus aufgeregt. Er besteht darauf, dass Lilo zurück nach Klagenfurt kommt und setzt eine umfangreiche Suchaktion in Gang. Er bittet sogar seinen alten Schulfreund Simon Rosner um Hilfe. Simon ist Kommissar, aber eigentlich nicht im Dienst, da er sich wegen seiner Alkoholsucht in einer Entzugsklinik behandeln lässt…

In einem weiteren Handlungsstrang lernt man Emil Tschauko kennen. Emil steht vor dem finanziellen Ruin und sieht kaum noch eine Perspektive für sich. Durch Zufall findet er in dem Nachlass seines Vaters ein brisantes Foto und hat eine Idee…

„Tod in den Karawanken“ ist bereits der zweite Fall rund um Kommissar Simon Rosner, dieser Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Andrea Nagele schafft schon mit den ersten Seiten eine packende Atmosphäre. Die Autorin erzählt die Geschichte flüssig und spannend, der gesamte Handlungsverlauf ist sehr gut durchdacht und psychologisch ausgefeilt - ich fühle mich direkt in das Geschehen hinein katapultiert, werde mitgerissen von einem Strudel aus gegenwärtigen und vergangenen Ereignissen und kann dabei prima über Hintergründe und Zusammenhänge Mitgrübeln und Miträtseln.

Die Akteure werden interessant und vielschichtig präsentiert, sie sind allesamt ausdrucksstark und wirken echt und glaubwürdig. Man bekommt Einblick in die Gedanken und Beweggründe jedes Einzelnen und erlebt alles, was sie durchmachen, sehr intensiv mit.

„Tod in den Karawanken“ hat mich durchweg begeistert. Unterschiedliche Perspektiven, zahlreiche offene Fragen, Rückblenden und Wendungen sorgen für eine abwechslungsreiche, lebendige Handlung und lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.03.2017
Das Haus in der Nebelgasse
Goga, Susanne

Das Haus in der Nebelgasse


ausgezeichnet

London 1900. Matilda Gray ist Lehrerin an einer Mädchenschule. Als ihre ehrgeizige, wissbegierige Schülerin Laura Ancroft nach den Ferien nicht an die Schule zurückkehrt, sondern durch ihren Vormund mit einer fadenscheinigen Begründung für längere Zeit entschuldigt wird, wird Matilda stutzig. Ein versteckter Hinweis auf einer Postkarte verstärkt Matildas Unbehagen. Sie wähnt Laura in Gefahr, beginnt nachzuforschen und stößt mit Hilfe des Historikers Stephen Fleming auf ein mehrere Jahrhunderte altes Familiengeheimnis, das bis in Lauras Generation nachwirkt und Neid, Missgunst und Rache im Gepäck hat…

In ihrem historischen Roman „Das Haus in der Nebelgasse“ entführt Susanne Goga den Leser in das ausgehende 19. Jahrhundert nach London. Die Autorin erzählt sehr anschaulich von einer spannenden Schatzsuche quer durch die geschichtsträchtigen Gassen der Stadt und lässt den Roman damit zu einer spannenden, kurzweiligen Zeitreise werden.

Susanne Goga zeichnet ein sehr authentisches Bild des damaligen Londons und präsentiert ganz unterschiedliche Facetten der Stadt. Man lernt einige Besonderheiten kennen und kann sowohl einen Blick auf die gutbürgerlichen Ecken wie auch auf die düsteren Viertel und die verborgenen Winkel Londons werfen.

Die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze und die detaillierten Schilderungen der Ereignisse haben mich durchweg begeistert. Es gelingt Susanne Goga ausgezeichnet, den Sog, den die Spurensuche auf Matilda ausübt, auf den Leser zu übertragen – man wird regelrecht von Matildas Neugierde und ihrem Forscherdrang mitgerissen.

Neben den faszinierenden Geheimnissen Londons ist auch die Stellung der Frau in der Gesellschaft ein Thema. Anders als ihre Kolleginnen ist Matilda eine unkonventionelle Lehrerin, die in der Erziehung der Mädchen nicht die Vorbereitung auf eine Rolle als Ehefrau und Mutter sieht, sondern ihre Schülerin zu selbstständigem Denken anhält und zu akademischen Tätigkeiten ermuntert.

Zudem lässt Susanne Goga eine angenehme Prise Humor und auch eine gute Portion Romantik in die Handlung einfließen – die Liebesgeschichte zwischen Matilda und Stephen entwickelt sich langsam und kommt dabei nicht ohne Hindernisse aus.

