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Juti
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HD

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Insgesamt 773 Bewertungen
Bewertung vom 11.07.2021
Schorfheide
Falkner, Gerhard

Schorfheide


weniger gut

Gekonnte Langeweile

Ijoma Mangold hat das Buch in „lesenswert“ mal empfohlen. Er hätte zu diesem Buch auch eine Interpretation schreiben sollen, weil ich offenbar nicht zu den „literarisch Aufgeschlossenen“ gehöre, von denen der Autor in seinem Nachwort schreibt.

„GRAS, rückwärtsgesprochen“ (106) hat mir gefallen, ebenso das Gedicht von S.105, im Manila-Kapitel habe ich Rhythmus und Reim erkannt und gleich ging es mir besser.
Über weite Strecken hat der Autor aber nur die Langweile wiedergegeben, die ich mit der Landschaft Schorfheide verbinde. Ich hätte vielleicht eine Vielzahl von Wörter nachschlagen sollen, - ja den erklärende Anhang habe ich bemerkt, wobei die Leserin vorne nicht weiß, welches Wort hinten erklärt wird - wozu ich mich aber nicht aufraffen konnte.

„Ein Alter aber steht am Rande von Angermünde wie ein verschossener Elfmeter“ heißt es auf Seite 46. Originell finde ich dies - wie der Zug nach Gesundbrunnen - weil Eichendorff so nicht gedichtet hätte. Aber deswegen möchte ich dieses Gedicht nicht als große Kunst bezeichnen. Hinzu kommt, dass im Nachwort steht, dass die Metapher ermüdet sei.

Meine Landtriologie mit Ruge und Bätzing endet mit der Erkenntnis, dass ein weiterer Versuch mich den modernen Gedichten zu nähern, gescheitert ist. 2 Sterne

Bewertung vom 10.07.2021
Das Landleben
Bätzing, Werner

Das Landleben


weniger gut

Uta Ruges Buch „Bauern, Land“ ist besser

Es ist schon ein Kreuz mit den Wissenschaften. Da muss der Autor erst reihenweise seine Kollegen zitieren, um dann festzustellen, dass die Bevölkerungsdichte für die Defition des Landlebens völlig ausreicht. In schöner Regelmäßigkeit wird erstens, zweitens drittens aufgezählt, damit die Studierenden auch gut auswendig lernen können. Und das Kapitel der Alt- und Jungsiedelräume gehört schon ein Kapitel eher behandelt, damit die Chronologie eingehalten wird.

Weiter frage ich ernsthaft, ob ein Buch über Landleben 2 Seiten lang den demografischen Wandel erklären muss. Die „Drei-Sektoren-Hypothese“ wird auch häufiger benutzt, ohne sie beim Namen zu nennen. Warum zwischen einem „solaren Zeitalter“ und dem „fossilen Zeitalter“ unterschieden wird, wird lang erläutert. Diese Erklärung ist aber unnötig. Gleiches gilt für die Erläuterung, dass Traditionen angepasst werden müssen (112). Was die „autogerechte“ Stadt (138) in einem Buch zum Landleben zu suchen hat, weiß der Autor vielleicht selbst nicht.
Anfangs werden die Hochkulturen der Welt beschrieben, bevor auf den „Sonderweg“ Europa eingegangen wird. Und was ist mit China? Aber gut, Bätzing betrachtet die deutschen Verhältnisse.

Während er klare Sachverhalte noch erklärt, bleiben steile Thesen unbewiesen:
„Während alle Bauerngesellschaften in der Gegenwart die Zukunft antizipieren und ihr gesamtes Wirtschaften und Handeln so gestalten, dass es dauerhaft ausgeführt werden kann, wirtschaftet die Industriegesellschaft lediglich kurzfristig […]“ heißt es auf S.122. Aber ob die moderne Landwirtschaft mit dem chemischen Dünger wirklich nachhaltig ist, bedarf zumindest einen Beweis.
Unter Abb.15 steht: „Das Landleben war 1955 dem Mittelalter viel näher als dem heutigen Leben.“ Auch dieses Erklärung bedarf eines Beweises. Zum einen zeigen die späteren Tabellen des Autors, dass die Landwirtschaft einem steigen Wandel unterzogen ist zum anderen werden die Bauernhäuser 1955 im Gegensatz zum Mittelalter bereits an Strom und Wasser angeschlossen sein.

Im Unterschied zu Ruge behandelt Bätzing, aber nicht nur Bauern, sondern die gesamte Landbevölkerung. Durch die Modernisierung werden vermutlich ab den 50er Jahren Arbeitskräfte im Agrarbereich frei, die nicht mehr in die Stadt oder nach Amerika abwandern. Einen Statistik über den Anteil der Bauern an der Landbevölkerung fehlt. Wenn es sie nicht gibt, hätte Bätzing ein Beispieldorf auswählen sollen wie Ruge für Neubachenbruch.

Ab S.162 wird das Buch besser. Wenn die Thesen auch nicht neu sind, so sind sie gut zusammengefasst wie etwa zu den Regionalkulturen. Auch die Leitideen haben mir gut gefallen.

Lesen Sie S.162-205 und 233-250, denn für das ganze Buch gibt es von mir nur 2 Sterne.

Bewertung vom 09.07.2021
Bauern, Land
Ruge, Uta

Bauern, Land


ausgezeichnet

umfassendes Sachbuch über das Bauernleben

1783 wird begonnen ein Moor im Land Hadeln, heute im Kreis Cuxhaven, in Ackerfläche umzuwandeln, eigentlich weil der Landbesitzer und Kurfürst in Hannover so mehr Steuern generieren will. Aber damals reicht dieses karge Land gerade für die Selbstversorgung. Die Bewohner werden für 14 Jahre von Abgaben befreit.
Die dort aufgewachsene Uta Ruge berichtet nicht nur von ihrem Heimatdorf, sie erzählt im Grunde die ganze Geschichte der Bauern, angefangen in römischen Reich über die Entstehung des Adel, der die Bauern anfangs gegen Feinde, also vor allem gegenüber landraubende Nachbarn schützte. Aber die Zeit nach 1783 wird ausführlicher behandelt, selbst die Landwirtschaft der USA - wo auf den großen die Mechanisierung begann, aber auch mit dem „Dust Bowl“ in den 30er Jahren des 20. Jhs die erste Umweltkatastrophe geschah – und in der Sowjetunion, wo der gewaltsame Übergang von der Agrarwirtschaft unter dem Zaren mit Leibeigenschaft zu den Kolchose der Kommunisten nie so hohe Erträge brachte, wie sie ein selbständiger Bauer erreicht hätte.

Doch bleiben wir in Dorf der Autorin, in Neubachenbruch. Mit Napoleon kommt das bürgerliche Recht auch ins Land Hadeln. Jetzt müssen auch sie Soldaten abstellen, weil sie ihre Sonderrechte wegen des Deichschutzes an der Elbe verloren haben.
So kommt auch Uta Ruge als Kind von Bauern aus Rügen in dieses Dorf, weil ihre Eltern vor der Kollektivierung in Rügen geflohen sind. Der Vater wollte einen Hof nahe der Küste und fand ihn hier, weil der Hoferbe der Vorgänger im Krieg geblieben ist, war hier ein Hof frei, den die Eltern dank staatlicher Kredite erwerben konnten.

Und damit sind wir beim ersten Erzählstrang des Buches. Ruges Bruder Waldemar hat den elterlichen Hof übernommen und damit auch die Probleme der heutigen Landwirtschaft. Neben den niedrigen Milchpreisen, die nur ein Wachsen oder Weichen erlauben, leidet der Bauer heute unter bürokratischer Auflagen und vor allem seinem Image als Umweltverschmutzer, dabei werden die Vorschriften für konventionelle Landwirte immer strenger.

Bei ihren Besuchen vergleicht die Autorin das Leben heute mit dem Leben damals in ihrer Kindheit, als sie noch zu Fuß zur Dorfschule laufen musste und die Felder ständig von Hochwasser überflutet waren. Weidehaltung gibt es heute fast nicht mehr und wenn, dann müssen die Tiere vor dem zurückgekehrten Wolf geschützt werden. Als ich schon glaubte, der Klimawandel käme nicht vor, berichtet sie sogar über den Dürresommer 2018.

Außer dass mir manche Familiengeschichte zu lang war – ich kann mir doch nicht alle Dorfbewohner merken – hat mir nichts gefehlt, ganz im Gegenteil, ich glaube, dass dieses Buch zu einem Touristenansturm in Neubachenbruch führen wird. 5 Sterne

Bewertung vom 03.07.2021
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Schröder, Alena

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid


ausgezeichnet

gelungenes Debüt

Dieses Buch stellt überaus wichtige Fragen. So verbindet die Autorin die Me Too-Debatte mit der Guttenbergaffäre. Dabei erscheint alles noch im milden Licht, die Autorin schläft freiwillig mit ihrem Doktorvater. Aber woher wissen wir, dass man sich einen Doktortitel nicht erschlafen kann?