„Das Haus in der Nebelgasse“ hat mir sehr gut gefallen. Der Roman lässt sich angenehm flott lesen und hat mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mir auch interessante Einblicke in die Historie Londons ermöglicht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.03.2017
Nichts wie es war
Heinrichs, Kathrin

Nichts wie es war


ausgezeichnet

Ein Dorf im Sauerland. Der 77-jährige Anton Wieneke möchte sich in seinen eigenen vier Wänden von seinem Schlaganfall erholen. Er ist jedoch auf Hilfe angewiesen. Da seine Kinder beruflich sehr eingespannt sind, bekommt er für die alltäglichen Dinge Unterstützung von Zofia Bartoszewski, einer 33-jährigen Polin.

Anton sorgt sich sehr um seinen guten Freund Hannes. Hannes ist dement und soll angeblich seine polnische Pflegekraft Gabriella erstochen haben. Das kann und will Anton nicht glauben. Ehe Zofia sich’s versieht, ist sie nicht nur Haushaltshilfe für Anton, sondern steckt mittendrin in einer spannenden Spurensuche…

Ein zweiter Handlungsstrang beginnt ungefähr ein Jahr vor dem aktuellen Geschehen. Hier lernt man die 17-jährige Zeitungsausträgerin Michelle kennen. Michelles Familie ist zerrüttet. Ein liebevolles Zuhause hat sie nie kennengelernt. Als sie die Zeitung an Weihnachen zu einem etwas abgelegenen Gutshof bringt, beobachtet sie das fröhliche Miteinander der Familienmitglieder. Michelle wird ins Haus gebeten, um sich aufzuwärmen und fühlt sich im Kreise der Holzmers schnell wohl…

Kathrin Heinrichs versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zügig zu lesenden Schreibstil ausgezeichnet, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Die Geschichte wird spannend erzählt und lädt zum Mitgrübeln und Miträtseln über Täter, Hintergründe und Zusammenhänge ein.

Die Akteure werden interessant und vielschichtig präsentiert und wirken dabei echt und glaubwürdig. Schon nach wenigen Seiten spürt man, dass Anton und Zofia gut miteinander auskommen werden. Und das nicht nur, weil sie aufeinander angewiesen sind (Anton will nicht in ein Pflegeheim, Zofia möchte sich ein eigenes Leben aufbauen und nicht mehr unter der Fuchtel ihrer Tante stehen), sondern weil die beiden trotz aller Unterschiede die gleiche Wellenlänge haben. Es passt einfach. Selbst Sprachschwierigkeiten meistern sie prima.

Antons und Zofias Ermittlungen im „Fall Hannes“ wirken zunächst einmal sehr unbeholfen – klar, die beiden sind schließlich absolute Laien – aber sie haben einen Blick für Kleinigkeiten, nehmen die Dorfsleute und deren Angewohnheiten und Verhalten unter die Lupe und kommen dem eigentlichen Täter so Stück für Stück auf die Spur.

Das Lesen und Mitermitteln hat mir großen Spaß gemacht - „Nichts wie es war“ ist ein unterhaltsamer Krimi, der mit einer guten Portion Spannung, einem feinsinnigen Humor und vor allen Dingen mit einem äußerst sympathischen Ermittlerteam punkten kann.

Bewertung vom 21.02.2017
Schlaflos in Manhattan / From Manhattan with Love Bd.1
Morgan, Sarah

Schlaflos in Manhattan / From Manhattan with Love Bd.1


sehr gut

New York. Paige Walker arbeitet für eine große Eventagentur. All ihre Hoffnungen und Träume zerplatzen wie eine Seigenblase, als sie statt der erwarteten Beförderung eine Kündigung erhält.

Jake Romano ist auf der falschen Seite des East Rivers aufgewachsen, hat es dennoch aus eigener Kraft zu einem erfolgreichen Unternehmer gebracht. Jake ist zudem der beste Freund von Paiges Bruder Matt. Als er von ihrer Misere hört, rät er ihr, es mit einer eigenen Agentur zu versuchen.

Paige geht das Risiko ein und gründet gemeinsam mit ihren Freundinnen Eva und Frankie die Event-Concierge-Agentur „Urban Genie“. Doch die drei haben Startschwierigkeiten und benötigen Jakes Hilfe. Während der Zusammenarbeit erwachen Paiges jahrelang unterdrückte Gefühle für Jake zu neuem Leben. Sie offenbart sich ihm, doch Jake zeigt sich desinteressiert…

Sarah Morgan versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil sehr geschickt, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Schnell ist man mittendrin im Geschehen und erlebt die Turbulenzen zwischen den Protagonisten mit. Wie bei den meisten Liebesromanen ist auch hier der Verlauf der Handlung schnell vorhersehbar - macht aber nix, da die Geschichte kurzweilig und unterhaltsam erzählt wird.

Die Autorin schickt wunderbare Charaktere ins Rennen. Sie kann deren Wesen und Eigenheiten sehr gut vermitteln, so dass ich die Akteure schnell und gut kennengelernt habe. Es hat mir besonders gut gefallen, dass die Perspektive zwischen Paige und Jake hin und her wechselt – so kann man prima an den Gedanken und Gefühlen beider Hauptfiguren teilhaben und die Beweggründe für ihr jeweiliges Tun besser nachvollziehen.
Sarah Morgan hat auch ein gutes Händchen für die Nebencharaktere. Jeder Einzelne bekommt ein eigenes Gesicht und einen interessanten Hintergrund. Jeder hat einen wichtigen Platz in der Geschichte, aber keiner drängt sich in den Fokus.

„Schlaflos in Manhattan“ ist eine gefühlvoll erzählte Geschichte, die sich angenehm flott lesen lässt und mich gut unterhalten hat.

Bewertung vom 20.02.2017
Lauter Leichen
Philips, Zarah

Lauter Leichen


ausgezeichnet

Hamburg-Rissen im Juli 2015. Elli Gint kniet in der Küche ihrer Mutter über ihrem Ex-Liebhaber Peter van Wieteren und versucht ihn mit einer Herzdruckmassage am Leben zu erhalten. Erfolglos. Neben den beiden liegt ein Mann, den Elli gerade erschossen hat. Um den polizeilichen Ermittlungen zu entgehen, will Elli die Leichen unauffällig verschwinden lassen und sämtliche Spuren beseitigen. Auch erfolglos. Schon bald ist ihr Hauptkommissar Hiob Watkowski auf den Fersen. Diesem purzeln neben den beiden Toten aus dem aktuellen Mordfall immer mehr Leichen vor die Füße - frische, nicht mehr ganz so frische und auch einige bereits recht alte Leichen pflastern seinen Weg - und stets scheinen es die Frauen der Familie Gint gewesen zu sein, die ihre Finger im Spiel gehabt haben…

Der Clou in „Lauter Leichen“ sind ganz eindeutig die herrlichen und zum Teil recht skurrilen Figuren – alle werden hervorragend charakterisiert, beleben mit ihren Eigenarten, Macken und Besonderheiten die Szenerie und tragen damit kräftig zur Unterhaltung bei. Der Großteil der zahlreichen Akteure besteht aus den Gints und Anderleis - zwei reiche Hamburger Familien, deren Mitglieder es allesamt faustdick hinter den Ohren haben. Obwohl man es hier mit einer mordlustigen Truppe zu tun hat, ist irgendwie jeder Einzelne auf seine Art sympathisch und liebenswert.

Zarah Philips hat ihren Protagonisten viele lockere Sprüche in den Mund gelegt, die Dialoge sind frisch und mit ganz viel Wortwitz gespickt. Die Krimihandlung ist spannend und verzwickt und trotz der vielen Leichen weder blutrünstig noch brutal. Ich konnte durchweg prima mitgrübeln und miträtseln und wurde dank vieler unvorhersehbarer Wendungen und so mancher Überraschung am Ende von der Auflösung der Fälle überrascht.

„Lauter Leichen“ ist ein turbulenter, kurzweiliger Krimi. Ich hatte wahnsinnig viel Spaß beim Lesen. Der schwarze Humor in diesem Buch hat mich rundum begeistert und ich hoffe sehr, dass ein weiteres Abenteuer mit Elli & Co. nicht allzu lange auf sich warten lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.02.2017
Smoke
Vyleta, Dan