Bis heute ist in Deutschland nicht diskutiert worden, wieso Guttenberg für sein Kopierwerk auch noch die Bestnote bekommen hat. Gegen Ende meiner Studentenzeit las ich von einer Doktorarbeit, die sich aus mir nicht mehr erinnerbaren Gründen verzögert hatte. Der Doktorvater veröffentlichte inzwischen Teile der ihm bekannten Arbeit und nun hätte bei der Abgabe seiner Arbeit der oder die Studierende – obwohl es seine Ideen sind - seinen Professor zu zitieren, wenn er seine Arbeit abgibt.
Mir ist nicht bekannt, wie das auch im Buch angedeutete Problem gelöst wurde. Es ist Irrsinn, wenn wissenschaftliche Qualität an der Zahl der Veröffentlichungen gemessen wird.

Das zweite große Thema ist die Restitution von Kunstwerken. Nach der Lektüre wird klar, dass die Suche und ggf. Rückgabe möglicher Bilder äußerst schwierig ist.

Mir gefällt an diesem Buch, dass es nicht nur aus der Perspektive von der Doktorandin Hannah und ihrer Großmutter Evelyn erzählt. Nahezu jede im Buch vorkommende Figur erhält mindestens ein Kapitel aus ihrer Sicht. Klar, die Sicht der Hauptfiguren kommt häufiger vor. Da so für den Leser kaum noch Fragen offen bleiben, wundert es mich aber schon, warum wir nicht erfahren, wie Evelyn von Esslingen nach Berlin zurückkehrte.

Bestnote trotz dieser Frage und trotz der Trauer um den schönen Vermeer.

Bewertung vom 28.06.2021
Annette, ein Heldinnenepos
Weber, Anne

Annette, ein Heldinnenepos


ausgezeichnet

verdienter Buchpreis

Über das Leben der in der Bretagne geborenen Widerstandskämpferin in der Resistance gegen die Nazis und dann für die algerische Unabhängigkeit sowie über den Stil als Versepos ist schon genug gesagt worden.

Ich möchte deswegen darauf hinweisen, dass mir der Stil ohne Verse an Annie Ernaux erinnerte, die ihr Leben in ähnlicher Weise beschreibt. Weiter erinnert mich das Buch an „Die fabelhafte Welt der Amelie.“

Trotz des traurigen Themas behält das Buch seinen Witz, wenn von ihrer Großmutter etwa die Rede ist, dass sie „reich ist nicht an Gütern und gebildet nicht durch Lektüren.“ (8) Auch gefällt mir, dass die Autorin uns erklärt, dass mit PC weder ein Computer noch korrekte Ausdrucksweise, sondern ihre Partei gemeint ist (27). Kurz vor Kriegsende sei sie „von den Marxisten zu den Leichtsinnixten“ übergewechselt (66). Und schließlich meint sie, dass in der algerischen Unabhängigkeitsbewegung von Anfang an der Wurm drin war und fragt: „Gibt es denn Revolutionen, Staatsgründungen, Neuanfänge ohne Wurm? Wohl kaum.“ (170)

Zum Buchpreis möchte ich anmerken, dass wir im Gegensatz zu 2016 und 2018 eine würdige Preisträgerin haben. Erstmals habe ich auch die gesamte Shortlist gelesen. Bis auf die „Zuckerfabrik“ handelt sich um gute und sehr gute Bücher. Aus ihnen einen einen Preisträger zu ermitteln, erscheint mir schon fast unfair. Aber so ist das Publikum. Es will Sieger sehen. 5 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.06.2021
Bad Regina
Schalko, David

Bad Regina


gut

verstaubter K&K-Glanz

Dies war mein erstes Freibadbuch 2021. Ich wählte es, weil ich die Geschichte von Bad Gastein so interessant fand. Verfallende Orte mit dem Glanz vergangener Tage finde ich spannend.