Smoke


sehr gut

England, Ende des 19. Jahrhunderts. Die Schüler Thomas Argyle und Charlie Cooper leben in einer Welt, in der jede Art von Sünde durch dem Körper entweichenden Rauch sichtbar wird. Kinder reicher Eltern werden auf Elite-Internats geschickt, wo sie durch Disziplinierung lernen, ihren Rauch zu unterdrücken. Auch Thomas und Charlie besuchen so ein Internat. Während eines Schulausflugs beobachtet Charlie einen Mann, der aufgrund seines sozialen Standes eigentlich rauchen müsste, doch nicht der kleinste Rauchfaden steigt von ihm auf. Die Neugierde der beiden jungen Adeligen ist geweckt und sie machen sich auf, den Grund für diese Ausnahmeerscheinung herauszufinden…

Dan Vyleta schickt seine Hauptprotagonisten in „Smoke“ auf eine abenteuerliche Reise durch unterschiedliche Gesellschaftsschichten. Thomas und Charlie lernen während ihrer Spurensuche, dass die Gesellschaft sich nicht einfach in gut und böse aufteilen lässt. Nach und nach wird ihnen klar, dass der äußere Schein (also hier der Rauch) nicht immer ein Indiz für den wahren Charakter und die wirkliche Gesinnung eines Menschen ist.
Die Jugendlichen begegnen auf ihrem Weg ganz unterschiedlichen Menschen. Sie haben es zum Beispiel mit Leuten zu tun, die skrupellos das Phänomen des Rauchs erforschen und Veränderungen erzwingen wollen. Auch treffen sie auf machtgierige, scheinheilige Menschen, die augenscheinlich eine „weiße Weste“ haben, aber eigentlich nur reich genug sind, um sich Hilfsmittel zum Beherrschen des Rauchs kaufen zu können. Wiederum andere Weggefährten zeigen ihnen, dass in der Finsternis unter Tage die Gesetze des Rauchs keine Gültigkeit haben und alle gleich sind.

Dan Vyleta erzählt sehr ausdrucksstark und wortgewandt. Er wartet mit umfangreichen Beschreibungen und detaillierten Schilderungen auf und versteht es besonders gut, dem Leser die jeweils vorherrschende Stimmung zu vermitteln. Alles wird sehr anschaulich und wortreich dargestellt: Die Herrschsucht der Reichen. Das Elend der Vielen. Die Geräusche. Die Gerüche. Die Kälte. Die undurchdringliche Finsternis, als die Jugendlichen sich mehrere Tage in einem Bergwerk verstecken müssen - die Ausführlichkeit, mit der alles beschrieben wird, war mir hin und wieder schon fast zu überbordend, da sie manchmal den Schwung aus der Handlung genommen hat. Sehr gut gefallen hat mir, dass der Autor die Geschichte aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt, so kann man sich ein recht gutes Bild von den unterschiedlichen Ansichten der Akteure machen.

„Smoke“ hat mir sehr gut gefallen. Ein spannender Roman, der Gesellschaftsordnungen und Wertvorstellungen unter die Lupe nimmt und mit interessanten Charakteren und einer tiefgründigen Handlung zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 09.02.2017
Der Jahrhunderttraum / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.2
Dübell, Richard

Der Jahrhunderttraum / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Deutschland 1891. Die Großeltern der Geschwister Otto, Levin und Amalie von Briest sind bei einem Zugunglück ums Leben gekommen. Edgar Trönicke, Privatdetektiv und Freund der Familie wird beauftragt, nach der Ursache des Unglücks zu forschen, da ein Sabotageakt nicht ausgeschlossen werden kann. Während der 21-jährige Otto ganz fasziniert ist von der Arbeit des Detektivs und gerne selbst einer werden möchte, zieht es seinen Bruder Levin in eine völlig andere Richtung: er will fliegen lernen…

In „Der Jahrhunderttraum“ katapultiert Richard Dübell den Leser direkt in das ausgehende 19. Jahrhundert und wartet wie auch schon im ersten Teil seiner Deutschland-Saga mit einer geballten Ladung Historie auf. Der Autor schildert sehr eindrucksvoll die Ereignisse zwischen Juni 1891 und Oktober 1909 und zeichnet damit ein umfassendes, vielschichtiges und vor allen Dingen sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit.

Die Anfänge der Luftfahrt sind zentrales Thema, aber auch die Entwicklungen in Politik und Gesellschaft, die Frauenbewegung, das gutbürgerliche Leben, die Mode, die Dinge des täglichen Gebrauchs und alles andere, was die Menschen damals beschäftigt und bewegt hat, fließen in die Handlung ein. In dieses facettenreiche Szenario hat Dübell die Erlebnisse der fiktiven Familie von Briest hineingeschrieben und lässt den Roman damit zu einer großartigen, spannenden, kurzweiligen Zeitreise werden.