Leider beschreibt der Roman weniger die Entwicklung des Ortes, sondern mehr die noch übrig gebliebenen 48 Bewohner von Bad Regina, wie Gastein im Roman heißt.
Und leider ist meine Aufmerksamkeit im Freibad nicht so groß, dass ich die Charaktere aller 48 Personen behalten hätte. Mit anderen Worten: Ich habe irgendwann den Überblick verloren.

Drei Personen sind mir dennoch in Erinnerung geblieben: Othmar, die Hauptperson, Alkoholiker, Mastubierer und stets gelangweilt, der Chinese Chen, der den ganzen Ort aufkauft und dann nachher von den Dorfbewohner, aber das will ich nicht verraten. Außerdem gibt es in jeder Gruppe immer nur einen Mörder. Und dann war da noch der als Mörder verurteilte Pfarrer, der sich für den Ort opferte.

Mir fällt die Bewertung schwer. Vielleicht tue ich dem Buch unrecht, da ich nicht voll konzentriert war und lasse ihm 3 Sterne. Vielleicht aber wird die nächste Leserin sagen, dass dies zu viel ist. Ich habe in diesem zu Ende gehenden Monat noch kein gutes Buch gelesen, von daher wird auch meine Bewertung großzügiger.

Bewertung vom 23.06.2021
Buch der Zahlen
Cohen, Joshua

Buch der Zahlen


schlecht

Lust verloren

Eigentlich schade, der Autor hat ein umfängliches Wissen in vielen Bereichen. Auf S.42 zeugt eine Deckenpaneele von seinem Schachwissen, das auch auf S.52 auftaucht. Cohen versucht auch neue Wege zu gehen, in denen er im zweiten Teil die Biografie des Computer-Spezialisten mit durchgestrichenen Sätzen füllt.

Selbst mit dem Wissen, dass selbst Experten nur die Hälfte des Buches verstanden haben und ich über Quellcodes einfach hinweglesen konnte, verlor ich aber mehr und mehr das Interesse. Ich habe schon die Arabien-Reise im ersten Teil nicht verstanden und der zweite Teil wurde nicht besser.

Immerhin 423 schnell gelesene Seiten habe ich geschafft, knapp mehr als die Hälfte, dann legte ich es weg und sehe dieses Buch als gescheitertes Experiment an. 1 Stern.

Bewertung vom 17.06.2021
Brüste und Eier
Kawakami, Mieko

Brüste und Eier


weniger gut

übergelobtes Frauenbuch

Dieses Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten will sich die Schwester der Ich-Erzählerin die Brüste vergrößern lassen. Sie hat eine Tochter, die nicht mit ihr spricht, aber Tagebuch führt und gerade in der Pubertät ist.

Während hier die Erzählperspektive wechselt, besteht der zweite Teil fast nur aus Dialogen mit der Ich-Erzählerin, die ein Kind will, aber Sex verabscheut. So geht es um Samenbanken, um bekannte und unbekannte Väter, um die Herabschätzung kinderlose Frauen und um Kinder, die per Samenspende gezeugt wurden und jetzt ihren Vater suchen. Das alles wird langatmig, weil erst eine Gesprächssituation entstehen muss, die diese Themen zulässt. Einzig der Hengst, der seinen Samen über allen Klee lobte, hat mir gefallen. Und das Ende ist so absehbar, dass ich es auch verraten könnte.

3 Sterne für den ersten Teil, 2 für den zweiten. Da der zweite Teil länger ist, setzt er sich durch.

Bewertung vom 14.06.2021
Feministin sagt man nicht
Herbst, Hanna

Feministin sagt man nicht


sehr gut

Gelungenes Büchlein zur MeToo-Debatte

Ich glaube, dass dieses Buch beim Bachmannpreis 2018 erwähnt wurde und deswegen auf meine Leseliste kam. Inzwischen hat sich die Aufregung verzogen, dass es immer noch Männer gibt, die ihre Machtposition gegenüber Frauen ausnutzen, kann kaum bezweifelt werden.

Ganz kurz zusammengefasst spricht sich die Autorin gegen Gewalt aus und auch gegen Komplimenten von Männer, deren Beziehung zur Frau nicht durch Liebe sondern beispielsweise im Beruf zustanden kommt. Frauen wollten aus Höflichkeit nicht immer direkt ablehnen.

Die Aufmachung des Büchleins, die großgedruckten Zitate, die klar getrennten Kapitel laden zum Lesen ein. Einen Stern muss ich aber abziehen, weil ich nichts Neues gelesen habe. 4 Sterne