Richard Dübell erzählt sehr anschaulich von den Geschehnissen rund um die von Briests, so ist zum Beispiel Levins überschäumende Begeisterung für die Fliegerei, als er einen Flugversuch Otto Lilienthals beobachtet, für den Leser deutlich zu spüren. Man erlebt diesen für den 16-Jährigen besonderen Augenblick genauso wie auch all die anderen aufregenden und einschneidenden Momente der gesamten Familie intensiv mit.

Außerdem schwingt durchweg der typisch Dübellsche Humor mit, der die Geschichte sehr unterhaltsam macht. Die Dialoge sind zum Teil in Mundart geschrieben und verleihen der Geschichte damit eine Extraportion Authentizität und zusätzlichen Schwung.

„Der Jahrhunderttraum“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Die fesselnde, spannend erzählte Geschichte hat mir nicht nur unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mich auch lebensnah an einem Stückchen deutscher Geschichte teilhaben lassen. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.02.2017
Die rote Löwin
Ziebula, Thomas

Die rote Löwin


sehr gut

Schwerin 1205. Ein Tross kriegerischer Wenden überfällt die Burg des Grafen Gunzelin von Schwerin. Dabei wird die Familie des Hofmarschalls Unger von Seeburg brutal ermordet, nur dessen Kinder Runja und Waldemar können nach Magdeburg fliehen und wollen bei ihrem Oheim Unterschlupf finden. Doch sie werden abgewiesen und schließen sich daraufhin in ihrer Not dem fahrender Ritter und Gaukler Jeremias an – und landen im Kerker.

Domdekan Laurenz von Magdeburg befreit die beiden und nimmt die Jugendlichen unter seine Fittiche. Während Waldemar die Domschule besuchen soll, wird Runja nicht nur von dem Domscholaster Pirmin in Latein und Griechisch unterrichtet, sondern außerdem von dem geheimnisvollen Mönch Dagomar in die Kunst des Tötens eingewiesen – vorgeblich, damit sie Rache an den Mördern ihrer Familie nehmen kann. Welch böses Spiel der machthungrige Laurenz wirklich treibt, erkennt Runja viel zu spät…

In seinem historischen Roman „Die rote Löwin“ entführt Thomas Ziebula den Leser in das frühe 13. Jahrhundert nach Magdeburg und erzählt zum einen die Geschichte einer jungen Frau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den brutalen Mord an ihrer Familie zu rächen und dabei mit nicht minder heftiger Brutalität vorgeht; und zum anderen die Geschichte eines Domdekans, der ausschließlich an sein persönliches Wohl denkt und für sein großes Ziel, Bischof zu werden, über Leichen geht.

Thomas Ziebula hat einen angenehm flott zu lesenden Schreibstil. Schon auf den ersten Seite zeigt sich, wie hervorragend der Autor in der Lage ist, dem Leser die vorherrschende Stimmung zu vermitteln – der Angriff der Wenden auf Runjas Familie wird in seinen barbarischen Einzelheiten geschildert und katapultiert den Leser hinein in eine grausame Welt aus Wut und Rache, Machtgier, Intrigen und Mord.

Die Akteure bilden eine bunte Mischung und werden lebendig und bildhaft dargestellt. Besonders Runja hat mich mit ihrem unbedingten Willen, ihren Bruder zu schützen, beeindruckt. Thomas Ziebula lässt Runja durch einen wahren Strudel an Emotionen rauschen. Wut, Angst, Hass, Liebe, Verzweiflung – es gelingt dem Autor ausgezeichnet, das Gefühlschaos, das die 18-Jahrige im Verlauf der Handlung durchlebt, zu veranschaulichen. Sie ist aufgebracht, handelt ungestüm und impulsiv. Man kann gut nachvollziehen, was sie antreibt.

Ich kannte von Thomas Ziebula bisher nur „Die Hure und der Spielmann“ – ein Roman, der mich mit seinen detailreichen Beschreibungen, ausführlichen Schilderungen und raffinierten Verwicklungen besonders begeistert hat. Auch „Die rote Löwin“ hat mich in ihren Bann gezogen, obwohl diese Geschichte ganz anders ist. Rasanter, actionreicher. Blutig und brutal. Ein im Mittelalter angesiedelter Thriller.